Mauerziegel

Blockstein im Bauwesen
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Der Mauerziegel, auch Backstein oder kurz Ziegel (v. latein. tegula) ist der älteste künstliche Mauerstein. Das Wort taucht in fast allen europäischen Sprachen auf.

Ziegelmauer im gotischen Verband

Der künstliche Stein wird in einer für Region und Einsatzzweck typischen einheitlichen Größe geformt und erlaubt damit eine sehr effiziente Arbeitsweise beim Bauen. Das Ziegelformat wird für besondere Situationen an Ecken, Fensterlaibungen und Dekorationen mit speziellen Formsteinen ergänzt. In Gegenden mit Naturstein wurden oft besondere Details wie Fensterlaibungen und Schmuckelemente in Sandstein ausgeführt, die Mauerflächen dagegen mit Ziegeln, entweder verputzt oder als Sichtmauerwerk. Diese Bauweise ist häufig bei Bauten des Historismus bis etwa 1914 in Deutschland anzutreffen.

Für Dekorationszwecke gibt es bereits seit dem Mittelalter farbig glasierte Ziegel.

Einteilung hinsichtlich der Herstellung:

  • Luftgetrocknete Ziegel (Adoben) werden nicht gebrannt, sondern über eine längere Zeit an der Luft getrocknet. Die Konsequenz ist, dass sie sich bei Aufnahme von Wasser wieder aufweichen können und daher hauptsächlich in niederschlagsarmen, trockenen Regionen verwendet werden. Für gewöhnlich ist der Hauptbestandteil dieser Ziegel Lehm.
  • Weichgebrannte Ziegel werden im Brennofen gebacken (siehe Brennen von Tonminerale). Sie sind zwar im Gegensatz zum luftgetrockneten Ziegel dauerhaft verfestigt aber dennoch nicht sonderlich witterungsbeständig, da sie eine hohe Porösität und Wasseraufnahmefähigkeit aufweisen. Sie werden daher entweder beim Bau im Innenbereich verwendet (Hintermauerziegel) oder am fertigen Bauwerk (überlicherweise mit Putz) abgedeckt.
  • Hartgebrannte Ziegel werden mit höheren Temperaturen gebrannt, und sind dadurch härter und dichter als weichgebrannte Ziegeln. Sie finden im Außenbereich Verwendung. Zu dieser Sorte gehören die Vormauerziegel, die Klinker (Pflasterklinker) sowie die Dachziegel (Tondachziegel). Klinker sind so stark gebrannt, dass eine glasartige Oberfläche entsteht. Sie nehmen daher kein Wasser auf und sind sehr widerstandsfähig.

Geschichte

 
Ziegelsteinherstellung um 1568

Die Verwendung des Ziegels lässt sich in Vorderasien und auf dem indischen Subkontinent bis über fünftausend Jahre zurückverfolgen und gebrannte Lehmsteine nachweisen. In Europa verteilten die römischen Legionen den Ziegelstein, die Feldziegeleien betrieben und damit Vorbild für zivile Bautätigkeit waren. Römische Ziegel haben oft eine Marke, die die Legion kennzeichnet, unter deren Regie der Ziegel hergestellt wurde. Die Verwendung des Ziegels in Süd- und Westdeutschland, also in den Gebieten unter römischen Einfluss lässt sich auf diese Tradition zurückführen, deren Technik bereits vom römischen Baumeister Vitruv beschrieben wurde.

In Norddeutschland wurde die Ziegeltechnik im 12. Jahrhundert vermutlich erneut aus Oberitalien eingeführt und entwickelte sich selbständig weiter. Die Blütezeit der Dekoration aus Formziegeln war die Backsteingotik, eine deutsche Sonderform der Gotik, die vor allem im Gebiet der Hanse weit verbreitet war; als Beispiel sei das Rathaus in Stralsund erwähnt. In dem Gebiet der Backsteingotik waren Natursteine Mangelware, so dass man sich mit Ziegeln als vermeintlich minderwertigem Ersatz begnügen musste, eine Einschätzung, die sich sehr lange hielt. In früherer Zeit wurde noch Naturstein über weite Strecken transportiert, der schon in standardisierten Größen angeliefert wurde und damit einen nahtlosen Übergang zum standardisierten Kunststein ermöglichte.

In der Renaissance und im Barock war Sichtmauerwerk aus Ziegel wenig beliebt und man überdeckte den Ziegel mit Putz, Stuck oder überschlämmte ihn zumindest. Erst in der Mitte des 18. Jahrhunderts wurde die Bauweise mit sichtbaren Ziegeln wiederbelebt, zum Beispiel beim Bau des holländischen Viertels in Potsdam.

Herstellung

Ziegel werden seit Jahrtausenden auch von Hand geformt, indem Lehm in einen einseitig offenen Kasten gepresst, das überstehende Material abgestrichen und dann die Form gestürzt wird - dies ergibt die Handstrichziegel, die als sichtbares Merkmal typische Quetschfalten aufweisen. Gebrannt werden die Ziegel dann in so genannten Feldbrandöfen oder Meilern. Dieses Verfahren hat sich bis heute in Entwicklungsländern erhalten.

Bilderserie über traditionelle Herstellung von Handstrichziegeln

Die nachfolgende Bilderserie zeigt die Herstellung von Handstrichziegeln bei Dukatole (Maletswai, Südafrika). Ca. 200 Ziegelhersteller leben dort von der Herstellung von Backsteinen. Nach Pressung und Trocknung der Ziegel an der Luft werden die Ziegelformen in einem Meiler aufgeschichtet. Zwischen den Ziegeln wird Kohle (im unten stehenden Bild grau) hinzugefügt. Der Meiler wird abschließen mit Lehm und Ziegeln minderer Qualität abgedeckt. Nach ca. 14 Tagen ist der Brennvorgang abgeschlossen. Anschließend werden die fertig gebrannten Ziegel nach der Qualität sortiert.

 
Claims von Ziegelherstellern bei Dukatole (Maletswai, Südafrika), (Ausschnitt)
 
Haus eines Ziegelherstellers. Mittels eines Siebes wird Kohle aus Ascheresten herausgefiltert. Die Aschereste wurden von ansässigen Betrieben umsonst zur Verfügung gestellt
 
Vorbereitung des Lehms.
 
Pressung des Lehms in den Formkasten.
 
Trocknung der handgepressten Ziegel.
 
Ziegelmeiler kurz vor der Fertigstellung
 
Fertige gebrannte Handstrichziegel in guter Qualität.
 
Fertige gebrannte Ziegel nach unterschiedlichen Qualitäten sortiert.

Industrielle Fertigung

Mit der Industrialisierung wurde auch bald die Herstellung mechanisiert. Erst die industrielle Fertigung von Ziegeln mittels Strangpressen, die den Ziegeln eine sehr glatte Oberfläche geben, ermöglichte es, die gewaltigen Bauleistungen der Industrialisierung mit den Fabrikhallen, Arbeitersiedlungen, Mietskasernen und repräsentativen Bürgerhäusern zu meistern. Für eine typische Berliner Mietskaserne benötigte man über eine Million Ziegel, der Bau des Anhalter Bahnhofs in Berlin bestand aus 16 Millionen Ziegel.

Kalksandziegel (oder auch Sandsteinziegel) sind seit 1855 bekannt, wurden aber gegen Ende des 19. Jahrhunderts mit Hilfe von patentierten Herstellungsverfahren in großen Mengen hergestellt. Sie wurden aus scharfkantigem kieselsäurehaltigem Sand gefertigt, der möglichst frei von erdigen Bestandteilen, wie Lehm und Humus sein sollte. Als Kalk kam Fettkalk (Weißkalk), Magerkalk (Graukalk) oder auch hydraulischer Kalk (Schwarzkalk) in Betracht. Das Mischungsverhältnis von Kalk zu Sand betrug etwa 1:6.

Formate

Der traditionelle kleinformatige Backstein ist ein länglicher Quader, dessen größte Kantenlänge (Länge) etwas mehr als dem doppelten Maß der mittleren Kantenlänge (Breite) entspricht. Die Differenz entspricht der Breite der vertikalen Fuge, der so genannten Stoßfuge. Unter Berücksichtigung der Fuge entspricht damit ein längs eingemauerter Ziegel, der so genannte Läufer genau zwei quer eingemauerten so genannten Binder. Die beim Binder sichtbare schmale Seite bezeichnet man auch als Kopf, die horizontale Fuge heißt Lagerfuge.

Da die Industrialisierung den weiten Transport von Baumaterialien ermöglichte und die Lieferanten damit austauschbar wurden, führte man 1872 in Deutschland per Gesetz das so genannte alte Reichsformat für Ziegel ein, mit den Abmessungen 25 x 12 x 6,5 cm. Damit konnte man ein Gebäude aus Mauer-Ziegeln verschiedener Herkunft bauen und die Anwendung des neuen Formats wurde bei staatlichen Bauten gefordert. Dieses Ziegelformat wurde 1869 von dem Berliner Baumeister Lämmerhirth vorgeschlagen, wobei ein m³ Mauerwerk inklusive 1cm Fuge und üblichen Verlusten an den Ecken aus 400 Steinen bestand. Eine Anpassung an das Metrische System war noch nicht gegeben.


Das (neue) Reichsformat mit 24 x 11,5 x 6,3 cm und das etwas dickere Normalformat nahm Bezug auf das metrische System, denn mit dieser Ziegelgrundfläche und 1 cm Mörtelfuge waren die Bauten in 1/8 Meter-Einheiten gerastert - oktametrisches System. Durch die fehlende beziehungsweise zusätzliche Mörtelfuge bei Innen- und Außenmaßen ergibt sich immer eine Differenz um +/- 1cm von 1/8 Meter. Auf dieses Raster wurden später die anderen Gewerke des Hauses, wie zum Beispiel Fenster und Türen abgestimmt und in den Maßen genormt. In anderen Ländern oder bestimmten Regionen waren andere Formate gebräuchlich.

Es gab folgende gebräuchliche Formate (Auswahl):

  • 25 x 12 x 6,5 cm altes Reichsformat
  • 25 x 12 x 6,5 cm Normalformat in Österreich
  • 24 x 11,5 x 6,3 cm Reichsformat (RF) in Deutschland
  • 24 x 11,5 x 7,1 cm Normalformat (NF) in Deutschland
  • 24 x 11,5 x 5,2 cm Dünnformat (DF)
  • 29 x 14 x 6,5 cm Standardformat in der Donaumonarchie
  • 28 x 13,5 cm Klosterformat
  • 21 x 10 x 6,5 cm englisches Format
  • 20-21 x 10 x 5 cm niederländisches Standardformat (Waalformaat); siehe zu den niederländischen Maßen: pdf-Datei des niederl. Verbandes von Backsteinfabrikanten (nl)

Die Rohdichte beträgt etwa 1,4 bis 2,0 kg/dm³. Geregelt werden die genauen Formate und die Rohdichten für Deutschland in der DIN 105.

Verband

Für gebräuchliche Mauerstärken, abgesehen vom Fachwerk und Trennwänden innerhalb von Wohnungen, war das Ziegelformat in seiner Breite viel zu schmal, so dass Ziegel immer im Verband gemauert wurden. Die Mauerstärken bemaßen sich in ganzen Steinen, gerechnet in Ziegellänge. 1-Stein-Mauerwerk ist zum Beispiel im (neuen) Reichsformat 24cm dick. Für mehrgeschossige Stadthäuser der Gründerzeit war 2,5 bis 3-Stein-Mauerwerk (61,5 bis 74 cm) in Keller und Erdgeschoss üblich, das sich alle ein bis zwei Geschosse um einen halben Stein verjüngte. Gelegentlich wurde der Ziegel auch hochkant vermauert, zum Beispiel bei sehr dünnen nichttragenden Trennwänden. In Griechenland ist diese sehr sparsame Bauweise noch gebräuchlich.

Je nach sichtbarer Abfolge von Läufer und Binder an der Außenseite gibt es verschiedene Arten des Verbandes:

  • Gotischer Verband (Klosterverband)
  • Wendischer Verband (Wechselverband)
  • Märkischer Verband
  • Holländischer Verband
  • Binderverband
  • Läuferverband
  • Blockverband
  • Kreuzverband
  • Sparverband
  • Kaminverband
  • Stromverband (Burgenverband)

Das Ziegelmauerwerk des Mittelalters und der frühen Neuzeit war inhomogen und bestand aus zwei vorab gemauerten Schalen und dem Kern, der dazwischen eingebracht wurde. Dieser bestehend aus (z.T. minderwertigen) Ziegel, Ziegelbruch und teilweise auch Findlingen. Die Schalen sind meist im Gotischen Verband gemauert und nur durch wenige Binder mit dem Kern verbunden. Bei alten Bauwerken kann sich daher die Schale vom Kern lösen. Der Grund für diese Bauweise war der unausgereifte Brennvorgang, der wenige gute und viele schlecht gebrannte Ziegel lieferte. Die guten Qualitäten mussten daher an der Außenseite konzentriert werden. Die Ecken wurden im mittelalterlichem Mauerwerk immer aus ganzen (unbehauenen) Steinen gefügt, der Ausgleich zur üblichen Überdeckung um 1/4 Steinlänge erfolgte innerhalb des Verbandes.

Erste Anwendungen des Blockverbandes kann man ab dem 16. Jahrhundert nachweisen, der aus abwechselnden Lagen von Bindern und Läufern besteht. Damit entstand ein homogenes Mauerwerk, das durch die gesamte Dicke durchgebunden war. Beim davon abgeleiteten Kreuzverband sind die Läufer zusätzlich versetzt, so dass sich die Schichtenfolge erst nach 4 Lagen wiederholt. Bei gezielter Verwendung unterschiedlich farbiger Ziegel ergibt sich dabei ein Kreuzmuster. An den Ecken werden 3/4-Steine vermauert.

Ziegel heute

 
Ziegelwohnhaus als Beispiel für moderne Architektur in Madrid

Der traditionelle kleinformatige Ziegel hat heute als Tragendes Mauerwerk im Neubau nur noch geringe Bedeutung. Die Ziegel wurden durchlöchert und immer größer, dies nennt man Lochziegel. Die Löcher machten einerseits den Ziegel leichter und damit auch größere Formate handhabbar, andererseits dient die eingemauerte Luft zur Wärmedämmung, genauer zur Reduzierung der Wärmeverluste durch Wärmeleitung im Material. Um diese Eigenschaften noch zu verbessern, wird das Ziegelmaterial inzwischen selbst porosiert, indem die Rohmasse mit brennbaren Stoffen wie Sägemehl oder Kunststoffkügelchen vermengt wird. Diese Stoffe verbrennen beim Brennvorgang und hinterlassen Poren. Die Aufschäumung mit Treibmitteln ist weniger gebräuchlich. Diese Produkte tragen den Namen Schaumton. Bei den Großformaten gelten immer noch die alten Standardmaße, die modernen Steine sind immer Vielfache des Normal- oder Dünnformats.

Als Verblendmauerwerk sind Ziegel vor allem in Norddeutschland immer noch sehr beliebt. Die Baustoffindustrie hat eine breite Palette von Formaten, Tönungen und Oberflächenstrukturen entwickelt, um auf die modischen Wünsche der Bauherren eingehen zu können. Das Spektrum reicht von weiß glasierten bis zu anthrazit durchgefärbten Steinen. Im Gegensatz zu historischen Ziegeln, die durch Verunreinigungen im Ton in der Fläche ein lebendiges Bild ergaben, wirken moderne Wandflächen aus Ziegeln oft steril. Man versucht dies durch farbliches Changieren zu kompensieren.

Alte Backsteine werden inzwischen aus Abbrüchen geborgen und wiederverwendet bei Renovierungen und Neubauten in alter Tradition. Dieses Recycling hat eine sehr lange Tradition und konnte bereits bei Bauten im Zweistromland oder bei römischen Ziegeln beobachtet werden, die in mittelalterlichen Bauwerken zu finden sind.

Trivia

Feierabendziegel sind spezielle Ziegel, die mit Datumsangaben, Texten, Sprüchen oder Ornamenten verziert wurden.

In Zeiten der manuellen Produktion wurde der noch weiche Ton/Lehm damit verziert, dies passierte häufig nach getaner Arbeit - zum Feierabend.

Siehe auch

  • Steinverband - Steinverband in Meyers-Konversationslexikon von 1889, Band 15 Seite 279.