Rybatschi

Ort in der russischen Oblast Kaliningrad im Rajon Selenogradsk
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Siedlung
Rybatschi
Рыбачий
Föderationskreis Nordwestrussland
Oblast Kaliningrad
Rajon Selenogradsk
Erste Erwähnung 1372
Zeitzone UTC+2
Postleitzahl 238535
Kfz-Kennzeichen 39, 91
OKATO 27 215 818 003
Website http://www.rybachy.com
Geographische Lage
Koordinaten 55° 9′ N, 20° 51′ OKoordinaten: 55° 9′ 17″ N, 20° 51′ 10″ O
Rybatschi (Europäisches Russland)
Rybatschi (Europäisches Russland)
Lage im Westteil Russlands
Rybatschi (Oblast Kaliningrad)
Rybatschi (Oblast Kaliningrad)
Lage in der Oblast Kaliningrad
Schiffsanleger in Rossitten (vor 1945)
Vogelwarte Rossitten (um 1920)

Rybatschi, inkorrekt transkribiert auch Rybachy oder Rybatschij (russisch Рыбачий, von Rybak = „Fischer“; prußisch Rosit; deutsch Rossitten; litauisch Rasytė) ist ein Ort mit Ungültiger Metadaten−Schlüssel 27215818003 Einwohnern (Stand 1. Oktober 2021)[1] auf der Kurischen Nehrung im ehemaligen Ostpreußen in der heutigen Oblast Kaliningrad, Russland, unweit der Grenze zu Litauen. Bis 1945 hatte Rossitten deutsche Bevölkerung. Es war besonders bekannt durch die Vogelwarte Rossitten und durch seine Segelfliegerschule.

Rybatschi ist Verwaltungssitz der Selskoje posselenije Kurschskaja Kossa (Landgemeinde Kurische Nehrung).

Geografie

Es handelt sich um den größten Ort auf der russischen Seite der Nehrung, mitten im Nationalpark Kurische Nehrung. Die Umgebung ist geprägt von Kiefernwäldern und Dünen, darunter der „Epha-Düne“. In der direkten Nähe des Ortes befindet sich der Süßwassersee Möwenbruch; bis zum Ostseestrand sind es etwa zwei Kilometer. Durch Rybatschi verläuft die alte Poststraße von Kaliningrad (Königsberg Pr.) nach Klaipėda (Memel). Von der Müllershöhe bei Rossitten hat man einen sehr guten Blick über Haff und See.

Geschichte

Rossitten und die hier früher befindliche Deutschordensburg wurden erstmals 1372 erwähnt. Der Name des Ortes leitet sich von prußisch „rosit, rasit“: Tau ab (vgl. lettisch „rasenti“: sprühen, rieseln). Die meiste Zeit befand sich hier eine von Kuren bewohnte Fischeransiedlung, die bedingt durch starke Dünenwanderungen mehrmals verlegt werden musste, bis Wilhelm Franz Epha am Ende des 19. Jahrhunderts durch Bepflanzungen ein Ende dieses Naturphänomens erreichte. Nur in und um Rossitten wurde auf der Nehrung Landwirtschaft betrieben, weil es hier Lehmboden gab. Ansonsten hatten die kurischen Nehrungsfischer ihre Heuwiesen und Gemüseäcker auf dem gegenüberliegenden Festland (Memelgebiet, Niederung). Während einer Feuchtperiode im 12. Jh. zog es die auf dem Festland lebenden Kuren nach Norden. Lediglich auf der trockenen Nehrung blieben einige wenige Familien zurück.

Im Dünengelände östlich des Ortes erzielte Ferdinand Schulz, ein Pionier des Segelflugs, 1924 mit seiner Eigenkonstruktion FS3 „Besenstielkiste“ eine Weltbestleistung im Dauerflug. Seine Segelflugschule wurde Teil der „Rhön-Rossitten-Gesellschaft“ (später: Deutsche Forschungsanstalt für Segelflug). Julius Hatry war Fluglehrer in Rossitten und baute Flugzeugmodelle.

Rossitten hatte einen festen Bestand an Elchwild.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges (1945) fiel Rossitten, wie der gesamte nördliche Teil der deutschen Provinz Ostpreußen, an die Sowjetunion und wurde in Rybatschi umbenannt. Die deutschen Einwohner flüchteten oder wurden 1947/48 vertrieben. Seit Auflösung der Sowjetunion (RSFSR) 1991 gehört der Ort zur Russischen Föderation, Oblast Kaliningrad.

Amtsbezirk Rossitten (1874-1945)

Am 13. Juni 1874 wurde Rossitten namensgebender Ort und Verwaltungssitz des neu errichteten Amtsbezirks Rossitten[2]. Er bestand bis 1945 und gehörte zum Landkreis Fischhausen (1939 bis 1945 Landkreis Samland im Regierungsbezirk Königsberg der preußischen Provinz Ostpreußen). Er war anfangs in vier Landgemeinden und einen Gutsbezirk gegliedert:

Name Russischer Name Bemerkungen
Landgemeinden:
Kunzen Krasnoretschje 1894 in die Landgemeinde Rossitten eingegliedert
Pillkoppen Morskoje
Rossitten Rybatschi
Sarkau Lesnoi
Gutsbezirk:
Rossitten,
bis 1906: Kurische Nehrung (Forst)
1931 in den Amtsbezirk Kurische
Nehrung umgegliedert

Am 1. Januar 1945 bildeten noch drei Gemeinden den Amtsbezirk Rossitten: Pillkoppen, Rossitten und Sarkau.

Dorfsowjet Rybatschi (1947-2008)

Im Jahre 1947 wurde das inzwischen zur Sowjetunion gekommene Rossitten, jetzt: Rybatschi, dem neu gebildeten Rajon Selenogradsk (Kreis Cranz) zugeordnet. Zwischen 1947 und 2008 war Rybatschi zentraler Ort des nach ihm benannten Rybatschi selski sowjet (Dorfsowjet Rybatschi) mit den nahezu dem Amtsbezirk Rossitten gleichen Orten[3]: Krasnoretschje (Kunzen), Lesnoi (Sarkau), Morskoje (Pillkoppen) und Rybatschi (Rossitten). Bis auf Krasnoretschje, das als untergegangen gilt, wurden die Orte 2005 bzw. 2008 in die neue Selskoje posselenije Kurschskaja Kossa (Landgemeinde Kurische Nehrung) übernommen[4]. Verwaltungssitz diese Gemeinde ist Rybatschi.

Kirche

 
Die früher evangelische, heute russisch-orthodoxe (Sergius-) Kirche in Rossitten (Rybatschi, 2013)

Evangelisch

Kirchengebäude

Die Backsteinkirche von Rossitten stamt aus dem Jahre 1873 und war bis 1945 evangelisches Gotteshaus. Nach einer Fremdnutzung als Getreidelager in der Zeit der Sowjetunion nutzt es jetzt die Russisch-orthodoxe Kirche für gottesdienstliche Zwecke.

Kirchengemeinde

Rossitten war bereits in vorreformatorischer Zeit ein zentraler Kirchort. Bis 1551 amtierte in der damals zur Inspektion Schaaken (heute russisch: Schemtschuschnoje) gehörenden Pfarrei bereits ein evangelischer Geistlicher, als man Kirche und Pfarramt nach Kunzen (russisch: Krasnoretschje, heute nicht mehr existent), drei Kilometer südlich gelegen, verlagerte[5]. Im Jahre 1808 wurde die Kirche wieder nach Rossitten verlegt, da sie in Kunzen versandete.

Zur Kirchengemeinde Rossitten gehörte auch die bereits um 1300 gegründete Kirche in Sarkau (heute russisch: Lesnoi), allerdings nur bis 1885, als sie der Pfarrei in Cranz (Selenogradsk) zugeordnet wurde. Die Kirche Rossitten gehörte bis 1945 zum Kirchenkreis Königsberg-Land II in der Kirchenprovinz Ostpreußen der Kirche der Altpreußischen Union.

Heute liegt Rybatschi im Einzugsbereich der evangelisch-lutherischen Gemeinde in der Stadt Selenogradsk (Cranz), einer Filialgemeinde der Auferstehungskirche in Kaliningrad (Königsberg), der Hauptkirche der Propstei Kaliningrad[6] der Evangelisch-lutherischen Kirche Europäisches Russland (ELKER).

Kirchspielorte

Das Kirchspiel Rossitten bildeten bis 1945 die vier Fischerdörfer Kunzen, Pillkoppen, Rossitten und - lediglich bis 1885 - Sarkau.

Pfarrer (bis 1945)

In Rossitten (bis 1885 auch Sarkau) amtierten von der Reformation bis 1945 26 evangelische Geistliche[7]:

  • Hader Pfaff, bis 1551 (danach bis 1808 Ver-
    legung des Pfarrsitzes nach Kunzen)
  • Carl Ludwig Fürchtegott Hintz, 1808-1814
  • Georg Friedrich W. Fritzsche, 1814-1820
  • Wilhelm Benjamin Radeck, 1820-1824
  • Eduard Constantin Wilhelm Hoffmann, 18124-1825
  • Johann Carl Friedrich Borck, 1825-1826
  • Friedrich Ferdinand Schulz, 1826-1828
  • Friedrich Billeit, 1828-1837
  • Theodor Ferdinand Traugott Hendewerk,
    1837-1838
  • Julius Adolf Hoecker, 1844-1850
  • Heinrich Gotth. R. Ebel, 1850-1857
  • Heinrich Adolf Frachet, 1857-1870
  • Friedrich Richard Ostermeyer, 1870-1877
  • Carl August Hermann Heinrichs, 1877-1880
  • Ernst Ludwig Theodor von Schaewen, 1880-1886
  • Theodor Johann Hermann Schmökel, 1886-1896
  • Friedrich Karl Wriedt, 1896-1906
  • Franz Max Connor, 1906-1911
  • Immanuel Zimmermann, 1911-1913
  • Ernst Franz Kreutzer, 1913-1919
  • Walter Skaga, 1919-1926
  • Johannes Hildebrand, 1926-1932
  • Johannes Perle, 1932-1933
  • Erich May, 1933-1936
  • Johannes Kypke, 1936-1940
  • Ortwin Schack, 1943-1945

Russisch-orthodox

Die bis 1945 evangelische Kirche Rossittens ist seit 1992 im Eigentum der Russisch-orthodoxen Kirche und trägt den Namen Sergiuskirche. Sie wurde umfänglich restauriert. Rybatschi liegt im Bereich der Diözese Kaliningrad und Baltijsk (bis 2009 Diözese von Smolensk und Kaliningrad) mit der Christ-Erlöser-Kathedrale als Metropolitankirche in Kaliningrad (Königsberg).

Tourismus

 
Dorfstraße in Rybatschi (2009)

Bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gehörte Rossitten (heute Rybatschi) zu den wichtigeren Erholungsorten an der Ostsee. Heutzutage wird es vor allem von natursuchenden Gästen, Ornithologen sowie sog. Heimattouristen aus Deutschland besucht. Die Beherbergung ist vor allem in zahlreichen privaten Unterkünften möglich.

Die Jugendherberge war nach Paul Stettiner benannt.

Sehenswürdigkeiten

Die Biologische Station

Rybatschi beherbergt eine Nachfolgeeinrichtung der traditionsreichen Vogelwarte Rossitten, die 1901 von dem deutschen Ornithologen Johannes Thienemann (1863–1938) gegründet wurde. Sie ist heute eine Außenstelle des Zoologischen Institutes der Russischen Akademie der Wissenschaften. Die Führungen und eine Ausstellung in der Biologische Station verschaffen den Besuchern einen Einblick in die Vogelwelt und die Geschichte der Vogelberingung auf der Kurischen Nehrung.

Die Kirche

Eines der alten Gebäude, die man in Rybatschi sehen kann, ist die Backsteinkirche von 1873. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie als Getreidelager genutzt. 1992 wurde die Kirche der orthodoxen Gemeinde übergeben, gründlich renoviert und dient seitdem wieder als Gotteshaus. Heute nennt man sie die Kirche des Heiligen Sergius von Radonesch. Eduarda Jonusas, ein Künstler aus Nida (deutsch: Nidden), widmete ein Metallkreuz Den ehemaligen Bürgern von Rossitten. Das Kreuz wurde 1992 vor der Kirche errichtet.

Der alte Friedhof

Mitten im Wald, 500 m südlich vom Dorf entfernt, befindet sich der alte, bereits im Mittelalter angelegte und bis 1945 belegte Friedhof. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde er völlig zerstört und lange vernachlässigt. Heute sind drei Gräber restauriert, darunter die Grabstätten zweier verdienter Bewohner der Nehrung: des deutschen Pfarrers und Vogelkundlers Johannes Thienemann (1863–1938) und des legendären Königlich-Preußischen Düneninspektors Wilhelm Franz Epha, der mit seiner Bepflanzungsmethode den gewaltigen Sandmassen der Wanderdünen Einhalt gebot und so viele Dörfer rettete.

Thienemannhaus

Das alte Wohnhaus des Theologen, Vogelkundlers und Gründers der Beringungsstation Vogelwarte Rossitten, Johannes Thienemann, ist erhalten. Ein Schild am Haus erinnert an ihn und sein Werk.

Nicht erhalten ist das Gebäude der deutschen Vogelwarte im Ort, es befand sich neben der Kirche. Das Schild von diesem Haus wurde an der jetzigen Station des Zoologischen Instituts der Universität St. Petersburg in Rybatschi angebracht (früheres deutsches Kurhaus).

Der Möwenbruch

Der Möwenbruch ist der einzige größere Süßwassersee der Nehrung. Er ist stark überwuchert, morastig und dennoch ein Königreich für Wasservögel. Früher sammelten die Einheimischen hier deren Eier, um sie selbst zu essen oder sie auf dem Markt zu verkaufen.

Sonstiges

Einen Vorort mit Namen Rybatschi gibt es auch in der Stadt Wiljutschinsk.

Dem Ort ist die Rossittener Straße (z.T. auch Rossitter wie z.B. Rossitter Weg) in mehreren deutschen Städten gewidmet.

Die Erzählung Das Majorat des aus Königsberg stammenden E. T. A. Hoffmann spielt in Rossitten: Dem Gestade der Ostsee unfern liegt das Stammschloß der Freiherrlich von R..schen Familie, R..sitten genannt. Ebenso wird in der Novelle die Landschaft der Kurischen Nehrung mit ihren „bodenlosen Triebsanden“ beschrieben.

Bilder von Rossitten 2013

Einzelnachweise

  1. Referenzfehler: Ungültiges <ref>-Tag; kein Text angegeben für Einzelnachweis mit dem Namen einwohner_aktuell.
  2. Rolf Jehke, Amtsbezirk Rossitten
  3. Dorfsowjet Rybatschi bei genealogy.net
  4. Nach dem Gesetz über die Zusammensetzung und Territorien der munizipalen Gebilde der Oblast Kaliningrad vom 25. Juni/1. Juli 2009, nebst Gesetz Nr. 501 vom 18. Februar 2005, präzisiert durch Gesetz Nr. 370 vom 1. Juli 2009
  5. Geschichte von Rybatschi-Rossitten bei ostpreußen.net
  6. Evangelisch-lutherische Propstei Kaliningrad (russisch/deutsch)
  7. Friedwald Moeller, Altpreußisches Evangelisches Pfarrerbuch von der Reformation bis zur Vertreibung im Jahre 1945, Hamburg, 1968, Seite 123

Literatur

  • Johannes Thienemann: Rossitten. Drei Jahrzehnte auf der Kurischen Nehrung. Verlag J. Neumann, Neudamm 1938
  • Die Kurische Nehrung. Eine Monographie in Bildern. Hrsg. und Verlag: Gräfe und Unzer, Königsberg Pr., 1930, 2. Auflage
  • Blažiene, Grasilda: Hydronymia Europaea, Sonderband II, Die baltischen Ortsnamen, Wolfgang Schmid Hrsg., Steiner Verlag Stuttgart 2000
  • Gerullis, Georg.: Die altpreußischen Ortsnamen, Berlin, Leipzig 1922
  • Mittelstaedt, Hans-Heinrich: Geschichte der Familie Epha (1641–1970) Hamburg 1979
  • Mortensen, H. u. G.: Die Besiedlung des nördlichen Ostpreußen bis zum Beginn des 17.Jh., in Deutschland und der Osten. Die preußisch-deutsche Siedlung am Westrand der Großen Wildnis um 1400, Bd.8, Leipzig 1937
  • Pietsch, Richard (künstlerischer Entwurf und Text): Bildkarte rund um das Kurische Haff, Heimat-Buchdienst Georg Banszerus, Höxter, Herstellung: Neue Stalling, Oldenburg
  • Pietsch, Richard: Fischerleben auf der Kurischen Nehrung dargestellt in kurischer und deutscher Sprache, Verlag Ulrich Camen Berlin 1982
Commons: Rybatschi – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

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