Stanisław Lem

polnischer Philosoph, Essayist, Futurologe und Science-Fiction-Autor (1921–2006)
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Stanisław Lem (anhören/? * 12. September 1921 in Lwów, Galizien) ist ein polnischer Philosoph, Essayist und Science-Fiction-Autor.

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Stanisław Lem 1966


Leben

Stanisław Lem kam als Sohn eines Arztes (Laryngologe, Arzt für Kehlkopfkrankeiten, der beim österreichisch-ungarischen Militär im 1. Weltkrieg diente und 1915 in russische Gefangenschaft geriet) auf die Welt, hatte eine behütete Kindheit und studierte zwischen 1940 und 1941, nach der Besetzung Lwóws durch sowjetische Truppen, Medizin am Medizinischen Institut der Universität von Lwów (Lemberg).

Durch den Zweiten Weltkrieg wurden seine Studien unterbrochen. Während des Krieges arbeitete Lem als Mechaniker-Helfer und Schweißer für eine deutsche Firma, die Altmaterial aufarbeitete. Er war ein Mitglied des Widerstandes gegen die deutsche Besatzungsmacht. Gegen Ende des Krieges wurde Polen zum zweiten Mal von der Roten Armee erobert und im Folgenden durch die Sowjetunion kontrolliert. Er setzte seine Studien in Lwów fort, musste aber, nachdem seine Heimatstadt an die Sowjetunion fiel, 1946 nach Krakau ziehen, wo er auch heute lebt.

An der Jagiellonen-Universität in Krakau nahm er sein Medizinstudium zum dritten Mal wieder auf. Zwischen 1948 und 1950 arbeitete er am Konservatorium Naukoznawcze als Forschungsassistent bei Dr. Mieczyslaw Choynowski an Problemen der angewandten Psychologie. In diese Zeit fielen auch seine ersten literarischen Versuche und er begann in seiner Freizeit Geschichten zu schreiben. 1948 entstand seine erste Novelle "Szpital Przemieniena" (dt. Das Hospital der Verklärung). Er erhielt das Zertifikat für die vollständige Absolvierung seines Studiums. Das letzte Examen verweigerte er, um einer Karriere als Militärarzt zu entgehen.

"Die Armee nahm all meine Freunde, nicht für ein oder zwei Jahre, sondern für immer." (Lem)

1951 wurde sein erster Roman veröffentlicht: "Astronauci" (dt. Der Planet des Todes, auch als Die Astronauten). Sein allererster Roman Der Mensch vom Mars von 1946 wurde erst 1989 in Buchform veröffentlicht. 1953 heiratete er Dr. Barbara Lesniak, eine Radiologin. 1982, nachdem das Kriegsrecht in Polen eingeführt wurde, verließ Stanislaw Lem sein Heimatland und studierte in Berlin am Wissenschaftskolleg. Ein Jahr später ging er nach Wien. Dort schrieb er "Der Flop" und "Fiasco". Erst 1988 kehrte er zurück.

Stanislaw Lem ist Mitglied des polnischen Schriftstellerverbandes, des Pen-Clubs und, seit 1972, des Komitees "Polen 2000" welches unter Federführung der polnischen Akademie der Wissenschaften steht. 1994 wurde er Mitglied der PAU (Polska Akademia Umiejetnosci).

Seine utopischen Werke erwarben ihm den Ruf, einer der größten Schriftsteller der Geschichte der SF-Literatur zu sein. Sie zeichnen sich insbesondere durch überbordenden Ideenreichtum und fantasievolle sprachliche Neuschöpfungen aus, wobei auch die Kritik an der Machbarkeit und dem Verstehen der "technischen Entwicklung" im Kontext philosophischer Diskurse immer wieder ein zentraler Bestandteil seiner Werke ist.

Sein Roman Solaris (1961) wurde 1971 von Andrei Tarkowski und 2002 von Steven Soderbergh erneut verfilmt. Verfilmt wurden weiterhin 1960 der Roman "Planet des Todes" als "Der schweigende Stern" (DEFA Regie Maetzig) und 1978 die Erzählung "Test" (polnisch/sowjetische Gemeinschaftsproduktion, Regie Marek Piestrak).

Stanisław Lems Bücher wurden bisher in 41 Sprachen übersetzt und erreichten eine Auflage von mehr als 27 Millionen verkaufter Exemplare. Hin und wieder veröffentlicht er Texte im deutschen Web-Magazin Telepolis.

Auszeichnungen

Werke

Die Jahreszahlen geben das Ersterscheinungsdatum an. Einige von Stanisław Lems Werken erschienen aufgrund des Regimes in Polen zuerst nur in Übersetzung. Es gibt für eine Reihe von Werken zwei deutsche Übersetzungen (und oft auch Titelübersetzungen), einmal in der DDR, einmal in der Bundesrepublik Deutschland.

Philosophische Werke

  • Dialogi, 1957 (dt. Dialoge, 1980)
  • Summa technologiae, 1964 (dt. Summa technologiae, 1976)
  • Filozofia przypadku, 1968 (dt. Philosophie des Zufalls, 1983)
  • Fantastyka i futurologia, 1970 (dt. Phantastik und Futurologie, 1977)
  • Rozprawy i szkice, 1978 (dt. aufgeteilt auf die drei Bücher: Sade und die Spieltheorie (1986), Über außersinnliche Wahrnehmung (1987) und Science-fiction: ein hoffnungsloser Fall mit Ausnahmen (1987), Suhrkamp Taschenbuch)
  • Die Vergangenheit der Zukunft (Insel Verlag, 1982)
  • Tajemnica chinskiego pokoju, 1996 (dt. Die Technologiefalle - Insel Verlag, Frankfurt 2000, ISBN 3458170391)
  • Bomba megabitowa, 1999 (dt. Die Megabit-Bombe, 2003)
  • Okamgnienie 2000 (dt. Riskante Konzepte, Insel-Verlag 2001)

Zur Literatur und Person

  • Lem über Lem (1984)
  • Florian Marzin: Stanislaw Lem: An den Grenzen der Science Fiction und darüber hinaus (1985) ISBN 3890482082
  • Jerzy Jarzebski: Zufall und Chaos. Werk Stanislaw Lems (1986)
  • Bernd Gräfrath: Lems >Golem< (1996)
  • Holger Arndt: Stanislaw Lems Prognose des Epochenendes (2000)
  • Bartholomäus Figatowski: Zwischen utopischer Idee und Wirklichkeit: Kurd Laßwitz und Stanislaw Lem als Vertreter einer mitteleuropäischen Science fiction (2004)

Science-Fiction-Werke

  • 1946 Człowiek z Marsa (dt. Der Mensch vom Mars, 1989)
  • 1951 Astronauci (dt. Der Planet des Todes, 1954; Die Astronauten)
  • 1955 Obłok Magellana (dt. Gast im Weltraum, 1956)
  • 1957 Dzienniki gwiazdowe (dt. Die Sterntagebücher des Weltraumfahrers Ijon Tichy, 1961) - Erzählungen ISBN 3-518-36959-8
  • 1960 Eden (dt. Eden, 1960)
  • 1961 Solaris (dt. Solaris, 1972) ISBN 3-423-10177-6
  • 1961 Pamiętnik znaleziony w wannie (dt. Memoiren, gefunden in der Badewanne, 1974)
  • 1961 Powrót z gwiazd (dt. Transfer, 1974; Rückkehr von den Sternen)
  • 1964 Niezwyciężony (dt. Der Unbesiegbare, 1967)
  • 1964 Bajki robotów (dt. Robotermärchen, 1969) - Erzählungen
  • 1965 Cyberiada(dt. Kyberiade, 1983; Wie die Welt noch einmal davonkam - Der Kyberiade erster Teil 1985, Altruizin und andere kybernetische Beglückungen - Der Kyberiade zweiter Teil, 1985)
  • 1968 Opowieści o pilocie Pirxie (dt. Eintritt nur fur Sternenpersonal, 1978; Pilot Pirx, 1978)
  • 1968 Głos Pana (dt. Die Stimme des Herrn, 1981)
  • 1969 Opowiadania (dt. Nacht und Schimmel, 1976) - Erzählungen ISBN 3-518-36856-7
  • 1971 Kongres futurologiczny (dt. Der futurologische Kongreß, 1974)
  • 1981 Golem XIV (dt. Also sprach Golem, 1984)
  • 1982 Wizja Lokalna (dt. Lokaltermin, 1985)
  • 1986 Pokój na ziemi (dt. Frieden auf Erden, 1988; auch als "Der Flop" veröffentlicht))
  • 1987 Fiasko (dt. Fiasko, 1986)

Fiktive Rezensionen

  • Doskonała proznia, 1971 (dt. Die vollkommene Leere, 1973; Das absolute Vakuum, 1984)
  • Wielkość urojona, 1973 (dt. Imaginäre Größe, 1976)
  • Prowokacja, 1980 (dt. Provokation, 1981)
  • One Human Minute (dt. Eine Minute der Menschheit, Suhrkamp Taschenbuch 1983)
  • Weapon Systems of the 21st Century or the Upside Down Evolution (dt. Waffensysteme des 21. Jahrhunderts, Suhrkamp Taschenbuch 1983)
  • The World as Holocaust (dt. Das Katastrofenprinzip, Suhrkamp Taschenbuch 1983)

Deutsche Zusammenstellungen

  • Test (Erzählungen) (1968)
  • Die Jagd (Erzählungen) (1972)
  • Der Getreue Roboter (Fernsehspiele) (1975)
  • Mondnacht (Fernsehspiele) (1977)
  • Die Falle des Garcancjan (Erzählungen) (1979)
  • Erzählungen (1980)
  • Die phantastischen Erzählungen des Stanislaw Lem (1980)
  • Mehr phantastische Erzählungen des Stanislaw Lem (1981)
  • Die Ratte im Labyrinth (Erzählungen) (1981)
  • Terminus (Erzählungen) (1981)
  • Provokationen (Fiktive Rezensionen) (1988)
  • Irrläufer (Erzählungen von vor 1947) (1989)
  • Technologie und Ethik (Lesebuch) (1990)
  • Die Entdeckung der Virtualität (1996)
  • Der weiße Tod (Erzählungen) (2003)
  • Pilot Pirx (Erzählungen) (2003)

Bemerkung: Auf deutsch erschienen einige Bände mit Erzählungen in unterschiedlicher Zusammenstellung und mit unterschiedlichen Titeln.

Diverse

  • Śledztwo, 1959 (dt. Die Untersuchung, 1975) - Ein Krimi
  • Katar, 1976 (dt. Der Schnupfen, 1965) - Ein Krimi
  • Wysoki Zamek, 1966 (dt. Das Hohe Schloss, 1974) - Behandelt die Kindheit von Stanislaw Lem (autobiographisch)
  • Szpital Przemienienia, 1955 (dt. Die Irrungen des Dr. Stefan T., 1959, Das Hospital der Verklärung (1. Teil von "Die Irrungen..."))

Zitate

  • Die erste Voraussetzung für Unsterblichkeit ist der Tod
  • Es herrscht Chaos. Wir befinden uns auf einer Drehscheibe, die Richtung in die Zukunft ist noch nicht gefunden. Vielleicht muß diese Menschheit untergehen, damit eine andere entstehen kann.
  • Um an die Quelle zu gelangen, muss man gegen den Strom schwimmen. (Dies ist von Stanislaw Lec!)
  • Die Steigerung der technischen Leistung geht paradoxerweise mit einem Verfall der Fantasie und Intelligenz der Menschen einher.
  • Warum sollte man einen kletternden, schwimmenden und laufenden Roboter mit unserem Verstand bauen wollen, wo es uns doch schon gibt?

Von Lem geprägte Begriffe

Gehirnerweiterung - Brainchip - Cerebromatik

In zwei nichtbelletristischen Büchern (Dialoge und Summa technologiae) beschrieb Lem brutale Eingriffe in die Funktionen des menschlichen Gehirns. Quelle: Stanislav Lem, Unsaubere Schnittstelle Mensch/Maschine, in: Maar, Pöppel, Christaller (Hg.), Die Technik auf dem Weg zur Seele. Forschungen an der Schnittstelle Gehirn/Computer, Reinbek b. Hamburg 1996, S.30-58.

Und wie ernst muß man das heute nehmen? Siehe dazu den Artikel Brain-Computer Interface.

Charaktere in Stanisław Lems Werk

  • Ijon Tichy: Eine der Hauptpersonen in Lems Werk ist Ijon Tichy (abgeleitet von Cichy polnisch für: "Der Schweiger"). Er ist die Hauptfigur in den Sterntagebüchern und einigen weiteren Romanen. Er ist eine Art Weltraum-Münchhausen, der irrwitzige Abenteuer auf fremden Welten erlebt. Im Zusammenhang mit Tichy tritt auch in einigen Geschichten sein Freund Prof. Tarantoga auf. Unter anderem ist er es, der Tichy zum Futurologischen Kongreß schickt.

Das ZDF arbeitet zur Zeit an einer Verfilmung der "Sterntagebücher" als Fernsehserie. In den Hauptrollen sind Oliver Jahn und Nora Tschirner zu sehen. Zwei Kurzfilme dienten dabei als Vorlage.

  • Pirx: Ebenfalls in mehreren Romanen und Erzählungen (Beispiel: "Die Jagd", "Terminus") vertreten ist Pilot Pirx. Es stellt eine eher ernsthafte Figur dar, hat aber auch einige für den Leser amüsante Erlebnisse. Pirx kommt vermutlich in "Fiasko", einem der letzten Romane Lems, ums Leben.
  • Trurl und Klapauzius: In der Kyberiade - einer Sammlung von Kurzgeschichten - tauchen diese beiden Roboterwesen als Konstrukteure auf. Lem baut hier bewusst eine humoristische Grundstimmung mit märchenhaften Untertönen auf, um seine Gedankenexperimente frei von technischen und physischen Restriktionen durchspielen zu können. So retten Trurl und Klapauzius bspw. das Universum, nachdem sie es mit einer ihrer Erfindungen fast vernichtet hätten. Sie beenden Kriege und schaffen neue Welten.

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