Operation Spring

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Operation Spring ist die Bezeichnung für mehrere Razzien der österreichischen Polizei in den Jahren 1999 und 2000, die sich ausschließlich gegen Menschen mit dunkler Hautfarbe richteten. Mit den konzertierten Operation Spring-Polizeiaktionen sollte die Entschlossenheit der österreichischen Exekutive und Justiz gegenüber Ausländern und mutmaßlichen Drogenhändlern untermauert werden, unter anderem auch mit dem ersten großen Lauschangriff.

Operation Spring und die Folgen

Operation Spring ist die größte kriminalpolizeiliche Aktion in Österreich seit 1945. Insgesamt werden an die 100 Afrikaner verhaftet. Die Medien berichteten von einem noch nie da gewesenen Erfolg der Polizei im Kampf gegen die organisierte Kriminalität: "Mit Hilfe des ersten Großen Lauschangriffs sei es gelungen, die Bosse eines international agierenden nigerianischen Drogenrings festzunehmen".

In den folgenden Jahren entwickelt sich daraus das größte Justizverfahren gegen Afrikaner in Österreich. Fast alle Angeklagten werden verurteilt. Das gesamte Strafausmaß beträgt mehrere hundert Jahre Haft.

Die von Polizei und Justiz angewendeten Methoden riefen Unmut nicht nur bei Menschenrechtsorganisationen hervor. So wurden

  • Lauschangriff-Protokolle falsch übersetzt,
  • Videobänder als unbrauchbar eingestuft,
  • im Zuge der Amtshandlungen Personen verletzt,
  • der Besitz eines Handys als strafbare Handlung gewertet.
  • Der Verdacht der Abgabe einer unbekannten Menge Drogen zu nicht bestimmbaren Zeiten, an nicht mehr eruierbaren Orten, an unbekannte Abnehmer hat zur Verurteilung gereicht.

Über 100 Afrikaner wurden zu teils langjährigen Haftstrafen verurteilt.

Die Vorgänge rund um diese Polizeiaktion und die Prozesshintergründe wurden von Angelika Schuster und Tristan Sindelgruber dokumentarisch verfilmt [1]. Premiere dieses Dokumentarfilmes war am 23. September 2005 in Kinos in Wien und Graz.

Die Folgen der erneuten Aufarbeitung sind noch nicht abzusehen. Die Justizministerin und Innenministerin gaben diesbezüglich nur knappe Kommentare ab und machten ihre weitere Vorgehensweise abhängig vom Ausgang noch ausstehender Strafverfahren zu diesem Themenkomplex.

Drogenbosse, Kleinkriminelle oder Justizopfer?

Obiora C-Ik Ofoedu

Auch der aus Nigeria stammende Literat und politische Aktivist Obiora C-Ik Ofoedu wurde im Zuge der "Operation Spring" verhaftet. Zunächst wurde Ofoedu aufgrund von Polizeiinformationen an die Medien als Drogenboss gehandelt. Charles Ofoedu war Teil der Plattform für eine Welt ohne Rassismus. Nach seiner Enthaftung nach 3 Monaten in Untersuchungshaft, arbeitete er weiter in der Plattform. Ofoedu wurde im Jahr 2000 schließlich rechtskräftig wegen Geldwäsche - er hatte für Landsleute Geld überwiesen, das aus Drogenhandel stammte - verurteilt. Für alle anderen ihm ursprünglich zur Last gelegten Verbrechen erhob die Staatsanwaltschaft keine Anklage, bzw. wurde er davon frei gesprochen und anschließen für 3 Monate in Schubhaft genommen, nachdem die Fremdenpolizei ein 10-jähriges Aufenthaltsverbot verhängt hatte. Seine Erlebnisse mit der österreichischen Justiz verarbeitete er im Buch "Morgengrauen". Den Vorwurf, Ofoedu sei der Kopf eines international agierenden Drogenrings, musste die Justiz fallen lassen. Schon unmittelbar nach seiner Verhaftung herrschte in der Plattform die Meinung, dass Charles aus politischen Gründen zum Drogenboss konstruiert werden sollte.

Emmanuel Chukwujekwu

Auch Chukwujekwu wurde 1999 als Drogenboss präsentiert. Nachdem er in erster Instanz deswegen zu 9 Jahren Haft verurteilt wurde, erfolgte in der zweiten Instanz ein Freispruch. Der oberste Gerichtshof hob die Urteile wieder auf und der Fall wurde wieder an die erste Instanz verwiesen. Ende Dezember 2005 wurde Chukwujekwu, nachdem er fast 4 Jahre und 9 Monate in Untersuchungshaft verbracht hatte, in erster Instanz zu genau 4 Jahren und 9 Monaten Haftstrafe verurteilt. Nach Ansicht des Gerichts konnte Chukwujekwu nun als Drogenverpacker überführt werden. Dieses Urteil ist nicht rechtskräftig, es wurde Berufung eingelegt.

Kommentare zu den Operation Spring-Prozessen

  • Peter Pilz (österreichischer Nationalratsabgeordneter) am 30. Dezember 2005 auf seiner Homepage: ... Ich vermute, dass mit den „Beweisen“ der Operation Spring Schuldige und Unschuldige verurteilt wurden. ... Ein ähnlicher Prozess gegen russische Mafiosi hätte in einem Fiasko geendet. ... hätten internationale Spitzenanwälte die „Beweise“ in der Luft zerrissen. Polizei und Staatsanwaltschaft wären in einem Sumpf der Lächerlichkeit unter gegangen. Die Stümper des österreichischen Rechtsstaats hätten eine verheerende Lektion erhalten. ...
  • Max Edelbacher, leitender Kriminalbeamter als Fazit zur Operation Spring: ... Die angewandten Methoden waren nicht erfolgreich ... Das Ergebnis ist nicht von bleibendem Wert. Größere Drogenbosse konnten nicht verhaftet werden ... Heutzutage verfolgt die Polizei eine andere Strategie, und konzentriert sich auf die Verfolgung der kleinen Straßenhändler ...
  • Karin Gastinger (Justizministerin) in einer parlamentarischen Anfragabeantwortung am 08. Dezember 2005, BMJ-Pr7000/0088-Pr 1/2005: ...Es ging um eine rein juristische Bewertung der im Film dargestellten Misstände und Ungereimtheiten ... Der Dokumentarfilm wurde von allen Anwesenden ambivalent beurteilt. Wenn Verfahrensergebnisse auf falschen Übersetzungen und Zeugenaussagen aufbauen, schürt dies natürlich Zweifel, ob die Rechtsfindung zutreffend war. Andererseits ist es ein Manko dieser Dokumentation, dass die Sicherheits- und Anklagebehörden nicht zu Wort gekommen sind, um eine ausgewogene Darstellung zu erreichen ... Weisungen des BMJ kommen nur bei kontroversiellen Standpunkten in Frage, die im Bereich des in Rede stehenden Verfahrenskomplexes allerdings nicht vorliegen.

Literatur

  • Verein für antirassistische Öffentlichkeitsarbeit / Gesellschaft für Menschenrechte von Marginalisierten und MigrantInnen: 1000 Jahre Haft - Operation Spring und institutioneller Rassismus. Resümee einer antirassistischen Gruppe. 2005 ISBN 3-200-00374-X [2]
  • Obiora Ofoedu: Morgengrauen. Mandelbaum, 2000, ISBN 3-85476-033-7

Film

Ausgezeichnet mit dem Wiener Filmpreis 2005:

  • Sindelgruber Tristan, Film- & Multimediaproduktion. Angelika Schuster, Tristan Sindelgruber: Operation Spring . 2005

Siehe auch

Plattform für eine Welt ohne Rassismus

Medienberichte