Ostforschung

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Ostforschung bezeichnet bis in die 1990er-Jahre die Erforschung des deutschen Vokstums und der Kulturleistungen Deutscher in Ostmitteleuropa. Forschungsgegenstände waren die Geschichte, die Sprache, Migration, Recht, Religion und Geographie.

Geschichte der Ostforschung

Ihren Ursprung hat die Ostforschung in der im 18. Jahrhundert entstehenden Geschichtswissenschaft. Ihr ethnozentrierter Ansatz war engverbunden mit der Deutschtums- und Volkskunde. Ihre ideologische Ausrichtung folgte den Grundätzen des Vaterländischen und stand im Zeichen der Gründung des Deutsche Kaiserreich 1871. Der Grundsatz des Vaterländischen blieb unhinterfragt und bildete den allgemeinen Rahmen. In ihrer deutsch nationalen Ausrichtung wurden Kultur und Geschichte andere Bewohner, insbesondere der jüdischen, polnischen, kaschubischen und tschechischen sowie der Sinti und Roma ausgeblendet. Die durchgehende Ausrichtung ihrer Arbeit durch das politisch-ideologischen Umfeld ist erst seit wenigen Jahren Gegenstand der selbstkritischer Forschung.

„Schutz des Auslandsdeutschtums“

Geopolitische Vorstellungen des Alldeutschen Verbands konnten sich bereits 1984 auf die Ostforschung stützten. Der „Schutz des Auslandsdeutschtums“ wurde zur aktiven Außenpolitik des Deutschen Reiches. Neben der Kolonialforschung diente auch die Ostforschung wesentliche zur Legitimierung dieser Politik. Nicht wendige Professoren und Intellektuellen der Ostforschung engagierten sich wissenschaftlich wie politisch für das „Grenzlanddeutschtum“ und den Schutz deutscher „Volksgruppen“.

In der Zwischenkriegszeit

Auch nach dem verlorenen Ersten Weltkrieg entwickelte die Ostforschung einen ausgeprägten Antislawismus und war an der Ausbildung der Herrenmenschenideologie beteiligt. Im Zentrum standen Rassenlehren und die Politikberatung, die einen "Lebensraum" im Osten gewinnen wollte. Besonders die in der Ostforschung sich etablierende Volks- und Kulturbodenforschung verband sich eng mit dem "Volkstumskampf". Völkisch-sozialdarwinistische Überzeugung sind in der Ostfoschung keine Seltenheit und konstruieren eine Höherstellung deutscher Kultur und eine Abwertung slawischer Kulturen.


Bedeutende Wissenschaftler waren hier u.a. der Sprach- und „Urheimatkundler“ Ernst Schwarz, der Volkstumsforscher Herbert Cysarz, der Historiker Hermann Aubin, die Volkstumsforscher Erich Gierach, Emil Lehmann, der Historiker Kurt Oberdorffer, der Geograph Albrecht Penck, der Professor für Osteuropäische Geschichte Josef Pfitzner, der Völkerrechtler Hermann Raschhofer, der führende sudetendeutsche Volkskundler Bruno Schier der Professor für Rechtsgeschichte an der Prager deutschen Universität Wilhelm Weizsäcker, der Nationalökonom Theodor Oberländer, der Sozialanthropologe Karl Valentin Müller, der spätere NS-Historiker Theodor Mayer und der Geograph und Geopolitiker Karl Haushofer.


Politischen und ideologischen Einfluss auf die Ostforschung hatten u.a. der Jurist und Politiker Rudolf Lodgman von Auen, der Geograph Friedrich Ratzel, der Volkspädagoge Rudolf Lochner, der Lehrerausbilder Eugen Lemberg, der Volkstumskämpfer Ernst Lehmann, der Redakteur und Volkstumspropagandist Hans Krebs, der Schriftsteller Guido von List, der Volkstumskämpfer und Finanzier Alfred Hugenberg und der Schriftsteller Hans Grimm.

Siehe auch: Kulturbodenforschung, Volkskunde, Deutschtumskunde, Volkstumsbewegung, Volksgruppenpolitik, Konservative Revolution

Während des Nantionalsozialismus

Für die Außenpolitik des NS-Regimes bekam die Ostforschung ein politikberatende Funktion. Das Lebensraum-Konzept nahm eine zentrale ideologische Stellung ein. Personell gab es kaum unterschiede zu den bisherigen Ostforschern, ihrer Methodik und ihres Vokabulars.

Siehe auch: Reinhard Heydrich-Stiftung

Seit 1950

Nach 1945 reorganisierte sich die deutsche Ostforschung im Westen und in der späteren Bundesrepublik. Ein erstes Zentrum bildete sich 1950 in Marburg. Dort gründeten Bruno Schier, Eugen Lemberg, Hermann Aubin, Josef Hanika, Kurt Oberdorffer, Wilhelm Weizsäcker und andere bekannte Ostforscher den Johann Gottfried Herder-Forschungsrat. Dem Forschungsrat war ein Netzwerk von Wissenschaftlern und Vereinen angeschlossen, zu dem sich auch das Collegium Carolinum zählen kann.

"Zeitschrift für Ostforschung" nannte sich 1952 das zentrale Publikationsorgan. Der Ostforscher Hermann Aubin wurde 1953 zum Präsidenten des Verbandes der Historiker Deutschlands gewählt. Auch in dieser Zeit und in dieser Funktion hob er den "Anteil der Germanen am Wiederaufbau des Abendlandes nach der Völkerwanderung" hervor. Der gemeinnützige Verein wird seit 1950 bis heute durch Landes- und Staatsmittel gefördert.

Die Kontinuitäten in der Methodik, den Biographien und dem Vokabular der Ostforschung auch nach 1945 werden erstmals seit den 1990er-Jahren in Teilen der Ostforschung Gegenstand eigener Untersuchungen.

Der Kalte Krieg und die "Vertriebenen"-Problematik prägten die politichen Rahmenbedingeungen der Ostfoschung in der Nachkriegszeit.

(Vgl. [1])

J. G. Herder-Forschungsrat und Herder-Institut e.V.

Heute ist das im April 1950 gegründete Institut eines der zentralen Institutionen der historischen „Ostmitteleuropaforschung“. Der Begriff Ostforschung wird seit ca. 1994 nicht mehr verwendet. Geboten wird eine wissenschaftliche Serviceeinrichtung, mit 42 Mitarbeitern. Gesamtetat 3.67 Mio. Euro


Präsidenten des J.G. Herder-Forschungsrats seit 1950:

Präsidenten waren Prof. Dr. Hermann Aubin, Historiker (1950-1959) Prof. Dr. Eugen Lemberg, Soziologe (1959-1963) Prof. Dr. Günther Grundmann, Kunsthistoriker (1963-1972) Prof. Dr. Kurt Dülfer, Historiker (1972-1973) Prof. Dr. Dr. Bernhard Stasiewski, Kirchenhistoriker (1974-1984) Prof. Dr. Gotthold Rhode, Osteuropahistoriker (1984-1990) Prof. Dr. Hans Lemberg, Osteuropahistoriker (1990-1996) Prof. Dr. Dietmar Willoweit, Rechtshistoriker (1996-2002). Prof. Dr. Volkskundler und Ethnologe Klaus Roth ist seit 2002 Präsident des Vereins.

Mitglieder

Prof. Gabriel Adriányi Königswinter Prof. Peter Andraschke Freiburg Prof. Norbert Angermann Buchholz Prof. Udo Arnold Bonn Prof. Inge Auerbach Marburg Prof. Joachim Bahlcke Stuttgart Dr. Hans-Jürgen Bömelburg Lüneburg Prof. Helmut Börsch-Supan Berlin Prof. Ekkehard Buchhofer Kiel Prof. Peter Burian Köln Prof. Norbert Conrads Leonberg Dr. Karl von Delhaes Marburg Dr. Stephan Dolezel Rosdorf Prof. Friedrich Ebel Berlin Prof. Winfried Eberhard Leipzig Dr. Norbert Englisch Buseck Prof. Horst Foerster Tübingen Prof. Konrad Fuchs Mainz Prof. Klaus Garber Osnabrück PD Dr. Michael Garleff Oldenburg Dr. Detlef Gojowy Unkel Prof. Friedrich Gottas Salzburg Dr. Konrad Gündisch Oldenburg Prof. Gernot Gutmann Bergisch-Gladbach Dr. Jörg Hackmann Greifswald Dr. Frank Hadler Berlin Prof. Hans H. Hahn Augustfehn Dr. Karl Hartmann Brühl Dr. Stephan Hartmann Berlin Prof. Harald Heppner Graz Prof. Wolfgang Höpken Braunschweig Dr. Winfried Irgang Marburg Dr. Bernhart Jähnig Berlin Prof. Rudolf Jaworski Kiel Dr. Hans-Juergen Karp Marburg Dr. Wolfgang Kessler Mönchen-Gladbach Prof. Heinrich Kosta Bad Homburg Prof. Dr. Hartmut Krones Wien Prof. Adam Labuda Berlin Dr. Andreas Lawaty Lüneburg Prof. Hans Lemberg Marburg Dr. Wilhelm Lenz Koblenz Prof. Helmut Loos Chemnitz Prof. Hellmut Lorenz Wien Prof. Christian Lübke Berlin Dr. Robert Luft München Prof. Franz Machilek Bamberg Prof. Michaela Marek Leipzig Dr. Ralph Melville Mainz Prof. Josef Joachim Menzel Mainz Prof. Klaus E. Meyer Berlin Prof. Klaus Militzer Bochum Prof. Michael G. Müller Halle Dr. Uwe Müller Frankfurt/Oder Dr. Klaus Neitmann Berlin Dr. Helmut Neubach Zornheim Prof. Wolfgang Neugebauer Würzburg Prof. Peter Niedermueller Berlin Prof. Angelika Nussberger Köln Jakob T. Ozols Asbach Dr. Reinhard Peterhoff Marburg Prof. Jürgen Petersohn Marburg Prof. Ilpo Piirainen Münster Dr. Gert von Pistohlkors Göttingen Dr. Otfrid Pustejovsky Waakirchen Prof. Dr. Joachim Puttkamer Jena Prof. Jochen Range Greifswald Dr. Hans-Werner Rautenberg Kirchhain Prof. Rex Rexheuser Lüneburg PD Dr. Joachim Rogall Meckesheim Prof. Klaus Roth München PD Dr. Stefan Samerski München Prof. Juergen Sarnowsky Quickborn Prof. Wilfried Schlau Friedrichsdorf Prof. Wolfgang Schmid Friedland Prof. Roderich Schmidt Marburg Prof. Friedrich Scholz Sendenhorst Prof. Gottfried Schramm Freiburg Dr. Georg R. Schroubek Lindau Prof. Alfred Schüller Marburg Prof. Dr. Helga Schultz Frankfurt/Oder Prof. Martin Schulze Wessel München Prof. Helmut Slapnicka Linz Prof. Walter Sperling Trier Prof. Georg W. Strobel Groß-Umstadt Prof. Ludger Udolph Dresden Prof. Alexander Uschakow Hof Prof. Hans-Erich Volkmann Falkensee Prof. Helmut Wagner Berlin Prof. Rudolf Walter Eppelheim Prof. Matthias Weber Oldenburg Dr. Hugo Weczerka Marburg Dr. Evelin Wetter Leipzig Prof. Dietmar Willoweit Würzburg Prof. Dr. Thomas Wünsch Konstanz Prof. Klaus Ziemer Warschau

Eigenpublikationen der Ostforschung und der Ostmitteleuropa-Forschung zu ihrer Geschichte
  • Fünfunddreißig Jahre Forschung über Ostmitteleuropa. Veröffentlichungen der Mitglieder des J. G. Herder-Forschungsrates 1950-1984. Hrsg. v. J. G. Herder-Forschungsrat, Marburg/Lahn 1985.
  • Hugo Weczerka: Johann Gottfried Herder-Forschungsrat. In: Erwin Oberländer (Hrsg.), Geschichte Osteuropas. Zur Entwicklung einer historischen Disziplin in Deutschland, Österreich und der Schweiz 1945-1990. Stuttgart 1992, S. 256-275.
  • Aspekte der Zusammenarbeit in der Ostmitteleuropa-Forschung. Tagung des Herder-Instituts und des J. G. Herder-Forschungsrates am 22./23. Februar 1994. Hrsg. v. Hugo Weczerka. Marburg 1996.
  • Die Arbeit des Forschungsverbundes Ostmitteleuropa in den Jahren 1990-1996. Historische Kommissionen. J. G. Herder-Forschungsrat mit seinen Fachkommissionen. Hrsg. als Manuskript des J. G. Herder-Forschungsrates. Marburg 1997. 63 S.
  • Hugo Weczerka: 1950 - 50. Gedenkjahr: Gründung des Johann Gottfried Herder-Forschungsrates und des Johann Gottfried Herder-Instituts in Marburg an der Lahn. In: Ostdeutsche Gedenktage 2000, Hrsg. Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, Bonn 1999, S. 384-392.

Quellen

  • Herder-Institut e.V. [2]
  • Die "sudetendeutsche Geschichtsschreibung" 1918-1960 [3]
  • Deutsche "Ostforschung": Oldenburger HistorikerInnen befassen sich kritisch mit ihrer Wissenschaft [4]
  • Zentrum gegen Vertreibung: „Was ist Bohemistik?“ [5]