Die Akzidenz-Grotesk, früher Accidenz-Grotesk, kurz AG, ist eine Grotesk-Schrift, die 1896 von der H. Berthold AG herausgegeben wurde. Sie gilt als Meilenstein in der Schriftgestaltung. Zahlreiche Schrifttypen wie etwa die Helvetica wurden durch sie beeinflusst.
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Schriftart | Akzidenz-Grotesk |
Kategorie | Serifenlose Linear-Antiqua |
Schriftfamilie | Akzidenz-Grotesk |
Schriftklassifikation | Grotesk |
Schriftdesigner | Ferdinand Theinhardt, Günter Gerhard Lange und andere |
Erstellung | 1880 bis 1908, Harmonisierung der Schriftschnitte in den 1950ern und 60ern |
Veröffentlichung | 1896 |
Alternativname | AG, Royal Grotesk, Accidenz Grotesk, Basic Commercial, Agba |
Beispiel | |
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Geschichte
Die heutige Akzidenz-Grotesk geht auf eine Reihe ursprünglich unzusammenhängender Schriftschnitte zurück. Um 1880 entwarf der deutsche Typograf Ferdinand Theinhardt (1820–1909) für die Publikationen der Königlich-Preußischen Akademie der Wissenschaften zu Berlin vier Schnitte einer Serifenlosen unter dem Namen Royal Grotesk. 1908 übernahm Hermann Berthold die Theinhardtsche Schriftgießerei und integrierte die inzwischen sehr beliebte Royal in seine Akzidenz-Grotesk-Schriftfamilie unter der Bezeichnung AG Mager. Günter Gerhard Lange, der spätere Ziehvater der Akzidenz-Grotesk, verweist auf Quellen, nach der ihr Normalschnitt 1899 bei Bauer & Co. in Stuttgart entstand, kurze Zeit später ebenfalls ein Übernahmekandidat der H. Berthold AG. Diese stellte selbst kurze Zeit vorher eine Accidenz-Grotesk in einer Anzeige vor. [1]
Die Akzidenz-Grotesk wurde als Auszeichnungsschrift entworfen, da diese Art von Schrift für den damals an Bedeutung gewinnenden Anzeigendruck zunehmend gefragt war.
Vermarktung und Vertrieb – ungeklärte Rechtsnachfolge
Die originale Akzidenz-Grotesk wurde 1902 von der 1858 gegründeten H. Berthold AG herausgebracht, die bereits 1900 die führende Schriftgießerei Deutschlands war. Sie war in der Entwicklung durchaus wegweisend, verlor aber in den 1980er Jahren ihren Vorsprung und meldete 1993 Konkurs an. Seitdem werden die Schriften von verschiedenen Anbietern vermarktet.
Die Chicagoer Berthold Types Ltd., eine jener Firmen, die die Kopierrechte an den Schriften der H. Berthold AG beansprucht, übernahm den Vertrieb der digitalen Schriftbibliothek von Berthold und hat mehrere neue Schriftschnitte unter der Anweisung von Günter Gerhard Lange herausgebracht, der zwar 1990 in Rente gegangen ist, aber bis zu seinem Tod 2008 als künstlerischer Berater arbeitete.[2] Dieses Unternehmen erweiterte die Akzidenz-Grotesk um Griechisch und Kyrillisch. Ebenfalls wurde eine Variante unter dem einstigen Namen Royal Grotesk herausgebracht, die vier Schriftschnitte umfasst.
Ab 2008 begann Linotype die Berthold-Schriften im Webshop zu verkaufen.[3]
Schnitt (Berthold-Name) | Erstguss | Schriftenentwurf |
---|---|---|
mager | 1902 | Hausschnitt |
normal | 1898 | Hausschnitt |
kursiv | 1967 | Günter Gerhard Lange |
halbfett | 1909 | Hausschnitt |
kursiv halbfett | 1963 | Günter Gerhard Lange |
fett | 1909 | Hausschnitt |
kursiv fett | 1968 1) | Günter Gerhard Lange |
super | 1968 | Günter Gerhard Lange |
schmalmager | 1953 | Hausschnitt |
eng | 1912 | Hausschnitt |
schmalhalbfett | 1896 | Hausschnitt |
schmalfett | 1896 | Hausschnitt |
extra | 1958 | Günter Gerhard Lange |
kursiv extra | 1968 | Günter Gerhard Lange |
extrafett | 1966 | Günter Gerhard Lange |
Skelett | 1914 | Hausschnitt |
breitmager | 1911 | Hausschnitt |
breit | 1908 | Hausschnitt |
breithalbfett | 1963 2) | Hausschnitt |
breitfett | 1957 | Hausschnitt |
kursiv breitfett | 1957 1) | Hausschnitt |
Buch ultraleicht | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch kursiv ultraleicht | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch mager | 1969 | Günter Gerhard Lange |
Buch kursiv mager | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch normal | 1969 | Günter Gerhard Lange |
Buch kursiv | 1969 | Günter Gerhard Lange |
Buch halbfett | 1969 | Günter Gerhard Lange |
Buch kursiv halbfett | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch fett | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch kursiv fett | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch schmalmager | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch kursiv schmalmager | 1973 | Günter Gerhard Lange |
Buch schmal | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch schmalhalbfett | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch schmalfett | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch breitmager | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch breit | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch breithalbfett | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch breitfett | 1972 | Günter Gerhard Lange |
Buch halbfett licht | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch fett licht | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch Inline halbfett schattiert | 19?? | ? |
Buch Rounded normal | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch Rounded halbfett | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch Rounded fett | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch Rounded schmalfett | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch Rounded halbfett licht | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch Rounded fett licht | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch Rounded schmalfett licht | 1980 | Günter Gerhard Lange |
Buch White halbfett schattiert | 19?? | ? |
Buch Stencil halbfett | 1985 | Günter Gerhard Lange |
Buch Old Face normal | 1984 | Günter Gerhard Lange |
Buch Old Face halbfett | 1984 | Günter Gerhard Lange |
Buch Old Face fett | 1984 | Günter Gerhard Lange |
Buch Old Face licht | 1984 | Günter Gerhard Lange |
Buch Old Face fett licht | 1984 | Günter Gerhard Lange |
Buch Old Face schattiert | 1984 | Günter Gerhard Lange |
Schulbuch normal | 1983 | Hausschnitt |
Schulbuch halbfett | 1983 | Hausschnitt |
Serie 57 | 1959 | Hausschnitt |
Serie 57 kursiv | 1967 | Hausschnitt |
Serie 58 halbfett | 1959 | Hausschnitt |
enge (russisch)[7] | 1927 | Hausschnitt |
1) Klingspor Museum, H. Berthold AG
2) Berthold Types nennt 1961, Berthold-Musterkartei nach DIN 16507 jedoch 1963
Quellen
- ↑ http://www.100besteschriften.de/7_Akzidenz+Grotesk.html
- ↑ Günter Gerhard Lange at MyFonts
- ↑ Linotype website
- ↑ Berthold Types, Berthold & Callwey, Berlin und München, 1985
- ↑ Schriftkartei nach DIN 16507, H. Berthold AG
- ↑ Handbuch der Schriftarten, Albrecht Seemann Verlag, Leipzig, o. J. (1926) und Nachträge
- ↑ Handbuch der Schriftarten, Albrecht Seemann Verlag, Leipzig, Nachtrag 1929, Seite 19
Einfluss
Gestalter nachfolgender serifenloser Modelle bezogen sich häufig auf bereits bekannte Schriftformen.
Helvetica
So gilt die Akzidenz-Grotesk als jene Schrift, von der sich Max Miedinger bei der Gestaltung der Neuen Haas Grotesk, die später in Helvetica umbenannt wurde, inspirieren ließ. Die Akzidenz-Grotesk und die Helvetica ähneln einander stark. Unterschiede finden sich beispielsweise bei den Zeichen a, c, C, G, J, R, Q, ?, 2 und 7. Weiterhin ist die Mittellänge der Helvetica größer.
Folio
Zeitgleich mit der Helvetica kam auch die Folio auf den Markt. Sie gilt auch als von der Akzidenz-Grotesk beeinflusst, war aber nur wenig erfolgreich.
Super Grotesk
In der DDR wurde hauptsächlich eine ähnliche Schriftart, die Super Grotesk, verwendet. Dies lag daran, dass auf dem Gebiet der DDR anfangs nur die Schriftsätze der Schriftguß KG/VEB Typoart vorhanden waren, welche in ihrem Programm nur die Super Grotesk führten.
Theinhardt
Das Schweizer Unternehmen Optimo brachte 2009 eine Grotesk unter dem Namen Theinhardt heraus, die von François Rappo gestaltet wurde und der Akzidenz-Grotesk äußerst ähnlich ist. Sie wird vom New York Times Magazine als Auszeichnungsschrift eingesetzt.
Klassifikation der Schrift
- Nach DIN 16518 kategorisiert man die Akzidenz-Grotesk in der Gruppe VI – Serifenlose Linear-Antiqua
- Hans Peter Willberg würde sie in seiner Klassifikationsmatrix als statische Grotesk einordnen
Verwendung der Schrift (Beispiele)
- Für die Kampagne von Nicolas Sarkozy bei der französischen Präsidentschaftswahl 2012 wurde der Slogan LA FRANCE FORTE in der Akzidenz-Grotesk gesetzt[1].
- Credit Suisse, McDonald’s, Nissan, Subaru verwenden/verwendeten die Akzidenz als Hausschrift.
- Das von Massimo Vignelli entworfene Leitsystem der New Yorker U-Bahn nutzte die Akzidenz-Grotesk.
- Die Zeitschrift Technology Review des MIT verwendet Akzidenz-Grotesk als Serifenlose für Titelblatt, Untertitel, Inhaltsverzeichnis und Infoboxen.
- Seit 2013 nutzt Saab Automobile die Schrift.
- Die Handelskette Spar verwendet die Schrift für die bebilderte Seite der Etiketten seiner Premium-Marke SPAR Premium.
- Das Amerikanische Rote Kreuz verwendet die Akzidenz-Grotesk in Kombination mit der Serifenschrift Georgia.
- Die Fraktion der Progressiven Allianz der Sozialdemokraten im Europäischen Parlament verwendet die Akzidenz-Grotesk für ihr Logo.
- Beispiele für die Verwendung der Akzidenz-Grotesk
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Akzidenz-Grotesk war einst die Hausschrift des Elektrogeräteherstellers Braun
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Das Leitsystem der New Yorker U-Bahn basierte von 1967 bis 1979 auf der Akzidenz-Grotesk
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Früheres Logo der Credit Suisse gesetzt in der Akzidenz-Grotesk, 1997–2006
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Die Akzidenz-Grotesk diente als Grundlage für das Logo des französischen Areva Konzern
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25 Jahrestag der DDR. Im Hintergrund ist das Motto in der Akzidenz-Grotesk gesetzt
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Sarkozy im Wahlkampf. Der Slogan „La France Forte“ gesetzt in der Akzidenz-Grotesk
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RECARO Logo
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Schriftzug der österreichischen Fussballliga gesetzt in der Akzidenz Grotesk