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Papyrus

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Papyrus

Papyrus, Plural Papyri, war der wichtigste Beschreibstoff des Altertums. Vor allem in der Antike erfüllte Papyrus eine ähnliche Funktion wie heute Papier.

Bezeichnung

Die Papyruspflanze bzw. das Papyrusdickicht wurden in Ägypten mit djit (ḏ(j)t) oder tjufi (ṯwfj) bezeichnet. Der einzelne Stängel mit Dolde hieß wadj (w3ḏ) und ist aus der Bedeutung „grün, frisch sein, gedeihen“ abgeleitet. Der für das Schreiben bearbeitete Papyrus wurde djema (ḏmˁ) genannt, eine einzelne Seite qahet (q3ḥt) und eine Rolle aret (ˁrt).

Das griechische Wort πάπυρος pápyros geht möglicherweise auf ein rekonstruiertes ägyptisches Wort pa-en-per-aa (p3-n-pr-ˁ3) zurück, was etwa „das des Pharao“ bedeutet. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Herstellung von Papyrus während der Ptolemäerzeit unter königlichem Monopol stand.[1] Von griech. pápyros stammt über lat. pápyrus, Nebenform papyrum, das deutsche Wort Papier ab (mhd. papier).

Herstellung

Papyrusstauden bei Syrakus, Sizilien

Im antiken Ägypten wurden vermutlich bereits seit dem 3. Jahrtausend v. Chr. die ersten Papyri als Beschreibstoff hergestellt. Den Rohstoff lieferte der Echte Papyrus (Cyperus papyrus), eine Cyperngras-Sorte, die bis zu 3 Meter hoch werden kann.

Die Herstellung des Beschreibstoffs Papyrus beschreibt im 1. Jahrhundert n. Chr. Plinius der Ältere im 13. Buch seiner Naturgeschichte. Das Mark des Pflanzenstängels wird in bis zu 4 Zentimeter breite Streifen geschnitten, die leicht überlappend aneinandergelegt werden. Zwei einander kreuzweise überlagernde Schichten dieser Streifen werden zu einem festen Blatt gepresst und geklopft, das von der Klebekraft des stärkehaltigen Pflanzensafts zusammengehalten wird. Dann wird die „Platte“ getrocknet. Danach kann man den Papyrus bemalen oder beschreiben.

Mit einem Spezialleim, dessen Rezeptur Plinius überliefert, werden die Blätter satiniert und in einheitlicher Faserrichtung zu Rollen verklebt. Die Breite der Rollen, die für griechische[2] und lateinische literarische Texte verwendet wurden, beträgt durchschnittlich 20–25 Zentimeter. Plinius unterscheidet sechs Qualitätsstufen des Papyrus: von der feinen hieratica („Heilige“) oder Augusta („Kaiserliche“) bis zur groben emporitica (Packpapier).

Später wurde der Name auf den in China erfundenen Beschreibstoff – eben das Papier – übertragen, das seit dem 14. Jahrhundert auch in Europa seinen Siegeszug antrat.

Schreibmaterialien

Geschrieben wurde auf Papyrus mit schwarzer und roter Farbe. Die schwarze Farbe bestand aus Ruß und einer Lösung von Gummi arabicum, die rote Farbe wurde auf Ocker-Basis hergestellt. Als Schreibgerät diente ein Pinsel aus Binsen. Im 3. Jahrhundert v. Chr. ersetzten die Griechen den Pinsel durch eine gespaltene Rohrfeder.

Gebrauch des Papyrus

Papyrus als Beschreibstoff lässt sich in Ägypten für den Beginn des 3. Jahrtausends v. Chr. nachweisen. Von Griechenland ausgehend fand der Papyrus im Römischen Reich eine weite Verbreitung. Die ältesten griechischen Papyri, die datiert werden können, stammen aus dem 4. Jahrhundert v. Chr.

Beschrieben wurde Papyrus bevorzugt parallel zur Faserrichtung (recto). In der Buchrolle ist dies die Innenseite. Eine – senkrecht zur Faserrichtung verlaufende – Beschriftung der Rückseite (verso) geht in den meisten Fällen auf eine spätere Wiederverwendung des Materials zurück. Die Faustregel, dass die Beschriftung der Außenseite jünger ist als die der Innenseite, ist hilfreich für die chronologische Einordnung von Schriften und Texten. Sie gilt allerdings nur für den Zeitraum von etwa 250 v. Chr. bis 400 n. Chr.

Herakles-Papyrus

Nach den Bücherverlusten in der Spätantike wird die Papyrusrolle allmählich vom Pergamentkodex als Träger der wenigen noch überlieferten literarischen Texte verdrängt. Pergament war zwar teurer, aber auch glatter, widerstandsfähiger und beständiger.

Für Urkunden und Briefe bleibt Papyrus örtlich bis in das frühe Mittelalter ein geläufiges Schreibmaterial. Die ältesten in Bibliotheken überlieferten Papyri sind Kirchendokumente aus Ravenna von 455 bis 850. In Italien wurde Papyrus in der päpstlichen Kanzlei und in Unteritalien bis ans Ende des 11. Jahrhunderts verwendet.

Bedeutung für die Textüberlieferung

Papyrus ist empfindlich gegen mechanische Beanspruchung, Feuchtigkeit und Wurmfraß, weist aber grundsätzlich eine erstaunlich hohe Haltbarkeit auf. Plinius erwähnt sein Studium einer 300 Jahre alten Papyrusrolle. Bis in die Gegenwart sind Papyri nur im trockenen Wüstensand Nordafrikas (vor allem Ägyptens) und des Vorderen Orients) erhalten geblieben. Dort sind vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis in die römische Kaiserzeit Papyri auch zu Kartonagen verklebt worden, die für die Umhüllung von Mumien verwendet wurden. Durch Auflösung der Kartonagen können die Texte auf den Papyri wieder lesbar gemacht werden.

Ein bedeutender Papyrusfund sind die Herculaneum Papyri. Es handelt sich dabei um ca. 1800 verkohlte Rollen der Privatbibliothek einer Villa vor den Toren Herculaneums (Villa dei Papiri), die durch den Vesuvausbruch des Jahres 79 n. Chr. konserviert wurden.

Papyri sind von Bedeutung für die Textüberlieferung der griechischen und lateinischen Literatur der Antike. Die meisten Texte sind nur in mittelalterlichen Kodizes überliefert. Wenn Textstellen auf Papyrus erhalten sind, können die Texte der Kodizes in die Antike zurückverfolgt und ggf. korrigiert werden. Zahlreiche neutestamentliche Passagen und Fragmente sind als Dokumente auf Papyrus entdeckt worden. Gelegentlich schließt ein Papyrusfund eine Lücke im erhaltenen Œuvre eines antiken Autors. So wurde etwa im Jahr 1958 Menanders Komödie Dyskolos aus einem Papyruskodex bekannt. Auf Papyrus ist außerdem eine große Menge von Amts-, Alltags-, Rechts- und Geschäftsdokumenten der Antike erhalten.

Siehe auch

Literatur

  • Horst Blanck: Das Buch in der Antike. Beck, München 1992, ISBN 3-406-36686-4.
  • Hubert Cancik und Helmuth Schneider (Hrsg.): Der Neue Pauly. Enzyklopädie der Antike. Bd. 9, Metzler, Stuttgart/ Weimar 2000, ISBN 3-476-01479-7.
  • Severin Corsten, Stephan Füssel und Günther Pflug (Hrsg.): Lexikon des gesamten Buchwesens. Bd. 5, 2. Auflage, Hiersemann, Stuttgart 1999, ISBN 3-7772-9904-9.
  • Rosemarie Drenkhahn: Papyrus. In: Wolfgang Helck, Wolfhart Westendorf (Hrsg.): Lexikon der Ägyptologie. (LÄ) Bd. IV, Harrassowitz, Wiesbaden 1982, Spalte 667-670.
  • Helmut Hiller und Stephan Füssel: Wörterbuch des Buches. 6. Auflage, Klostermann, Frankfurt a. M. 2002, ISBN 3-465-03220-9
  • Wolfgang Kosack: Schenute von Atripe De judicio finale. Papyruskodex 63000.IV im Museo Egizio di Torino. Einleitung, Textbearbeitung und Übersetzung herausgegeben von Wolfgang Kosack. Berlin 2013, Verlag Brunner Christoph, ISBN 978-3-9524018-5-9
  • Victor Martin (Hrsg.): Ménandre. Le Dyscolos. Bibliotheca Bodmeriana, Cologny Genève 1958.
  • Otto Mazal: Griechisch-römische Antike. als Bd. 1 der: Geschichte der Buchkultur. Akademische Druck- und Verlagsanstalt, Graz 1999, ISBN 3-201-01716-7.
Wiktionary: Papyrus – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. R. Drenkhahn: Papyrus. In: LÄ Bd. IV, S. 669
  2. Karl Sudhoff: Ärztliches aus griechischen Papyrus-Urkunden. Bausteine zu einer medizinischen Kulturgeschichte des Hellenismus (= Studien zur Geschichte der Medizin. Bd. 5). Leipzig 1909.