Bernd Lucke

deutscher Ökonom und Politiker (Wir Bürger, zuvor AfD), MdEP
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Bernd Lucke (* 19. August 1962 in Berlin) ist ein deutscher Ökonom und Politiker (AfD). Er ist ordentlicher Professor für Makroökonomie an der Universität Hamburg. Er war Mitbegründer der „Wahlalternative 2013“, ist maßgeblich an der Gründung der euro-kritischen Partei Alternative für Deutschland beteiligt und einer ihrer drei gewählten Parteisprecher, die gemeinsam die Vorstandsspitze bilden.[1]

Bernd Lucke (2013)

Leben

Von 1982 bis 1984 studierte Lucke als Stipendiat der Studienstiftung des deutschen Volkes Volkswirtschaftslehre, Philosophie und Neuere Geschichte an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Anschließend studierte er von 1984 bis 1985 mit einem DAAD-Stipendium im Graduate Program des Economics Departments der University of California, Berkeley. 1985 setzte er sein Studium der Volkswirtschaftslehre an der Universität Bonn fort, das er 1987 als Diplom-Volkswirt mit der Note „sehr gut“ abschloss. Er arbeitete dann ein Jahr bis 1988 als Wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Agrarpolitik, Marktforschung und Wirtschaftssoziologie der Landwirtschaftlichen Fakultät der Universität Bonn. Parallel begann er ein Studium der Mathematik an der Fernuniversität in Hagen.

Von 1988 bis 1990 war Lucke Stipendiat der Volkswagenstiftung am Graduiertenkolleg „Angewandte Mikroökonomik“ des Forschungsbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin und anschließend 1990 Wissenschaftlicher Referent beim Sachverständigenrat zur Einführung der Sozialen Marktwirtschaft in der DDR. 1991 wurde er am Fachbereich Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin mit der Note „summa cum laude“ zum Dr. rer. pol. promoviert und war von 1991 bis 1992 Leitungsreferent beim Senator für Finanzen des Landes Berlin Elmar Pieroth (CDU).

Von 1992 bis 1998 war Lucke als Wissenschaftlicher Assistent am Institut für Statistik und Ökonometrie des Fachbereichs Wirtschaftswissenschaft der Freien Universität Berlin tätig. 1997 erfolgte die Habilitation (Venia legendi) in Volkswirtschaftslehre und Ökonometrie. Zwischen 1995 und 1996 war er im Erziehungsurlaub. Lucke leitete von 1997 bis 2000 das von der DFG geförderte Forschungsprojekt Ein konsistentes makroökonometrisches Gleichgewichtsmodell. Im Sommersemester 1998 hatte er eine Gastprofessur an der Humboldt-Universität zu Berlin als Vertretung des Fachs Wirtschaftspolitik inne. Seit 1998 ist er Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Hamburg und Geschäftsführender Direktor des Instituts für Wachstum und Konjunktur.

In den Jahren 2000 und 2001 war Lucke Leiter des durch das FEMISE geförderte Forschungsprojekts Fiscal Impact of Trade Liberalisation – The Case of Jordan and Syria. Von 2001 bis 2002 war er wieder im Erziehungsurlaub. Danach leitete er zwischen 2002 und 2007 das DFG geförderte Forschungsprojekt Wachstum und Wirtschaftsintegration im Nahen Osten. Seit 2003 ist Lucke zudem Vertrauensdozent der Studienstiftung des deutschen Volkes. Im selben Jahr lehnte er einen Ruf an die Technische Universität Berlin ab. Von 2003 bis 2004 war er dann Leiter des FEMISE-geförderten Forschungsprojekts Regional Integration and Resource Use in the Middle East: Oil, Water, and the Need for Peace. 2004 war er in der Funktion eines World Bank Consultant (Trade Liberalization in Syria) und von 2006 bis 2007 Leiter des FEMISE-geförderten Forschungsprojekts Assessing the Macroeconomic Effects of the Barcelona Initiative's Liberalization Process.

2007 und 2008 bekleidete Lucke eine Gastprofessur an der University of British Columbia in Vancouver (Kanada). Er veröffentlichte zahlreiche Aufsätze in wissenschaftlichen Fachzeitschriften wie European Economic Review, NBER Macroeconomics Annual und Economics Letters.

Lucke ist verheiratet und hat fünf Kinder.[2]

Wirtschaftspolitische Initiativen

Hamburger Appell

Lucke war einer der drei Hauptinitiatoren (zusammen mit Michael Funke und Thomas Straubhaar) des kurz vor der Bundestagswahl 2005 von 243 Wirtschaftswissenschaftlern unterzeichenten Hamburger Appells für wirtschaftliche Reformen in Deutschland. Darin wurde die Senkung der Arbeitskosten als Schlüssel zur Überwindung der deutschen Wachstumsschwäche bezeichnet und ein Wechsel der Sozialpolitik von Lohnersatzleistungen zu Lohnzuschüssen gefordert.[3] Finanzpolitische Eingriffe zur Erhöhung der Nachfrage wurden als Störung der Struktur der Gesamtnachfrage abgelehnt.

Plenum der Ökonomen

Lucke veröffentlichte unter dem Eindruck der weltweiten Finanzkrise ab 2007 einen „Gründungsaufruf an alle deutschen Hochschullehrer für Volkswirtschaftslehre“. Darin rief er auf zur

„Gründung eines Plenums der Ökonomen als einer elektronischen Vollversammlung aller Hochschullehrer für Volkswirtschaftslehre, die an einer deutschen Universität oder als deutsche Staatsbürger an einer ausländischen Universität lehren. Das Plenum der Ökonomen berät und äußert sich ausschließlich zu volkswirtschaftlichen Ausnahmesituationen von herausragender nationaler Bedeutung. Einziges Ziel des Plenums ist es, die Öffentlichkeit und die demokratisch legitimierten Institutionen der Bundesrepublik Deutschland rechtzeitig und fundiert über die Einschätzung der diesem Staat dienenden Wissenschaftler zu informieren.“[4]

Insgesamt 328 VWL-Professoren unterzeichneten den Aufruf (Stand Juni 2011) und wurden damit Plenumsmitglied; Lucke ist seit dessen Gründung Geschäftsführer des Plenums der Ökonomen. Das Plenum sprach sich im Februar 2011 mit sehr großer Mehrheit gegen eine Verlängerung des Euro-Rettungsschirms aus.[5]

Lucke ist außerdem einer von 172 Wirtschaftsprofessoren, die im Juli 2012 den Offenen Brief der Ökonomen zur Eurokrise unterzeichnet haben.[6]

Politisches Engagement

 
Konrad Adam, Frauke Petry und Bernd Lucke (v.l.n.r.) beim Gründungs­parteitag der AfD 2013 in Berlin

Lucke war 33 Jahre lang Mitglied der CDU, bevor er diese im Dezember 2011 verließ, weil er ihre Euro-Rettungspolitik für verfehlt hält. Lucke und Johannes Hüdepohl sind Sprecher der überparteilichen Sammelbewegung Bündnis Bürgerwille. Mehrfach hat er ausführliche Stellungnahmen zur Schuldenkrise in der Tagespresse veröffentlicht.[7] Er kandidierte auf der Liste der Freien Wähler bei der Landtagswahl in Niedersachsen 2013.[8] Außerdem war er Gründungsmitglied der eurokritischen Wahlalternative 2013.[9]

Am 14. April 2013 wurde auf dieser Basis in Berlin die neue politische Partei Alternative für Deutschland (AfD) mit Lucke als einem von drei gewählten Sprechern gegründet. Zur Bundestagswahl 2013 kandidiert Lucke als Spitzenkandidat seiner Partei in Niedersachsen[10] und als Direktkandidat im Wahlkreis Harburg[11]. Im Zuge der Parteigründung zeigte er mediale Präsenz u.a. als Gast bei Unter den Linden,[12] Hart aber fair,[13] Markus Lanz, Anne Will,[14] Maybrit Illner[15] und Studio Friedman. Außerdem gab er europaweit überregionalen Tages - und Wochenzeitungen[16][17][18] sowie Fernseh- und Nachrichtensendern wie CNBC, BBC, Euronews und Russia Today Interviews.[19][20][21][22] Er führte Streitgespräche mit Sahra Wagenknecht (Die Linke)[23] und Ralph Brinkhaus (CDU).[24]

Bei einer Wahlveranstaltung am 24. August 2013 in Bremen wurde Lucke angegriffen und von der Bühne gestoßen. Er blieb unverletzt, während 15 Teilnehmer der Veranstaltung, darunter ein Polizist und zwei Kinder, Augen- und Atemwegsreizungen durch Reizgas erlitten und ein weiterer durch ein Messer verletzt wurde.[25][26]

Schriften (Auswahl)

Monografien

  • Price stabilization on world agricultural markets: an application to the world market for sugar. Springer, Berlin 1992, ISBN 3-540-56099-8 (= zugleich Dissertation, FU Berlin, 1991).
  • Theorie und Empirie realer Konjunkturzyklen. Physica-Verlag, Heidelberg 1998, ISBN 3-7908-1148-3 (= zugleich Habilitation, FU Berlin, 1997: Beiträge zur Theorie und Empirie realer Konjunkturzyklen).
  • Fiscal Impact of Trade Liberalization: the Case of Syria. FEMISE Research Report for the European Commission, Marseille 2001 (PDF).

Diskussionspapiere

  • mit Paul Beaudry: Letting Different Views about Business Cycles Compete. 2010 (PDF)
  • mit Jacopo Zott: Assessing the Macroeconomic Effects of the Barcelona Initiative. 2012 (PDF).
Commons: Bernd Lucke – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Ivo Marusczyk: Gegen den Euro, gegen Merkel. In: tagesschau.de. 15. April 2013, abgerufen am 14. April 2013.
  2. Winand von Petersdorff: Wer ist der Anti-Euro-Professor Bernd Lucke? In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 24. März 2013, abgerufen am 24. März 2013.
  3. Hamburger Appell. In: uni-hamburg.de, (PDF; 27 kB).
  4. Gründungsaufruf an alle deutschen Hochschullehrer für Volkswirtschaftslehre
  5. http://buendnis-buergerwille.de/
  6. Der offene Brief der Ökonomen im Wortlaut. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung. 5. Juli 2012, abgerufen am 14. März 2013.
  7. Abhandlungen zur Schuldenkrise
  8. Torsten Jung Spitzenkandidat der FREIEN WÄHLER Niedersachsen, Website Freien Wähler Niedersachsen, 7. September 2012, abgerufen am 3. September 2012.
  9. zu den Gründern zählen u. a., Wahlalternative 2013, abgerufen am 20. September 2012.
  10. Kandidaten der Landesliste Niedersachsen auf der Website des Landesverbandes Niedersachsen der Alternative für Deutschland
  11. Direktkandidaten für den Deutschen Bundestag in Niedersachsen auf der Website des Landesverbandes Niedersachsen der Alternative für Deutschland
  12. Janto Ban: "Unter den Linden" mit Bartsch und Lucke, der Freitag, 22. April 2013.
  13. Beate Strobel: Vier gegen Lucke, Focus, 6. Mai 2013.
  14. Sven Gantzkow: Stoibers Wutrede über die Anti-Euro-Politiker, Die Welt, 21. März 2013.
  15. Geballte Euro-Skepsis bei Maybrit Illner, Handelsblatt, 8. März 2013.
  16. Matthias Benz: «Wir wollen keine einseitige Rückkehr zur D-Mark», In: Neue Zürcher Zeitung, 10. Mai 2013.
  17. Philip Plickert: „Die Euro-Rettungskredite sind verloren“. In: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 30. Mai 2013.
  18. Harriet Alexander, Jeevan Vasagar: Bernd Lucke interview: 'Why Germany has had enough of the euro', in: The Telegraph, 7. April 2013.
  19. Annette Weisbach: Goodbye southern Europe: Germany's alternative? CNBC, 26. Juli 2013.
  20. Interview mit Bernd Lucke, Newsnight (BBC), 12. Juni 2013.
  21. Interview Bonus: Bernd Lucke, Euronews, 24. Mai 2013.
  22. ‘German-dominated EU undemocratic’ – Alternative for Germany founder, 23. Juni 2013.
  23. Sven Böll, Christian Reiermann: „Ach, Herr Lucke!“. In: Der Spiegel, 28/2013. (mit Sahra Wagenknecht)
  24. Matthias Breitinger: Die Diskussion: Euro behalten oder abschaffen?. In: Zeit Online, 23. August 2013. (mit Ralph Brinkhaus)
  25. Autonome greifen AfD-Parteichef Lucke an. In: Süddeutsche Zeitung. 24. August 2013, abgerufen am 24. August 2013.
  26. Karl Doemens, Eckhard Stengel: Angriff auf AfD-Chef Lucke: AfD-Chef fordert Durchgreifen gegen Linksextreme, Frankfurter Rundschau, 26. August 2013