Als Bankenkrise wird ein Zustand bezeichnet, in dem das Vertrauen in das Bankensystem durch finanzielle Probleme einer oder mehrerer Kreditinstitute so schwer beschädigt wird, dass ein Ansteckungseffekt droht. Durch diesen Ansteckungseffekt können auch weitere Kreditinstitute und deren Gläubiger, möglicherweise die Finanzmärkte und in der Folge die gesamte Volkswirtschaft geschädigt werden.
Ursachen und Folgen
Die Ursache der Krise einzelner Banken kann eine kritische Abnahmne an Solvabilität sein, oder eine kritische Abnahme an Liquidität.[1] Die Krise einzelner Banken kann zu einem Vertrauensverlust in das gesamte Bankensystem führen.
Verlust an Solvabilität
Bankenkrisen werden vor allem durch die drastische Abnahme der Qualität der Vermögenspositionen (Aktiva) einer Bank oder des gesamten Bankensystems, die eine niedrigere Bewertung dieser Aktiva zur Folge hat, verursacht. Auslöser des Qualitäts- und Bewertungsverfalls können zum Beispiel sein:
- Kreditausfälle
- Börsenverluste
- Liquiditätsprobleme
Die von den Kreditinstituten vergebenen Kredite sind mit einem gewissen, vertretbaren Kreditrisiko verbunden. Die Ermittlung dieses Kreditrisikos wird im Rahmen der Bonitätsprüfung vorab vorgenommen. Kommt es dann etwa durch Wirtschaftskrisen zum gleichzeitigen Ausfall unerwartet vieler Schuldner (siehe auch Klumpenrisiko), und etwaige Kreditsicherheiten stellen sich als unzureichend heraus (etwa durch Überbewertung oder Wertverfall einer Immobilie), sind die uneinbringlichen Kredite zu Lasten der Ertragslage abzuschreiben. Entstehen hierdurch Verluste, führen diese zu einer existenzbedrohenden Verminderung des haftenden Eigenkapitals. Dieses Szenario ist das Ablaufschema einer Bankenkrise, wie sie ab 2007 in den USA begann.
Banken übernehmen zudem umfangreiche Marktrisiken, vor allem Kursrisiken, Zinsänderungsrisiken und Währungsrisiken. Es genügt dann der unerwartete Eintritt eines bestimmten Ereignisses (etwa der Kursverfall einer Fremdwährung), um bei einer Vielzahl von Geldinstituten existenzbedrohende Kursverluste auszulösen. Dieses Szenario war Ursache der Insolvenz der Herstatt-Bank im Jahre 1974. Auch andere Kreditinstitute hatten mit der gleichen Ursache zu kämpfen, konnten jedoch die Krise bewältigen; zu einer Bankenkrise eskalierte dies nicht, und das Vertrauen in das Bankensystem wurde nicht geschädigt.
Verlust an Liquidität
Eine Existenzgefahr für Banken besteht auch bei unzureichender Liquidität. Hintergrund ist die Fristentransformation, das heißt die erlaubte Praxis der Banken, auch langfristige Kredite (z. B. Baudarlehen) teilweise mit kurzfristigen Einlagen (z. B. Sichteinlagen) zu refinanzieren. Wenn viele Anleger innerhalb kurzer Zeit ihr Geld bei einer Bank abheben, dann kann die Bank ihren Verpflichtungen nicht mehr nachkommen, weil sie die Gelder langfristig verliehen hat. Weil die Bankkunden die Zahlungsfähigkeit einer Bank nur schwer einschätzen können, kann die Angst vor einer Bankenkrise dazu führen, dass Kunden massenhaft Geld abheben Bank Run. In dieser Situation können selbst gesunde Banken in Zahlungsunfähigkeit geraten. Maßnahmen zur Abwendung der Zahlungsunfähigkeit (z.B. Notverkauf von Geldanlagen, Kreditaufnahme zu ungünstigen Konditionen) können ihrerseits zu einem Verlust an Solvabilität führen.[2]
Kettenreaktion
Der Zusammenbruch einer Bank oder eine schwere Krise einer Bank kann eine Kettenreaktion auslösen. Ein Grund ist die enge Verzahnung der Kreditinstitute untereinander durch Interbankkredite (also Geldgeschäfte innerhalb der Kreditwirtschaft), die bis zu 30 % der Bilanzsumme einer Universalbank erreichen.[3] Zudem tendieren weltweit die Kreditinstitute zu ähnlichen Portfoliostrukturen bei ihren Risikoaktiva (also vor allem Kredite), sodass bei dem Eintritt eines bestimmten Ereignisses (etwa Immobilienkrise, Börsencrash) wegen der hohen Korrelation eine Vielzahl von Banken gleichzeitig betroffen sein kann. Verlieren aufgrund dieser Probleme die Anleger das Vertrauen in die Banken allgemein, so kann es zu einer allgemeinen Liquiditätskrise kommen.
Volkswirtschaftliche Auwirkung
Während die Unternehmenskrise einer Nichtbank oftmals nur begrenzte Folgen (etwa bei deren Lieferanten, Abnehmern und Beschäftigten) nach sich zieht, kann sich die Krise einer einzelnen Bank auf alle Kreditinstitute und schließlich auf die Realwirtschaft, d.h. die gesamte Volkswirtschaft auswirken. Banken, Unternehmen und Anleger sind eng miteinander verflochten. Geraten die Banken in eine Krise, so werden sie die Kreditvergabe einschränken, dies führt zu einer Kreditklemme (engl. „credit crunch“) in der Realwirtschaft. Dies wiederum verursacht eine Rezession, deren typische Folgen (sinkende Zahlungsfähigkeit von Unternehmen und privaten Schuldnern, Wertverlust von Sachanlagen) die Bankenkrise verschärft.
Ein bekanntes Beispiel solcher Vorgänge ist die Weltwirtschaftskrise ab 1929, die wiederum in Deutschland den Zusammenbruch der DANAT-Bank und damit die Deutsche Bankenkrise auslöste. Auch die seit 2007 – von den USA ausgehend und durch zu liberale Kreditvergabe im Rahmen der Subprime-Krise verursacht – eskalierenden Krisensituationen der Weltwirtschaft sind auf diese Kettenreaktionen zurückzuführen.
Gegenmaßnahmen
Verhinderung von Bankenkrisen
- Regulierung der Finanzmärkte:
Nationale Regierungen, aber auch internationale Organisationen (z.B. der „Basler Ausschuss für Bankenregulierung“) können im Rahmen der Bankenregulierung spezifische Gesetze und Verordnungen erlassen, die die unternehmerischen Handlungsspielräume der Kreditinstitute durch Begrenzung der Kredit, Zins-, Währungs- oder Marktpreisrisiken einschränken. Gleichzeitig richtet der Staat spezifische Behörden ein, die mit der Überwachung der Banken mit Hilfe der erlassenen Gesetze betraut werden. Die internationalen und nationalen Finanzmärkte sind die weitestgehend regulierten Märkte überhaupt. In Deutschland regeln das Kreditwesengesetz (KWG) und die Solvabilitätsverordnung (SolvV) die Höhe des Mindesteigenkapitals, Kreditwesengesetz und GroMiKV kontingentieren Groß- und Organkredite sowie Klumpenrisiken, und die Mindestanforderungen an das Risikomanagement (MaRisk) zwingen die Banken, ihr Risikomanagement zu stärken.
- Überwachung der Kreditinstitute:
Aufgrund dieser rechtlichen Rahmenbedingungen werden Kreditinstitute und sonstige Finanzinstitutionen vom jeweiligen Staat mehr oder weniger eng überwacht (siehe Bankenaufsicht und Bankenpleite). Die Bankenaufsicht wird meist durch staatliche Behörden wahrgenommen, die die Einhaltung der bankspezifischen Gesetze durch das Kreditwesen regelmäßig überwacht. Den deutschen Kreditinstituten sind zudem umfangreiche turnusmäßige Anzeige- und Meldepflichten auferlegt. Die Überwachung geschieht in Deutschland durch koordinierte Zusammenarbeit von Bundesbank und BaFin.
- Einlagensicherungssysteme:
Für den Fall eines Bankenzusammenbruchs sind die Anleger über verschiedene Formen der Einlagensicherung individuell abgesichert. Damit entfällt der Anreiz für Anleger, wegen sinkendem Vertrauen in die Bank die Geldanlagen abzuziehen.
Maßnahmen in einer Bankenkrise
Wenn dennoch eine Bankenkrise ausbricht oder auszubrechen droht kann die Zentralbank entscheiden, die Leitzinsen zu senken. Heutzutage haben die Zentralbanken auch die Aufgabe als lender of last resort in wirtschaftlichen Krisensituationen den Banken zusätzliche Liquidität zur Verfügung stellen, um Kreditknappheit und einen Vertrauensverlust in das Bankensystem abzuwehren.[5] Die Bankenaufsicht ist in vielen Staaten gesetzlich befugt, einzelne Banken zu schließen oder in deren Geschäftspolitik eingreifen.
Nicht alle Bankenkrisen lösten eine große Wirtschaftskrise aus. So gelang es z.B. den USA, die Folgen der Savings-and-Loan-Krise im Jahre 1985 zu meistern, ohne dass es zu einer Rezession kam.
Maßnahmen in der Bankenkrise seit 2007
Für die durch die subprime-Krise in den USA ausgelöste weltweite Finanzkrise ab 2007 reicht der beschriebene Maßnahmenkatalog nicht aus. Viele Staaten haben für die Finanzwirtschaft spezifische Rettungspakete (mit der Folge der teilweisen Sozialisierung der Bankenrisiken und -verluste) beschlossen. In Deutschland wurde deshalb im Oktober 2008 der Sonderfonds Finanzmarktstabilisierung (SoFFin) gegründet,[6] der staatliche Garantien (bei Liquiditätsengpässen), Eigenkapitalstärkungen oder Risikoübernahmen[7] bis zur Höhe von Euro 470 Mrd. anbietet. Dazu gehört auch die Gründung von „Bad Banks“, also Zweckgesellschaften, in die hochriskante (sog. „toxische“) Kredite/Wertpapiere eingebracht werden. Durch Dekonsolidierung (also eine Bilanzpolitik, die eine Isolierung der „Bad Bank“ aus dem Konzernabschluss der bilanzverkürzenden Bank anstrebt) kann die Trennung vom hohen Risiko auch bilanztechnisch vollzogen werden, sodass eine „gesunde“ Bank übrigbleibt.
Historische Bankenkrisen
- Berner Bankenkrise von 1720
- Wirtschaftskrise von 1857
- Weltwirtschaftskrise 1929
- Deutsche Bankenkrise 1931
- Savings-and-Loan-Krise in den USA um 1985
- Schwedische Bankenkrise von 1990 bis 1992
- Zusammenbruch der britischen Barings Bank 1995
- Finanzkrise ab 2007
Situation in den USA
In den USA ist der Bankensektor anders organisiert und reguliert als in Europa.
Die Bankenaufsicht in den USA ist ein historisch gewachsenes und chaotisches Konstrukt. Es gibt (Stand 2012) zahlreiche konkurrierende Aufsichtsbehörden mit teils überlappenden Zuständigkeiten. Banken und Versicherer können die Behörden verschiedener Bundesstaaten gegeneinander ausspielen und sich dort ansiedeln, wo sie die geringsten Auflagen haben. Auf föderaler Ebene konkurrieren mindestens neun Aufseher miteinander. [8] In Europa dominierenUniversalbanken; in den USA Spezial- und Investmentbanken. Ihr naturgemäß - mangels angemessener Risikostreuung - höheres Unternehmensrisiko kann nur schwer mit anderen Geschäftssektoren „ausgeglichen“ werden, sodass die Gefahr einer Insolvenz tendenziell höher ist. Dies und die höhere Risikobereitschaft in Nordamerika sind insbesondere die Ursachen für die von hier ausgegangene Finanzkrise ab 2007 und die im September in der Insolvenz von Lehman Brothers kulminierende US-Bankenkrise 2008. Diese Bankenkrise muss auch vor dem Hintergrund des Regelwerks Basel II gesehen werden, das in Europa eingeführt wurde (in Deutschland u.a. durch die erwähnte SolvV). Die USA haben mit Hinweis auf „komplizierte Regelungen“ die Einführung von Basel II bis heute verzögert. Das hochkomplexe Regelwerk konnte aber ein Übergreifen der US-Bankenkrise auf Europa nicht verhindern.
Im Dezember 2009 schloss die US-Bankenaufsicht sieben weitere US-Finanzinstitute wegen Überschuldung; einschließlich dieser belief sich die Anzahl der Bankenpleiten damals auf 140. [9]
Einzelnachweise
- ↑ Jay C. Shambaugh, The Euro´s Three Crises in: David H. Romer, Justin Wolfers, Brookings Papers on Economic Activity, Frühjahr 2012, Seite 163
- ↑ Jay C. Shambaugh, The Euro´s Three Crises in: David H. Romer, Justin Wolfers, Brookings Papers on Economic Activity, Frühjahr 2012, Seite 163
- ↑ Deutsche Bundesbank, Bankenstatistik Dezember 2008, S. 9
- ↑ Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung: Nach dem EU-Gipfel: Zeit für langfristige Lösungen nutzen (PDF; 734 kB), 5. Juli 2012, S. 1; Jay C. Shambaugh, The Euro´s Three Crises in: David H. Romer, Justin Wolfers, Brookings Papers on Economic Activity, Frühjahr 2012, Seite 159
- ↑ Manfred Borchert: Geld und Kredit: Einführung in die Geldtheorie und Geldpolitik Verlag Oldenbourg, Wien 2001, S. 275 f.
- ↑ Homepage des SoFFin
- ↑ Unter Risikoübernahmen wird die Übertragung von Risikopositionen (z.B. Kredite und Wertpapiere) von den Kreditinstituten auf den Fonds verstanden, für die die Banken Schuldtitel des Bundes erhalten. Diese Risikopositionen darf der Fonds bis zu ihrer Fälligkeit halten.
- ↑ handelsblatt.com 9. Juli 2012: Europa muss aus Amerikas Fehlern lernen
- ↑ Vorlage:Tagesschau tagesschau.de Stand: 19. Dezember 2009. 07:36 Uhr.
Literatur
- Stephen G. Cecchetti: Money, banking, and financial markets. 2nd edition. McGraw-Hill Irwin, Boston 2008, ISBN 978-0-07-128772-2. Chapter 14.
- Frederic S. Mishkin: The economics of money, banking, and financial markets. 7th edition. Pearson Addison Wesley, Boston 2004, ISBN 0-321-20463-8. Chapter 11.
- Susanne Schmidt: Markt ohne Moral. Das Versagen der internationalen Finanzelite, Droemer Knaur, München 2010, ISBN 978-3-426-27541-2