Geschichte Berlins

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Die Geschichte Berlins beginnt nicht erst mit der ersten urkundlichen Erwähnung, sondern bereits mit der Vor- und Frühgeschichte des Berliner Raumes. Zeugnisse dieser frühen Phase der Besiedlung sind vor allem im Museum für Vor- und Frühgeschichte sowie als lebensechte Nachbildung im Museumsdorf Düppel zu sehen. Hier werden auch mittelalterliche handwerkliche Techniken vorgeführt.

Das Große Wappen von Berlin, 1839

Besiedlung des Berliner Raums

Ausklang der Weichseleiszeit

 
Der Verlauf des Berliner Urstromtals in Brandenburg und Berlin

Funde von Feuersteinen und bearbeiteten Knochen lassen auf eine Besiedlung des Berliner Raums seit etwa 60.000 v. Chr. schließen. Zu dieser Zeit waren weite Teile Nord- und Ostdeutschlands von den Vergletscherungen der letzten Eiszeit bedeckt, die ungefähr von 110.000 bis 8.000 v. Chr. dauerte. Im Baruther Urstromtal, rund 75 Kilometer südlich Berlins, erreichte das Inlandeis vor rund 20.000 Jahren seine maximale südliche Ausdehnung. Seit rund 19.000 Jahren ist der Berliner Raum, dessen Niederung zum Jungmoränenland der Weichseleiszeit zählt, wieder eisfrei. Vor rund 18.000 Jahren bildeten die abfließenden Schmelzwasser das Berliner Urstromtal als Teil der Frankfurter Staffel aus, das wie alle Urstromtäler im Untergrund aus mächtigen Schmelzwassersanden besteht. Die Spree nutzte das Urstromtal für ihren Lauf, im unteren Spreetal bildete sich stellenweise eine Tundra heraus. Westlich dominierten feuchte Niederungen und Moorgebiete das Erscheinungsbild des Tals.

Die Plateaus Barnim und Teltow bildeten sich parallel zum späteren Lauf der Spree. Mit dem Rückgang des Eises wurde Standwild wie Rehe, Hirsche, Elche und Wildschweine sesshaft und verdrängte die Rentiere. In der Folge begannen die Menschen, die von der Jagd lebten, feste Siedlungen zu errichten. Im 9. Jahrtausend v. Chr. siedelten an der Spree, Dahme und Bäke Jäger und Fischer, die Pfeilspitzen, Schaber und Feuersteinbeile hinterließen. Aus dem 7. Jahrtausend v. Chr. stammt eine Maske, die wahrscheinlich als Jagdzauber diente.

Jungsteinzeit, Bronze- und Eisenzeit

Im 4. Jahrtausend v. Chr. bildeten sich Kulturen mit Ackerbau und Viehzucht, die handgefertigte Keramiken und Vorratsspeicher benutzten. Drei Bestattungen auf dem Gebiet von Schmöckwitz aus dieser Zeit bilden die ältesten Menschenfunde auf Berliner Boden. Ein Dorf der Trichterbecherkultur konnte 1932 bis 1934 auf dem Gebiet der Britzer Hufeisensiedlung ausgegraben werden.[1]

Die meisten jungsteinzeitlichen Funde stammen von der Kugelamphorenkultur um 2000 v. Chr. Rund 200 bronzezeitliche Fundstellen bezeugen eine immer dichter werdende Besiedlung an der Havel und Spree. Schätzungsweise 1000 Menschen sollen sich zu dieser Zeit auf etwa 50 Siedlungen verteilt haben, die überwiegend der Lausitzer Kultur und der Nordischen Bronzezeit zugerechnet werden. Ein 1955 in Lichterfelde entdecktes bronzezeitliches Dorf bestand aus sieben oder acht rechteckigen Häusern, die sich um einen Dorfplatz herum gruppierten. Die Pfostenhäuser waren mit lehmverkleideten Wänden sowie schilf- oder strohgedeckten Dächern ausgestattet. Ein weiteres Dorf mit fast 100 Bauten konnte beim Bau des Klinikums in Berlin-Buch freigelegt werden.[1]

Mit Beginn der Eisenzeit um 600 v. Chr. wurde die Lausitzer von der Jastorf-Kultur abgelöst. Seit ungefähr 500 v. Chr. drangen die nachfolgenden Germanen ins Berliner Gebiet vor und siedelten sich auf den waldreichen Höhen des Barnim und des Teltow an. Germanische Siedlungen wurden vor allem in Rudow, Lübars, Marzahn und Kaulsdorf ausgegraben. In der Zeit nach Christi Geburt tauchten die elbgermanischen Semnonen, ein Volksstamm der Sweben, auf. Ein Teil der semnonischen Bevölkerung wanderte 200 n. Chr. nach Südwesten ab. Ihnen folgten ostgermanische Burgunden, die bereits 100 v. Chr. aus Skandinavien ins Oder-Weichsel-Gebiet eingewandert waren.[2][3]

Im 4. und 5. Jahrhundert n. Chr. verließen große Teile der germanischen Stämme das Gebiet um Havel und Spree und wanderten Richtung Oberrhein nach Schwaben. Im Berliner Raum nahm daher die Besiedlungsdichte ab, er blieb aber von germanischen Restgruppen besiedelt.

Slawen und Gründung der Mark Brandenburg

 
Berliner Region um 1150[4]

Ab dem 6. Jahrhundert strömten Slawenstämme in die Lausitzer Gegend und Mitte des 7. Jahrhunderts auch in das weitgehend entvölkerte Spree-Havel-Gebiet. Sie übernahmen alte germanische Standorte und ließen sich ferner in bisher unbesiedelten Landstrichen nieder. Besonders viele slawische Spuren finden sich an den Randgebieten außerhalb des späteren Berliner Stadtkerns.[5]

Auf dem Gebiet von Berlin siedelten die Stämme der Heveller (Havelslawen) und der Sprewanen, die zum Stammesverband der Lutizen gehörten. Die Heveller bevölkerten das Havelland hinauf bis zum Rhinluch und zum Tegeler See und hatten ihren Hauptsitz auf der Brennaburg auf der heutigen Dominsel der Stadt Brandenburg. Zur Sicherung ihres Gebietes nach Osten errichteten die Heveller um 750 etwas südlich der Spreemündung (Burgwallinsel) in die Havel einen weiteren slawischen Burgwall, um die sich herum dank günstiger Verkehrslage eine Kaufmannssiedlung entwickelte. Weiter im Osten und durch einen breiten Waldgürtel getrennt befand sich das Siedlungsgebiet der Sprewanen, deren Zentrum die Köpenicker Schlossinsel am Zusammenfluss von Spree und Dahme bildete. Hier bestand im 9. Jahrhundert ebenfalls ein slawischer Burgwall. Spandau und Köpenick waren durch eine wichtige Handelsstraße verbunden, die südlich der Spree verlief, um 1170 aber auf das Nordufer verlegt wurde.[6]

Die Sprewanen gründeten weitere Siedlungen auf den Gebieten von Mahlsdorf, Kaulsdorf, Pankow und Treptow. Der durch zahlreiche Münzfunde bezeugte Sprewanenfürst Jaxa von Köpenick, der auf der Köpenicker Burg vermutlich seinen Hauptsitz hatte, wurde 1157 vom Askanier Albrecht den Bären (1134–1170) bei der Eroberung der Brennaburg entscheidend geschlagen und vertrieben. Albrecht, der bereits 1134 von Lothar III. mit der Nordmark belehnt wurde, gründete daraufhin die Mark Brandenburg und ernannte sich zu ihrem ersten Markgrafen. Der während des 12. Jahrhunderts aufgegebene Spandauer Burgwall wurde als Frühstadt von den Askaniern weiter nördlich auf das Gebiet der heutigen Zitadelle Spandau verlegt, und es entwickelte sich ein neuer Stadtkern gegenüber der Spreemündung.[7]

Die Gründung der ersten Dörfer im Bereich des heutigen Berlin fiel in den anschließenden Landesausbau der askanischen Markgrafen im Teltow, der durch eine geschickte Siedlungspolitik und eine kluge Einbeziehung der international agierenden geistlichen Orden der Zisterzienser (Kloster Lehnin. Der heutige südliche Berliner Ortsteil Zehlendorf, ferner das seinerzeit von Zehlendorf getrennte slawische Slatdorp mit dem Slatsee (Schlachtensee) gehörten vorübergehend zum Klosterbesitz Lehnin.) und der Tempelritter (Komturhof Tempelhof) gekennzeichnet war.

Handelsstadt im Mittelalter (1200–1448)

Entstehung der Doppelstadt Berlin-Cölln

 
Johann I. und Otto III. über der angeblichen Stadturkunde[8] Berlin-Cöllns, Denkmalgruppe 5 der Siegesallee 1900
 
Ältestes Siegel von Berlin, 1253
 
Ältestes Siegel von Cölln, 1334

Ende des 12. Jahrhunderts reisten Kaufleute, wahrscheinlich aus dem niederrheinisch-westfälischem Raum kommend, durch das Gebiet und legten an der Spreeniederung erste Siedlungen an. An der Stelle zwischen den Hochflächen des Teltow und des Barnim verengte sich das sumpfige Urstromtal auf vier bis fünf Kilometer. Trockene Flächen auf beiden Seiten einer Furt über die Spree eigneten sich als günstige Siedlungsplätze. Auf einer auf der rechten Uferseite gelegenen Spreeinsel entstand Alt-Berlin, auf einer anderen Insel direkt gegenüber Cölln.[9]

Neuere Grabungen haben gezeigt, dass erste Siedlungsaktiviäten für Berlin/Cölln wohl schon im letzten Viertel des 12. Jahrhunderts begannen. Archäologische Untersuchungen 1997–1999 stießen in der Breiten Straße 28 (Alt-Cölln) auf einen um 1200 wiederverwendeten Balken, der mit Hilfe der Baumringanalyse auf „um/nach 1171“ datiert werden konnte.[10] Im Jahre 2007 wurde bei Ausgrabungen auf dem Cöllner Petrikirchplatz in einem Erdkeller ein Eichenbalken gefunden, dessen Analyse ergab, dass der Baum um das Jahr 1212 gefällt worden war.[11] 1997 und 2008 wurden im Bereich des Schlossplatzes unter den Fundamenten des 1747 abgerissenen Dominikanerklosters Siedlungsreste gefunden. Das jüngste Datum hat ein Holzrest von 1198 (Waldkante); der gesamte Befund trägt Brandspuren. Dieser Siedlungsteil ist also offenbar nach 1198 nach einer Brandzerstörung aufgegeben worden, denn er wurde spätestens zu Beginn der zweiten Hälfte des 13. Jahrhunderts von der ersten Cöllner Stadtmauer überbaut.[12] Die seit der Wende 1990 ermittelten Dendrodaten können aber nur unterschiedlich wissenschaftlich verwendet werden. Das älteste „belastbare“ Dendrodatum für Berlin/Cölln ist 1198 (Waldkante).

Berlin und Cölln entstanden als Gründungsstädte. Im Gegensatz zu den slawischen Gründungen Spandau und Köpenick (1197 bzw. 1209 erstmals urkundlich erwähnt) am westlichen und östlichen Ausgang des Spreetales, die eher eine strategische Bedeutung hatten, waren Berlin und Cölln von Anfang an als Handelsplätze geplant.[9]

Die Urkunden mit den frühesten Erwähnungen Cöllns vom 28. Oktober 1237 und Berlins vom 26. Januar 1244 befinden sich im Domstiftsarchiv in Brandenburg an der Havel. Zu beachten ist dabei, dass der Brandenburger Vertrag vom 28. Oktober 1237, der u. a. einen Symeon plebanus de Colonia („Symeon, Pfarrer von Cölln“) bezeugt, nur in einer zu Merseburg am 28. Februar 1238 ausgestellten Urkunde überliefert ist. 1244 erscheint derselbe Symeon in einer anderen Urkunde dann als Propst von Berlin, d. h. zu dieser Zeit war Berlin bereits Mittelpunkt eines Archidiakonats. Als Stadt (civitas) wird Berlin erstmals 1251 urkundlich erwähnt, Cölln erst zehn Jahre später.[13]

 
Orte auf dem Teltow und Barnim um 1250

Die Entwicklung und die gezielte Privilegierung des Ausbaus der Doppelstadt durch die beiden Markgrafen seit den 1230er Jahren hing eng mit der Aufsiedlung der Hochflächen Teltow und Barnim zusammen, ausführlich geschildert in der Märkischen Fürstenchronik. Die askanischen Siedlungen auf dem nordwestlichen Teltow waren durch die sperrriegelartig gegründeten Templerdörfer um den Komturhof Tempelhof strategisch gegen die Wettinische Herrschaft auf dem Teltow mit Mittenwalde und Köpenick sowie dem sehr wahrscheinlich geplanten wettinischen Aufbau einer Herrschaft um Hönow (u. a. mit Hellersdorf) gesichert. Die Grenze zwischen der askanischen Mark und den wettinischen Besitzungen verlief zu dieser Zeit in Nord-Süd-Richtung mitten durch das heutige Berliner Stadtgebiet. Die Behauptung eines dazwischen liegenden Streifens der Erzbischöfe von Magdeburg wird überwiegend bestritten.[14] Die Spannungen mit den Wettinern entschieden sich im Teltow-Krieg zwischen 1239 und 1245 zugunsten der Askanier, der ihnen endgültig den gesamten Teltow und Barnim (abgesehen von Rüdersdorf) und damit das gesamte heutige Stadtgebiet einbrachte.

Einen großen Teil seines Aufstiegs von einem kleinen Brückenort zu einem bedeutenden Spreeübergang verdankt Berlin-Cölln den Askaniern, die den alten Fernhandelsweg von Magdeburg nach Posen, der auch über Spandau und Köpenick führte, durch die Stadt leiteten. Wirtschaftlich konnte sie sich insbesondere durch das von den gemeinsam regierenden Markgrafen Otto III. und Johann I. ausgestellte Niederlags- oder Stapelrecht gegenüber den Städten Spandau und Köpenick durchsetzen. Dieses verpflichtete durchreisende Kaufleute ihre Waren einige Tage in der Stadt anzubieten. Hinzu kamen Zollfreiheiten, die den Zwischenhandel und die Ausfuhr landwirtschaftlicher Erzeugnisse begünstigten. Die Handelsverbindungen reichten von Osteuropa bis Hamburg, Flandern und England. Die Stadt erstreckte sich zu dieser Zeit auf einer Fläche von 70 Hektar und umfasste die Handelsniederlassung am Molkenmarkt und rund um die Nikolaikirche sowie die Gegend des Neuen Marktes und der Marienkirche.[15] Die wichtigste Verbindung zwischen Berlin und Cölln war der Mühlendamm, der die Spree anstaute und auf dem sich mehrere Mühlen befanden.

Obwohl Berlin und Cölln viele gemeinsame Einrichtungen besaßen, wurden beide Städte von getrennten Verwaltungen geführt. In den aus zwölf bzw. sechs Mitgliedern bestehenden Räten saßen Großkaufleute und Fernhändler, die das Patriziat der Stadt bildeten. An der Spitze beider Verwaltungen stand der Schultheiß, der in Berlin und Cölln als Vertreter des Markgrafen amtierte.[16] Als erster bekannter Schulze wird Marsilius de Berlin 1247 erwähnt, nachdem spätestens 1240 das Stadtrecht verliehen wurde; der neueste Forschungsstand (Fritze 2000) geht von einem Zusammenhang mit dem Zehntvertrag von 1237 aus, ebenso die Aufwertung der Nikolaikirche zur Propsteikirche und die Anlage des Marienviertels.

Die mittlere Schicht bildeten kleine Kaufleute, Handwerksmeister und Ackerbürger, die sich in Zünften organisierten. Als ältestes Dokument des Zunftwesens gilt die Bestätigung einer Bäckergilde aus dem Jahr 1272. Von 1284 ist ein erster Innungsbrief für die Schuster überliefert,[15] die Tuchmacher erhielten 1289 verschiedene Rechte und die Fleischerinnung wurde 1311 gegründet. Diese vier angesehendsten Stände bildeten das Viergewerk.

An religiösen Einrichtungen existierten zu der Zeit eine Propstei, mit der Marienkirche, der Nikolaikirche und der Petrikirche (Cölln) drei Pfarrkirchen, das Graue Kloster des Franziskaner Ordens und das Dominikanerkloster in Cölln sowie die zugehörigen Klosterkirchen.[15] Um das Heilig-Geist-Spital entstand ein eigenes Stadtviertel, das Georgenhospital befand sich im Osten von Berlin vor dem Oderberger Tor bzw. Georgentor. Das 1406 gegründete Gertraudenhospital lag südöstlich von Cölln. In der Klosterstraße befand sich das Hohe Haus, in dem zeitweise die Kurfürsten residierten.

Im Jahr 1307 schlossen sich Berlin und Cölln zu einer Union zusammen, um eine gemeinsame Bündnis- und Verteidigungspolitik zu verfolgen. Für den gemeinsamen Rat wurde ein drittes Rathaus auf der Langen Brücke errichtet.[17]

Mark Brandenburg unter den Wittelsbachern bis zum Neubau des Kurfürstenschlosses

Nach dem Aussterben der märkischen Askanier 1320 übertrug der Wittelsbacher Kaiser Ludwig IV., ein Onkel des letzten Askaniers Heinrichs II., 1323 die Mark Brandenburg seinem ältesten Sohn Ludwig dem Brandenburger. Von Anfang an war die wittelsbachische Regierung über Brandenburg von starken Spannungen geprägt. 1325 erschlugen und verbrannten die Berliner und Cöllner Bürger Propst Nikolaus von Bernau, der als Parteigänger des Papstes Johannes XXII. aus Frankreich gegen den Kaiser auftrat, daraufhin verhängte der Papst über Berlin das Interdikt.

Im 14. Jahrhundert waren Berlin und Cölln Mitglied in der Hanse.

Im Jahr 1378 gab es einen Großbrand in Cölln und im 1380 auch einen in Berlin. Dabei wurden unter anderem das Rathaus und fast alle Kirchen zerstört, wie auch der überwiegende Teil der Stadturkunden und Dokumente der Städte.[18]

 
Plan von Berlin und Cölln von Johann Gregor Memhardt, 1652 (Nordosten oben)
 
Stadtansicht Berlins von Südwesten von Johann Bernhard Schultz, 1688
 
Berlin um 1688 (Zeichnung von 1835)

Friedrich I. wurde im Jahr 1415 Kurfürst der Mark Brandenburg und blieb dies bis 1440. Mitglieder der Familie Hohenzollern regierten bis 1918 in Berlin, erst als Markgrafen und Kurfürsten von Brandenburg, dann als Könige in und von Preußen und schließlich als Deutsche Kaiser. Die Einwohner Berlins haben diese Veränderung nicht immer begrüßt. 1448 revoltierten sie im „Berliner Unwillen“ gegen den Schlossneubau des Kurfürsten Friedrich II. Eisenzahn.[19][20] Dieser Protest war jedoch nicht von Erfolg gekrönt und die Bevölkerung büßte viele ihrer politischen und ökonomischen Freiheiten ein.

Kurfürstliche Residenzstadt und Königliche Hauptstadt (1448–1815)

Berlin-Cölln wurde nach 1448 zunehmend als Residenzstadt der brandenburgischen Markgrafen und Kurfürsten betrachtet. 1451 bezog Friedrich II. seine neue Residenz in Cölln. Als Berlin-Cölln Wohnsitz der Hohenzollern wurde, musste es seinen Status als Hansestadt aufgeben. Die ökonomischen Aktivitäten verlagerten sich vom Handel auf die Produktion von Luxuswaren für den Hofadel. Die Bevölkerungszahl stieg im 16. Jahrhundert auf über zehntausend an.

Im Jahr 1510 wurden 100 Juden beschuldigt, Hostien gestohlen und entweiht zu haben. 38 von ihnen wurden verbrannt, zwei wurden – nachdem sie zum Christentum konvertiert waren – geköpft, alle anderen Berliner Juden wurden ausgewiesen. Nachdem ihre Unschuld nach 30 Jahren nachgewiesen werden konnte, durften Juden – nach Zahlung einer Gebühr – wieder nach Berlin siedeln, wurden jedoch 1573 erneut, diesmal für hundert Jahre, vertrieben.

Westlich von Berlin wurde 1527 der Tiergarten als Jagdrevier für die Kurfürsten angelegt und 1573 als Verbindung zum Schloss ein Reitweg gebaut, aus dem später die Straße Unter den Linden wurde. Dadurch begann die Ausrichtung der Stadtentwicklung Richtung Westen.

Joachim II., Kurfürst von Brandenburg und Herzog von Preußen, führte 1539 die Reformation in Brandenburg ein und beschlagnahmte im Rahmen der Säkularisierung Besitzungen der Kirche. Das so erworbene Geld benutzte er für seine Großprojekte wie den Bau der Zitadelle Spandau und des Kurfürstendamms als Verbindungsstraße zwischen seinem Jagdschloss im Grunewald und seiner Residenz im Berliner Stadtschloss. 1539 ging die erste Druckerei in Berlin in Betrieb. 1567 entwickelte sich aus einem geplanten Schauspiel der dreitägige „Knüppelkrieg“ zwischen Berlin und Spandau, bei dem sich die Spandauer nicht mit der Niederlage im Schauspiel abfinden wollten und letztendlich die Berliner verprügelten. Die Uhrmacherinnung wurde 1552 gegründet.

In der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts hatte der Dreißigjährige Krieg für Berlin schlimme Folgen: Ein Drittel der Häuser wurde beschädigt, die Bevölkerung halbierte sich. Friedrich Wilhelm, bekannt als der Große Kurfürst, übernahm 1640 die Regierungsgeschäfte von seinem Vater. Er startete eine Politik der Immigration und der religiösen Toleranz. Die Verbindung von Oder und Spree durch den Friedrich-Wilhelm-Kanal ab 1668 brachte für Berlin wirtschaftliche Vorteile wegen geringerer Frachtkosten.

In der Folge des Dreißigjährigen Krieges begann 1658 unter der Leitung von Johann Gregor Memhardt der Bau einer Festungsanlage um die Stadt, die etwa 1683 fertiggestellt war. Die 1662 neu gegründete Stadt Friedrichswerder sowie die Vorstadt Neukölln am Wasser lagen innerhalb dieser Fortifikation. Der alte Reitweg zum Tiergarten wurde ab 1647 zur Allee ausgebaut und mit Linden bepflanzt. Nördlich davon wurde ab 1674 die zweite Stadterweiterung Dorotheenstadt angelegt. Die dritte Neustadt war die Friedrichstadt, die ab 1691 entstand. Vor den Toren der Festung befanden sich im Norden die Spandauer Vorstadt, im Osten die Stralauer Vorstadt und dazwischen die Georgenvorstadt, im Süden lag die Köpenicker Vorstadt und südwestlich die Leipziger Vorstadt.

Im Jahr 1671 wurde 50 aus Österreich vertriebenen jüdischen Familien ein Zuhause gegeben. Mit dem Edikt von Potsdam 1685 lud Friedrich Wilhelm die französischen Hugenotten nach Brandenburg ein. Über 15.000 Franzosen kamen, von denen sich 6.000 in Berlin niederließen. Um 1700 waren 20 Prozent der Berliner Einwohner Franzosen, und ihr kultureller Einfluss war groß. Viele Einwanderer kamen außerdem aus Böhmen, Polen und Salzburg. Friedrich Wilhelm baute außerdem eine Berufsarmee auf.

18. Jahrhundert: Stadtvergrößerung

Die angestrebte Standeserhöhung zum preußischen König erreichte Kurfürst Friedrich III. 1701, Berlin wurde zur Hauptstadt des Königreich Preußen. Am 17. Januar 1709 wurde das Edikt zur Bildung der Königlichen Residenz Berlin durch Zusammenlegung der Städte Berlin, Cölln, Friedrichswerder, Dorotheenstadt und Friedrichstadt erlassen.[21] Nach einigen dazu nötigen Verwaltungsänderungen erfolgte die Vereinigung zum 1. Januar 1710. Die Einwohner der Berliner und Cöllner Vorstädte erhielten 1701 die Bürgerrechte und sind damit den Stadtbewohnern gleichgestellt.

 
Plan Berlins von Abraham Guibert Dusableau (1737, Süden oben)
 
Plan von Berlin nebst denen umliegenden Gegenden im Jahr 1798 von J. F. Schneider
 
Mauerstraße mit Böhmischer Kirche in der Friedrichstadt, Radierung von Johann Georg Rosenberg, um 1776

Das ab 1696 für die Kurfürstin Sophie Charlotte westlich von Berlin gebaute Schloss Lützenburg wurde nach deren Tod 1705 in Schloss Charlottenburg umbenannt, die benachbarte Siedlung erhielt den Namen Charlottenburg und das Stadtrecht.

Mit dem Baubeginn des Zeughaus 1695 begann der repräsentative Ausbau der späteren Straße Unter den Linden. Andreas Schlüter gestaltete das Berliner Schloss um. Nicht die alte Berliner Hauptstraße, die Königsstraße, sondern Unter den Linden wird zur via triumphalis Preußens, die Stadtentwicklung verlagert von nun an den Schwerpunkt hin zu den Neustädten im Westen.

Um die Residenzstadt zum Mittelpunkt der Künste und der Wissenschaften zu machen, gründete Kurfürst Friedrich III. 1696 die Academie der Mahler-, Bildhauer- und Architectur-Kunst, sowie 1700 die Kurfürstlich-Brandenburgische Societät der Wissenschaften, ihr erster Präsident wurde Gottfried Wilhelm Leibniz. Beide Einrichtungen bezogen das obere Stockwerk des königlichen Stalles (Marstall zwischen Unter den Linden und Dorotheenstraße, heute Grundstück der Staatsbibliothek). Dort wurde 1711 die Berliner Sternwarte eingeweiht. Als oberste Gesundheitsbehörde wurde 1685 das Collegium medicum eingerichtet. Außerhalb der Stadtmauer entstand 1710 ein „Lazareth“ für Pestkranke, das 1727 zum Bürgerhospital unter dem Namen Charité umgewandelt wurde. Bereits 1661 war die Churfürstliche Bibliothek angelegt worden. Die erste Zeitung Berlins erschien 1617 und hatte unter wechselndem Namen bis Mitte des 18. Jahrhunderts ein Monopol, seit 1751 wurde diese inoffiziell Vossische Zeitung genannt. Das „Große Friedrichshospital“ wurde 1702 in der Stralauer Vorstadt gegründet.

Friedrichs Sohn, Friedrich Wilhelm I., König in Preußen, ab 1713 an der Macht, war ein sparsamer Mann, der Preußen zu einer bedeutenden Militärmacht aufbaute. 1709 hatte Berlin 55.000 Einwohner, von denen 5.000 in der Armee dienten, 1755 waren es bereits 100.000 Einwohner bei 26.000 Soldaten. Außerdem ließ Friedrich Wilhelm eine hölzerne Mauer mit 14 Toren um die Stadt errichten, die als Akzisemauer bekannt wurde.

Nordwestlich von Berlin ließ Friedrich Wilhelm I. von 1717 bis 1719 die Königliche Pulverfabrik errichten und siedelte französische Einwanderer an, Moabit entstand. Der Unternehmer und hohe Beamte Johann Andreas Kraut beteiligte sich an der Gründung des Königlichen Lagerhauses, Berlins größter Manufaktur. Ein bedeutendes Großunternehmen war das Bank- und Handelshaus Splitgerber & Daum. Die erste Börsensitzung der bereits 1685 gegründeten Börse fand 1739 im Neues Lusthaus im Lustgarten statt. Eine der ersten Versicherungen in Deutschland wurde 1718 mit der Feuersozietät gegründet. Das seit 1468 bestehende Kammergericht bezog 1735 den Neubau des Kollegienhauses in der Lindenstraße, dem ersten großen Verwaltungsgebäude während der Regierungszeit Friedrich Wilhelm I.

Unter dem Oberbaudirektor Philipp Gerlach wurden in 1730er Jahren die Torplätze Quarree, Octogon und Rondell angelegt. Der Gendarmenmarkt entstand 1688 nach Plänen von Johann Arnold Nering. Die barocken Neustädte waren durch ein geordnetes Straßenraster geprägt mit geraden Straßen, die weite Perspektiven boten. Französische Einwanderer siedelten ab etwa 1716 am südlichen Rand des Tiergartens, dem späteren Tiergartenviertel.

Im Jahr 1740 kam Friedrich II., bekannt als Friedrich der Große, an die Macht. Friedrich II. wurde auch der Philosoph auf dem Thron genannt, da er unter anderem mit Voltaire korrespondierte. Unter ihm wurde die Stadt zum Zentrum der Aufklärung. Der bekannteste Berliner Philosoph der Zeit war Moses Mendelssohn. Mittelpunkt der Berliner Aufklärung waren der literarische Freundeskreis um den Verleger und Literaten Friedrich Nicolai in dessen Haus in der Brüderstraße und der Montagsklub. Die Berliner Mittwochsgesellschaft gab die Zeitschrift Berlinische Monatsschrift heraus. Mehrere Vereinigungen der Freimaurer entstanden, und Vereine, wie die Gesellschaft der Freunde oder die Gesellschaft Naturforschender Freunde wurden gegründet.

Der Bau des Forum Fridericianum begann 1741 mit der Grundsteinlegung für das Opernhaus unter Knobelsdorff. Nach Plänen von Georg Christian Unger entstand die Königliche Bibliothek. Die Königliche Porzellan-Manufaktur wurde 1763 gegründet. Erste Zuckersiedereien entstanden. Johann Georg Wegely gründet 1723 eine Wollzeugmanufaktur auf der Speicherinsel, heute ein Teil der Fischerinsel. Der Bankier und Händler Veitel Heine Ephraim ließ das als Ephraim-Palais bekannt gewordene Haus errichten. Zur Versorgung der Kriegsopfer wurde das Invalidenhaus 1748 eröffnet.

Für den Warenhandel bedeutsame Gebäude wurden an der Spree errichtet, wie der Alte und Neue Packhof oder der Aktienspeicher und das Mehlhaus. Die inzwischen militärisch veraltete Festungsanlage wurde ab 1734 abgerissen. Der damit beauftragte Stadtkommandant Graf von Hacke ließ 1750 beim Abbruch des Spandauer Tors einen Platz anlegen, der bald zum Hackeschen Markt wurde. Die Spandauer Vorstadt erhielt 1712 eine eigene Kirche in der Sophienstraße.

Unter der Regierung seines Nachfolgers Friedrich Wilhelm II. folgte die Stagnation. Friedrich Wilhelm II. war ein Gegner der Aufklärung, praktizierte Zensur und setzte auf Repressalien. Unter ihm wurde die Stadtmauer in Stein neu errichtet. Ende des 18. Jahrhunderts gab er ein neues Brandenburger Tor in Auftrag – das bekannte heutige Wahrzeichen der Stadt. Die vorherige Wirtschaftsförderung wurde beendet. Das führte zu Krisen in der vor allem hier verbreiteten Textilindustrie und zur Verarmung großer Teile der Berliner Bevölkerung. Dagegen entstanden zahlreiche prächtige Hofpaläste. Die bisher bevorzugte barocke Formgebung wurde durch den Klassizismus abgelöst. Trotz aller Probleme entwickelten sich Wissenschaften und Kultur in Berlin, deren deutlichster Ausdruck die zahlreichen literarischen Salons waren, beispielsweise die Salons von Henriette Herz oder Rahel Varnhagen. Auch Oper, Theater, Kunst und wissenschaftliche Einrichtungen nahmen einen deutlichen Aufschwung.[22] Bedeutende Künstler, wie der Grafiker und Illustrator Daniel Chodowiecki oder die Bildhauer Johann Gottfried Schadow und Christian Daniel Rauch wirkten in Berlin.

Als erste befestigte Chaussee Preußens wurde zwischen 1790 und 1792 die Potsdamer Straße und in deren Fortsetzung die Berlin-Potsdamer Chaussee unter Leitung von Carl Gotthard Langhans ausgebaut. Nach dessen Plänen wurde 1789 bis 1791 das Brandenburger Tor gebaut, das aufgrund seiner Lage zwischen Tiergarten und Unter den Linden ein bedeutendes Stadttor war. Vor diesem befand sich seit 1730 ein Exerxierplatz aus dem später der Königsplatz hervorging. Das Schloss Bellevue wird 1786 fertiggestellt. An der Potsdamer Straße entstand ab 1809 der Botanische Garten, der Ende des 19. Jahrhunderts nach Dahlem verlegt wurde.

Napoleon in Berlin

 
Einzug Napoleons durch das Brandenburger Tor am 27. Oktober 1806

Im Ergebnis der Französischen Revolution und der folgenden kriegerischen Auseinandersetzungen beteiligte sich auch Preußens Armee am Kampf gegen Frankreich, wurde jedoch in der Doppelschlacht bei Jena und Auerstedt 1806 besiegt und der König verließ Berlin Richtung Königsberg. Behörden und wohlhabende Familien zogen aus Berlin fort, aber aus dem Umland kamen Flüchtlinge in die Stadt. Das entstehende Chaos versuchte der Gouverneur von Berlin, Graf von der Schulenburg, durch einen öffentlichen Aufruf zu entschärfen: „Der König hat eine Bataille verloren. Jetzt ist Ruhe die erste Bürgerpflicht. Ich fordere die Einwohner Berlins dazu auf. Der König und seine Brüder leben.“

Bald zog Napoleons Armee durch das besiegte Preußen und erreichte im Oktober 1806 auch Berlin, wo am 27. Oktober 1806 ein feierlicher Einzug durch das Brandenburger Tor inszeniert wurde. Im Anschluss besetzten seine Truppen die Stadt für zwei Jahre. Die bestehende Verwaltung wurde in dieser Zeit nach französischem Vorbild umstrukturiert, staatliches Eigentum und persönlicher Besitz der Adligen wurden eingezogen, Kunstschätze wie die Quadriga vom Brandenburger Tor wurden nach Paris verbracht. Die französischen Soldaten (in einer Stärke von bis zu 30.000 Mann) mussten verpflegt und privat einquartiert werden und Berlin hatte insgesamt 2,7 Millionen Taler für den Unterhalt der Besatzungstruppen zu zahlen. Alle Maßnahmen führten zu einem Ausbluten der Berliner Wirtschaft, Produktion und Handel gingen zurück und die Lage der Bevölkerung verschlechterte sich enorm. Die daraus entstandene Opposition gegen die Besatzung führte schließlich zum Abzug der französischen Truppen im Dezember 1808 aus Berlin.[22]

Neue Verhältnisse: Bürgertum und Industrialisierung (1815–1871)

Innere Reformen und neue Berliner Verwaltung

 
Die Granitschale im Berliner Lustgarten, Ölbild von Johann Erdmann Hummel, 1831
 
Teil des Berlin-Panoramas von Eduard Gaertner, Blick vom Dach der Friedrichswerderschen Kirche nach Südwesten, 1834

Als Reaktion auf den offensichtlichen Zusammenbruch des altpreußischen Militärstaats hielten allmählich demokratische Reformen Einzug. Reformer wie der Freiherr vom und zum Stein, der Philosoph Johann Gottlieb Fichte oder der Theologe Friedrich Schleiermacher setzten sich nun für die Berliner Belange ein: Unter Stein wurde am 19. November 1808 die neue Berliner Städteordnung beschlossen und in einem Festakt am 6. Juli 1809 in der Nikolaikirche proklamiert, was zur ersten frei gewählten Stadtverordnetenversammlung führte. Wahlberechtigt waren aber nur Hauseigentümer und Personen mit einem Jahreseinkommen über 200 Taler, das waren dazumal rund sieben Prozent der Einwohner. An die Spitze der neuen Verwaltung wurde ein Oberbürgermeister gewählt, der erste in diesem Amt war Carl Friedrich Leopold von Gerlach, der es bis zu seinem Tod 1813 blieb. Die Vereidigung der neuen Stadtverwaltung, nun Magistrat genannt, erfolgte am 8. Juli 1809 im Berliner Rathaus.[22] Nachfolger von Gerlach wurde Johann Stephan Gottfried Büsching, der bis 1832 das Amt des Oberbürgermeisters ausübte.

Weitere Reformen wie die Einführung einer Gewerbesteuer, das unter Staatskanzler Carl August von Hardenberg verabschiedete Gewerbe-Polizeigesetz (mit der Abschaffung der Zunftordnung und Einführung der Gewerbefreiheit), die bürgerliche Gleichstellung der Juden und die Erneuerung des Heereswesens führten zu einem neuen Wachstumsschub in Berlin. Vor allem legten sie die Grundlage für die spätere Industrieentwicklung in der Stadt. Der König kehrte Ende 1809 mit seinem gesamten Hofstaat nach Berlin zurück. Als die napoleonischen Truppen im Zuge ihres Russlandfeldzuges 1812 wieder in Berlin einrückten, herrschte zeitweilig Stillstand. Diese erneute Besatzung war nach der vernichtenden Niederlage Napoleons 1813 beendet, bis dahin hatten sich sogar viele Berliner als Freiwillige in die Russische Armee gemeldet. Als Napoleon geschlagen war, sorgte General Blücher auch für die sofortige Rückgabe der Quadriga an Berlin (siehe auch → hier). Sie erhielt erneut ihren Platz auf dem Brandenburger Tor, dabei wurde dem Stab der Siegesgöttin nach einem Entwurf von Karl Friedrich Schinkel nun ein Eisernes Kreuz und ein preußischer Adler hinzugefügt. Viele Berliner verbanden den Sieg über Frankreich mit der Hoffnung, dass ein neuer Weg in eine demokratische Zukunft beschritten werden könne.[22]

Geistige Erneuerung und Gründung der Berliner Universität

Die bestehenden zahlreichen Schulen und kleinen wissenschaftlichen Einrichtungen (wie die Akademie der Künste, Bauakademie, Lehrinstitut für Bergwerk und Hüttenwesen, Schulen zur Ausbildung von Militär oder Ärzten) mussten zwecks besserer Wirksamkeit reformiert werden. Unter der Leitung von Wilhelm von Humboldt wurde das Bildungswesens neu geordnet. Die Gründung der Berliner Universität erfolgte 1810. Hier wurde die notwendige Einheit von Lehre und Forschung praktiziert. 52 Professoren begannen ihre Vorlesungen vor 256 eingeschriebenen Hörern im Palais des Prinzen Heinrich. Erster Rektor wurde der Philosoph Johann Gottlieb Fichte. Die neue Universität entwickelte sich rasch zum geistigen Mittelpunkt von Berlin und wurde bald weit über die preußische Residenzstadt hinaus berühmt.[22] Beispielsweise lehrte hier ab 1818 der Philosoph Hegel.

Zwischen 1810 und 1811 erschien auch Berlins erste Tageszeitung, die von Heinrich von Kleist herausgegebenen Berliner Abendblätter. Das in der Straße An der Stechbahn gelegene Volpische Kaffeehaus, später Café Josty wurde zu einem beliebten öffentlichen Treffpunkt des Bürgertums genauso wie auch das Weinlokal Lutter & Wegner am Gendarmenmarkt. Friedrich Ludwig Jahn begann 1811 mit den Turnveranstaltungen in der Hasenheide. Seit 1812 galt für die Juden eine Berufsfreiheit. Die Niederlage der Franzosen 1814 bedeutete auch ein Ende weiterer Reformen.

Karl Friedrich Schinkel legte 1822 Pläne für die Neugestaltung der nördlichen Spreeinsel vor, dort wurde 1825 mit dem Bau des Alten Museums begonnen. Das Schauspielhaus am Gendarmenmarkt eröffnete 1821. Friedrich Wilhelm Langerhans wurde 1805 zum ersten hauptamtlichen Stadtbaurat von Berlin ernannt.

Vom Stillstand, Bevölkerungswachstum zur Industrialisierung

 
Potsdamer Bahnhof in Berlin, Stahlstich von C. Schulin, 1843
 
Borsigs Maschinenbau-Anstalt zu Berlin von Karl Eduard Biermann, 1847
 
Karte von Berlin, Charlottenburg und Spandau, 1842

Alle Hoffnungen und Versprechen auf eine bessere Zukunft wurden jedoch durch Verhaftungen und die sogenannte „Demagogenverfolgung“ zunichtegemacht. Ausdruck der Unzufriedenheit im Vormärz waren Unruhen wie die Schneiderrevolution 1830 und die Feuerwerksrevolution 1835. Ab dem Jahr 1819 wurden die Überwachung der Universität, der Predigten sowie die Buch- und Pressezensur eingeführt, unbequeme Personen wurden beschattet oder aus ihren Ämtern entfernt. Nur in kleinsten Kreisen befasste man sich mit möglichen Entwicklungen, es entstanden zahlreiche „Debattierklubs“.

In den folgenden Jahrzehnten bis um 1850 verdoppelte sich die Zahl der Einwohner, von 200.000 auf 400.000, womit Berlin nach London, Paris und Sankt Petersburg zur viertgrößten Stadt Europas wurde. Die damit verbundenen sozialen Probleme und die Wohnungsnot führten zu einem gewaltigen Bauboom, insbesondere im Innenstadtbereich entstanden auf engstem Raum Mietshäuser. Gleichzeitig siedelten sich außerhalb der Stadtmauern neue Fabriken an, in denen die Zuwanderer als Arbeiter oder Tagelöhner Beschäftigung fanden.[22] Die Industrialisierung beschleunigte sich. Vor dem Oranienburger Tor begann 1804 die Königlich Preußische Eisengießerei ihre Arbeit. Weitere Unternehmen folgten, wie 1826 die Neue Berliner Eisengießerei von Franz Anton Egells und 1837 die Maschinenbauanstalt von August Borsig. Das Industriegebiet in der Oranienburger Vorstadt erhielt bald den Namen Feuerland. Weitere Maschinenbaufabriken, wie die Werke von Louis Schwartzkopff, Julius Pintsch oder Heinrich Ferdinand Eckert entstanden. Die erste Eisenbahn in Preußen, die Berlin-Potsdamer Eisenbahn, nahm 1838 ihren Betrieb auf. Der Potsdamer Bahnhof setzte den Beginn der sich schnell entwickelnden Eisenbahnstadt Berlin. Die erste von Borsig gebaute Lokomotive fuhr 1841 vom neuen Anhalter Bahnhof. Der Stettiner Bahnhof nahm 1842 den Betrieb auf. Im selben Jahr wurde auch der Frankfurter Bahnhof eröffnet, der als einziger innerhalb der Zollmauer lag. Der fünfte Kopfbahnhof wurde 1846 als Hamburger Bahnhof eingeweiht. Die am Stadtrand gelegenen Bahnhöfe wurden durch Pferdeomnibusse, später Pferdebahnen, untereinander und mit der Stadt verbunden. Die Straßen, die vom Stadtzentrum zu den Bahnhöfen verliefen, entwickelten sich zu Hauptverkehrsadern. Die Leipziger Straße wandelte sich in den folgenden Jahrzehnten von einer Wohnstraße zur Geschäftsstraße, an der sich die großen Warenhäuser befanden.[23]

Der preußische Staat benötigte für die Verwaltung und Kontrolle der von der Hauptstadt weit entfernten Rheinprovinzen schnellere Kommunikationsmittel. Ausgehend von der Berliner Sternwarte in der Dorotheenstraße wurde bis Ende 1832 eine optische Telegrafenlinie über Potsdam bis Magdeburg fertiggestellt, deren Verlängerung später bis Koblenz erfolgte.

Das Kaufhaus Gerson eröffnete 1849 am Werderschen Markt und war das erste Warenhaus Berlins. Ab 1825 wurde die zentrale Gasversorgung aufgebaut, vor allem auch für die Straßenbeleuchtung. Das erste private Gaswerk der englischen Imperial Continental Gas Association vor dem Halleschen Tor ging 1826 in Betrieb. Zwei städtische Gaswerke, aus denen später die Gasag entstand, wurden Mitte der 1840er Jahre am Stralauer Platz und in der Gitschiner Straße (Böcklerpark) gebaut.

Die Berliner Münze bezog 1800 ihr neues Gebäude am Werderschen Markt. Nicht weit entfernt in der Jägerstraße befand sich die 1765 gegründete Königliche Hauptbank (ab 1847 Preußische Bank, aus der 1876 die Reichsbank hervorging). Seit 1815 hatte das Bankhaus Mendelssohn seinen Sitz in der Jägerstraße. In der Nachbarschaft war das Gebäude der staatlichen Seehandlungsgesellschaft, die in der Finanzierung des Eisenbahnbaus aktiv war. Bedeutsam bei der Finanzierung der Industrie wurde die 1856 gegründete Berliner Handels-Gesellschaft, die zwischen Französischer Straße und Behrenstraße ihren Sitz hatte. Die 1851 gegründete Disconto-Gesellschaft, lange Zeit eine der größten deutschen Bankgesellschaften, bezog ein Gebäude Unter den Linden. In den folgenden Jahrzehnten entwickelte sich die Gegend zum führenden Zentrum der Finanzwirtschaft in Deutschland.

Die Choleraepidemie erreichte Berlin 1831, während der etwa 2000 Einwohner erkrankten.

Der Zoologischer Garten eröffnete 1844. Bereits in den 1820er Jahren bildete sich die Friedrich-Wilhelm-Stadt als eigener Stadtteil. Bis 1841 wurden die Stadtgrenzen über die Zollmauer hinaus erweitert, die Oranienburger und Rosenthaler Vorstadt kamen hinzu, ebenso die äußere Luisenstadt, das äußere Stralauer Viertel und das äußere Königsviertel sowie die Friedrichsvorstadt. Peter Joseph Lenné übernahm ab 1840 die stadtbaulichen Planungen. Aufbauend u. a. auf Ideen von Schinkel legte er 1840 die „Projectirten Schmuck- und Grenzzüge von Berlin mit nächster Umgebung“ vor, worin der Ausbau des Landwehrkanals (1850 eingeweiht) vorgeschlagen wurde. Mit dem 1852 fertiggestellten Luisenstädtischen Kanal sollte der neue Stadtteil einen attraktiven Freiraum erhalten. Weitere Pläne von Lenné für den Berliner Norden folgten 1853.

Das Königreich Preußen wurde 1850 konstitutionelle Monarchie. Die zwei Kammern des Preußischen Landtags, Herrenhaus und Abgeordnetenhaus, hatten ihren Sitz in Berlin. Bereits 1834 hatten sich verschiedene deutsche Zollsysteme zum Deutschen Zollverein zusammengeschlossen, wodurch sich die Bedingungen für die Berliner Wirtschaft verbesserten.

Die Bauordnung von 1853 begünstigte in den folgenden Jahrzehnten die Entstehung der Mietskasernen. Eine bedeutende Stadterweiterung erfolgte 1861. Wedding mit Gesundbrunnen, Moabit, die Tempelhofer und Schöneberger Vorstädte und die äußere Dorotheenstadt kamen hinzu.

Barrikadenkämpfe 1848 und politische Neuausrichtung

 
Aufbahrung der Märzgefallenen, Adolph Menzel, 1848
 
Plan nach der Stadterweiterung von 1861

Die politischen Spannungen waren bei allen Fortschritten nicht ausgeräumt. Der Tod des Königs Friedrich Wilhelm III. und der Regierungsantritt von Friedrich Wilhelm IV. änderten an den bestehenden Zuständen kaum etwas. Die erstarkenden Handwerksbetriebe schlossen sich im Jahr 1844 zum Berliner Handwerker-Verein zusammen und nahmen damit auch auf die politische Bildung des Mittelstandes Einfluss. Außerdem wurde der Bund der Gerechten gegründet. Die sozialen Probleme in Berlin wurden durch die Kunde über den Schlesischen Weberaufstand besonders deutlich beleuchtet. Eine Missernte und die zunehmende Verfolgung Andersdenkender führten zu ersten Unruhen in der Stadt.

Im Jahr 1848 kam es am 18. März zu einer großen Kundgebung, an der sich rund 10.000 Berliner beteiligten. Die königstreuen Truppen waren dagegen aufmarschiert und es begannen nächtliche Barrikadenkämpfe. Bis zur Beendigung dieser Märzrevolution am 21. März waren 192 Personen umgekommen. Allerdings kam es auch danach weiterhin zu Unruhen. So wurde am 14. Juni 1848 das Zeughaus gestürmt und geplündert.

Im Ergebnis des Aufstandes machte der König mit seiner Proklamation „An meine lieben Berliner“ jedoch zahlreiche Zugeständnisse; vor allem wurde die Presse- und Versammlungsfreiheit eingeführt, und ihrem Gefolge entstanden erste politische Vereinigungen als Vorläufer späterer Parteien. Ende 1848 wurde ein neuer Magistrat gewählt. Der seit 1834 amtierende Oberbürgermeister Heinrich Wilhelm Krausnick wurde durch Franz Christian Naunyn abgelöst. Die Wirtschaft war in den vorangegangenen Jahrzehnten rückläufig, sodass es nun eine große Anzahl Erwerbsloser gab. Man führte Notstandsarbeiten ein, die zum schnellen Ausbau des Berliner Wasserstraßensystems führten. Diese kleinen Verbesserungen waren jedoch nicht von langer Dauer, im Spätherbst 1848 setzte der König ein neues Kabinett ein, preußische Truppen wurden in Berlin stationiert und schließlich wurde der Belagerungszustand ausgerufen. Die Errungenschaften der Revolution waren damit zunichte geworden.[22]

Die Zeit der Reaktion bis zur Gründung des Kaiserreichs 1871

 
Altes Berliner Rathaus (Graeb, 1867)

Nach einer kurzen Pause wurde im März 1850 eine neue Stadtverfassung und Gemeindeordnung beschlossen, wonach die Presse- und Versammlungsfreiheit wieder aufgehoben, ein neues Dreiklassenwahlrecht eingeführt und die Befugnisse der Stadtverordneten stark eingeschränkt wurden. Die Rechte des Polizeipräsidenten Carl Ludwig Friedrich von Hinckeldey wurden dagegen gestärkt. In seiner Amtszeit bis 1856 sorgte er allerdings auch für den Aufbau der städtischen Infrastruktur (vor allem Stadtreinigung, Wasserwerke, Wasserleitungen, Errichtung von Bade- und Waschanlagen).[22]

Im Jahr 1861 wurde Wilhelm I. neuer König. Zu Beginn seiner Regentschaft gab es Hoffnung auf eine Liberalisierung. 1861 wurde das Stadtgebiet durch die Eingemeindung von Wedding und Moabit sowie Tempelhofer und Schöneberger Vorstadt erweitert.

Das weiterhin rapide Bevölkerungswachstum der Stadt führte in dieser Zeit zu großen Problemen. Während der Amtszeit des Oberbürgermeisters Karl Theodor Seydel wurde das Verkehrswesen erneuert, der Bau der Berliner Ringbahn führte zur besseren Verbindung der Berliner Kopfbahnhöfe. Das erste kommunale Krankenhaus entstand im Friedrichshain. 1862 trat der Hobrecht-Plan in Kraft, der die Bebauung von Berlin und seines Umlandes in geordnete Bahnen lenken sollte. Der Bau von Wasserversorgung und Kanalisation unter maßgeblicher Beteiligung von Rudolf Virchow schuf wesentliche Voraussetzungen für die moderne Stadt. Der Neubau des Roten Rathauses wurde 1869 fertiggestellt.

Mit der Eröffnung der ersten Strecke der Pferdebahn begann 1865 die Geschichte der Straßenbahn in Berlin. Die ABOAG, der größte Betreiber von Pferdeomnibussen in Berlin, wurde 1868 gegründet (bereits seit 1825 gab es Pferdeomnibusse).

Die ersten Postbezirke für Berlin wurden 1862 festgelegt. Das Haupttelegrafenamt zwischen Französischer und Jägerstraße entstand ab 1863. Das Rohrpostsystems ging 1865 in Betrieb. Von 1910 bis 1916 wurde das neue Haupttelegraphenamt in der Oranienburger Straße gebaut, in unmittelbarer Nähe liegt das 1881 fertiggestellte Postfuhramt. Für das Hofpostamt wurde bis 1882 ein Neubau errichtet.

Seit 1862 waren Steinplatten aus Lausitzer Granit – die sogenannten „Schweinebäuche“ oder „Charlottenburger Platten“ – als Belag der Bürgersteige vorgeschrieben und seit 1873 deren Rahmung mit Mosaikpflaster.

Die ersten Plakatsäulen von Ernst Litfaß wurden 1855 aufgestellt.

Vor allem im Nordosten der Stadt entstanden mehrere große Brauereien, wie das Unternehmen von Julius Bötzow, die Schultheiss-Brauerei von Richard Roesicke, die Aktienbrauerei Friedrichshöhe von Georg Patzenhofer und Friedrich Goldschmidt, das Böhmische Brauhaus von Armand Knoblauch und weitere.

Hauptstadt des Deutschen Kaiserreiches (1871–1918)

 
Tempo der Gründerzeit, Bau der Grenadierstraße (heute: Almstadtstraße), 1875
 
Das Reichstagsgebäude am Ende des 19. Jahrhunderts

Unter der Führung Preußens kam es nach Ende des Deutsch-Französischen Kriegs zur Kleindeutschen Lösung; 1871 wurde das Deutsche Reich gegründet, Wilhelm I. wurde Kaiser, Otto von Bismarck Reichskanzler und Berlin zur Hauptstadt des Reichs.

Berlin war inzwischen zu einer Industriestadt mit 800.000 Einwohnern angewachsen. Mit diesem Wachstum konnte die Infrastruktur jedoch nicht mithalten. 1873 begann man endlich mit dem Bau einer Kanalisation, der 1893 abgeschlossen war. Auf den ökonomischen Boom der Gründerzeit folgte der Gründerkrach, eine Wirtschaftskrise in der zweiten Hälfte der 1870er Jahre. Die Stadtentwicklung blieb nach wie vor ein strittiges Thema. Am 1. Januar 1876 erhielt die Stadt Berlin per Vertrag vom Staat die Brücken und Straßen. 1882 beschränkte das sogenannte Kreuzbergerkenntnis die Baupolizei auf das Abwenden von Gefahren, untersagte ihr jedoch die Einflussnahme in ästhetischen Aspekten.

Nach der Reichsgründung von 1871 bestand in der Hauptstadt Berlin ein Bedarf an repräsentativen Regierungsgebäuden. Der Reichstag bezog zunächst seinen provisorischen Sitz in der Leipziger Straße. Der Bau des neuen Reichstagsgebäudes begann 1884 am Königsplatz. Nach der Fertigstellung 1894 wurde am alten Standort zwischen Leipziger Straße und heutiger Niederkirchnerstraße ein Gebäudekomplex für das Preußische Herrenhaus und den Preußischer Landtag (1892–1904) errichtet.

Max von Forckenbeck wurde 1878 zum Oberbürgermeister gewählt und übte das Amt bis 1892 aus. In die Dienstzeit von Hermann Blankenstein als Berliner Stadtbaurat fällt der Bau des Zentralvieh- und Schlachthof von 1876 bis 1883 sowie der Zentralmarkthalle (1883–1886). Das Wasserwerk Friedrichshagen ging 1893 in Betrieb. Gustav Meyer wurde 1870 zum Gartendirektor von Berlin ernannt (bis 1877) und plante mehrere Parks in Berlin, wie den Volkspark Friedrichshain, den Volkspark Humboldthain, den Treptower Park oder den Kleinen Tiergarten.

Ludwig Hoffmann wurde 1896 Stadtbaurat in Berlin (bis 1924), er entwarf u. a. das Alte Stadthaus und die Volksbäder in der Oderberger und Baerwaldstraße sowie viele Schulbauten und Feuerwachen. Während der Amtszeit von Martin Kirschner als Oberbürgermeister (1899–1912) wurden beispielsweise die Heilanstalten in Buch, das Rudolf-Virchow-Krankenhaus oder der Osthafen gebaut sowie der Schillerpark angelegt.

Bereits in 1860er Jahren begann die öffentliche Hand mit dem Ankauf von Grundstücken im historischen Stadtkern. Durch die Neubebauung mit Gebäuden für kommunale Einrichtungen wurde die Berliner Altstadt zu einem modernen Stadtzentrum umgeformt.[24] Der Bau des Berliner Rathauses erfolgte zwischen 1860 und 1869. Die Gerichtslaube, eines der ältesten Bauwerke der Stadt, wurde 1871 abgerissen. Durch das schnelle Stadtwachstum war das Rote Rathaus bald zu klein, und es wurde ein „zweites Rathaus“ benötigt. Von 1902 bis 1911 entstand darum das Altes Stadthaus. In der Dirksenstraße wurde 1886 bis 1890 das Polizeipräsidium gebaut. Das bei seiner Fertigstellung zweitgrößte Gebäude Berlins war das Land- und Amtsgericht in der Littenstraße, gebaut zwischen 1896 und 1905. Ebenfalls in der Littenstraße bezogen die städtischen Gaswerke ein neues Geschäftshaus. Am Rande des zu dieser Zeit entstandenen Zeitungsviertels in der südlichen Friedrichstadt wurde 1879 an der Oranienstraße in Kreuzberg die Reichsdruckerei mit dem Ziel gegründet, hoheitlichen Wertdruck – beispielsweise Banknoten und Briefmarken – zentral für das Deutsche Kaiserreich herzustellen.

Um den Alexanderplatz für Straßenverkehr besser mit der Friedrichstadt zu verbinden, erfolgte 1891 der Durchbruch der Kaiser-Wilhelm-Straße durch die Berliner Altstadt (Idee bereits 1873 in Orths Bebauungsplan). Die Berliner Stadtbahn wurde ab 1883 gebaut und folgt teilweise dem Verlauf des alten Festungsgrabens. Zur Bewältigung des stark angewachsenen Verkehrs begann 1896 die Konstruktion der U-Bahn und der Vorortstrecken der Eisenbahn.

 
Kreuzung Leipziger Straße/Friedrichstraße, Blick nach Osten, Fotografie von Waldemar Titzenthaler, 1907

An der Leipziger Straße entstand zwischen 1896 und 1906 nach Plänen des Architekten Alfred Messel ein Wertheim-Warenhaus, 1907 wurde das Kaufhaus des Westens eröffnet, beide zählten zu den größten Warenhäusern Europas. Das Gebiet um den Kurfürstendamm entwickelte sich zur zweiten Berliner City. Weitere City-Bereiche waren das Regierungsviertel Wilhelmstraße, das Bankenviertel, das Zeitungsviertel und das Konfektionsviertel. Im Exportviertel Ritterstraße konzentrierten sich Unternehmen der Luxuswarenherstellung. Die bedeutendesten Geschäftsstraßen waren Friedrichstraße, Leipziger Straße und Unter den Linden. Das Zentrum des Fremdenverkehrs war die Kreuzung Friedrichstraße/Unter den Linden mit dem Café Bauer und der Konditorei Kranzler. Die renommiertesten Hotels waren das Kaiserhof, das Bristol, das Adlon und das Esplanade. Beliebter Treffpunkt von Berliner Künstlern, wie Max Liebermann oder Paul Lincke, war das Café des Westens.

Mit dem Bau des ersten Blockkraftwerks in der Schadowstraße begann in den 1880er Jahre die Elektrifizierung der Berliner Innenstadt. Die Städtischen Electricitäts-Werke (später: BEWAG) wurden 1884 gegründet, und das erste öffentliche Kraftwerk ging 1885 in der Markgrafenstraße in Betrieb. Emil Rathenau gründete 1883 die Deutsche Edison-Gesellschaft für angewandte Elektricität, die sich unter dem Namen AEG innerhalb weniger Jahrzehnte zum größten deutschen Industrieunternehmen entwickelte. Bereits 1847 hatte Werner von Siemens die Telegraphen Bau-Anstalt von Siemens & Halske gegründet und 1866 den ersten elektrischen Generator entwickelt. Zusammen mit der 1879 entstandenen Technischen Hochschule, dem im selben Jahr gegründeten Elektrotechnischen Verein Berlin und den Berliner Banken als Finanziers entwickelte sich bald die Elektropolis Berlin. Für die AEG entwarf Peter Behrens moderne Industriebauten, wie die AEG-Turbinenfabrik von 1909 in Moabit oder die Werke im Wedding. Zwischen Charlottenburg und Spandau entstand mit der Siemensstadt ein ganzer Stadtteil, der von der Elektroindustrie geprägt wurde. Bedeutende Bauten der Industriearchitektur, wie die Dynamohalle oder in den 1920er Jahren von Hans Hertlein das Schaltwerk wurden dort errichtet. Das Gegenstück dazu bildete das Fabrikquartier Oberschöneweide im Südosten, u. a. mit dem Kabelwerk Oberspree. Die flächendeckende Elektrifizierung erfolgte wesentlich in den 1920er Jahren. Das 1927 fertiggestellte Kraftwerk Klingenberg versorgte zusammen mit dem 1931 in Betrieb genommenen Kraftwerk West die wachsende Metropole mit elektrischer Energie. Siemens stellte 1881 in Lichterfelde die erste elektrisch betriebene Straßenbahn vor. Die erste U-Bahnstrecke vom Stralauer Tor zum Potsdamer Platz wurde 1902 eröffnet.[25]

Ein weiterer neuer Industriezweig war die chemische Industrie. Ernst Schering gründete 1864 seine chemische Fabrik, und aus den Zusammenschluss der Unternehmen von Paul Mendelssohn Bartholdy, Carl Alexander von Martius und Max August Jordan entstand 1873 die Actien-Gesellschaft für Anilin-Fabrikation (Agfa).

Die Physikalisch-Technische Reichsanstalt nahm ihre Arbeit 1887 auf. Ihr erster Präsident war der Physiker Hermann von Helmholtz. Die 1911 gegründete Kaiser-Wilhelm-Gesellschaft als Trägerin der in der Grundlagenforschung führenden Kaiser-Wilhelm-Institute nahm ihren Sitz in Berlin. Mehrere Kaiser-Wilhelm-Institute entstanden in Dahlem. Das Kaiserliche Patentamt begann 1877 seine Arbeit in Berlin.

Ein Beispiel für die typische Berliner Mischung von Wohnen und Arbeiten in der Innenstadt sind die Hackeschen Höfe.

Außerhalb der 1860 abgerissenen Akzisemauer begann in den vom Hobrecht-Plan vorgesehenen Bereichen (heute: Kreuzberg, Prenzlauer Berg, Friedrichshain und Wedding) im sogenannten „Wilhelminischen Ring“ der Bau von Mietskasernen, um billigen Wohnraum für Arbeiter zu schaffen. Diese überbelegten Wohngebiete waren durch dichte Bebauung, lichtarme Höfe, Kellerwohnungen und mangelnde sanitäre Ausstattung geprägt, Industriebetriebe verursachten Luftverschmutzung und Lärm. Im Südwesten der Stadt entstanden ab 1850 großzügige und weit ausgedehnte Villenkolonien für das wohlhabende Bürgertum, beispielsweise in Lichterfelde, weitere Villenviertel folgten im Westen gegen Ende des 19. Jahrhunderts, zum Beispiel Grunewald oder Westend. Diese Gebiete wurden hauptsächlich durch die Terraingesellschaften (Immobilienunternehmen) geplant und gebaut. Eine führende Rolle bei dieser privat finanzierten Stadtplanung hatte der Unternehmer Johann Anton Wilhelm von Carstenn. Entlang der damals neuen Kaiserstraße, die Lichterfelde mit Charlottenburg verband, entstanden die bürgerliche Wohnviertel Friedenau und Wilmersdorf (siehe: Carstenn-Figur). Die Gesellschaft von Salomon und Georg Haberland baute das Viertel um den Viktoria-Luise-Platz, das Bayerische Viertel und das Rheingauviertel. Ab der Jahrhundertwende entstanden vor der Stadt einige Gartenstädte, wie die Baugenossenschaft „Freie Scholle” in Tegel, die Waldsiedlung Hakenfelde, die Gartenstadt Staaken oder die Gartenstadt Falkenberg. Die im Reformbaustil errichteten Wohnhäuser um den Rüdesheimer Platz versuchten Gartenstadt und Großstadt zu verbinden. Mit dem Reichsgenossenschaftsgesetz von 1889 wurde die Gründung von Wohnungsbaugenossenschaften möglich. In den folgenden Jahren entstanden eine Reihe gemeinnütziger Wohnanlagen, zum Beispiel von Paul Mebes für den Beamten-Wohnungs-Verein oder von Alfred Messel in der Proskauer Straße und das Weißbachviertel (beide in Friedrichshain).

 
Berlin 1912, dargestellt auf einem Gemälde von Paul Hoeniger mit der Ansicht des Spittelmarktes

Zwischen 1904 und 1908 beschäftigte sich die 51-teilige Buchreihe Großstadt-Dokumente ausführlich mit Berlin. Eines der Hauptthemen des aufwendigsten Stadtforschungsprojektes im deutschsprachigen Raum dieser Zeit war der Vergleich des häufig als „moderne Retortenstadt“ betrachteten Berlins mit dem als traditions- und kulturreicher geltenden Wien.[26]

Otto Lilienthal führte seine Versuchsflüge durch, und in Johannisthal eröffnete 1909 der erste Motorflugplatz Deutschlands. Die Urania-Gesellschaft, eine neuartige Bildungseinrichtung, wurde 1888 gegründet. Die Berliner Gewerbeausstellung fand 1896 in Treptow statt. Der Lunapark in Halensee zählte zu den größten Vergnügungsparks Europas. Auf dem Tempelhofer Feld fanden die Spiele von neu gegründeten Fussballvereinen statt, die sich Anfang der 1890er Jahre in ersten Verbänden organisierten, wie dem Bund Deutscher Fußballspieler oder dem Deutschen Fußball- und Cricket Bund. Seit 1911 fanden im Sportpalast die Sechstagerennen statt.

Zur Koordinierung infrastruktureller Maßnahmen im rasant wachsenden Berliner Raum bildete sich 1911 der Zweckverband Groß-Berlin, aus dem 1920 der Zusammenschluss zu Groß-Berlin hervorging; bleibende Leistung des Verbandes ist der Abschluss des Dauerwaldvertrags.

Der Erste Weltkrieg führte zu Hunger in Berlin. Im Winter 1916/1917 waren 150.000 Menschen auf Hungerhilfe angewiesen, und Streiks brachen aus. Als 1918 der Krieg endete, dankte Wilhelm II. ab. Der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann und der Kommunist Karl Liebknecht riefen beide nach der Novemberrevolution die Republik aus. In den nächsten Monaten fanden in Berlin zahlreiche Straßenkämpfe zwischen den unterschiedlichen Fraktionen statt.

Die Weimarer Republik

 
Berlin nach der Erweiterung von 1920
 
Einstein eröffnet die Funkausstellung 1930

In den ersten Jahren der Weimarer Republik war Berlin Schauplatz gewaltsamer innenpolitischer Auseinandersetzungen. Zur Jahreswende 1918/1919 wurde die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD) in Berlin gegründet. Im Januar 1919 versuchte sie im Spartakusaufstand, die Macht an sich zu reißen. Die Revolte scheiterte, und am 15. Januar 1919 töteten rechtsgerichtete Truppen Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht. Am 13. Januar 1920, während die Nationalversammlung im Reichstagsgebäude über das Betriebsrätegesetz verhandelte, fand vor dem Haus eine Demonstration gegen den Gesetzesvorschlag statt. Dazu hatten die linken Oppositionsparteien USPD und KPD aufgerufen, die dann aber die Demonstration der rund 100.000 Menschen dem Selbstlauf überließen. Als die Menge das Gebäude zu stürmen drohte, eröffnete die Polizei das Feuer und tötete mindestens zwanzig Menschen, über 100 wurden verletzt. Damit handelte es sich um die blutigste Demonstration der deutschen Geschichte.[27] Im März 1920 versuchte Wolfgang Kapp an der Spitze von Freikorpsformationen im Kapp-Putsch die sozialdemokratische Regierung zu stürzen und eine Militärherrschaft zu errichten. Die Berliner Reichswehrtruppen sympathisierten mit den Putschisten, verhielten sich jedoch weitgehend neutral. Während die Regierung Berlin verlassen hatte, brach der Putsch infolge eines reichsweiten Generalstreiks nach fünf Tagen zusammen.

Am 1. Oktober 1920 wurde Groß-Berlin durch das Gesetz über die Bildung einer neuen Stadtgemeinde gegründet. Dabei wurde Berlin mit sieben weiteren Städten, nämlich (Charlottenburg, Köpenick, Lichtenberg, Neukölln, Schöneberg, Spandau und Wilmersdorf), 59 Landgemeinden und 27 Gutsbezirken zu einer Gemeinde unter dem Namen Berlin verschmolzen. Groß-Berlin hatte damals 3.804.048 Einwohner. Berlin wurde damit hinter New York, London, Tokio und Paris zur fünftgrößten Stadt der Welt und zur größten Industriestadt Europas. Neuer Oberbürgermeister wurde Gustav Böß, der das Amt bis 1929 ausübte. Seit der Wahl zur Berliner Stadtverordnetenversammlung von 1919 galt das Frauenwahlrecht, das Wahlalter wurde von 25 auf 20 Jahre herabgesetzt und das Dreiklassenwahlrecht abgeschafft.

Im Jahr 1922 wurde Außenminister Walther Rathenau in Berlin ermordet. Die Stadt war schockiert: eine halbe Million Menschen kamen zu seiner Beerdigung.

Die ökonomische Situation war schlecht. Deutschland hatte durch den Friedensvertrag von Versailles hohe Reparationen zu zahlen. Die Regierung versuchte dieses Problem zu lösen, indem sie mehr Geld druckte. Zusammen mit der schwierigen Wirtschaftslage führte dies 1923 zu einer Hyperinflation, unter der besonders diejenigen, die von ihrem Geldvermögen lebten, also große Teile des Mittelstandes und die Rentner zu leiden hatten. Ab 1924 besserte sich die Situation durch neue Vereinbarungen mit den Alliierten, amerikanische Hilfe und eine bessere Finanzpolitik. Die Hochzeit Berlins, die „Goldenen Zwanziger Jahre“ begannen. Personen wie der Architekt Walter Gropius, der Physiker Albert Einstein, der Maler George Grosz, Schriftsteller wie Arnold Zweig, Bertolt Brecht und Kurt Tucholsky und Schauspieler und Regisseure wie Marlene Dietrich, Friedrich Wilhelm Murnau, Fritz Lang und Max Reinhardt machten Berlin zum kulturellen Zentrum Europas. Das Nachtleben dieser Zeit hat seinen bekanntesten Niederschlag in dem Film Cabaret gefunden, nach der Vorlage des Buches Goodbye To Berlin von Christopher Isherwood.

Die Gegend zwischen Lützowplatz und Potsdamer Platz war Wohnort für viele Künstler, und Kunsthändler wie Alfred Flechtheim hatten hier ihre Galerien. Zum bevorzugten Treffpunkt für Künstler wurde das Romanische Café am Kurfürstendamm. Ein kulturelles Zentrum im Berliner Westen war das Viertel um den Prager Platz, wo viele Künstler, Schauspieler und Schriftsteller lebten.

Im Jahr 1924 eröffnete der Flughafen Tempelhof. Im gleichen Jahr fand auch die erste Funkausstellung auf dem Messegelände statt, die erste Grüne Woche folgte 1926. Berlin war der zweitgrößte Binnenhafen des Landes (siehe: Westhafen). Die ab 1924 nach und nach elektrifizierten Berliner Stadt-, Ring- und Vorortbahnen wurden 1930 unter dem Namen S-Bahn zusammengefasst. Diese Infrastruktur wurde zur Versorgung der über vier Millionen Berliner benötigt. Mit der Ausstrahlung der ersten Unterhaltungssendung begann 1923 im Vox-Haus die Geschichte des deutschen Rundfunks. 1926 wurde zum Auftakt der dritten Funkausstellung der Funkturm eingeweiht. Das von Hans Poelzig entworfene Haus des Rundfunks, wurde 1931 eingeweiht. Die autobahnähnliche Renn- und Versuchsstrecke AVUS wurde 1921 eröffnet. Zwischen 1930 und 1933 führte der Verein für Raumschiffahrt, zu dem auch der spätere Ingenieur Wernher von Braun gehörte, auf dem Raketenflugplatz Berlin in Tegel erste Versuche mit Flüssigkeitsraketen durch.

 
Potsdamer Platz mit Columbushaus, Fotografie von Waldemar Titzenthaler, 1933

Grüne Stadträume schuf Erwin Barth mit der Neugestaltung des Klausenerplatzes oder den neuen Anlagen von Lietzenseepark, Volkspark Jungfernheide und Volkspark Rehberge. Um die dicht bebaute Innenstadt entstand ein grüner Parkring. Das neue Strandbad Wannsee wurde 1930 eingeweiht und das Poststadion gebaut. Zur Linderung der Wohnungsnot begann unter dem Stadtbaurat Martin Wagner nach Einführung der Hauszinssteuer der Bau von Großsiedlungen durch gemeinnützige Wohnungsunternehmen, wie beispielsweise die Hufeisensiedlung. Durch dieses Wohnungsbauprogramm entstanden 140.000 neue Wohnungen in Berlin. Der Alexanderplatz wurde ab Ende der 1920er Jahre umgestaltet, das Berolina- und das Alexanderhaus nach Plänen von Peter Behrens entstanden. Den U-Bahnhof unter dem Platz entwarf Alfred Grenander. Am Lehniner Platz wurde der WOGA-Komplex mit dem Universum-Kino gebaut und am Potsdamer Platz das Columbushaus von Erich Mendelsohn.

Die kurze Zeit des Aufschwungs endete im Jahr 1929 mit der Weltwirtschaftskrise. Im November dieses Jahres gewann die NSDAP ihre ersten Sitze in der Stadtverordnetenversammlung (5,8 % der Stimmen, 13 Mandate). Die NSDAP schnitt bei Wahlen in Berlin bis 1933 allerdings signifikant schlechter ab als im Reichsdurchschnitt. Wählerhochburgen der Partei waren die Stadtbezirke mit eher bürgerlicher Wohnbevölkerung, in den ausgesprochenen Arbeiterbezirken erzielte sie dagegen bis zuletzt weit unterdurchschnittliche Ergebnisse. Bei der Reichstagswahl im Juli 1932 erhielt die NSDAP in Steglitz 42,1 % und in Zehlendorf 36,3 %, im Wedding aber nur 19,3 % und in Friedrichshain 21,6 % der Stimmen.[28] Am 20. Juli 1932 wurde die preußische Regierung unter Otto Braun in Berlin durch einen Staatsstreich der rechtskonservativen Reichsregierung, den sogenannten „Preußenschlag“, abgesetzt. Am 30. Januar 1933 wurde Hitler, der seit 1931 im Hotel Kaiserhof logierte, zum Reichskanzler ernannt. Schon in der Nacht zum 31. Januar gab es mehrere Tote und Verletzte, als SA-Leute in die als KPD-Hochburg geltende Wallstraße (heute: Zillestraße) in Charlottenburg eindrangen und um sich schossen (das Ereignis steht im Mittelpunkt des Romans Unsere Straße von Jan Petersen).

Zeit des Nationalsozialismus

 
Brände nach Luftangriff, 1944

In den Jahren der Weimarer Republik war das bei der politischen Rechten verhasste „rote Berlin“[29] eine Wähler- und Mitgliederhochburg von KPD (bei der Reichstagswahl im November 1932 mit 860.837 Stimmen stärkste Partei im Stadtgebiet) und SPD gewesen. Bis 1933 waren alle Versuche des 1926 ernannten NSDAP-Gauleiters Joseph Goebbels, die strukturelle Dominanz der Linksparteien zu brechen, erfolglos geblieben. Das gelang erst durch die im Anschluss an den Reichstagsbrand ausgelöste Terrorwelle, die im Juni 1933 mit der „Köpenicker Blutwoche“ einen lokalen Höhepunkt erreichte. Der seit 1931 amtierende Oberbürgermeister Heinrich Sahm trieb 1933 zusammen mit Julius Lippert, dem zum Staatskommissar ernannten NSDAP-Fraktionschef in der Stadtverordnetenversammlung, die „Säuberung“ der städtischen Körperschaften und Behörden voran und trat noch 1933 in die NSDAP ein. Geschätzt wird, dass in Berlin bis Ende 1933 rund 30.000 Menschen aus politischen Gründen inhaftiert, viele in den über 100 SA-Lokalen und „wilden“ Konzentrationslagern misshandelt, nicht wenige auch getötet wurden.[30] Trotz der massiven Repressivmaßnahmen soll die illegale Berliner Parteiorganisation der KPD aber noch Ende 1934 rund 5.000 aktive Mitglieder gehabt haben.[31] Die Stadt blieb bis 1945 ein Zentrum des – in seiner politischen Reichweite freilich sehr limitierten – organisierten Widerstands gegen die NS-Diktatur.[32]

Um 1933 lebten etwa 160.000 Juden in Berlin: ein Drittel aller deutschen Juden, vier Prozent der Bevölkerung der Stadt. Ein Drittel davon waren arme Immigranten aus Osteuropa, die hauptsächlich im Scheunenviertel nahe dem Alexanderplatz lebten. Die Juden wurden von Anfang an vom NS-Regime verfolgt. Im März mussten alle jüdischen Ärzte das Krankenhaus Charité verlassen. In der ersten Aprilwoche inszenierten die Nazimachthaber den sogenannten „Judenboykott“, bei dem die übrige Bevölkerung vom Einkaufen in jüdischen Läden abgehalten werden sollte.

Im Jahr 1936 wurden in Berlin die Olympischen Sommerspiele abgehalten. Die Nationalsozialisten nutzten die bereits vor 1933 an Berlin vergebenen Spiele zur Propaganda. Um die Selbstinszenierung als normaler Staat in der internationalen Öffentlichkeit nicht zu gefährden, wurde die ansonsten für jeden wahrnehmbare Diskriminierung und Verfolgung der jüdischen Bevölkerung reduziert. So wurden zum Beispiel die Schilder mit der Aufschrift „Für Juden verboten“ zeitweise entfernt. 1937 folgten dann im Rahmen der 700-Jahr-Feiern Berlins weitere Propagandaveranstaltungen der Nationalsozialisten.

In diese Zeit fallen auch die Planungen der Nationalsozialisten, Berlin zur „Welthauptstadt Germania“ auszubauen. Die Pläne des Architekten Albert Speer sahen gigantische Zentralachsen in Berlin vor, an denen Monumentalbauten stehen sollten. Während die meisten Projekte nicht verwirklicht wurden, sind in Berlin noch heute Reste dieser Architektur zu finden.

Vom 9. bis 10. November 1938 brannten infolge der Reichspogromnacht die Synagogen, jüdische Geschäfte und Wohnungen wurden demoliert, viele Juden verhaftet. Um 1939 lebten noch rund 75.000 Juden in Berlin. Am 18. Oktober 1941 ging vom Bahnhof Grunewald der erste von insgesamt 63 Transporten mit Juden ins damalige Litzmannstadt ab. Der Holocaust begann. 50.000 Juden wurden in die Konzentrationslager verschleppt, wo die meisten ermordet wurden. Von historischer Bedeutung ist in diesem Zusammenhang auch die 1942 im Ortsteil Wannsee abgehaltene Wannseekonferenz, auf der unter Leitung des Chefs des Reichssicherheitshauptamts Reinhard Heydrich die gesamtstaatliche Koordination des Holocaust beschlossen wurde. Über 1200 Juden überlebten in Berlin, indem sie sich versteckten.

30 Kilometer nordwestlich von Berlin, nahe Oranienburg, befand sich das Konzentrationslager Sachsenhausen, wo hauptsächlich politische Gegner und sowjetische Kriegsgefangene inhaftiert waren. Zehntausende starben dort. Sachsenhausen hatte Unterlager in der Nähe von Industriebetrieben, in denen die Gefangenen arbeiten mussten. Viele dieser Lager befanden sich in Berlin. Experten des Holocaust Memorial Museum ermittelten für Berlin insgesamt rund 3000 NS-Lager und als „Judenhäuser“ bezeichnete Wohnhäuser.[33]

Am 1. September 1939 begann der Zweite Weltkrieg, von dem Berlin anfangs wenig betroffen war. Die ersten britischen Fliegerangriffe auf Berlin fanden bereits 1940 statt, da sich die Stadt jedoch fast außerhalb der Reichweite der Bomber befand, waren die ersten Schäden noch relativ gering. Auch die mehrmals stattfindenden Angriffe der sowjetischen Luftstreitkräfte auf Berlin verursachten nur geringe Zerstörungen. Mit dem Eintritt der USA in den Krieg nahmen die Schäden jedoch größere Ausmaße an. Während die Briten weiterhin nachts Berlin ansteuerten, flogen die Amerikaner tagsüber, sodass das Bombardement quasi rund um die Uhr stattfand. Allein am 18. März 1945 griffen 1.250 amerikanische Bomber die Stadt an. Infolge der Luftangriffe starben schätzungsweise 20.000 Berliner, mehr als 1,5 Millionen wurden obdachlos. Teile der Innenstadt wurden komplett zerstört. Die äußeren Bezirke erlitten geringere Beschädigungen. Im Schnitt waren ein Fünftel (50 Prozent in der Innenstadt) der Berliner Gebäude zerstört.

Flug über das zerstörte Berlin, Juli 1945

Zerstörung von Berliner Gebäuden im Zweiten Weltkrieg:

Grad der Zerstörung Prozent Verlust des Bauwertes
total 11,6 100 %
schwer 8,3 75 %
wiederherstellbar 9,7 30 %
leicht (bewohnbar) 69,4 10 %

Auch die Verkehrsinfrastruktur war größtenteils zerstört; die Versorgungslage war bis nach dem Ende des Krieges katastrophal. Insgesamt fielen 450.000 Tonnen Bomben auf Berlin. Ab dem 21. April 1945 eroberten sowjetische und polnische Verbände in der Schlacht um Berlin die Stadt. Hitler tötete sich am 30. April 1945 im Führerbunker unter der Reichskanzlei. Am Morgen des 2. Mai kapitulierte Berlins Kampfkommandant General Weidling, und das Regierungsviertel wurde von der Roten Armee besetzt. Doch unternahmen trotzdem dort und an anderen Stellen eingekesselte Wehrmachts-, SS- und HJ-Einheiten verzweifelte Ausbruchsversuche, gaben sie aber in den Abendstunden auf. In den nächsten Wochen übte der sowjetische Generaloberst Bersarin als Stadtkommandant die Macht in Berlin aus.

Nach dem Kriegsende lag Berlin in Schutt und Asche: 28,5 Quadratkilometer des Stadtgebietes lagen in Trümmern, 600.000 Wohnungen waren total zerstört, 100.000 beschädigt, jedes zweite Kaufhaus war eine Ruine. Seit Kriegsbeginn 1939 hatte die Stadt über 1,5 Millionen Einwohner verloren; neben Kriegstoten, -gefangenen, ermordeten und vertriebenen NS-Opfern sind als größte Gruppe die nicht aus der luftkriegsbedingten Evakuierung zurückgekehrten Berliner zu nennen.

Die geteilte Stadt

 
Viersektorenstadt Berlin

Auf der Konferenz von Jalta vom 2. bis 11. Februar 1945 beschlossen die Alliierten, Deutschland in vier Besatzungszonen und Berlin in vier Sektoren aufzuteilen, von denen jeder von einem der Alliierten, Großbritannien, Frankreich, den USA und der Sowjetunion, kontrolliert wurde. Dazu zogen sich die sowjetischen Streitkräfte im Sommer 1945 aus den Westsektoren zurück, die sie nach der Schlacht um Berlin bis dahin besetzt hatten. Noch im Mai hatte die sowjetische Stadtkommandantur einen ersten Magistrat unter Arthur Werner und eine auf KPD-Mitglieder gestützte Stadtverwaltung eingesetzt. In der Zeit vom 1. bis 4. Juli 1945 trafen die amerikanischen und britischen Besatzungstruppen sowie eine Vorausabteilung des französischen Kontingents in den ihnen zugewiesenen Sektoren ein. Trotz der Sektorenaufteilung wurde Berlin weiter von einer gemeinsamen alliierten Kommandantur verwaltet. Schon bald gab es sich verschärfende politische Konflikte zwischen den Westalliierten und der Sowjetunion.

Am 20. Oktober 1946 fand die erste Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin in allen vier Besatzungszonen gemeinsam statt und endete mit einem deutlichen Sieg der SPD vor CDU und SED. Es folgten zunehmende Auseinandersetzungen in der Verwaltung und in der Stadtverordnetenversammlung.

Am 5. Dezember 1948 sollte eine erneute gemeinsame Wahl zur Stadtverordnetenversammlung von Groß-Berlin stattfinden, die jedoch nur in West-Berlin durchgeführt werden konnte, weil die sowjetische Besatzungsmacht sie in ihrem Sektor verboten hatten. Vielmehr hatte die SED-Fraktion am 30. November 1948 eine „Stadtverordnetenversammlung“ unter Teilnahme von hunderten angeblicher Abordnungen der Ost-Berliner Betriebe durchgeführt, auf der der rechtmäßig gewählte Magistrat für abgesetzt erklärt wurde und Friedrich Ebert (der Sohn des ehemaligen Reichspräsidenten) zum Oberbürgermeister „gewählt“ wurde.

Berlin-Blockade und Luftbrücke

Im Juni 1948 blockierten sowjetische Truppen sämtliche Straßen- und Schienenverbindungen durch die sowjetische Zone Richtung West-Berlin, in der Hoffnung, wieder die wirtschaftliche Kontrolle über die gesamte Stadt zu erlangen. Der in Ost-Berlin residierende Magistrat von Groß-Berlin verteilte an alle West-Berliner Lebensmittelkarten, die jedoch zumeist nicht in Anspruch genommen wurden. Die Blockade war mehr symbolischer Art und behinderte ausschließlich den Gütertransport aus Westdeutschland. Die West-Berliner jedoch fühlten sich in Anbetracht der politischen Verhältnisse um sie herum stärker dem westdeutschen Wirtschaftsraum zugehörig und verzichteten auf den Warenverkehr mit den östlichen Stadtbezirken und dem Umland.

Die Regierung der Vereinigten Staaten reagierte, indem sie die Luftbrücke einrichtete, bei der Nahrung, Heizstoffe und andere Versorgungsgüter in die Stadt eingeflogen wurden. Die Luftbrücke blieb bis September 1949 bestehen, obwohl die Blockade am 12. Mai 1949 aufgehoben wurde. Als Teil des Projektes erweiterten Ingenieure der US-Armee den Flughafen Tempelhof. Da die Piloten gelegentlich Süßigkeiten für Kinder bei der Landung aus dem Fenster warfen, wurden die Flugzeuge von den Berlinern Rosinenbomber genannt. Pakete mit Süßigkeiten wurden auch über Ost-Berlin abgeworfen.

Das Ziel der Sowjetunion, West-Berlin wirtschaftlich mit seinem Umland zu verzahnen und eine dauerhafte wirtschaftliche Loslösung zu verhindern, misslang gründlich. Mehr noch: Die West-Berliner Bevölkerung fühlte sich nach der Blockade politisch und wirtschaftlich noch stärker mit Westdeutschland verbunden als jemals zuvor. Nach der wirtschaftlichen Teilung war die politische Teilung somit nicht mehr aufzuhalten.

Berlin und die beiden deutschen Staaten

Als am 23. Mai 1949 die Bundesrepublik Deutschland in den drei westlichen Besatzungszonen gegründet wurde, listete Artikel 23 des Grundgesetzes auch Groß-Berlin als Bundesland mit auf. Ähnlich verhielt es sich mit der am 7. Oktober 1949 gegründeten DDR. Die damalige Fassung der Verfassung der DDR beschreibt Deutschland als „unteilbare Republik“ in der es nur eine deutsche Staatsangehörigkeit gäbe und deren Hauptstadt Berlin sei. Gemeint war zweifellos das gesamte Groß-Berlin, das nach DDR-Sichtweise auf dem Gebiet der sowjetischen Besatzungszone lag und deren westliche Sektoren nur von den Westalliierten verwaltet wurden. Somit beanspruchten beide neu gegründeten Staaten das gesamte Groß-Berlin, ohne jedoch vor dem 3. Oktober 1990 jemals Verfügungsgewalt über ganz Berlin gehabt zu haben.

Im Jahr 1950 trat in West-Berlin die Verfassung von Berlin (VvB) in Kraft. Nach Art. 2 Abs. 1 VvB war Berlin ein Land der Bundesrepublik Deutschland; dieser Artikel konnte jedoch keine Wirkung entfalten, da er von den in Berlin maßgeblichen Alliierten gemäß Genehmigungsschreiben vom 29. August 1950 zurückgestellt war. Die Bindung West-Berlins an die Bundesrepublik wurde jedoch durch „Übergangs“-Regelungen, die in Art. 87 VvB für die Zeit der alliierten Einschränkungen getroffen wurden, weitgehend gewährleistet, insbesondere durch regelmäßige Übernahme der Bundesgesetze durch das Berliner Abgeordnetenhaus.[34] Am 3. Dezember 1950 folgte die erste Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin, das seinerseits den Senat von Berlin wählte. Erster Regierende Bürgermeister von Berlin wurde Ernst Reuter.

Der Aufstand vom 17. Juni in der DDR

Am 17. Juni 1953 begann eine Demonstration von anfänglich 60 Bauarbeitern, die später als Volksaufstand bekannt wurde. Am Beginn war es nur Protest über eine kürzlich von der DDR-Regierung beschlossene Arbeitsnormerhöhung. Ihren Ausgang nahm die Demonstration an der im Bau befindlichen Stalinallee (heute Karl-Marx-Allee). Als insbesondere der RIAS von der Demonstration berichtete, solidarisierten sich viele Ost-Berliner mit dem Protestzug und reihten sich ein. Unterstützung erhielten die Ost-Berliner, die zum Potsdamer Platz zogen, auch von Berlinern aus den Westbezirken. Auch in zahlreichen Städten der DDR kam es infolge der Aufstände in Ost-Berlin zu Arbeitsniederlegungen und Demonstrationen.

Als der Aufstand außer Kontrolle zu geraten drohte, rief die Regierung der DDR sowjetische Truppen zu Hilfe. In der Folge kam es zu Straßenkämpfen, bei denen auf kaum bewaffnete Arbeiter scharf geschossen wurde. Während der Niederschlagung des Aufstandes wurden mindestens 153 Personen getötet. Die Beteiligung von West-Berliner Arbeitern, die Berichterstattung des RIAS, Angriffe auf Volkspolizisten und das Niederbrennen des Columbushauses nutzte die DDR-Regierung, um diesen Aufstand als konterrevolutionär und von West-Berlin gesteuert zu bezeichnen. Die unbeliebten Normerhöhungen wurden aber dennoch zurückgenommen und Kampfgruppen aus politisch besonders linientreuen Bürgern gegründet, um zukünftige Aufstände ohne sowjetische Soldaten niederschlagen zu können.

 
Kampfgruppen am Brandenburger Tor, 13. August 1961
 
Die geteilte Stadt
 
Modell des Stadtzentrums von Ost-Berlin
 
Blick auf den Ernst-Reuter-Platz

Mauerbau

Am 13. August 1961 begann die ostdeutsche Regierung mit dem Bau der Berliner Mauer, die die Trennung Berlins endgültig festigte. Der Plan zum Bau der Mauer in Berlin war ein Staatsgeheimnis der DDR-Regierung. Die Mauer sollte die Emigration der ostdeutschen Bevölkerung in den Westen verhindern, da die DDR wirtschaftlich und personell auszubluten drohte (sogenannte „Abstimmung mit den Füßen“).

Als die ersten Steinblöcke in den frühen Morgenstunden am Potsdamer Platz gelegt wurden, standen amerikanische Truppen mit scharfer Munition bereit, schauten dem Bau der Mauer jedoch nur zu. Zwar wurden die Westalliierten durch Gewährsleute über die Planung „drastischer Maßnahmen“ zur Abriegelung von West-Berlin informiert, vom konkreten Zeitpunkt und Ausmaß der Absperrung gaben sie sich öffentlich überrascht. Da ihre Zugangsrechte nach West-Berlin nicht beschnitten wurden, griffen sie nicht militärisch ein.

Im Jahr 1963 besuchte US-Präsident Kennedy Berlin. Vor dem Rathaus Schöneberg hielt er eine Rede über die Mauer, in der er die historischen Worte sprach: „Ich bin ein Berliner“. Dies bedeutete den Berlinern in der demokratischen Insel inmitten der DDR viel, war jedoch in Anbetracht der amerikanischen Akzeptanz beim Bau der Mauer teilweise Symbolik. Für die Westalliierten und die DDR bedeutete der Mauerbau eine politische und militärische Stabilisierung, der Status quo von West-Berlin wurde im wahrsten Sinne des Wortes zementiert – die Sowjetunion gab ihre im Chruschtschow-Ultimatum noch 1958 formulierte Forderung nach einer entmilitarisierten, „freien“ Stadt West-Berlin auf.

Im Jahr 1971 sicherte das Viermächteabkommen über Berlin die Erreichbarkeit West-Berlins und beendete die wirtschaftliche und politische Bedrohung, die mit einer Schließung der Zufahrtsrouten möglich gewesen wäre. Ferner bekräftigten alle vier Mächte die gemeinsame Verantwortung für ganz Berlin und stellten klar, dass West-Berlin kein Bestandteil der Bundesrepublik sei und nicht von ihr regiert werden dürfe. Während die Sowjetunion den Vier-Mächte-Status nur auf West-Berlin bezog, unterstrichen die Westalliierten 1975 in einer Note an die Vereinten Nationen ihre Auffassung vom Viermächte-Status über Gesamt-Berlin.

Berlinpolitik

Der Westteil der Stadt wurde von der Bundesrepublik massiv subventioniert, auch um mit dem „Schaufenster des Westens“ propagandistische Wirkung in der DDR zu entfalten. Unternehmen erhielten massive Investitionszuschüsse. Die Berlinzulage (genannt „Zitterprämie“), ein achtprozentiger Lohnaufschlag, sollte den fortgesetzten Arbeitskräftemangel lindern. Auch in Ost-Berlin wurden rund 50 % des städtischen Haushalts aus der Staatskasse der DDR finanziert.

Stadtentwicklung

Der Kurfürstendamm im Westen und der Alexanderplatz im Osten wurden jeweils als neue repräsentative Zentren ausgebaut. Mit der Freien Universität Berlin wurde im Westteil 1948 eine eigene Universität gegründet. Weitere bedeutende Bauprojekte im Westen waren unter anderem die Kongresshalle, die anlässlich der Internationalen Bauausstellung Interbau 1957 entstandene Mustersiedlung Südliches Hansaviertel, das nach seinem Architekten benannte Corbusierhaus, die Stadtautobahn, die Berliner Philharmonie, die von Ludwig Mies van der Rohe stammende Neue Nationalgalerie, das Europa-Center-Berlin, das Internationale Congress Centrum (ICC), das neue Gebäude der Deutschen Oper oder die Staatsbibliothek Preußischer Kulturbesitz (heute: Staatsbibliothek zu Berlin, Haus Potsdamer Straße) nach Plänen des Architekten Hans Scharoun. Parallel dazu sind historische Gebäude aufwendig restauriert worden, so beispielsweise der Martin-Gropius-Bau oder anlässlich der 750-Jahr-Feier 1987 der Hamburger Bahnhof. Den Wohnungsbau kennzeichneten seit den 1960er Jahren mehrere Großwohnraumsiedlungen wie die Gropiusstadt in Neukölln, das Märkische Viertel in Reinickendorf oder das Falkenhagener Feld in Spandau. 1960 wurde Werner Düttmann zum Senatsbaudirektor von West-Berlin berufen. Das internationale Filmfestival Berlinale fand 1951 erstmals statt. Seit 1957 war der von Paul Schwebes entworfene Zoo Palast zentrales Wettbewerbskino.

Im Osten begann in den 1970er Jahren ein groß angelegtes Wohnungsbauprogramm, in dem ganze Stadtteile neu angelegt wurden, nachdem schon in den 1960er Jahren insbesondere am Alexanderplatz repräsentative Neubauten errichtet worden waren (Kongresshalle, Haus des Lehrers) einschließlich des Fernsehturms. Der Palast der Republik wurde 1976 eröffnet. 1984 wurde Schinkels Schauspielhaus als Konzerthaus Berlin völlig renoviert wieder eröffnet. Der Tierpark in Friedrichsfelde wurde 1955 eingeweiht.

Wichtige Infrastrukturprojekte waren u. a. der Ausbau des Flughafens Tegel von 1965 bis 1975, der Ausbau des Flughafens Schönefeld oder die neuen U-Bahn-Linien U9 und U7.

Wohnungsbau

 
Heinrich-Heine-Viertel 1960

Nach Kriegsende waren von den rund 1,5 Millionen Wohnungen der Vorkriegszeit über ein Drittel zerstört und nicht mehr verfügbar. Hatte die Beseitigung der enormen Trümmermengen und die Herrichtung nur schwach beschädigter Gebäude anfangs Vorrang, folgten mit der Errichtung der Laubenganghäuser an der Karl-Marx-Allee von Hans Scharoun und der benachbarten fünf Wohnzeilen zwischen Graudenzer Straße und Hildegard-Jadamowitz-Straße in Friedrichshain 1949–1950 die ersten neuen Wohnhäuser. Weitere Beispiele für frühe Wohnungsbauprojekte der Nachkriegszeit sind das Hochhaus an der Weberwiese (1952), die Ernst-Reuter-Siedlung im Wedding zwischen Ackerstraße und Gartenstraße von 1953–1954 und die Otto-Suhr-Siedlung in der Luisenstadt ab 1956. Der Straßenzug des Prestigeprojektes Stalinallee wurde zwischen 1952 und 1956 fertig gestellt (ca. 2.500 Wohnungen). Als Gegenstück dazu begann ab 1956 im Rahmen der Interbau (IBA 57) die Errichtung des neuen Hansaviertels (ca. 1.300 Wohnungen).

Um 1955 wurde das DDR-Bauwesen nach überwiegend ökonomischen Kriterien neu ausgerichtet, der industrielle, typisierte Wohnungsbau begann. Größere Baustellen waren der Wohnkomplex Friedrichshain ab 1956, der zweite Bauabschnitt der Karl-Marx-Allee ab 1958 (ca. 4.500 Wohnungen) oder das Wohngebiet Fennpfuhl ab 1961. In der Luisenstadt begann 1958 der Bau des Neanderviertels (ab 1966 Heinrich-Heine-Viertel) mit Q3A-Typenbauten.

Die erste neue Großsiedlung am Stadtrand entstand ab 1960 auf dem Falkenhagener Feld in Spandau (ca. 8.000 Wohnungen). In Berlin-Buckow-Rudow wurde von 1960–1975 die Gropiusstadt errichtet (rund 17.000 Wohnungen). Der Bau des Märkischen Viertels in Reinickendorf begann 1963 und endete 1974 (ca. 16.000 Wohnungen). Die vierte Großsiedlung West-Berlins war die Thermometersiedlung in Lichterfelde-Süd (1968–1974).[35]

Von der „Kahlschlagsanierung“ zur behutsamen Stadterneuerung

Mit dem Beschluss des ersten Stadterneuerungsprogramms 1963 setzte im Westteil Berlins ein großflächiger Abriss zehntausender Wohnungen der innerstädtischen Quartiere aus dem späten 19. Jahrhundert ein (Mietskasernen). Diese Gebiete wurden nach Vorstellungen modernen Städtebaus völlig umgestaltet und neu bebaut. Das Viertel um die Brunnenstraße im Wedding wurde zum größten zusammenhängenden Sanierungsgebiet Deutschlands mit rund 17.000 Wohnungen. Das erste Stadterneuerungsprogramm war für einen Zeitraum von 10 bis 15 Jahren angelegt. Diese Praxis des Umgangs mit der Stadt wurde zunehmend kritisiert, und um 1970 gelang es erstmals das Vorderhaus einer Mietskaserne in der Putbusser Straße im Sanierungsgebiet Wedding-Brunnenstraße zu erhalten. Eine Wende brachte das Europäische Jahr des Denkmalschutzes 1975, erstmals gelang es dem Architekten Hardt-Waltherr Hämer am Klausenerplatz in Charlottenburg einen Mietskasernenblock (Block 118) mit innerer Bebauung überwiegend zu erhalten. Das vormals schlechte Ansehen der Arbeiterquartiere der Gründerzeit änderte sich langsam. Josef Paul Kleihues entwarf für den Vinetaplatz im Sanierungsgebiet Wedding-Brunnenstraße den ersten Baublock West-Berlins, der wieder an die Traditionen der Stadt des 19. Jahrhunderts anknüpfte, der Block 270 wurde im Rahmen des ersten Stadterneuerungsprogramms von 1975–1977 errichtet.

 
Haus am Checkpoint Charlie in der Friedrichstraße 43–44, errichtet 1985–1986

Mitte der 1970er Jahre hatten sich die politischen und ökonomischen Rahmenbedingungen geändert. Das Vier-Mächte-Abkommen von 1971 bestätigte die Teilung Berlins, Planungen die sich noch auf die ganze Stadt bezogen wurden aufgegeben. Die „Ölkrise“ leitete u. a. die langsame Abkehr von der autogerechten Stadt ein, sodass 1976 der Aufbau eines umfassenden Stadtautobahnsystems aufgegeben wurde. 1974 endete der Bau von Großsiedlungen am Stadtrand. Im selben Jahr wurde noch ein zweites Stadterneuerungsprogramm gestartet, welches einen höheren Anteil modernisierter Altbauwohnungen vorsah. Beispielsweise sollten bei der Sanierung des Stadtteils um den Chamissoplatz in Kreuzberg Platz, Straßen und Teile der alten Höfe erhalten bleiben. Allerdings wurden weiterhin tausende Wohnungen aus der Gründerzeit abgerissen und durch städtebauliche Großformen ersetzt, wie z. B. das Neue Kreuzberger Zentrum am Kottbusser Tor (1969–1974), die Autobahnüberbauung Schlangenbader Straße in Wilmersdorf (1976–1980) oder der „Sozialpalast“ in Schöneberg (1977). Der gesellschaftliche Protest gegen die „Kahlschlagsanierungen“ durch Hausbesetzungen erreichte zwischen 1979 und 1982 seinen Höhepunkt. Hauptkritikpunkte waren vor allem die Zerstörung sozialer Gefüge und die Vernichtung von billigem Wohnraum. Die städtebauliche Wende hin zur Wiedergewinnung der Innenstadt als Wohnort leitete 1978 der Beschluss zur Durchführung einer Internationalen Bauausstellung, der IBA 84–87 ein. Der Kahlschlagpolitik des Neubaus und dem modernen Städtebau wurden die Leitbilder der behutsamen Stadterneuerung und der kritischen Rekonstruktion gegenüber gegestellt. 1982 entstanden die 12 Grundsätze der Stadterneuerung, die nach 1990 auch im Prenzlauer Berg Anwendung fanden und bis heute die Stadterneuerungsprozesse in Berlin prägen. Der Schwerpunkt der IBA lag in Kreuzberg, die kritische Rekonstruktion der historischen Stadträume in der südlichen Friedrichstadt wurde nach 1990 in der nördlichen Friedrichstadt im Bezirk Mitte fortgesetzt. Die Themen der IBA waren u. a. ökologisches Bauen, Bürgerbeteiligung, neue Wohnformen, Umnutzung von Gebäuden, Mischung von Wohnen und Arbeiten oder die fußgängerfreundliche Umgestaltung von Straßen.[36]

„Lösung der Wohnungsfrage als soziales Problem“

 
Marzahn, Murtzaner Ring, 1987

Mit dem Regierungswechsel 1971 in der DDR wurde auf dem VIII. Parteitag der SED die Ausrichtung der künftigen Wirtschaftspolitik festgelegt (Einheit von Wirtschafts- und Sozialpolitik) und ein langfristiges Wohnungsbauprogramm eingeleitet. Das Politbüro des ZK der SED beschloss 1976 den Neubau von rund 200.000 Wohnungen bis 1990 in Ost-Berlin. Das Ziel sollte durch die Errichtung von Großsiedlungen am Stadtrand, Baulückenschluss in der Innenstadt als auch durch Stadterneuerungsmaßnahmen erreicht werden. Bereits 1973 war mit der Sanierung der historischen Bausubstanz am Arnimplatz begonnen worden, die auch für die West-Berliner Entwicklungen bedeutsam war. Ebenfalls im Prenzlauer Berg wurden die Häuser um den Arkonaplatz von Mitte der 1970er bis Mitte der 1980er Jahre restauriert. Diese beispielhaften Projekte führten auch in Ost-Berlin zur Anerkennung des Wertes der historischen Bausubstanz, das 1979 erlassene Abrissverbot wurde in der Praxis allerdings häufig umgangen. Diese aufwendigen Stadterneuerungsmaßnahmen blieben letztlich Einzelfälle, der überwiegende Altbaubestand verfiel weiter. Die Investitionen flossen überwiegend in die großen Neubaugebiete. Von 1975 bis 1987 wurden in Marzahn rund 62.000 Wohnungen errichtet und ein neuer Stadtbezirk gegründet. Marzahn war das größte Wohnungsbauprojekt der DDR. Ab 1979 folgte der Aufbau von Hohenschönhausen, wo bis 1989 über 40.000 Wohnungen entstanden. In Hellersdorf wurden zwischen 1981 und Ende 1989 rund 34.000 Wohnungen gebaut. In der ersten Hälfte der 1980er Jahre entstand am Stadtrand in Köpenick das Salvador-Allende-Viertel II, eine weitere Großsiedlung in Altglienicke (Treptow) war Mitte der 1980er Jahre in Planung.

Im Vorfeld der 750-Jahr-Feier sollten zusätzlich 20.000 Neubauwohnungen entstehen und 10.000 Wohnungen modernisiert werden. Bekanntere Beispiele sind die Restaurierungen der Husemannstraße oder der Sophienstraße sowie von Teilen der Spandauer Vorstadt (dort wurden historisierende Plattenbauten errichtet). Der Aufbau des Nikolaiviertels kann als Variante der kritischen Rekonstruktion der historischen Stadt gesehen werden. Von 1983 bis 1986 wurde im Prenzlauer Berg das Prestigeprojekt Ernst-Thälmann-Park errichtet (ca. 1.300 Wohnungen).[37]

Die „68er“ im Westteil

Ab 1968 wurde West-Berlin Zentrum der Studentenrevolten, die von der Freien Universität ausging, und die ihr Zentrum in Charlottenburg hatte. Ein weiterer Brennpunkt war die Zentrale der Springer-Verlage in der damaligen Kreuzberger Kochstraße (heute: Rudi-Dutschke-Straße). Es ging hier um einen gesellschaftlichen Konflikt, der die Bevölkerung spaltete. Studenten und Polizei standen sich oft gewalttätig gegenüber.

Ein Moment, der die Studentenbewegung aufrüttelte und aktivierte, war der 2. Juni 1967, als der pazifistische Student Benno Ohnesorg in der Nähe der Deutschen Oper bei einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien von dem Polizisten Karl-Heinz Kurras erschossen wurde.

Terroranschläge im Westteil

Ab Anfang der 1970er Jahre entwickelte sich in West-Berlin eine Terroristenszene. Neben Personen aus der Rote Armee Fraktion war in West-Berlin auch die Bewegung 2. Juni aktiv, die sich nach dem Todesdatum von Benno Ohnesorg benannt hatte. Am 10. November 1974 wurde der Kammergerichtspräsident Günter von Drenkmann ermordet und 1975 dann der Vorsitzende der Berliner CDU, Peter Lorenz, von Terroristen entführt.

Hausbesetzerszene

Als Reaktion auf den Wohnungsmangel bei gleichzeitigem spekulationsbedingtem Leerstand entwickelte sich im östlichen Teil Kreuzbergs, dem alten Postbezirk SO 36, Ende der 1970er Jahre eine vergleichsweise große und aktive Hausbesetzerbewegung. Im Juli 1981 erreichte die Anzahl der besetzten Häuser in Berlin mit 165 ihren Höhepunkt. Von diesen Besetzungen wurden 78 bis zum November 1984 durch den Abschluss von Miet-, Kauf- oder Pachtverträgen legalisiert, die Restlichen wurden geräumt.[38] Bereits im Dezember 1980 war es infolge einer versuchten Besetzung zu schweren Zusammenstößen zwischen Hausbesetzern und der Polizei gekommen. (siehe: Schlacht am Fraenkelufer) Bei einer Demonstration gegen die Räumung von acht besetzten Häusern starb in der Potsdamer Straße der Demonstrant und Hausbesetzer Klaus-Jürgen Rattay, der infolge eines Polizeieinsatzes unter einen Bus der BVG geraten war.

Eine neue Hausbesetzerbewegung entwickelte sich erst wieder im Rahmen der Wende 1989 in den Ost-Berliner Stadtteilen Friedrichshain und Prenzlauer Berg. Diese war insbesondere durch das passive Verhalten der Ost-Berliner Volkspolizei begünstigt. Dies änderte sich allerdings nachdem im Juli 1990 der Ost-Berliner Magistrat unter den Einfluss des Senats von West-Berlin geraten war. In der Folge kam es zu den schweren Straßenschlachten bei der Räumung der Mainzer Straße. Viele der Besetzungen wurden ähnlich wie bei der ersten Besetzungswelle legalisiert. Die letzten besetzen Häuser, die im Rahmen der „Berliner Linie“ toleriert worden waren, ließ der Berliner Innensenator Jörg Schönbohm zwischen 1996 und 1998 räumen.

750-Jahr-Feier

Zwischen 1982 und 1986 wurden in Vorbereitung auf die umfangreichen 750-Jahr-Feiern von 1987 in beiden Teilen der Stadt zahlreiche Verschönerungen vorgenommen. Beispielsweise wurden in West-Berlin der Breitscheidplatz und der Rathenauplatz neu gestaltet. Im Ostteil wurde das Nikolaiviertel mit historischen Versatzstücken als „neue“ Altstadt gebaut. In Ost und West wurden auch S- und U-Bahnhöfe im Innenstadtbereich saniert und z. T. auch aufwendig künstlerisch ausgestaltet, wie der U-Bahnhof Klosterstraße in Ostberlin als „erfahrbares Museum“.

An Pfingsten fand vom 6. bis 8. Juni 1987 an drei aufeinanderfolgenden Tagen das Concert for Berlin[39] statt. Das Konzertgelände lag beim Reichstag nahe der Mauer und es kam auf deren Ostseite zu Zusammenstößen zwischen jugendlichen Zuhörern der DDR und Volkspolizei.[40]

Die Jubiläumsfeier wurde auch durch Briefmarkenausgaben im Westteil (Deutsche Bundespost Berlin) und im Osten (Deutsche Post) gewürdigt. Im Westen erschien ein Block mit vier Marken sowie eine Einzelmarke. In der DDR wurde dieses Jubiläum durch mehrere Briefmarken gewürdigt, die unter dem Namen 750 Jahre Berlin zusammengefasst wurden.

Öffnung der Mauer

 
Symbolische Grabkreuze erinnern an die Opfer der Berliner Mauer, Januar 1990
 
Der Vorsitzende des DDR-Ministerrates Hans Modrow, Bundeskanzler Helmut Kohl, der Regierende Bürgermeister West-Berlins Walter Momper und im Hintergrund zwischen Kohl und Momper der Oberbürgermeister Ost-Berlins Erhard Krack während der Öffnung des Brandenburger Tors am 22. Dezember 1989
 
Reste der Berliner Mauer nahe dem Potsdamer Platz

Bei den Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR in Ost-Berlin im Oktober 1989 hielt Ehrengast Michail Gorbatschow eine Rede, in der er andeutete, dass er eine restriktive Politik der DDR-Regierung in Bezug auf die Flüchtlinge, die zu diesem Zeitpunkt über die Grenzen von Ungarn und der Tschechoslowakei flüchteten, nicht zulassen würde.

Am 9. November ließen die Grenztruppen zunächst am Übergang Bornholmer Straße, später auch an anderen Grenzübergängen nach einer missverstandenen Äußerung des Politbüromitgliedes Günter Schabowski auf einer Pressekonferenz die dort wartende Menge passieren. Viele Ost-Berliner fuhren noch in der Nacht nach West-Berlin. Am Brandenburger Tor erklommen Menschen die Mauer, es herrschte Volksfeststimmung. Die Reisefreiheit wurde nicht mehr zurückgenommen und die Mauer wurde in der Folgezeit abgerissen, wobei viele Berliner als sogenannte „Mauerspechte“ mit Hammer und Meißel Teile der Mauer als Souvenirs abschlugen.

Der Ost-Berliner Oberbürgermeister Tino Schwierzina und der West-Berliner Regierende Bürgermeister Walter Momper arbeiteten fortan in enger Absprache, um die große Menge an Aufgaben, die die bevorstehende Wiedervereinigung der Stadthälften aufwarf, in Angriff zu nehmen. Das Bürgermeistergespann wurde scherzhaft in den Medien als „Schwierzomper“ oder „Mompzina“ verballhornt, die beiden Stadtregierungen Senat (West) und Magistrat (Ost) wurden von Walter Momper bald als "Magi-Senat" tituliert.

Jüngere Stadtgeschichte

Laut Einigungsvertrag wurde Berlin mit der Wiedervereinigung am 3. Oktober 1990 zur Hauptstadt Deutschlands. Mit der Zustimmung zum Einigungsvertrag verzichteten die Alliierten auf ihre Kontrolle über Berlin, wodurch der umstrittene rechtliche Status Berlins geklärt und damit die Berlin-Frage gelöst war. Am 2. Dezember 1990 fanden die ersten Wahlen zum Abgeordnetenhaus des wiedervereinigten Berlins statt. Der Sitz von Bundestag und Bundesregierung war allerdings immer noch Bonn. Erst nach einer kontroversen – auch von der Öffentlichkeit geführten – Debatte beschloss der Bundestag am 20. Juni 1991, dass die Hauptstadt Berlin auch Parlaments- und Regierungssitz wurde (siehe: Hauptstadtbeschluss).

Als erstes Verfassungsorgan der Bundesrepublik Deutschland verlegte zum 1. Januar 1994 der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker seinen Dienstsitz nach Berlin.

Im Jahr 1996 scheiterte eine Volksabstimmung zur Zusammenlegung der Bundesländer Berlin und Brandenburg am Widerstand der Brandenburger Wähler.

Am 7. September 1999 nahm der Bundestag und am 29. September 2000 der Bundesrat seine Arbeit in Berlin auf.

Seit der Wiedervereinigung bereiten der Wegfall der meisten staatlichen Subventionen und seit 1997 zusätzlich der Berliner Bankenskandal der Stadt und dem Land Berlin enorme finanzielle und fiskalische Probleme, die die Handlungsfähigkeit der Stadtverwaltung einschränken. Der Bankenskandal führte 2001 zu einem erfolgreichen Misstrauensvotum gegen den Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen. Nachfolger wurde Klaus Wowereit mit einem Senat aus SPD und den Grünen und der Tolerierung durch die PDS. Nach einer Neuwahl des Abgeordnetenhauses am 21. Oktober 2001 wurde nach dem Scheitern der Verhandlungen für eine Ampelkoalition ein Senat mit Unterstützung einer Rot-Roten Koalition gebildet, die bei der Wahl zum Abgeordnetenhaus von Berlin 2006 bestätigt und bei der nach der Abgeordnetenhauswahl 2011 Ende 2011 durch eine Koalition aus SPD und CDU abgelöst wurde.

Berlin klagte 2003 beim Bundesverfassungsgericht wegen einer „extremen Haushaltsnotlage“, um eine Bundesergänzungszuweisung von 35 Milliarden Euro zum Schuldenabbau zu erhalten. Diese Klage wurde 2006 zurückgewiesen. Die defizitäre Lage Berlins konnte durch die starke Zunahme des Berlin-Tourismus ein wenig gemildert werden (Zitat von Klaus Wowereit: „Berlin ist arm, aber sexy“). Am 28. Oktober 2012 feierte die Stadt offiziell ihr 775-jähriges Jubiläum.

Siehe auch

Literatur

(chronologische Reihenfolge)
  • Adriaan von Müller: Jahrtausende unter dem Pflaster von Berlin. Edition Praeger, 1973.
  • Adriaan von Müller: Edelmann, Bürger, Bauer, Bettelmann. Berlin im Mittelalter, Berlin 1979.
  • Harald Brost, Laurenz Demps: Berlin wird Weltstadt. Edition Leipzig, 1981.
  • Georg Holmsten: Die Berlin-Chronik. Daten, Personen, Dokumente. Droste Verlag, Düsseldorf 1984.
  • Felix Escher: Berlin und sein Umland. Zur Genese der Berliner Stadtlandschaft bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts. Berlin 1985. (Einzelveröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin, Bd. 47)
  • Adriaan von Müller: Die Archäologie Berlins. Gustav Lübbe Verlag, 1986.
  • Wolfgang Ribbe: Geschichte der Berliner Verwaltungsbezirke. Bd. 1 ff. 1987 ff.
  • Wolfgang Ribbe (Hrsg.): Geschichte Berlins. 2 Bde. Berlin 1987, 3. erweiterte und aktualisierte Auflage 2002. (Veröffentlichungen der Historischen Kommission zu Berlin) (Standardwerk anlässlich des 750-Jahre-Jubiläums)
  • Heinz Seyer: Berlin im Mittelalter. Die Entstehung der mittelalterlichen Stadt, Berlin 1987.
  • Jonas Geist, Klaus Kürvers: Das Berliner Mietshaus. Bd. 1-3. München 1989
  • Horst Ulrich, Uwe Prell. Presse - und Informationsamt des Landes Berlin (Hrsg.): Berlin Handbuch. Das Lexikon der Bundeshauptstadt. FAB Verlag, Berlin 1992. ISBN 3-927551-27-9
  • Adriaan von Müller: Unter dem Pflaster Berlins. Ein archäologischer Streifzug. Argon Verlag, 1995.
  • Ingo Materna, Wolfgang Ribbe: Geschichte in Daten. Berlin/München 1997.
  • Autorenkollektiv: Chronik Berlin. Chronik Verlag, Gütersloh/München 1997, ISBN 3-577-14444-0.
  • Ernst Engelberg: Das Wilhelminische Berlin. Berlin 1997. (Einleitung zum gleichnamigen Buch, hrsg. von Ruth Glatzer)
  • Wolfgang H. Fritze: Gründungsstadt Berlin. Die Anfänge von Berlin-Cölln als Forschungsproblem. Bearb, hrsg. von Winfried Schich, Berlin 2000.
  • Gerd Heinrich: Kulturatlas Berlin – Ein Stadtschicksal in Karten und Texten. Berlin 2007, ISBN 978-3-00-021714-2.
  • Christoph Wunnicke: Wandel, Stagnation, Aufbruch. Ost-Berlin im Jahr 1988. Berlin 2008, ISBN 978-3-934085-27-5.
  • Michael Schwibbe, P. Huth et al.: Zeit Reise – 1200 Jahre Leben in Berlin. Zeitreise Verlagsgesellschaft, Berlin 2008, ISBN 978-3-00-024613-5.
  • Bernd Stöver: Geschichte Berlins. C.H. Beck Wissen, München 2010, ISBN 978-3-406-60067-8.
  • Maik Kopleck: PastFinder Berlin. Stadtführer zu den Spuren der Vergangenheit. Ch. Links Verlag, Berlin 2011/2012, 2 Bände: 1933–1945: ISBN 978-3861533269, 1945–1989: ISBN 978-9889978815.
  • Rolf Schneider: Ritter, Ketzer, Handelsleute. Brandenburg und Berlin im Mittelalter. be.bra verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-86124-662-6.
  • Julius H. Schoeps: Berlin. Geschichte einer Stadt. be.bra verlag, Berlin 2012, ISBN 978-3-8148-0193-3
Wikisource: Berlin – Quellen und Volltexte
Commons: Historische Karten von Berlin – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Anmerkungen

  1. a b Arnt Cobbers: Kleine Berlin-Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 2. aktualisierte Auflage. Jaron Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-89773-142-4, S. 8.
  2. Arnt Cobbers: Kleine Berlin-Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 2. aktualisierte Auflage. Jaron Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-89773-142-4, S. 8–9.
  3. Horst Ulrich, Uwe Prell, Ernst Luuk: Besiedlung des Berliner Raums. In: Berlin Handbuch. 1992, S. 127.
  4. Die Zauche war als Patengeschenk Pribislaw-Heinrichs an den Sohn Albrechts des Bären, Otto I., bereits seit um 1128 nicht mehr slawisch, sondern askanisch.
  5. Horst Ulrich, Uwe Prell, Ernst Luuk: Besiedlung des Berliner Raums. In: Berlin Handbuch. 1992, S. 127–128.
  6. Arnt Cobbers: Kleine Berlin-Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 2. aktualisierte Auflage. Jaron Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-89773-142-4, S. 9–10.
  7. Horst Ulrich, Uwe Prell, Ernst Luuk: Besiedlung des Berliner Raums. In: Berlin Handbuch. 1992, S. 128.
  8. Solch eine Urkunde zur Stadtrechtsverleihung existiert in Wirklichkeit nicht. Cobbers: Kleine Berlin-Geschichte. 2008, S. 13.
  9. a b Ilja Mieck: Geschichte Berlins bis 1945. In: Berlin Handbuch. 1992, S. 471.
  10. Michael Hofmann/Frank Römer(Hrsg.):Vom Stabbohlenhaus zum Haus der Wirtschaft. Ausgrabungen in Alt-Cölln, Breite Str. 21–29 (= Beiträge zur Denkmalpflege in Berlin, H. 14), Berlin 1999.
  11. „Deutschland: Berlin älter als bisher angenommen“ bei Wikinews
  12. Zu 1997: Torsten Dressler: Grabungen am Schlossplatz. In: Archäologie in Berlin und Brandenburg 1997, Stuttgart 1998, S. 82–85, zu 2008 ist in Vorbereitung der Grabungsbericht von Michael Malliaris in: Archäologie in Berlin und Brandenburg 2008.
  13. Arnt Cobbers: Kleine Berlin-Geschichte. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. 2. aktualisierte Auflage. Jaron Verlag, Berlin 2008, ISBN 978-3-89773-142-4, S. 13.
  14. Ulrich Waack: Die frühen Herrschaftsverhältnisse im Berliner Raum. Eine neue Zwischenbilanz der Diskussion um die „Magdeburg-Hypothese“. In: Jahrbuch für brandenburgische Landesgeschichte, 54 (2005) S. 7–38.
  15. a b c Ilja Mieck: Geschichte Berlins bis 1945. In: Berlin Handbuch. 1992, S. 472.
  16. Ilja Mieck: Geschichte Berlins bis 1945. In: Berlin Handbuch. 1992, S. 472–473.
  17. Ilja Mieck: Geschichte Berlins bis 1945. In: Berlin Handbuch. 1992, S. 473.
  18. F. Thadeusz, Berlins vergessene Hälfte, Der Spiegel 2012(13), abgerufen am 11. Juni 2013
  19. Berliner Unwillen, Verein für die Geschichte Berlins e. V., abgerufen am 30. Mai 2013
  20. Was den "Berliner Unwillen" erregte. In: Der Tagesspiegel, 26. Oktober 2012
  21. Bernd Horlemann (Hrsg.), Hans-Jürgen Mende (Hrsg.): Berlin 1994. Taschenkalender, Edition Luisenstadt Berlin, Nr. 01280
  22. a b c d e f g h Wolfgang Ribbe, Jürgen Schmädeke: Kleine Berlin-Geschichte. Herausgegeben von der Landeszentrale für politische Bildungsarbeit Berlin in Verbindung mit der Historischen Kommission zu Berlin; Stapp Verlag, Berlin 1994, ISBN 3-877762-22-0; S. 80–128: Reformzeit, Revolution und Reaktion (1800 bis 1860). Das Ende der friderizianischen Epoche: Berlin in der Phase des Umbruchs
  23. Wolfgang Schivelbusch: Die Geschichte der Eisenbahnreise. Zur Industrialisierung von Raum und Zeit im 19. Jahrhundert. Berlin 2004, S.159–160.
  24. Harald Bodenschatz: Alt-Berlin, Marienviertel, Rathausforum… Geschichte und Zukunft eines umstrittenen Stadtraums (PDF; 0,7 MB).
  25. Thorsten Dame: Elektropolis Berlin. Die Energie der Grosstadt. Die Bauwerke und Kunstdenkmäler von Berlin. Herausgegeben von Landesdenkmalamt Berlin Beiheft 34. Berlin 2011.
  26. Teil der Schriftenreihe der Forschungsgruppe „Metropolenforschung“, Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung (PDF; 1,2 MB)
  27. Zu der Demonstration siehe Axel Weipert: Vor den Toren der Macht. Die Demonstration am 13. Januar 1920 vor dem Reichstag. In: Jahrbuch für Forschungen zur Geschichte der Arbeiterbewegung, 11. Jahrgang, Heft 2, Berlin 2012, S. 16–32 [mit der unbelegten Opferzahl „42 Tote“].
  28. Siehe Büsch, Otto, Haus, Wolfgang, Berlin als Hauptstadt der Weimarer Republik 1919–1933 (Berliner Demokratie 1919–1985, Band 1), Berlin-New York 1987, S. 355.
  29. Zu Geschichte und Gehalt dieses Begriffs siehe Lehnert, Detlef, Das „rote“ Berlin: Hauptstadt der deutschen Arbeiterbewegung? In: Gert-Joachim Glaessner, Detlef Lehnert, Klaus Sühl (Hrsg.): Studien zur Arbeiterbewegung und Arbeiterkultur in Berlin, Berlin 1989, S. 1–36.
  30. Siehe Ingo Materna (u. a.): Geschichte Berlins von den Anfängen bis 1945, Berlin 1987, S. 641 f.
  31. Siehe Gerhard Keiderling: Wir sind die Staatspartei. Die KPD-Bezirksorganisation Groß-Berlin April 1945–April 1946, Berlin 1997, S. 28.
  32. Siehe Hans-Rainer Sandvoß: Die „andere“ Reichshauptstadt. Widerstand aus der Arbeiterbewegung in Berlin 1933 bis 1945, Berlin 2007, S. 618.
  33. Amory Burchard, Tilmann Warnecke: „Niemand konnte wegsehen“. In: Der Tagesspiegel. 5. März 2013, abgerufen am 6. März 2013.
  34. Berlin-Klausel, vgl. Schreiben der Alliierten Kommandantur Berlin betreffend die Genehmigung der Verfassung von Berlin.
  35. Herbert Schwenk: Berliner Stadtentwicklung von A bis Z, Berlin 2001.
  36. Harald Bodenschatz/Cordelia Polinna: Learning from IBA – die IBA 1987 in Berlin (PDF; 6,0 MB).
  37. Florian Urban: Erker im Plattenbau – die Entdeckung der historischen Stadt in der DDR.
  38. Volker Rekittke & Klaus Martin Becker: Politische Aktionen gegen Wohnungsnot und Umstrukturierung und die Hausbesetzerbewegung in Düsseldorf von 1972 bis heute. 1.4.1 Häuserkämpfe in Berlin 1979–81, 17. November 1995
  39. 6.–8. Juni 1987 Concert for Berlin. (HTML) rockinberlin.de, 11. Dezember 2010, abgerufen am 12. September 2011.
  40. David Bowie in Berlin: Das Lied vom Ende und sein Anfang. (HTML) faz.net, abgerufen am 12. September 2011.

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