Social Marketing

Beschäftigung mit Strategien, die darauf abzielen, einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel herbeizuführen
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Unter Social Marketing versteht man

  • im engeren Sinne Marketing für Non-Profit-Organisationen
  • in einem umfassenderen Sinne die Konzeption, Umsetzung und Evaluation von Strategien, welche darauf abzielen, einen gesellschaftlichen Bewusstseinswandel herbeizuführen und gesellschaftlich relevante Werte, Einstellungen und Verhaltensweisen zu beeinflussen. Social Marketing setzt auf die systematische Überzeugung zum freiwilligen Handeln, wo Instrumente wie der Preis, ordnungspolitische Maßnahmen oder staatliche Sanktionen als Steuerungsinstrument nicht adäquat sind.

Ziele

Social Marketing im engeren Sinne wird eingesetzt, um soziale Dienstleistungen zu vermarkten, z.B. im Bildungsbereich, wo der Staat sich aus seiner Verantwortung zurückzieht. Durch Social Marketing im weiteren Sinne soll die Akzeptanz von gesellschaftlich erwünschten Einstellungen und Verhaltensweisen dauerhaft gefördert, unerwünschte Verhaltensweisen sollen geächtet werden.

Beispiele

  • Marketing für Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen
  • Umweltschutz (Energiesparen; Recycling "Ich war eine Dose")
  • Gesundheitliche Aufklärung ("Gib AIDS keine Chance", "Rauchen kann tödlich sein")
  • auch „Feel good“-Kampagnen ohne klar definierten Verhaltensappell werden von ihren Initiatoren unter den Terminus Social Marketing subsumiert ("Du bist Deutschland").

Reichweite

Kommunikation und Überzeugungsarbeit im Sinne von Social Marketing erfolgt auf globaler, nationaler, regionaler und/oder lokaler Ebene.


Kommentar: Bei den oben genannten Beispielen "Gib AIDS keine Chance, Rauchen kann tödlich sein" handelt es sich eher um eine Aufklärungskampagne. Bei den Beispielen "Feel good und Du bist Deutschland" um Propaganda.

Akteure

Social Marketing setzt an, wo die Instrumentarien von Regierung, Gesetzgebung und Verwaltung an ihre Grenzen stoßen, und wird daher oft durch gesellschaftliche Interessengruppen, privatwirtschaftliche Unternehmen und Medien im Verbund mit staatlichen bzw. supranationalen Institutionen betrieben.

Methoden und Instrumente

Social Marketing greift auf die Methoden kommerzieller Werbung und die Erkenntnisse der Soziologie, Psychologie und Verhaltenswissenschaft zurück, strebt dabei statt Überredung und Verführung in erster Linie argumentgestützte Überzeugung und die bewusste und somit dauerhafte Entscheidung des mündigen Bürgers für das pro-soziale Verhalten an. Social Marketing will intrinsische Motivation aufbauen, wo äußerer Zwang bzw. externe Anreize nicht greifen und gemeinschaftliches Handeln dauerhaft nur durch die Verinnerlichung entsprechender Werte entstehen kann.

Da sozial erwünschte Verhaltensänderungen meist nicht unmittelbar mit einem individuellen ökonomischen Vorteil verbunden sind und Appelle an den finanziellen Eigennutz somit versagen, werden (statt rational-ökonomischen) nicht-finanzielle Motive angesprochen:

  • individualistische Motive , wie Problemvermeidung und Ausdruck von Werten
  • soziale Motive; Gruppenidentität
  • altruistische Motive (z.B. Verantwortung für künftige Generationen)

Problembewußtsein, Überzeugung von der Notwendigkeit von Gegenmaßnahmen und entsprechender Handlungsanreiz fußen dabei meist auf einem Angstappell (z.B. "Lungenkrebs"; "Treibhauseffekt"; "Gefahr für den Standort Deutschland", etc.)

Der Erfolg von Social Marketing Programmen hängt wesentlich von der effektiven Nutzung der Medien ab. In der Regel wird eine breite Vielfalt von orchestrierten (d.h. fein aufeinander abgestimmten, subtil ineinandergreifenden und in ihrer Gesamtheit subversiv wirkenden) Kommunikationsmethoden angewandt.

Kampagnen und zielgruppenorientierte Maßnahmen

Effektives Produkt-Marketing erfolgt im Ansatz zielgruppenorientiert und macht eine Marktsegmentierung nach Typen erforderlich (z.B. “Uninteressierte Materialisten“, „Lustbetonte“, „Frustrierte“, gemeinwohlorientierte, individualistische, politisch Gebildete/Ungebildete, usw.). Social Marketing erfordert aber oftmals volkserzieherische Aufklärungskampagnen, die prinzipiell an alle Bevölkerungsgruppen gerichtet (undifferenziertes Marketing) und mit Streuverlusten und Ressourcenverschwendung verbunden sind, dafür auch Menschen erreichen wollen, deren Interesse für politische Themen in der Regel gering ausgeprägt ist.

Wirkung

Abschnitt in Bearbeitung

Legitimation

Social Marketing bezieht seine Rechtfertigung aus der nachweisbaren Nützlichkeit der angestrebten Verhaltensänderung für das Gemeinwohl wie auch für das Wohlergehen jedes Einzelnen. Der große Erfolg zahlreicher Social-Marketing-Kampagnen führt jedoch zunehmend nicht-staatliche Organisationen in Versuchung, ihre politischen Wertvorstellungen und die nur ihnen nützlichen Verhaltensweisen im Wege emotionalisierender und medienwirksamer Kampagnen zu propagieren und dabei die klassischen Institutionen der repräsentativen Demokratie zu umgehen. Organisationen, die nicht ausreichend demokratisch legitimiert sind, aber über die entsprechenden personellen und finanziellen Ressourcen verfügen (z.B. Wirtschaftsverbände im Verbund mit Medienunternehmern), können so ihre Machtposition missbrauchen, um mit gesellschaftlichen Umerziehungsaktionen ihre partikulären Interessen durchzusetzen. Parlamente werden übergangen und demokratisch gewählte Repräsentanten werden unter dem Druck der manipulierten Öffentlichkeit zu Getriebenen, denen Debatten aufgezwungen und Lösungswege diktiert werden. Insofern kann "Social-Marketing“ als „demokratiegefährdende Mitregierung nicht-staatlicher Organisationen und als Indiz für eine entscheidende Schwächung staatlicher Souveränität“ (Baringhorst) gewertet und als „ein süchtigmachendes Gift für die liberale Demokratie" (Josef Joffe) kritisiert werden.

Quellen


Siehe auch

Werbung, Propaganda, Sozialpsychologie