Erdal Merdan

deutsch-türkischer Theater- und Hörspielautor, Schauspieler und Regisseur
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Erdal Merdan (* 8. April 1949 in Kayseri; † 24. März 2010 in Brannenburg) war ein deutsch-türkischer Theater- und Hörspielautor sowie Schauspieler und Regisseur.

Erdal Merdan, fotografiert von Greta Merdan

Leben

Der 1949 im türkischen Kayseri geborene Merdan erhielt nach dem Abitur seine Theaterausbildung am LCC Istanbul und begann in der Türkei mit ersten eigenen Inszenierungen. Ab 1969 lebte er in Deutschland. Hier führte er u.a. an der Münchner Schauburg am Theater der Jugend Regie, so bei seinem Stück für Jugendliche und Erwachsene Leyla, Leyla (1986).[1] Merdan schuf weitere Jugendtheaterstücke, z. B. Ayschegül und der schwarze Esel (1991), die im Stückgut Theaterverlag veröffentlicht wurden. 1991 bis 1992 war er Stipendiat des Literarischen Colloquiums Berlin im Bereich Kindertheater.[2] Anfänglich auch journalistische Arbeiten, u.a. für die türkische Zeitung Hürriyet.

Nach dem Besuch der Fritz-Kirchhoff-Schule und der Schauspielschule Alice George in Frankfurt Anfang der 1970er Jahre wirkte Merdan ab 1973 überdies als Schauspieler an deutschsprachigen Bühnen, so nach ersten Engagements am Staatstheater Darmstadt und an der Frankfurter Jungen Bühne 57[3] etwa bei den Ruhrfestspielen 1984-85 in Wer bezahlt die Zeche?, einer Eigenproduktion des Ensembles der Ruhrfestspiele. In Ivo Hirschlers Volksstück Türkenglück, das 1985 im österreichischen Deutschlandsberg am Theater im Garten aufgeführt wurde, spielte er die männliche Hauptrolle. Von dieser Inszenierung wurde Ende 1986 auch eine Fernsehaufzeichnung im ORF gesendet.[4] Im selben Jahr gehörte Merdan zum Uraufführungsensemble des „bayerischen Requiems“ Der Weihnachtstod (1986) von Franz Xaver Kroetz an den Münchner Kammerspielen.[5] In dem Vierpersonenstück stellte er unter der Regie des Autors gemeinsam mit Emine Sevgi Özdamar nach Ansicht der zeitgenössischen Kritik „durchaus realistisch“ ein türkisches Paar dar.[6] Am Modernen Theater München war der Schauspieler in der Komödie Das Fremdenzimmer (1996), einem „Stück für einen Ausländer und eine Deutsche“ von Sarah Camp, zu sehen.[7] [8] Als Mitarbeiter der freien Münchner Theatergruppe Fisch&Plastik spielte er u.a. in der vierstündigen Produktion Transit Heimat/Gedeckte Tische – eine Reise mit Gorkis Sommergästen im Giesinger Bahnhof, die 1997 den AZ-Stern des Jahres erhielt.[9][10]

Von dem Bühnenschriftsteller stammen auch eine Anzahl Originalhörspiele für den Hörfunk, die Kriminalgroteske Das Opferfest (1982) produzierte der BR mit Sprechern wie Panos Papadopulos und Michael Habeck (Regie: Harald Clemen), Freunde (1983), eine „Liebestragödie (...) im Zeitalter der Flipper- und Killerautomaten“, entstand in der Inszenierung von Norbert Schaeffer für den Hessischen Rundfunk.[11] In weiteren Produktionen war er als Sprecher tätig, so in Wolfgang Hermann Körners Science-Fiction-Stück Ich will den Fischen vom Wasser erzählen (SWF, 1979)[12] und in der SWF-Hörspielbearbeitung des Romanbestsellers Happy Birthday, Türke! (1989)[13], die 1997 im hörverlag zudem als Audiobook veröffentlicht wurde. Als Sprecher fungierte Merdan auch außerhalb des Hörfunks, z. B. als Erzähler in Hans A. Guttners weithin beachtetem Dokumentarfilm Alamanya, Alamanya - Germania, Germania (1979), der früh die Arbeitsmigration in die Bundesrepublik Deutschland im Film thematisierte[14], sowie in der thematisch verwandten Dokumentation Guttners Im Niemandsland (1983) [15]. Ausschließlich in beratender Funktion war Merdan im selben Jahr an der deutsch-türkischen Familienserie Unsere Nachbarn, die Baltas (1983) beteiligt.

Seit Mitte der 1970er Jahre stand Merdan neben seiner Theaterarbeit auch als Schauspieler vor der Kamera, vor allem für das Fernsehen. Mehrfach sah man ihn in der Kriminalfilmreihe Tatort. In der Folge Tod im U-Bahnschacht (1975) verkörperte er die Hauptrolle[16] des illegal in Deutschland lebenden Tatzeugen Arkan, der zwischen die Fronten von Polizei und organisierter Kriminalität gerät.[17] Dieser erste Film in der Geschichte der Reihe mit „zentralem Migrationsbezug“[18] gilt gleichzeitig als einer der umstrittensten[19] und beschäftigte seinerzeit sogar die Politik.[20] Weitere Serienauftritte folgten in Krimi-Produktionen wie Der Fahnder und Polizeiruf 110, aber auch an diversen Spielfilmen wirkte Merdan als Schauspieler mit. In der ebenso auf Video verfügbaren Fernsehverfilmung des Romans „über Ausländerhass und Rassismus“[21] Feuer für den großen Drachen (1984) von -ky stellte er mit Tugrul eine der Hauptfiguren dar.[22][23] In der Schweizer Kinoproduktion Reise der Hoffnung (1990), die im Jahr 1991 den Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film erhielt, spielte er beispielsweise die Rolle des Aldemir.[24]

Merdan unterstützte als Filmdarsteller überdies Arbeiten von Nachwuchsfilmemachern im Münchner Raum, so etwa die Kurzfilmdebüts von Su Turhan (Der Schlüssel, 1998)[25] und Doron Wisotzky (Kopfsache, 2006) oder den Episodenfilm Cypress (2006) des Studiengangs Film und Fernsehen der Macromedia Hochschule für Medien und Kommunikation (MHMK)[26]. Eine späte Hauptrolle hatte er in dem 2009 gleichsam als MHMK-Übungsprojekt entstandenen Kurzfilm Nächstenliebe zum Thema Sterbehilfe, der im Jahr darauf mehrere Festivaleinladungen erhielt.[27]

Merdan war seit 1974 mit der gebürtigen Pfälzerin Greta Merdan verheiratet, die bei seinem dramatischen Schaffen zum Teil als Mitautorin fungierte.[28] Ab 1976 lebte das Paar in München.[29] 2010 verstarb Erdal Merdan, der sich in Deutschland aktiv für die Integration von Kindern und Jugendlichen mit Migrationshintergrund einsetzte[30], nach langer Krankheit sechzigjährig im oberbayerischen Brannenburg. Die erfolgreichen Festivalteilnahmen des Filmes Nächstenliebe erlebte er nicht mehr.[31]

Werke

Theater

  • Aladdin und die müde Lampe (1986), Kindertheaterstück zusammen mit Gretel Merdan
  • Leyla, Leyla (1986), Stück für Jugendliche und Erwachsene zusammen mit Gretel Merdan
  • Ayschegül und der schwarze Esel (1991), Kindertheaterstück

Hörspiel

  • Das Opferfest (1982), Hörspiel
  • Freunde (1983), Hörspiel zusammen mit Gretel Scherzinger

Buchbeitrag

Filmographie (Auswahl)

Auszeichnungen

  • Stipendium des Literarischen Colloquiums Berlin 1991
  • AZ-Stern des Jahres 1997 als Ensemblemitglied für Transit Heimat/Gedeckte Tische – eine Reise mit Gorkis Sommergästen (Fisch&Plastik)
  • tz-Rose als Ensemblemitglied für Transit Heimat/Gedeckte Tische – eine Reise mit Gorkis Sommergästen (Fisch&Plastik)

Literatur

  • Otto J. Groeg: Who's who in the Arts: A Biographical Encyclopedia Containing Some 13,000 Biographies and Addresses of Prominent Personalities, Organizations, Associations and Institutions Connected with the Arts in the Federal Republic of Germany, Who's Who-Book & Publ., 1978

Einzelnachweise

  1. Theater heute - Ausgaben 1-6, Seite 58, 1986
  2. Theater der Zeit, Band 46, Ausgaben 7-12, Henschelverlag 1991
  3. Deutsches Bühnen-Jahrbuch Band 82, Druck und Kommissionverlag F.A. Günther & Sohn, 1974, S. 245
  4. Achim Klünder: Lexikon der Fernsehspiele / Encyclopedia of television plays in German speaking Europe, Band II, 1978/87, K. G. Saur Verlag GmbH & Company, S.97
  5. Franz Xaver Kroetz: Stücke I-II, Suhrkamp 1989, S.446
  6. Volker Hage (Hrsg.) in Zusammenarbeit mit Adolf Fink: Deutsche Literatur 1986. Jahresrückblick, Reclam 1987, S. 132
  7. Vita Michael Tschernow - Regisseur. Auf: michael-tschernow.de; abgerufen am 1. Juni 2013.
  8. Sarah Camp: Das Fremdenzimmer, Programmheft Modernes Theater München 1996, S. 1 ff.
  9. Mitarbeiter des Theaters Fisch&Plastik. Auf: fischundplastik.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  10. Chronik der Stücke des Theaters Fisch&Plastik: Transit Heimat/gedeckte Tische - eine Reise mit Gorkis Sommergästen.Auf: fischundplastik.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  11. 2 Hörspiele mit Autor = »Merdan« Autor-Vorname = »Erdal«. Auf: HörDat; abgerufen am 24. Mai 2013.
  12. Horst G. Tröster: Science-fiction im Hörspiel, Deutsches Rundfunkarchiv 1993
  13. Happy Birthday, Türke! Hörspielankündigung Deutschlandfunk vom 03.01.2001. Auf: dradio.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  14. Filme von Hans A. Guttner: Alamanya - Alamanya. Auf guttner.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  15. Filme von Hans A. Guttner: Im Niemandsland. Auf guttner.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  16. Hans Günther Pflaum/Hans Helmut Prinzler (Hrsg.): Film in der Bundesrepublik Deutschland, Fischer Taschenbuch Verlag 1982, S. 185
  17. Tatort-Folgen: Tod im U-Bahnschacht. Auf: tatort-fundus.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  18. Christina Ortner: Tatort: Migration. Das Thema Einwanderung in der Krimireihe Tatort, Hans-Bredow-Institut (Hrsg.): Medien & Kommunikationswissenschaft. 2007/1, Baden-Baden 2007. S. 10
  19. Tatort-Giftschrank Auf: tatort-fundus.de; abgerufen am 29. Mai 2013.
  20. vgl. Hörzu Nr. 48 / 1975, S. 134 und Frankfurter Hefte Band 31 / 1976, S. 130
  21. „Meister des Soziokrimis“: „-ky“ alias Horst Bosetzky wird 70. Er thematisierte oft gesellschaftliche Probleme, bevor sie in der breiteren Öffentlichkeit diskutiert wurden; Auf: berlinerliteraturkritik.de; abgerufen am 2. Juni 2013.
  22. 'Feuer für den großen Drachen' im Katalog der Bibliotheken der Universität Heidelberg (HEIDI); Auf: uni-heidelberg.de; abgerufen am 25. Mai 2013.
  23. Dr. Dieter Rohnfelder: Buchvorstellung 'Feuer für den großen Drachen' von -ky. Auf: krimi-couch.de; abgerufen am 25. Mai 2013.
  24. Credits: Reise der Hoffnung. Auf: imdb.com; abgerufen am 24. Mai 2013.
  25. Credits: The Key. Auf: bitfilm.com; abgerufen am 29. Mai 2013.
  26. Premiere des von Studenten produzierten Spielfilms 'Cypress' MHMK News vom 10. Mai 2006. Auf: macromedia-fachhochschule.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  27. Gefragte „Nächstenliebe“: MHMK-Film auf Festivals MHMK News vom 9. April 2010. Auf: macromedia-fachhochschule.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  28. Suchergebnisse zu 'Gretel Merdan'. Auf: theatertexte.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  29. Greta Merdan. Fotos als Inszenierungen einer Welt aus dem Archiv Isarbote, Ausgabe 26 vom 24. Juni 2007. Auf: isarbote.de; abgerufen am 24. Mai 2013.
  30. Edith Sollfrank: Ausländerarbeit und Integrationsforschung - Bilanz und Perspektiven, Deutsches Jugendinstitut, 1987, S. 221
  31. „Nächstenliebe“ ungebrochen: MHMK-Film auf Festival MHMK News vom 19. August 2010. Auf: macromedia-fachhochschule.de; abgerufen am 24. Mai 2013.