Berüchtigt

Film von Alfred Hitchcock (1946)
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Film
Titel Berüchtigt dt. Original-Verleihtitel: Weißes Gift
Originaltitel Notorious
Produktionsland USA
Originalsprache Englisch
Erscheinungsjahre 1946
Länge 98 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Alfred Hitchcock
Drehbuch Ben Hecht,
Alfred Hitchcock,
Clifford Odets
Produktion Alfred Hitchcock
für RKO Radio Pictures
Musik Roy Webb
Kamera Ted Tetzlaff
Schnitt Theron Warth
Besetzung

Der Kriminalfilm Berüchtigt wurde 1946 von dem englischen Regisseur Alfred Hitchcock nach einem Originaldrehbuch von Ben Hecht gedreht. Der Film wurde von RKO produziert.

Handlung

Nachdem gegen Ende des Zweiten Weltkriegs der Vater der Amerikanerin Alicia Huberman wegen Landesverrats zu einer Gefängnisstrafe in einem US-Gefängnis verurteilt worden ist, wird auf sie der Geheimagent T. R. Devlin angesetzt. Der US-Geheimdienst weiß aus Abhörprotokollen, dass sie gegenüber den USA loyal eingestellt ist. Alicia, die ein Alkoholproblem hat, und Devlin verlieben sich ineinander. Devlins Vorgesetzte wünschen jedoch, dass Alicia den Kontakt zu einem früheren Mitarbeiter ihres Vaters, Alexander Sebastian, wiederaufnimmt, der inzwischen Nazis der IG Farben nach Brasilien schleust. Sebastian war früher einmal in Alicia verliebt; durch deren erneute Annäherung an ihn erhofft man sich Aufschluss über die Pläne der Bande. Devlin hat Skrupel, bringt Alicia aber aus Pflichtbewusstsein dazu, sich an Sebastian heranzumachen. Bald darauf macht Sebastian Alicia einen Heiratsantrag. Nach Rücksprache mit dem Geheimdienst nimmt sie an. Die Bande, die sich regelmäßig in Sebastians Villa trifft, geht sehr rigoros mit unzuverlässigen Mitgliedern um. Wer versagt, wird liquidiert.

Während einer Party im Hause Sebastians entdecken Alicia und Devlin, dass in einigen Flaschen in Sebastians Weinkeller eine Art dunkles Erz versteckt wird, das sich später als Uranpulver herausstellen wird. Sebastian und seine eifersüchtige und misstrauische Mutter kommen den beiden auf die Schliche. Um sich nicht selbst vor den Mitverschwörern zu kompromittieren, beginnen sie, Alicia ganz langsam zu vergiften. Devlin deutet in der Folge Alicias aufkommende Schwäche falsch und nimmt an, dass sie wieder mit dem Trinken begonnen habe. Als sie jedoch zu einem verabredeten Treff nicht erscheint, schöpft er Verdacht. In Sebastians Haus findet er Alicia völlig entkräftet. Am Krankenbett gesteht er ihr seine Liebe und befreit sie unter den Augen von Sebastian und dessen Nazi-Partnern. Devlin droht Sebastian an, der Bande zu verraten, dass er eine US-amerikanische Geheimagentin geheiratet habe. Sebastian, der, um das Schlimmste für sich und seine Mutter zu verhindern, nicht eingreifen kann, wird seinem Schicksal überlassen. Ein Mitglied der Bande ahnt, was wirklich passiert ist. Das Ende lässt vermuten, dass Sebastians Schicksal besiegelt ist.

Entstehungsgeschichte

Vorlage

Dem Originaldrehbuch von Ben Hecht, für das er 1947 für den Oscar nominiert wurde, lag eine Idee von Hitchcock zugrunde, außerdem Motive einer von David O. Selznick „ausgegrabenen“ Kurzgeschichte des Journalisten John Taintor Foote mit dem Titel The Song Of The Dragon aus dem Jahr 1912, einer Art Mata-Hari-Geschichte. Hitchcock interessierte jedoch nur der Aspekt, dass ein Mann eine Frau, die er liebt, zwingt, aus Pflichtgründen mit einem anderen Mann ein Verhältnis einzugehen. David O. Selznick, bei dem Alfred Hitchcock zu diesem Zeitpunkt unter Vertrag stand, verkaufte die Rechte an dem Film im Paket mit dem Drehbuchautor Ben Hecht, dem Regisseur Alfred Hitchcock sowie den Schauspielern Cary Grant und Ingrid Bergman kurz vor Drehbeginn für 800.000 Dollar und 50 % des Gewinns an RKO, um seinen Teil an dem Film Duell in der Sonne (Duel in the Sun, 1946), der bereits über dem Budget und hinter dem Zeitplan lag, zu finanzieren.

Die Geschichte mit dem Uran

Um Berüchtigt rankt sich eine von Hitchcocks bekanntesten Anekdoten, die er bis zu seinem Tode immer wieder gerne erzählte. Laut Hitchcock kam er bereits 1944 auf die Idee, als Grund für die Anwesenheit der Deutschen in Brasilien Uran zu verwenden, aus dem man, so Hitchcock damals, vielleicht Bomben bauen könnte. Co-Drehbuch-Autor Ben Hecht und Produzent Selznick hätten Bedenken gehabt, und so hätten Hitchcock und Hecht im Mai oder Juni 1945 den Nobelpreisträger Robert Millikan zum Thema „ob man mit Uran eine Bombe bauen könne?“ konsultiert. Dieser lehnte eine Antwort ab, bestätigte aber, dass Uran in eine Weinflasche passen könnte. Diese Begegnung sei laut Hitchcock auch Auslöser dafür gewesen, dass Hitchcock während der gesamten Dreharbeiten vom FBI beschattet wurde.

Außer Hitchcocks eigener Aussage gibt es hierfür jedoch keine Belege. Donald Spoto legte in seinem Buch glaubhaft nahe, dass das Uran erst nach dem Atombomben-Abwurf auf Hiroshima im August 1945 Aufnahme ins Drehbuch gefunden hat. Für Hitchcock war der politische Aspekt ohnehin nebensächlich, da für ihn bei der Entwicklung des Drehbuchs die Beziehung zwischen Devlin/Grant und Alicia/Bergman im Vordergrund stand. Im Juli 1945 hat Hitchcock in New York Rollenbesetzungsgespräche mit deutschen Emigranten geführt, von denen er wahrscheinlich über geflohene Nazis in Südamerika erfahren hat.

Anfang August 1945 erfolgte der Atombombenabwurf auf Hiroshima, und erst knapp zwei Monate später, Ende September 1945, wurden die Arbeiten am Drehbuch abgeschlossen. Bereits im Mai 1945 erhielt Selznick einen Brief vom FBI, wonach jeder Film, der einen US-Geheimdienstmitarbeiter zeige, dem State Department zur Begutachtung vorzulegen wäre – damals zu Kriegszeiten eine Routineangelegenheit. Von diesem Brief hatte Hitchcock selbstverständlich Kenntnis, was ihn möglicherweise zu der Überwachungs-Geschichte inspirierte. Laut Spoto gibt es jedenfalls in den FBI-Akten keinerlei Hinweis auf eine Überwachung Hitchcocks zu dieser Zeit, und die weiteren Umstände (USA im Krieg, Hitchcock selbst und diverse Schauspieler waren Ausländer, Hitchcocks notorische Angst vor der Polizei) sprächen ebenfalls gegen die von Hitchcock selbst verbreitete Geschichte, die im Übrigen von keinem der sonstigen Beteiligten bestätigt werden konnte.

Berühmte Szenen

Der Film enthält die damals längste durchgehende Kamerafahrt. Auf der Party bei Alexander Sebastian fährt die Kamera von einer hoch angesetzten Weitwinkelaufnahme des Saales bis zu einer extremen Nahaufnahme des Kellerschlüssels in Alicias Hand heran. Außerdem ist in Berüchtigt die damals längste Kussszene der Filmgeschichte zu sehen. Nach den Richtlinien der Zensoren des Production Codes durfte ein Filmkuss damals nicht länger als drei Sekunden dauern. Hitchcock umging diese Regel, indem er in einer knapp dreiminütigen Sequenz Devlin und Alicia, unterbrochen durch kurze Dialogsätze, sich immer und immer wieder küssen ließ, während sie sich im Appartement umher bewegten. Er ließ den beiden dabei Freiheiten in ihrem Text. In der endgültigen Fassung handelt der Dialog während des Kusses vom Essen und wer danach den Abwasch erledigt.

Sonstiges

  • Leopoldine Konstantin, die in Berüchtigt die Mutter von Claude Rains spielt, war im wahren Leben gerade einmal vier Jahre älter als dieser — sie war 60, er 56 Jahre alt. Eine vergleichbar kuriose Mutter-Sohn-Besetzung verwendete Hitchcock in Der unsichtbare Dritte mit „Mutter“ Jessie Royce Landis, die auch nur gut sieben Jahre älter als „Sohn“ Cary Grant war.
  • Der Kameramann Ted Tetzlaff arbeitete erstmals mit Hitchcock zusammen. Während der Autofahrt zu Beginn des Films gab Hitchcock Tetzlaff Anweisungen zur Beleuchtung. Tetzlaff, der es gewohnt war - wie in Hollywood üblich - alleine zu entscheiden, kommentierte dieses Anliegen mit „Na Papa, wir interessieren uns wohl für Technik?“. Berüchtigt blieb Tetzlaffs letzter Film als Kameramann, er wurde danach selbst Regisseur.

Auszeichnungen

Claude Rains wurde als Bester Nebendarsteller für den Oscar nominiert, Ben Hecht für das Beste Originaldrehbuch.

Deutsche Synchronisation

Der Film wurde in Deutschland erstmals am 21. September 1951 unter dem Titel Weißes Gift aufgeführt. So kurz nach dem Zweiten Weltkrieg wollte der Verleih den deutschen Zuschauern keine Nazi-Geschichte zumuten, und in der Synchronisation wurde aus der Uran- eine Rauschgiftgeschichte. Um zu verschleiern, dass es sich bei den Rauschgifthändlern um Deutsche handelt, wurden etliche Rollennamen abgewandelt oder verändert (siehe Tabelle unten). Erst in der Wiederaufführung am 11. August 1969 (der Film wurde im Auftrag des ZDF als Geburtstagsgeschenk für Hitchcock neu synchronisiert und unter dem Titel Berüchtigt ausgestrahlt) bekamen auch deutsche Zuschauer die Originalgeschichte zu sehen und hören.

Selbst in dieser Version fehlt jedoch jede Spur der IG Farben, die die eigentlichen Drahtzieher hinter den Bösewichten darstellen. Man ging sogar so weit, eine Einstellung aus dem Dialog Ingrid Bergmans und Cary Grants, in der diese namentlich erwähnt wird, herauszuschneiden. Während man in der damaligen Fernsehfassung diesen Schnitt noch visuell bemerkt, fehlt von dieser Einstellung in heutigen Fassungen (beispielsweise auf der DVD-Version) jede Spur (während der komplette Dialog in der französischen Fassung unverfälscht zu hören ist). An einer Stelle fällt jedoch das Wort „deutsche Farbenindustrie“.

Bis heute existiert keine originalgetreue deutsche Fassung des Films.

Rolle Rollennamen (Kinofassung 1952) Darsteller Synchronsprecher (Kinofassung 1952) Synchronsprecher (Fernsehfassung ZDF 1969)
T.R. Devlin T.R. Devlin Cary Grant Wolfgang Lukschy Niels Clausnitzer
Alicia Huberman Elisa Sombrapal Ingrid Bergman Tilly Lauenstein Marianne Wischmann
Alexander Sebastian Aldro Sebastini Claude Rains Alfred Balthoff Ernst Kuhr
Capt. Paul Prescott Kommissar Paul Prescott Louis Calhern Siegfried Schürenberg Wolf Ackva
Anna Sebastian Frau Sebastini Leopoldine Konstantin Friedel Schuster N. N.
Dr. Anderson Dr. Anderson Reinhold Schünzel Arthur Schröder N. N.
Walter Beardsley Walter Beardsley Moroni Olsen Hans Emons Hans Cossy
Eric Mathis Enrico Ivan Triesault Werner Peters Wolfgang Hess
Butler Joseph Butler Joseph Alex Minotis Erich Fiedler Paul Bürks
Dr. Julio Barbosa Dr. Barbosa Ricardo Costa Hans Hessling Erik Jelde
Emil Hupka Ramon Hupka Eberhard Krumschmidt Walter Bluhm N. N.

Cameo

Datei:Notorious Hitchcock cameo part 4.png
Cameo in Berüchtigt

Wie in den meisten seiner Filme hatte Hitchcock auch in diesem einen Cameo-Auftritt, er trinkt Champagner auf der Party in Alexander Sebastians Haus.

Kritik

„Hitchcocks spannender Psycho-Krimi, in dessen Mittelpunkt der Konflikt zwischen Pflicht und Liebe steht, ist mit äußerster Einfachheit der formalen Mittel zu größtmöglicher Wirkung gebracht.“

Lexikon des internationalen Films

„Der für Hitchcock typische Kontrast von friedlichem Alltags-Milieu und unerwarteter Bedrohung zeugt auch hier die geforderte Spannung und macht den vom Objekt her schon ein wenig veralteten Streifen sehenswert.“

Evangelischer Filmbeobachter (Kritik Nr. 370/1969)

Literatur

  • Donald Spoto: Alfred Hitchcock – Die dunkle Seite des Genies. Heyne, München 1984, ISBN 3-453-55146-X (dt. Übersetzung von Bodo Fründt)
  • Rainer Maria Köppl: Hitchcock und die IG Farben: Filmsynchronisation als Tanz in Ketten. In: Lew. N. Zybatow: Sprachenkontakt – Mehrsprachigkeit – Translation. Peter Lang, Frankfurt 2007. S. 107–141.