Montagsdemonstrationen gegen Sozialabbau ab 2004
Ab August 2004 fanden in der Bundesrepublik Deutschland als Reaktion auf die durch das Hartz-Konzept bedingte Arbeitsmarktreformen größere Demonstrationen statt, die von den Demonstranten und den Medien als „Montagsdemonstrationen“ bezeichnet wurden.
Begriffsdiskussion
Dieser Begriff war dabei jedoch umstritten. So kritisierten einige ehemalige DDR-Bürgerrechtler die Herstellung einer Analogie zur friedlichen Revolution 1989. Die Montagsdemonstrationen 1989 hätten zur Überwindung einer Diktatur beigetragen. Vera Lengsfeld sagte beispielsweise: „Es ging um Freiheit!“ Wolf Biermann verwendete den Begriff „Etikettenschwindel“. Besonders scharf wies Wirtschaftsminister Clement als politisch Verantwortlicher den Begriff zurück.
Im Gegensatz dazu verteidigte der Pfarrer der Leipziger Nikolaikirche Christian Führer die neuen Montagsdemonstrationen in der Süddeutschen Zeitung am 9.8.2004 wie folgt: „Es kann nicht nach dem Motto gehen: ’Wir begrüßen, dass Ihr gegen die Kommunisten auf die Straße gegangen seid, aber jetzt habt Ihr die Klappe zu halten.’ So geht das echt nicht.“ Noch deutlicher äußerte sich eine Gruppe von 60 Angehörigen ehemaliger DDR-Oppositionsgruppen in ihrer Erklärung vom 29. August 2004: „Wir protestieren gegen Hartz IV. Wir sind einverstanden mit der Wiederbelebung der Montagsdemonstrationen. Es ging und geht um Gerechtigkeit, Selbstbestimmung, Mündigkeit, Menschenwürde und Freiheit.“
Verlauf der Demonstrationen
Als Initiator gilt Andreas Erholdt, ein arbeitsloser Bürokaufmann aus Magdeburg, wo er die ersten Montagsdemonstrationen organisierte. Auf ihrem Höhepunkt am 30. August demonstrierten in über 200 Städten mindestens 200.000 Menschen gegen das sogenannte „Hartz IV“-Reformpaket und die damit verbundene Streichung der Arbeitslosenhilfe und ihre Ersetzung durch das neue „Arbeitslosengeld II“.
Politische Brisanz bekamen die Demonstrationen insbesondere während der Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg. So liebäugelte beispielsweise der Sächsische Ministerpräsident Georg Milbradt (CDU) mit einer Teilnahme an den Demonstrationen. Dies wurde als wahltaktisches Manöver kritisiert, zumal die CDU bundespolitisch eigentlich noch härtere Einschnitte in die sozialen Sicherungssysteme gefordert hatte und das Hartz-Konzept mitgetragen hatte.
Ab Mitte Oktober brach die Teilnehmerzahl deutlich ein und zahlreiche Gruppierungen zogen sich von den Demonstrationen zurück. Dies lag sicherlich auch am offen ausgetragenen Streit zwischen den die Aktionen tragenden Veranstaltern über politische Grundsatzfragen. Dennoch finden auch 2005 noch regelmäßig Montagsdemonstrationen in ca. 50-100 Städten mit einer Gesamtteilnehmerzahl in Deutschland zwischen 2600 und 8000 statt. Diese Zahl differiert so stark da manche Städte nur einmal oder zweimal im Monat demonstrieren, zudem haben die Sommerferien 2005 ihren Teil zu den geringeren Teilnehmerzahlen beigetragen. (Stand August 2005)
Teilnahme von Neonazis
In Erfurt ist es eine Auflage der Polizei gewesen das die Demonstranten ihren Platz mit den Rechtsextremen teilen müssen, d.h. im Klartext auf der einen Seite des Platzes standen die Rechtsextremen auf der anderen die "anderen" Demonstranten, und in der Mitte eine ununterbrochene Reihe von Polizisten, mittlerweile ist es so das die Demonstranten in der einen Woche demonstrieren dürfen und in der nächsten Woche die Rechtsextremen den Platz in Beschlag nehmen dürfen. (Stand August 2005)
In anderen Städten versuchten Neonazis immer wieder – anfangs oft erfolgreich – sich in die Montagsdemonstrationen einzureihen. Dass dies von den Demonstranten nicht immer verhindert wurde, haben viele Antifaschisten kritisiert. Zu den Ursachen dafür zählten:
- Wenn die Anrufe zur Demonstration keinen ausdrücklichen Hinweis darauf enthielten, dass Rechtsextremisten unerwünscht seien, hatte die Polizei keine Handhabe, diese von der Demonstration abzudrängen.
- Die Organisatoren haben zu wenige Ordner gestellt, so dass ein Ausschluss der Neonazis nicht durchsetzbar war. In Einzelfällen in kleineren Ortschaften wurden sogar Ordner aus dem rechtsextremen Spektrum rekrutiert.
- Manche der unerfahreneren Organisatoren waren politisch so unbedarft, dass ihnen die Notwendigkeit einer Ausgrenzung von Neonazis nicht klar war. Alle Sozialabbau-Opfer hätten ein Recht zu protestieren, argumentierten sie.
Von den Gewerkschaftsspitzen wurde die marginale Beteiligung von Rechtsextremisten an den Montagsdemonstrationen als Rechtfertigung dafür genutzt, nicht bundesweit zur Teilnahme an Demonstrationen gegen Sozialabbau aufzurufen. Der wahre Grund dafür lag wohl eher in der Abhängigkeit der Gewerkschaftsfunktionäre von den regierenden Parteien SPD und Bündnis90/Die Grünen.