Henriette Obermüller, ab 1853 Obermüller-Venedey (* 5. April 1817 in Karlsruhe; † 1893 in Oberweiler bei Badenweiler) war eine deutsche Kleinunternehmerin, Demokratin, Frauenrechtlerin und Teilnehmerin an der Badischen Revolution 1848/49.
Leben
Henriette Obermüller wurde 1817 als Tochter des Karlsruher Beamten Theodor Obermüller und dessen Frau geboren. Sie erhielt eine umfassende Schulbildung; ihr freidenkerischer, gegenüber Adel und Kirche kritisch eingesteller Vater war der Grund, dass Henriette Obermüller trotz des konservativen Erziehungsstils ihrer Mutter schon bald demokratischen Ideen anhing.
1837 wurde die Zwanzigjährige polizeilich erfasst, da sie Beteiligte des gescheiterten Frankfurter Wachensturms bei der Flucht unterstützt hatte. Im gleichen Jahr heiratete sie ihren Cousin Gustav Obermüller und zog mit diesem nach Le Havre in Frankreich, was sie vor weiteren Ermittlungen der badischen Polizei schützte. Ihre krisengeschüttelte Ehe war eine reine Vernunftehe und blieb kinderlos; nur das gemeinsame demokratische Engagement verband Henriette mit ihrem Mann.
1845 kehrte das Paar nach Baden zurück und baute in der folgenden Zeit einen Weinhandel in Durlach auf. Bald traten Henriette Obermüller und ihr Mann in Kontakt mit liberalen, demokratisch-republikanischen Gruppen und stellten diesen ihr Haus als Treffpunkt zur Verfügung. Auch persönlich wurde das Ehepaar aktiv, beteiligte sich etwa bei der Neuorganisation der örtlichen Bürgerwehr und verfasste politische Forderungen wie „nach einem Parlament für ganz Deutschland“. Sie hatten Anteil an der entstehenden Vereinsbewegung und diskutierten mit liberalen Persönlichkeiten wie Lorenz Brentano und Johann Adam von Itzstein, führten aber auch Streitgespräche mit politisch Andersdenkenden.
Während der Revolution 1848/1849 nahm das Paar an zahlreichen Volksversammlungen teil. Henriette Obermüller gründete den revolutionären Verein der Demokratinnen Durlach’s und fertigte für ein Freiwilligen-Bataillon eine rote Fahne mit der Aufschrift „Siegen oder Tod“ an. Während der Kämpfe im Juni 1849 geriet sie selbst als einzige Frau bis an die Barrikadenfront und floh kurzzeitig nach Lauterburg. Nach ihrer Rückkehr nahm sie im Juli erneut an einer demokratischen Versammlung teil, wurde aber dann von den reaktionären Interventionstruppen verhaftet. Neben dem Fertigen der Fahne wurden ihr verschiedene revolutionäre Umtriebe und Aufrufe zu Gewalttätigkeiten vorgeworfen; es folgten eine Anklage wegen Hochverrats und Verurteilung zu einer Gefängnisstrafe, die sie im Gefängnis Durlach absaß. Im März 1950 wurde sie gegen Kaution freigelassen. Ihr Mann wurde ebenfalls verurteilt und starb 1853 an den Spätfolgen seiner Gefangenschaft.
Im Jahr darauf heiratete Obermüller in zweiter Ehe den Demokraten und ehemaligen Paulskirchenparlamentarier Jacob Venedey, mit dem sie auch Kinder hatte. Die Familie wohnte zuerst in Zürich, dann in Heidelberg und schließlich in Badenweiler im Schwarzwald, wo das Paar ab 1860 eine wirtschaftlich erfolgreiche Pension betrieb.
Ab 1866 beteiligte sich Henriette Obermüller-Venedey wieder verstärkt aktiv in der Politik und Frauenbewegung. Sie wurde Mitglied der Association internationale des femmes in Genf und arbeitete bei verschiedenen Zeitungen wie dem Journal des femmes mit.
Nach dem Tod ihres Mannes 1871 zog sie sich zurück und konzentrierte sich auf ihre Familie und die Pension.
Spätere Rezeption
1999 wurden Henriette Obermüllers Tagebücher von Birgit Bublies-Godau als Buch herausgegeben. Das Interesse an der Veröffentlichung führte dazu, dass die Stadt Karlsruhe im Jahr darauf eine Straße in der östlichen Südstadt nach ihr benannte.
Literatur
- Birgit Bublies-Godau (Hrsg.): "Dass die Frauen bessere Democraten, geborene Democraten seyen..." Henriette Obermüller-Venedey. Tagebücher und Lebenserinnerungen 1817-1871 (Forschungen und Quellen zur Stadtgeschichte. Schriftenreihe des Stadtarchivs Karlsruhe, Bd. 7), Karlsruhe: Badenia Verlag 1999 (ISBN 3-7617-0370-8)
- Birgit Bublies-Godau: Henriette Obermüller-Venedey (1817-1893). Der Weg einer "fanatischen Demokratin" und frühen Frauenrechtlerin zwischen Französischer Julirevolution und Deutscher Reichsgründung. In: Akteure eines Umbruchs. Männer und Frauen der Revolution von 1848/49 hrsg. von Helmut Bleiber, Walter Schmidt u. Susanne Schötz, Bd. 2, Berlin: Fides Verlag 2007, S. 473-518 (ISBN 978-3-931363-14-7)
- Heinrich Raab: Die revolutionären Umtriebe der Familie Obermüller von Karlsruhe während der Zeit von 1832 bis 1849. In: Badische Heimat 73 (1993), S. 481-489
- Susanne Asche: Für Einheit und Freiheit - Revolutionäre Zeiten 1846-1852. In: Durlach. Staufergründung, Fürstenresidenz, Bürgerstadt hrsg. von Susanne Asche u. Olivia Hochstrasser (Veröff. des Karlsruher Stadtarchivs, Bd. 17), Karlsruhe: Badenia Verlag 1996, S. 263-294 (ISBN 3-7617-0322-8)
Weblinks
- Ilona Scheidle, M.A. Historikerin, Uni Heidelberg: Rezeption zu den von Birgit Bublies-Godau herausgegebenen Tagebüchern der Henriette Obermüller-Venedey
- Henriette Obermüller im Stadtwiki Karlsruhe
- Obermüller, Henriette in der Datensammlung der Uni Düsseldorf zur Revolution 1848/49 (im Internet Archive)
- Frauenbeauftragte der Stadt Karlsruhe: Henriette Obermüller-Venedey (1817 - 1893) - Pensionswirtin und Demokratin (mit Bild)
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