Gründerzeit

historische Periode der Neuzeit in Mitteleuropa; die ersten zwei Jahre nach der Gründung des deutschen Kaiserreichs (1871–1873)
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Als Gründerzeit wird die wirtschaftliche Blütezeit in Deutschland und Österreich im 19. Jahrhundert bis zum Ersten Weltkrieg bezeichnet. In der Architektur spricht man auch vom Gründerzeitstil, der viele in dieser Zeit gebaute bürgerliche Wohnhäuser und Mietskasernen prägt, aber auch die verschiedenen Stilrichtungen des Historismus jener Zeit.

Gründerzeit in Deutschland

In Deutschland wird als Gründerzeit die Epoche nach dem Deutsch-Französischen Krieg von 1870/1871 bezeichnet. Der einsetzende Aufschwung durch das Geld aus den französischen Kontributionen (4 Mrd. Mark) wurde genutzt, um den Vorsprung der anderen europäischen Nationen auf dem Gebiet der Industrialisierung aufzuholen.

Während der Beginn der Gründerzeit mit dem wirtschaftlichen Aufschwung nach dem Deutsch-Französischen Krieg recht klar definiert ist, ist das Ende eher fließend. Einschneidendes Erlebnis für die meisten war der Gründerkrach, bei dem die künstlich aufgeblasenen Aktienkurse wie Seifenblasen platzten und viele Kleinanleger ihre Ersparnisse einbüßten. Dem Krach folgte die so genannte Gründerkrise, die in wirtschaftspolitischer Hinsicht die Abkehr vom Wirtschaftsliberalismus mit sich brachte.

Wirtschaft

Gründerjahre

Als „Gründerjahre“ oder „Gründerboom“ bezeichnet man die Zeitspanne von der Gründung des deutschen Kaiserreichs bis zum Beginn der Wirtschaftskrise (Gründerkrise), also vom Januar 1871 bis zur Mitte des Jahres 1873.

Die Zeit ist geprägt durch zahlreiche Gründungen von Firmen und Aktiengesellschaften, die starke Erweiterung der Industrieproduktion und die Ausdehnung des Eisenbahnnetzes, welche im Deutschen Reich maßgeblich durch den Eisenbahnpionier Strousberg betrieben wurde. Dieses Wachstum wurde durch mehrere Faktoren hervorgerufen und begünstigt.

Ein Faktor war der gegen Frankreich gewonnene Krieg (1870/71), der sich in mehrerlei Hinsichten auswirkte. Zunächst flossen durch den Frieden von Frankfurt französische Reparationszahlungen in Höhe von etwa fünf Milliarden Francs (entspricht etwa 4,5 Mrd. Mark) nach Deutschland, von denen etwa 2,5 bis 3 Mrd. Francs direkt dem deutschen Kapitalmarkt (Kreditinstitute und Börsenplätze) zugute kamen. Weiterhin war während des Krieges ein großer Teil der Industrieproduktion auf den Krieg ausgerichtet gewesen, sodass nun längst Überfälliges realisiert werden konnte. Der Aufschwung glich also lediglich die Reduzierung der Industrieproduktion in den vorherigen Jahren aus.

Ein weiterer Grund für das wirtschaftliche Wachstum war, dass in Deutschland 1870 die Konzessionspflicht für Aktiengesellschaften aufgehoben wurde; das heißt die Gründung von Aktiengesellschaften unterlagen weniger strengen gesetzlichen Einschränkungen. Zum Beispiel konnte eine Aktiengesellschaft mit nur 50% des Nennwertes ausgestattet werden. Die Folge war die Gründung von über 500 Aktiengesellschaften von 1871 bis 1873 allein in Preußen. Dadurch wurde immer mehr privates Kapital in die Wirtschaft investiert. Die Wirtschaft wuchs rasant; ebenso stiegen die Kurse der Aktien. Das schaffte Vertrauen in den Markt und veranlasste weitere Aktionäre zu Aktienkäufen.

Gründerkrach von 1873

Die Folge des rasanten wirtschaftlichen Auftstieges war, daß sich die Lager füllten und ein gnadenloser Konkurrenzkampf entbrannte, der die Gewinne wiederum sinken ließ. Somit sanken allmählich ab Mai 1873 auch die Aktienkurse.

Als Mitte des Jahres 1873 ein Bankhaus in Budapest Einzahlungsforderungen nachkommen musste, wurden auch schon kurze Zeit später weitere Banken in Wien zahlungsunfähig. Durch diese Ereignisse wurden immer mehr Anleger und Bankkunden misstrauisch, verkauften ihre Wertpapiere und „räumten ihre Konten“ aus Angst vor Wertverlusten. Dadurch wurde dem Kapitalmarkt viel Geld entzogen, wodurch sich die Krise auf immer mehr europäische und amerikanische Börsenplätze ausweitete, bis im Oktober 1873 auch Berlin betroffen war. Zur gleichen Zeit wurde an Deutschland die letzte Reparationszahlung transferiert.

Für die deutsche Industrie fielen also für die Geldbeschaffung gleich zwei Möglichkeiten weg. Für eine Erhöhung der Produktivität, die im Vergleich zu England geringer ausfiel, wäre aber Geld dringend nötig gewesen. So waren aus England importierte Industriewaren um etwa 30% günstiger als deutsche.

Offenbarungseide, Selbstmorde und Familientragödien häuften sich. Die Produktion ging zurück, es kam zu umfangreichen Entlassungen und Lohnkürzungen. Die Wirtschaft steckte fortan in einer Krise. Viele Menschen wanderten in die USA aus.

Gründerkrise

Durch den Gründerrausch waren in Deutschland Überkapazitäten geschaffen worden. Doch diese konnten auch nicht durch Export abgebaut werden, weil es in anderen Staaten genauso Überkapazitäten gab. Da aber England produktiver war, wurde von dort Roheisen importiert, wodurch der Absatz deutschen Roheisens erschwert wurde. Dieses Erscheinungsbild lässt sich auch auf andere Industriegüter und landwirtschaftliche Erzeugnisse übertragen. So wurde der Ruf nach „Schutzzöllen“ auf ausländische Importe laut, um deutsche Produkte und somit den deutschen Markt zu schützen.

In der Zeit von 1873 bis 1876 gingen in Deutschland 61 Banken, 4 Eisenbahngesellschaften und über 100 Industrieunternehmen in Konkurs. Das führte zu einem Produktionsrückgang und Verfall der Geldvermögenswerte.

Man kann bei dieser Wirtschaftskrise eigentlich nicht von einer Depression, sondern nur von einer Stagnation sprechen, da in dieser Zeit nur die in den vorhergehenden Jahren überhöhten Wachstumsraten ausgeglichen wurden.

Folgen der Gründerkrise

Die Gründerkrise hatte zur Folge, dass der Staat wieder mehr in die Wirtschaftsabläufe eingriff und sich somit vom Wirtschaftsliberalismus verabschiedete. Konkret bedeutete dies die Abkehr von der Idee des Freihandels.

So führte man Schutzzölle auf ausländische Importe ein, um den deutschen Markt zu schützen. Im Deutschen Reich wurde das Preisniveau künstlich über dem des Weltmarktniveaus gehalten. Diese Zölle wurden sowohl auf Rohstoffe und Fertigwaren als auch auf landwirtschaftliche Erzeugnisse erhoben.

Tatsächlich erhöhten sich dadurch die Preise für Industriewaren, die lang anhaltende Aufwärtsbewegung blieb jedoch aus. Die während der Gründerjahre geschaffenen Überkapazitäten existierten schließlich immer noch und konnten auch jetzt noch nicht im Ausland abgesetzt werden, da viele andere europäische Staaten ebenfalls zu ‚protektionistischen’ Maßnahmen griffen.

Der verlorene Glaube an die liberale Wirtschaftspolitik drückte sich auch dadurch aus, dass die Nationalliberale Partei 1871 mit 125 Sitzen im deutschen Reichstag etwa 31% der Plätze besetzte, 1881 aber mit 47 Sitzen nur noch einen Anteil von etwa 12% hatte.

Die von der Krise betroffenen Wirtschaftsbereiche ergänzten die staatlichen Maßnahmen durch eigene. Kartelle und ähnliche Zusammenschlüsse wurden gegründet, um wettbewerbsbehindernde Absprachen zu treffen, die vor einem weiteren Preisverfall schützen sollten. Preise von Produkten, Produktionszahlen und Absatzgebieten wurden unter den Firmen ausgehandelt.

Es schlossen sich Interessenverbände zusammen, um Forderungen gegenüber der Regierung durchzusetzen. Arbeitgeberverbände wurden gegründet; auf der anderen Seite entstanden immer mehr Gewerkschaften.

Folgen der neuen gesetzlichen Bestimmungen

Aufgrund der Einfuhrzölle stiegen die Lebenshaltungskosten in der Folgezeit an; besonders Lebensmittel und Industriewaren wurden teurer. Bevor die Importzölle auf Getreide erhoben worden waren, wurde es erheblich günstiger aus dem Ausland importiert. Durch die steigenden Zölle wurde dies zunehmend reduziert, so dass die Preise für Brot und andere Getreideprodukte um die Jahrhundertwende bei etwa 130 % des Weltmarktniveaus lagen, jedoch eine Vollbeschäftigung in der Landwirtschaft erreicht wurde.

Zwar sanken auch im deutschen Kaiserreich die Preise für Industriewaren. Allerdings fielen die Preissenkungen auf dem Weltmarkt wesentlich höher aus, so dass man relativ zum Weltmarktniveau von einer Preissteigerung sprechen kann. Nichtsdestoweniger wurde für Industriewaren 1886 im Vergleich zu 1871 etwa 80 % mehr ausgegeben. Dies hing damit zusammen, dass solche Güter immer häufiger konsumiert wurden und die Bevölkerung trotz der Auswanderungswelle gewachsen war.

Gemessen an der Wertschöpfung in Industrie und Handwerk, dem Kapitalstock und dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum entwickelte sich die Wirtschaft ab 1879/80 also positiv.

Gründerzeit in Österreich

 
Wiener Stadtbahnstation Karlsplatz von Otto Wagner 1898.
 
Wiener Staatsoper
 
Kunsthistorisches Museum
 
Das Ausstellungshaus der Wiener Secession

In Österreich beginnt die Gründerzeit, etwas früher als in Deutschland, um 1850 mit dem Beginn der Industrialisierung des Raums Wien, der Sudetenländer, der Obersteiermark und Vorarlbergs und der Anbindung der Kronländer durch Eisenbahnen (erste Dampflockstrecke 1837), und endet mit dem Wertewandel im ersten Weltkrieg und dem Ende des Absolutismus der Habsburger.

Wien, die Haupt- und Residenzstadt von Kaiser Franz Joseph , wird ab 1850- nach der gescheiterten Märzrevolution von 1848- durch die Eingemeindung der Vorstädte bzw. den Zuzug Hunderttausender, besonders aus Böhmen und Mähren, zur sechstgrößten Millionenstadt der Welt. Die Ringstraße wird an Stelle der alten Stadtmauer gebaut, Wohnbau und -spekulation blühen, und das durch die gestiegene Bedeutung von Gewerbe und Handwerk wohlhabend, und gegenüber dem eher agrarwirtschaftlich abhängigen Adel und der mittellosen Arbeiterschaft, mächtig gewordene Bürgertum setzt sich mit Prachtbauten des Historismus und später des Jugendstils Denkmäler.

Einen ersten Höhepunkt der optimistischen Hochblüte des Liberalismus in der Österreich- Ungarischen K&K- Monarchie stellte die Zeit von 1867 bis zum Börsenkrach 1873 dar. Nach den Konjunkturtiefs um 1880 und 1890 begann um 1895 durch die revolutionären Entwicklungen des Maschinenbaus, der chemischen Industrie und der Elektrotechnik eine Epoche der Hochkonjunktur und der kulturellen Blüte, die allerdings durch die steigenden nationalstaatlichen Separationsbestrebungen der vielen Völker der Habsburgermonarchie und dem Herannahen des ersten Weltkriegs einem Gefühl der Degeneration, Dekadenz und einem diffusen Weltschmerz des Fin de siècle bzw. der Belle Epoque wich. Gerade dieses Lebensgefühl prägte in der Wissenschaft die Wiener Schulen, in der Architektur die Wiener Secession und die Wiener Werkstätte und im Verlauf die Wiener Moderne. Der erotische Roman Josefine Mutzenbacher und die Werke Arthur Schnitzlers oder Karl Krauss beschreiben hautnah das gesellschaftliche Geschehen.

Es entstanden neue soziale Probleme durch die starke Wohnungsnachfrage und die Proletarisierung der vom Land oder den Provinzen der Monarchie zugezogenen ehemaligen Knechten und Mägden die in den entstandenen Mietskasernen zu hohen Mietpreisen, bestenfalls auf Zimmer und Küche mit Wasser und Toilette am Gang, schlechtestenfalls mit 10 Personen in einer Kleinstwohnung, in armseligen Verhältnissen lebten. Dazu kam dass der Habsburger Staat seine Aufrüstungsprogramme vor allem über Verbrauchersteuern finanzierte und auch deshalb die Inflation enorm stieg. Selbst kleine Beamte waren nicht mehr in der Lage, ihren Lebensunterhalt mit Hilfe ihres Gehaltes zu bestreiten. Oft reichte das Geld aber auch nur für eine Unterkunft als Bettgänger der sein Lager nur zu bestimmten Zeiten benutzen durfte. Teuerungsproteste hielten bis zum Kriegsausbruch 1914 an und führten im Herbst 1911 zu Massenkrawallen. Junge Mädchen verdingten sich typischerweise als Dienstmädchen oder Wäscherin bei Klein- oder Großbürger, Männer als Fabrikarbeiter oder Tagelöhner- wer Glück hatte schaffte den Aufstieg zu Bahn, Post oder ins Beamtentum des "Wasserkopf Wien" und konnte sich vielleicht sogar eine Sommerfrische im Wienerwald leisten.

Architektur

 
Prunkvolles Leipziger Gründerzeitensemble von Arwed Rossbach aus dem Jahre 1892

Noch heute gibt es in vielen deutschen Städten eine große Zahl von Wohnbauten aus der Gründerzeit, die oftmals ganze Straßenzüge oder gar Stadtviertel umfassen. Sie sind ab 1870 in Anbetracht der rasch wachsenden Bevölkerung und dem Zuzug der Landbevölkerung in die städtischen und industriellen Ballungszentren entstanden. Als Ende des Gründerzeitstils muss der Ausbruch des ersten Weltkrieges 1914 bzw. der Werteumbruch am Ende der Kaiserzeit 1918 gesehen werden.

Typisch für den Baustil, der sogenannten Gründerzeitarchitektur, ist die meist von privaten Wohnungsbaugesellschaften errichtete etwa vier- bis fünfgeschossige Blockrandbebauung mit ihren reich dekorierten Fassaden, deren Einzelformen den einzelnen Neostilbewegungen des 19. Jahrhunderts folgen (Neugotik, Neorenaissance, Deutsche Renaissance, Neobarock). Häufig wird die Gründerzeitarchitektur fälschlicherweise auch als Jugendstil bezeichnet. Vom Krieg weitestgehend verschonte, für Deutschland ungewöhnlich geschlossen erhaltene Ensemble finden sich z.B. in Görlitz, Fürth und Bonn, das das größte zusammenhängende Gründerzeitviertel, die Südstadt (Bonn), aufzuweisen hat.

Die Fassaden sollten nicht nur in ihrer Größe und ihrem jeweiligen Reichtum, sondern auch in ihrem geschossigen Aufbau die soziale Stellung ihrer Bewohner spiegeln. So etwa wurde die erste Etage bzw. das Hochparterre meist "Bel Etage" genannt und war mit ihren besonders hohen Decken und ihren reichen Stuckverzierungen dem wohlhabenderen Bürgertum vorbehalten. Nach oben wurde die soziale Stellung der Bewohner mit abnehmender Geschosshöhe meist immer geringer. Dabei wurde die oberste Etage mit ihren oft nur noch lukenartig kleinen Fenstern in der Regel von den Dienstboten und anderen Angehörigen der unteren sozialen Schichten bewohnt.

In vielen neu entstandenen Wohnvierteln wurden innerhalb der Blockrandbebauung in Hinterhäusern und Hinterhöfen oftmals zahlreiche weitere Quartiere für die Arbeiter errichtet, häufig auch in räumlicher Nähe zu den Arbeits- und Werkstätten. Die überbelegten Einraumwohnungen der Arbeiterklasse mit ihren oft miserablen und gesundheitsschädigenden unhygienischen Wohnbedingungen wurden von etlichen Reformern seit Ende des 19. Jahrhunderts sehr beklagt. Sie haben unter anderem die Ideen der Gartenstadtbewegung (siehe dazu Ebenezer Howard) und so manches Reformprojekt in Deutschland beflügelt.

 
Gründerzeitfassade Aachen 1899

Insbesondere unter dem Schlagwort »Luft, Licht und Sonne« wurden in 20er-Jahren in polemisch propagandistischer Absicht diese Hinterhofwohnbedingungen, insbesondere der Berliner Gründerzeitviertel, als Gegenbild verwendet, zur Begründung der nun vielfach zeilenartigen angeordneten Baukörper in dem insgesamt aufgelockerten Siedlungsbau der Neuen Sachlichkeit (z.B. die Siedlung Dammerstock von Walter Gropius und Otto Haeseler oder die Hufeisensiedlung von Bruno Taut).

Die Ablehnung der Gründerzeitarchitektur hat weit über die 20er-Jahre hinaus nach dem zweiten Weltkrieg die Ideen der „modernen“ Architektur zum Städtebau und Wiederaufbau über viele Jahrzehnte hinweg beflügelt und diente den Vertretern des »modernen Städtebaus« noch bis Ende der 60er-Jahre als Gegenleitbild zu der Errichtung der Trabantenstädte. In deutschen Großstädten wurden zahlreiche Gründerzeitviertel im Zuge von Totalsanierungen vollkommen abgerissen und durch freistehende Einzelblocks oder Hochhausarchitekturen ersetzt (z.B. Abriss und Neubau des Hansaviertel in Berlin 1957; der nahezu völlige Abriss der gesamten Innenstadt war geplant). Von Einzelvillen wurden die Außenstuckelemente abgeschlagen und die Fassaden stattdessen mit Gelbklinker verkleidet.

Ende der 60er-Jahre entwickelte sich jedoch zunehmende Kritik an derartigen „Sanierungen“, am Funktionalismus allgemein wie auch an der offensichtlichen Unwirtlichkeit des modernen Nachkriegsstädtebaues. Zu Beginn der 70er-Jahre wurde daher der weitere Abriss der Gründerzeitarchitektur gestoppt. Viele dieser Bauten wurden unter Denkmalschutz gestellt und man ging zur behutsameren Sanierung der noch verbliebenen Bausubstanz über. Seitdem wird die städtische Gründerzeitarchitektur in ihrer Urbanität vom wohlhabenden Bürgertum als besonderes begehrte Wohnform wiederentdeckt und hat inzwischen dazu geführt, dass die in den 50er- bis 70er-Jahren errichteten Wohnblocks und Trabantenstädte zu Quartieren der ärmeren Bevölkerungsschichten wurden.

Auch städtebaulich werden die Relationen der damals geschaffenen Stadtteile nachträglich als human und angenehm empfunden. Die Relation von Gebäudehöhe zur Straßenbreite sowie das Vorhandensein von Mischgebieten (Wohnen und Gewerbe) und Ladenflächen trägt dazu bei.