Karneval, Fastnacht und Fasching

Brauchtum vor Aschermittwoch
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Als Karneval, Fastnacht (regional auch Fassenacht, Fasnacht, Fasnet, Fosnet, Faasend, Fasteleer, Fastelov(v)end, Faslam) oder Fasching bezeichnet man traditionell die Zeit der Ausgelassenheit, Fröhlichkeit und überschäumenden Lebensfreude vor Beginn der österlichen Fastenzeit (Passionszeit). Ihren Ausdruck findet diese Zeit in den unterschiedlichen Karnevalshochburgen der Welt

Goldmasken beim Karneval in Venedig (1995)

Als Fastnachtszeit hat sich in Deutschland und der Schweiz die Spanne vom 11. November, 11:11 Uhr bis zum Aschermittwoch eingebürgert. Jedoch wird im deutschen Südwesten, der schwäbisch-alemannische Fastnacht, vielerorts die Fastnacht erst am Dreikönigstag begonnen. Auch in Österreich beginnt der Fasching am Dreikönigstag, ebenso begann früher der traditionelle Fasching auch in Bayern erst mit dem Dreikönigstag, die Vorverlegung des Faschingsanfang gegen die Tradition auf den 11. November, vollzog sich im ländlichen Raum teilweise erst in den 1980er-Jahren.

Die Bedeutung der Fastnachtszeit für viele Menschen drückt sich darin aus, dass man sie in vielen Gegenden die fünfte Jahreszeit nennt.

Bedeutung

Fastnacht

 
Harlekin

Das Wort Fastnacht und seine regionalen Abwandlungen werden vor allem in Hessen und Rheinhessen, in der Pfalz und der Kurpfalz, sowie in Baden, Schwaben, Sachsen und der Schweiz verwendet. Auch im Rheinland kommt es als Fastelovend oder Fasteleer vor, wurde dort aber im offiziellen Sprachgebrauch durch das Wort Karneval abgelöst. Es kommt vom Althochdeutschen fasta (Fastenzeit) und naht (Nacht, Vorabend) und bezeichnete ursprünglich nur den Tag vor Beginn der Fastenzeit, ab dem 15. Jahrhundert auch die Woche davor. Manchmal wird der Name auch mit faseln = fabulieren erklärt, was jedoch stark angezweifelt wird.

Fasching

Vom Fasching spricht man vor allem in Bayern, Thüringen, Brandenburg und Österreich. Das Wort kommt von Vaschanc, was den Ausschank des Fastentrunks bezeichnete.

Karneval

Das Wort Karneval bezieht man in Deutschland in erster Linie auf den rheinischen Karneval (siehe: Düsseldorfer, Kölner Karneval, Karneval im Ruhrgebiet). Die Herkunft des Begriffs ist nicht eindeutig geklärt.

Herleitungen weisen auf

  • mittellat.: carnelevale (-levare) die mit der Fastenzeit bevorstehende "Fleischwegnahme";
  • lat.: carne vale der Abschiedsruf "Fleisch lebe wohl".
  • Im 19. Jahrhundert wurde der Begriff auch auf das römische, vorchristliche lat. carrus navalis Schiffskarren, ein Schiff auf Rädern, das bei jährlichen Umzügen zum Wiederbeginn der Schifffahrt durch die Straßen geführt wurde, zurückgeführt. Hieraus soll sich die Tradition des Narrenschiffs gebildet haben. Jedoch ergaben Forschungen, dass das Wort carrus navalis im klassischen Latein nicht existierte.

Karnevaleske Strukturen des Maskierens, Verkleidens und ritualisierter Ausgelassenheit lassen sich in allen Kulturen finden. Eine ganz eigenständige, bemerkenswerte Vitalität entwickelte der Karneval in Lateinamerika.

Weltweit wird der Karneval sehr unterschiedlich gefeiert. Bekannt sind u. a. der Karneval in Rio und der Karneval in Venedig. Auch in den Südstaaten der USA gibt es eine ausgeprägte Karnevalstradition. Man verwendet hier die französische Bezeichnung Mardi Gras (Fetter Dienstag, Fastnachtsdienstag).

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Geschichte

 
Fasnachtsumzug in Luzern

In der Antike

Begonnen hat der Karneval vor 5000 Jahren im Zweistromland, im Land mit den ersten urbanen Kulturen. Eine altbabylonische Inschrift aus dem 3. Jahrtausend v. Chr. gibt Kunde davon, dass unter dem Priesterkönig Gudea ein siebentägiges Fest gefeiert wurde und zwar nach Neujahr als symbolische Hochzeit eines Gottes. Die Inschrift besagt: „Kein Getreide wird an diesen Tagen gemahlen. Die Sklavin ist der Herrin gleichgestellt und der Sklave an seines Herrn Seite. Die Mächtige und der Niedere sind gleichgeachtet.“ Hier wird zum ersten Mal das Gleichheitsprinzip bei ausgelassenen Festen praktiziert und es ist bis heute ein charakteristisches Merkmal des Karnevals.

In allen Kulturen des Mittelmeerraumes lassen sich ähnliche Feste, die meist mit dem Erwachen der Natur im Frühling in Zusammenhang stehen, nachweisen: In Ägypten feierte man das ausgelassene Fest zu Ehren der Göttin Isis und die Griechen veranstalten es für ihren Gott Dionysos. Die Römer schließlich feierten vom 17. Dezember bis 19. Dezember die Saturnalien zu Ehren ihres Gottes Saturn. Das Fest war verbunden mit einem öffentlichen Gelage, zu dem jedermann aus jeder Gesellschaftsschicht eingeladen war. Hinrichtungen wurden während der Saturnalien hinten angestellt. Sklaven und Herren tauschten zeitweise die Rollen, feierten und saßen gemeinsam myrtenbekränzt bei Tische, tranken und aßen nach Herzenslust, konnten jedes freie Wort wagen und überschütteten sich mit kleinen Rosen. Aus den Rosen entstanden möglicherweise das in unseren Tagen bekannte Konfetti. Die Römer veranstalteten auch farbenprächtige Umzüge, bei denen ein geschmückter Schiffswagen umhergezogen wurde. Während Volkskundler des 19. Jahrhunderts meinten, dass sich aus diesem carrus navalis (Schiffskarren) das Wort Karneval entwickelte, widerlegten Altphilologen diese Theorie, indem sie anführten, dass es diesen Ausdruck im klassischen Latein nie gegeben hatte.

Jedoch werden in der aktuellen Forschung Termine wie Saturnalien oder Lupercalien als Ursprung des Fastnachtsbrauchtums stark angezweifelt. In vielen Masken, Figuren und Bräuchen scheinen sich auch vorchristliche, z.B. keltische Riten erhalten zu haben, die den Wechsel vom kalten Winterhalbjahr in das warme und fruchtbare Sommerhalbjahr beinhalten. Den Winter versuchte man zu vertreiben, indem man sich als Geister, Kobolde und unheimliche Gestalten aus der Natur verkleidete und mit Holzstöcken wild um sich schlug bzw. mit einer Rassel oder Ratsche (Schnarre) Krach machte. Die neuere Forschung bezweifelt mittlerweile auch die germanische Theorie: Sie geht davon aus, dass sich Bräuche und Feste nicht mit einer Unterbrechung von mehreren Jahrhunderten überliefert haben können, und gehen daher von der heutigen Fastnacht als einem christlichen Fest aus. Germanische Theorien (sog. Kontinuitätsprämissen) hatten insbesondere während des Nationalsozialismus Konjunktur, werden heute aber teilweise unbewusst noch immer zitiert. Die Skepsis gegenüber allen Theorien, die eine Überlieferung gemanischen oder keltischen Brauchtums annehmen, hält - verständlicherweise - seit dem zweiten Weltkrieg ungebrochen an.

Es ist aus diesem Grund davon auszugehen, dass über mehrere Jahrhunderte keine Feste ähnlich der Fastnacht stattfanden, sondern diese eher im hohen und späten Mittelalter mit der Fastenzeit entstanden.

Im Mittelalter

 
Ein Schembartläufer aus dem Jahre 1476

Im mittelalterlichen Europa feierte man - zwar in Kirchen, jedoch nicht kirchlich - "Narrenfeste" vom 12. Jahrhundert bis zum Ende des 16. Jahrhunderts um den Epiphaniastag (6. Januar). Dabei übernahmen die unteren Kleriker vorübergehend Rang und Privilegien der höheren Geistlichkeit. Kirchliche Rituale wurden parodiert; selbst ein "Pseudopapst" wurde gekürt, am 28. Dezember, am Tag der unschuldigen Kinder, wurde oftmals ein Kinderbischof gekürt, welcher dem Rollentausch ähnlich dem "Pseudopapst" gleichkam. In Gestalt von Prozessionen wurden auch die Bewohner der Städte am Fest beteiligt. Auch während der eigentlichen Karnevalstage waren Narren- oder Eselsmessen weit verbreitet.

Die mittelalterliche Fastnacht wird auf die augustinischen Lehren vom Zwei-Staaten-Modell zurückgeführt. Die Fastnacht steht daher für die civitas diaboli, den Staat des Teufels. Daher wurde die oftmals ausartende Fastnacht von der Kirche als didaktisches Beispiel geduldet, um zu zeigen, dass die civitas diaboli wie auch der Mensch vergänglich ist und am Ende Gott siegreich bleibt. Mit dem Aschermittwoch musste daher die Fastnacht enden, um die unausweichliche Umkehr zu Gott zu verdeutlichen. Während die Kirche bei gotteslästernden Szenen während der Fastnacht untätig blieb, wurde ein Weiterfeiern der Fastnacht in den Aschermittwoch hinein, streng verfolgt.
Insbesondere im ausgehenden 14. und 15. Jahrhundert wurde im deutschen Raum Fastnacht gefeiert, so z. B. die Nürnberger Schembartläufe. Um diese Zeit fand auch der Narr Einzug in die Fastnacht, der im didaktischen Sinne der Fastnacht auf die Vergänglichkeit hinweisen sollte.

In manchen Fastnachten - insbesondere in Tirol - wird vor diesem Hintergrund bereits am Fastnachtsdienstagabend zum "Betzeitläuten" die Maske um sechs Uhr abgelegt. Hintergrund zu dieser Uhrzeit ist die mittelalterliche Tradition, dass der neue Tag bereits mit dem Einbruch der Nacht beginnt.

In der Neuzeit

Da die Reformation die vorösterliche Fastenzeit abschaffte und somit auch die Fastnacht ihren Sinn verlor, gerieten viele Bräuche zum Teil wieder in Vergessenheit. Bis heute ist der Karneval daher vor allem in den katholischen Gebieten verbreitet. Während ältere Fastnachten in Südwestdeutschland sich nach wie vor in katholischen Gebieten finden lassen, ergab durch einen regelrechten Fastnachtsboom in den 1990er Jahren, dass auch in evangelischen Gegenden Fastnacht gefeiert wird. In der Schweiz hat Basel einen Sonderstatus: Die Stadt feiert trotz des seit Jahrhunderten vorherrschenden Protestantismus eine relativ alte, traditionelle Fastnacht.

Im Barock und Rokoko wurden vor allem auf Schlössern und an den Fürstenhöfen rauschende Karnevalsfeste gefeiert, welche sich stark an die italienische Commedia dell'Arte anlehnten.
Während in den Städten vermehrt Handwerkszünfte - und dort insbesondere die jungen Gesellen - die Fastnacht ausrichteten, übernahm im frühen 19. Jahrhundert insbesondere im rheinischen Raum das Bürgertum die Festveranstaltung, da Zünfte in den Spätfolgen der französischen Revolution und dem Einmarsch von französischen Truppen unter Napoleon an Bedeutung verloren bzw. aufgelöst wurden. Das Bürgertum feierte zwar nach wie vor närrische Redouten, die Straßenfastnacht war aber nahezu ausgestorben. So wurde zur Wiederbelebung 1823 in Köln eine neue Art der Straßenfastnacht: Den heutigen Karneval.
Insbesondere in anderen Gebieten, d.h. vor allem in Österreich, der Schweiz, Bayern und Baden-Württemberg, erhielten sich ältere Formen. Besonders in Baden-Württemberg wird heute somit zwischen Karneval und schwäbisch-alemannischer Fastnacht unterschieden, nachdem sich gegen Ende des 19. Jahrhunderts auch hier der Karneval durchsetzte, bis nach dem ersten Weltkrieg eine Rückbesinnung der alten Formen gefordert wurde, welche sich in der Gründung der Vereinigung schwäbisch-alemannischer Narrenzünfte 1924 manifestierte.

In anderen Ländern konnte sich der Fasching und der Karneval kaum etablieren, so gerieten in England viele Bräuche aufgrund der Reformation Heinrich VIII. (England) in Vergessenheit, die sich daher auch nicht in den USA festigen konnten.

Räumliche Einordnung

Der Karneval findet fast ausschließlich in katholischen, in abgewandelter Form auch in orthodoxen Gebieten statt. Dieses hängt sicherlich nicht nur mit der Fastenzeit zusammen, sondern auch mit dem früher stärker vorherrschenden Katholizismus als Lebensform. Hochburgen sind also in Deutschland das Rheinland (Köln, Düsseldorf), Rheinhessen (Mainz), Baden-Württemberg, in der Schweiz in Luzern und Basel. Der Karneval ist auch in Südamerika verbreitet; besonders der Karneval von Rio de Janeiro ist weltbekannt.

Mit der Reformation im 16. Jahrhundert verschwand in den überwiegend evangelischen Gebieten mit dem Aschermittwoch auch die Fastnacht. Eine Ausnahme war Basel, wo die Fasnacht nie dauerhaft abgeschafft wurde (siehe oben Karnevalstermin und Basler Fasnacht). Erst im ausgehenden 20. Jahrhundert wurde in vielen evangelischen Städten wieder eine Fastnacht eingeführt.

Literatur

  • Michail Bachtin: Rabelais und seine Welt. Volkskultur als Gegenkultur, Frankfurt a. M. 1987. ISBN 3518287877
  • Hans Gapp: Die großen Fasnachten Tirols. Edition Löwenzahn, Innsbruck 1996. ISBN 3-7066-2135-5
  • Rolf Gisler-Jauch: Fasnächtliches Uri, Altdorf 2005. ISBN 3906130320
  • Werner Mezger u. A.: Narren, Schellen und Marotten. Elf Beiträge zur Narrenidee, Remscheid 1984. ISBN 3922055982
  • Werner Mezger: Narrenidee und Fastnachtsbrauch. Studien zum Fortleben des Mittelalters in der europäischen Festkultur. (Konstanzer Bibliothek Bd. 15), Konstanz 1991. ISBN 3879403740
  • Werner Mezger: Das große Buch der schwäbisch-alemannischen Fasnet. Ursprünge, Entwicklungen und Erscheinungsformen organisierter Narretei in Südwestdeutschland, Stuttgart 1999. ISBN 380621221X
  • Dietz-Rüdiger Moser: Fastnacht, Fasching, Karneval. Das Fest der "verkehrten Welt", Graz 1986. ISBN 3222115958
  • Herbert Schwedt (Hrsg.): Analyse eines Stadtfestes. Die Mainzer Fastnacht. (Mainzer Studien zur Sprach- und Volksforschung 1), Wiesbaden 1977. ISBN 3515026649

Siehe auch