Politische Parteien in Südtirol

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Politische Parteien sind organisierte Zusammenschlüsse von Menschen, die das Ziel verfolgen, politische Macht zu erringen, um ihre sachlichen oder ideellen Vorstellungen zu verwirklichen. Aus diesem Grund streben Parteien grundlegend danach, Führungspositionen in bedeutenden gesellschaftlichen Institutionen zu besetzen (z.B. in staatlichen Gremien, aber auch in formal unpolitischen Vereinen und Verbänden). Parteien sind dadurch wiederum entscheidend am Auf- und Umbau dieser Institutionen beteiligt.

Im öffentlichen Leben erfüllen Parteien drei wesentliche Funktionen:

  • Sie bündeln Interessen und artikulieren sie in der Öffentlichkeit
  • Sie beeinflussen die Auswahl von politischem Führungspersonal
  • Sie bestimmen den öffentlichen Diskurs und sorgen dadurch für die Legitimation (manchmal auch für den Legitimationsentzug) eines praktizierten Herrschaftssystems

In Südtirol agieren politische Parteien seit Mitte des 19. Jahrhunderts auf mehreren institutionellen Ebenen, um Interessen zu formulieren und Ziele umzusetzen, die mit dem gesellschaftlichen Leben der Bevölkerung in dieser Region in Zusammenhang stehen. Seit der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts kommt dabei den gesetzgebenden Institutionen auf Regional- und Provinzialebene (vor allem dem Südtiroler Landtag) besondere Bedeutung zu. Politische Parteien agieren jedoch auch in den kleineren Dorf- und Stadtgemeinden; und sie artikulieren ihre Interessen auf gesamtstaatlicher und europäischer Ebene, zumal das gesellschaftliche Leben in der Provinz Bozen gleichzeitig Teil der gesellschaftlichen Realität Italiens und Europas ist.

Provinzialebene

 
 
Gebäude des Südtiroler Landtags in Bozen

Der Südtiroler Landtag ist seit Verabschiedung des Zweiten Autonomiestatus für Südtirol durch das italienische Parlament im Jahr 1972 das wichtigste Gesetzgebungsorgan der Provinz Bozen. Bei den Landtagswahlen, die im Fünfjahresrythmus stattfinden, werden die 35 Mandate des Landtags proportional nach Stimmenstärke der wahlwerbenden Parteien (d.h. unter Anwendung des Verhältniswahlsystems) vergeben.

Die Landtagswahlen im Jahr 2008 ergaben für die laufende Legislaturperiode 2008-2013 folgende Mandatsverteilung:

Der Südtiroler Landtag bestätigt mit absoluter Stimmenmehrheit die Mitglieder der Südtiroler Landesregierung. Die Landesregierung sorgt für die konkrete Umsetzung der Landesgesetze, wofür sie über einen entsprechenden Verwaltungsapparat und weiterführende Entscheidungskompetenzen verfügt. Gegenwärtig besteht die Landesregierung aus 8 Mitgliedern, wovon 6 (inkl. des Landeshauptmanns) der Südtiroler Volkspartei und zwei dem Partito Democratico angehören.

Landtagswahlergebnisse und Mandatare seit 1948

Regionale Ebene

 
Die Provinz Bozen (grün) und die Provinz Trient (blau) bilden gemeinsam die Region Trentino-Südtirol. Die Provinz Bozen umfasst auf kommunaler Ebene wiederum 116 Gemeinden (grau umrandet).

Die Provinz Bozen (Südtirol) bildet seit Inkrafttreten der italienischen Verfassung im Jahr 1948 gemeinsam mit der Provinz Trient die Region Trentino-Südtirol. Ihr oberstes Gesetzgebungsorgan ist der Regionalrat, dem die 35 Mandatare des Südtiroler Landtags gemeinsam mit den 35 Mandataren des Trentiner Landtags angehören.

Bis 1972 lagen die bedeutendsten Gesetzgebungskompetenzen zur Ausgestaltung der verfassungsrechtlich verankerten Regionalautonomie für Südtirol beim gemeinsamen Regionalrat mit dem Trentino. Mit Verabschiedung des Zweiten Autonomiestatuts im italienischen Parlament gingen im Verlauf der 1970er- und 80er-Jahre zahlreiche Kompetenzen vom Regionalrat auf die beiden Landtage von Trient und Bozen über, weshalb dem Regionalrat für Trentino-Südtirol seit den 1990er-Jahren nur mehr geringe politische Bedeutung zukommt. Der Regionalrat tagt abwechselnd in den Räumlichkeiten der Landtage von Trient und Bozen.

In der laufenden Legislaturperiode 2008 bis 2013 haben sich die 70 Mandatare aus den beiden Landtagen von Trient und Bozen zu folgenden Fraktionen zusammengeschlossen:

Der Regionalausschuss (die Regionalregierung) umfasst derzeit fünf Mitglieder (einen Präsidenten, einen Stellvertreter und drei Assessoren). Er stützt sich im Regionalrat auf eine Koalition der Parteien SVP, PD, Unione per il Trentino und Unione Autonomista Ladina.

Kommunale Ebene

Die Provinz Bozen besteht aus 116 Gemeinden, die je nach Einwohnerzahl über Gemeinderäte unterschiedlichen Mandatsumfangs verfügen. Die Ausführung der Gemeindegesetzgebung obliegt den Gemeindeausschüssen und Bürgermeistern, die den Gemeinderäten gegenüber verantwortlich sind.

Vor allem in den ländlich geprägten Kommunen Südtirols ist die Südtiroler Volkspartei (SVP) seit den ersten Gemeinderatswahlen der Nachkriegszeit im Jahr 1952 die stärkste politische Kraft. In den urbanen Gemeinden Bozen, Meran und Leifers herrscht hingegen aufgrund der starken Präsenz von gesamtstaatlichen Parteien zum Teil intensiver politischer Pluralismus.

Speziell seit den Gemeinderatswahlen im Jahr 2005 formierten sich auch in den peripheren, ländlich und deutschsprachig geprägten Gemeinden verstärkt unabhängige Bürgerlisten, die sich bewusst von der SVP abgrenzten und zum Teil von regionalen Oppositionsparteien unterstützt wurden.

Italienisches Parlament

 
Plenarsaal der italienischen Abgeordnetenkammer. Ihr gehören 630 Mandatare an; 12 davon wurden im Wahlkreis Trentino-Südtirol gewählt.

Das italienische Parlament besteht seit Inkrafttreten der italienischen Verfassung im Jahr 1948 aus zwei gleichwertigen Parlamentskammern, der Abgeordnetenkammer (welcher 630 Mandatare angehören) und dem Senat (der 315 Senatoren zzgl. einer variablen Zahl an Senatoren auf Lebenszeit umfasst).

Abgeordnetenkammer

Bei den Parlamentswahlen vom Februar 2013 wurden folgende Mandatare im Wahlkreis der Region Trentino-Südtirol in die Abgeordnetenkammer gewählt:

Senat

Bei den Parlamentswahlen vom Februar 2013 wurden folgende Senatoren über drei Ein-Mann-Wahlkreise in der Provinz Bozen (in denen jeweils nur ein Mandat vergeben wird) in den Senat gewählt:

Europäisches Parlament

 
Sitzungssaal des Europäischen Parlaments in Straßburg. Ihm gehören derzeit 754 Mandatare aus 27 Staaten an.

Das Europäische Parlament wurde erstmals 1979 von den Bürgern der damaligen EG-Mitgliedsstaaten gewählt. Im Gegensatz zu den nationalen Parlamenten der heutigen EU-Staaten verfügt es allerdings nur über sehr eingeschränkte gesetzgeberische Kompetenzen.

Bei der Europawahl 2009, bei der in 27 Mitgliedsstaaten insgesamt 754 Mandate (davon 73 in Italien) vergeben wurden, gelang Herbert Dorfmann über den Wahlkreis Nordost (der die Regionen Venetien, Trentino-Südtirol, Friaul-Julisch Venezien und Emilia-Romagna umfasst) als Vertreter der SVP der Einzug ins Europäische Parlament.

Ehemalige Europaparlamentarier aus der Provinz Bozen

Vorparlamentarische Interessenvertreter

Politische Parteien fungieren auch als Bindeglied (gatekeeper) zwischen staatlichen Institutionen und der Zivilgesellschaft. Entsprechend stehen sie mit vorparlamentarischen Interessenvertretungen in wechselseitiger, teils enger Verbindung.

Vorparlamentarische Interessenvertretungen können dabei unabhängig von Parteien aus der Zivilgesellschaft heraus entstehen (als Nichtregierungsorganisationen). Diese Interessenvertretungen beschränken sich in der Regel darauf, für ihr zentrales Anliegen bei einer oder mehreren Parteien Lobbyismus zu betreiben, um die Verwirklichung ihres Vorhabens zu erreichen. Gut organisierte Massenparteien können demgegenüber eigene Vorfeldorganisationen ins Leben rufen, um die Rekrutierung von Sympathisanten für die Partei zu intensivieren und ihrerseits in der Zivilgesellschaft Bewusstseinsbildung zu spezifischen Themen voranzutreiben.

Interessenvertretungen agieren grundsätzlich auf der Ebene der Informationsvermittlung und Netzwerkbildung, bieten in manchen Fällen aber auch (unentgeldliche) Dienstleistungen an. Mitunter können sich spezielle Dienstleister (etwa in der Sozialfürsorge) durch ihre gesellschaftliche Schlüsselposition zu bedeutenden Interessenvertretungen entwickeln. In Südtirol sind zahlreiche Interessenvertretungen aktiv, die zum Teil über eine große Anzahl an Mitgliedern verfügen, und in unterschiedlicher Form und Intensität mit politischen Parteien in Verbindung stehen:

Historische Parteien und Politische Bewegungen

Es werden nur jene Gruppierungen gelistet, die seit 1948 im Südtiroler Landtag vertreten waren oder den politischen Wettbewerb in der Provinz relevant beeinflussten.

Im liberalen Italien (1919–1922)

In der Zeit von Faschismus und Nationalsozialismus (1922–1945)

Autoritäre Parteien:

Demokratischer Widerstand:

Aufbau der Regionalautonomie in der Zeit des Kalten Krieges (1946–1994)

(Zeitweise) Regierungsparteien:

Oppositionsgruppierungen:

Parteien der 1990er-Jahre und der Jahrtausendwende (1995– )

(Zeitweise) Regierungsparteien:

Parlamentarische Oppositionsparteien:

Außerparlamentarische Oppositionsparteien:

Literatur

  • Oswald Angerer: Die Freiheitlichen Südtirols: Entstehung, Programm, Organisationsstruktur, Akzeptanz; unter besonderer Berücksichtigung ihrer Zusammenarbeit mit der Freiheitlichen Partei Österreichs und ihres Standpunktes in der Südtirol-Frage, politikwiss. Diplomarbeit, Innsbruck 2000.
  • Hermann Atz: Die Grünen Südtirols. Profil und Wählerbasis, StudienVerlag: Innsbruck/Wien/Bozen 2007, ISBN 9783706540704.
  • Claus Gatterer: Im Kampf gegen Rom. Bürger, Minderheiten und Autonomien in Italien, Europaverlag, Wien/Frankfurt/Zürich 1968.
  • Claus Gatterer: Südtirol und der Rechtsextremismus, in: Dokumentationsarchiv des Österreichischen Widerstandes (Hrsg.): Rechtsextremismus in Österreich nach 1945, Bundesverlag, Wien 1979, S. 336–353.
  • Joachim Gatterer: "rote milben im gefieder". Sozialdemokratische, kommunistische und grün-alternative Parteipolitik in Südtirol. StudienVerlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2009. ISBN 978-3-7065-4648-5
  • Joachim Gatterer: "Alles geben, nichts erwarten!" Die Kommunistische Partei Italiens in der Provinz. Ein Beitrag zur transregionalen Zeitgeschichtsschreibung in Südtirol, in: Hannes Obermair u. a. (Hrsg.): Regionale Zivilgesellschaft in Bewegung. Festschrift für Hans Heiss, Folio Verlag, Wien/Bozen 2012, S. 301–324, ISBN 978-3-85256-618-4.
  • Stefan Lechner: Die Eroberung der Fremdstämmigen. Provinzfaschismus in Südtirol (1921-1926), Universitätsverlag Wagner, Innsbruck 2005. ISBN 3-7030-0398-7
  • Anton Holzer: Die Südtiroler Volkspartei. Kulturverlag, Thaur/Tirol 1991. ISBN 3-85395-157-0
  • Günther Pallaver: Südtirol: Vom ethnischen zum territorialen cleavage, in: ders. (Hrsg.): Politika 10. Jahrbuch für Politik/Annuario di politica/Anuer de pulitica, Edition Raetia, Bozen 2010, S. 377–405. ISBN 978-88-7283-362-9
  • Günther Pallaver: Südtirols Parteien und Parteiensystem: Ethnisch, fragmentiert und zentrifugal, in: ders. (Hrsg.): Politika 09. Jahrbuch für Politik/Annuario di politica/Anuer de pulitica, Edition Raetia, Bozen 2009, S. 245–270. ISBN 978-88-7283-333-9
  • Flavia Pristinger: Ethnic conflict and modernization in the South Tyrol, in: Charles R. Foster (Hrsg.): Nations without a State. Ethnic Minorities in Western Europe, Praeger, New York 1980, S. 153–188.
  • Flavia Pristinger: La minoranza dominante nel Sudtirolo. Divisione etnica del lavoro e processi di modernizzazione dall'annessione agli anni settanta, Edizione Pàtron, Bologna 1978.
  • Helmut Reinalter: Geschichte der Demokratie in Tirol, in: ders. (Hrsg.): Anno Neun 1809–2009. Kritische Studien und Essays, StudienVerlag, Innsbruck/Wien/Bozen 2009, S. 280–300, ISBN 978-3-7065-4356-9
  • Michael Wedekind: Nationalsozialistische Besatzungs- und Annexionspolitik in Norditalien 1943 bis 1945. Die Operationszonen "Alpenvorland" und "Adriatisches Küstenland", Oldenbourg, München 2003. ISBN 3-486-56650-4

Siehe auch