Effi Briest (1895) ist ein Roman Theodor Fontanes.
Der dem bürgerlichen Realismus zuzuordnende Gesellschaftsroman spielt vor dem Hintergrund des durch strenge Normen festgelegten Lebens im Kaiserreich unter Reichskanzler Otto von Bismarck und beruht auf einer wahren Begebenheit in Anlehnung an einen Berliner Gesellschaftsskandal, der Ehebruchgeschichte der Freifrau Elisabeth von Plotho, geboren 1853.
Inhalt
Der Roman behandelt das Leben der Effi Briest, einer jungen Frau mit fast noch kindlichem Verhalten, die an den gesellschaftlichen Konventionen im Preußen des späten 19. Jahrhunderts zerbricht.
Landrat Innstetten, ein früherer Verehrer von Effis Mutter, hält um die Hand des zu diesem Zeitpunkt erst 17-jährigen Mädchens an und zieht mit dieser nach der Hochzeit und einer anschließenden Hochzeitsreise durch Italien in das in Hinterpommern gelegene Kessin. Effi wird dort nie recht glücklich und leidet unter ihrer Angst vor dem angeblichen Spuk eines früher in Kessin lebenden Chinesen im geräumigen landrätlichen Haus. Freundschaft schließt sie nur mit dem Apotheker Alonzo Gieshübler und dem Major von Crampas, mit dem sie eine heimliche Affäre beginnt, die (zunächst) unentdeckt bleibt. Die Freundschaft zu Gieshübler gibt ihr Halt. Sie erhält täglich sorgsam von Gieshübler präparierte Zeitungen und nimmt mit ihm an kulturellen Veranstaltungen teil.
Effi bekommt eine Tochter, die auf den Namen Annie getauft wird. Während ihrer Schwangerschaft trifft sie auf einem ihrer Spaziergänge das katholische Hausmädchen Roswitha, das sie kurz entschlossen als Kindermädchen einstellt. Nach einiger Zeit wird Innstetten nach Berlin berufen um dort im Ministerium zu arbeiten. Effi empfindet das Leben in der Großstadt Berlin im Vergleich zum ländlichen Kessin als Befreiung und führt ein relativ glückliches und freies Leben.
Jedoch findet Innstetten nach über sechs Jahren, während Effi zur Kur ist, die Briefe, die Crampas während der Zeit in Kessin Effi zusandte. Er beschließt darauf, um seine Ehre wieder herzustellen, Crampas zu einem Duell herauszufordern. Bei diesem Duell wird Effis Verehrer tödlich getroffen. Effi erhält einen Brief von ihren Eltern und erfährt, dass sie nicht mehr in ihr Heimatdorf Hohen-Cremmen zurückkehren kann, da gesellschaftliche Konventionen und religiöse Gründe ihren Eltern verbieten, sie bei sich aufzunehmen. Verstoßen von ihrem Ehemann zieht sie in eine kleine Wohnung in Berlin und lebt dort drei Jahre lang einsam zusammen mit ihrer Haushälterin Roswitha, bis sie erkrankt und ihre Eltern auf Anraten eines Arztes beschließen, Effi doch wieder zu sich zu nehmen. Effis gesundheitlicher Zustand verbessert sich zunächst wieder, jedoch ist diese Verbesserung nur von kurzer Dauer. Im Alter von 28 Jahren stirbt Effi Briest in ihrem Elternhaus zu Hohen-Cremmen.
Der Bezug zum Leben der Else von Plotho mag naheliegen, Fontane veränderte allerdings absichtlich viele Details, um die Privatsphäre der Beteiligten zu bewahren. Else von Plotho, die spätere Baronin von Ardenne, heiratete ihren Mann nicht mit 17, sondern erst mit 19, und er war auch nur fünf und nicht zwanzig Jahre älter als sie. Zudem hatte sie ihr Verhältnis nicht nach einem, sondern nach zwölf Jahren Ehe, und ihr Mann erschoss den Liebhaber nicht sehr viel später, sondern als das Verhältnis noch andauerte. Nach der Scheidung zog sich die Frau, wie Fontane auch wusste, keineswegs aus dem Leben zurück, sondern wurde berufstätig. Sie starb erst 1952, im Alter von 99 Jahren.
Verfilmungen
Der Stoff ist viermal verfilmt worden, u.a. von der DEFA mit Angelica Domröse in der Hauptrolle und zuletzt 1974 von Rainer Werner Fassbinder. Eine Besonderheit der letzten Verfilmung ist, dass die darin enthaltenen Dialoge und Kommentare nur aus Originaltextpassagen bestehen: Die 17 - jährige Effi Briest (Hanna Schygulla) wird mit dem 20 Jahre älteren Baron Geert von Innstetten (Wolfgang Schenk) verheiratet. Effi fühlt sich in ihrer neuen Heimat, einem kleinen Ostsee-Badeort, einsam. Sie ist unglücklich, ohne es sich immer ganz einzugestehen, weil sie sich von ihrem prinzipientreuen und ehrgeizigen Mann, trotz erwiesener Zuneigung, nicht wirklich geliebt weiß. Zunächst nur Abwechslung, dann Verwirrung bringt die Bekanntschaft mit dem neuen Bezirkskommandanten Major Crampas (Ulli Lommel), dem auch ihr Mann sich freundschaftlich verbunden fühlt. Zwischen Effi und Crampas entwickelt sich eine, zwischen Tändelei und Leidenschaft pendelnde, Beziehung, die mit dem Umzug der Familie Innstetten nach Berlin endet. Innstetten entdeckt nach sechs Jahren zufällig jene frühere Beziehung zwischen Crampas und seiner Frau. Er fordert Crampas zum Duell und tötet ihn. Er verstößt Effi, behält die Tochter Annie und erzieht sie in einer Art Abwehr gegen ihre Mutter. Effis Lebenswillen und Lebenskraft sind gebrochen, nach etwa einem Jahr stirbt sie.
Literarisches Umfeld
"Effi Briest" gehört in die lange Reihe Fontanescher Gesellschaftsromane, die ihre literarische Besonderheit dem leichten Ton der Erzählung und dem Verzicht auf Anklage oder Schulderhebung bei gleichzeitig scharfem Blick auf die gesellschaftliche und historische Situation verdanken. Wenn Innstetten den Verführer Crampas in einem Duell tötet, das nur noch sinnentleertes Ritual ist, und seine Frau wegen der selbst für ihn bedeutungslosen Liaison aus Prinzipienreiterei verstößt, darf man darin keine einseitige Verurteilung des preußischen Adligen oder gar der Gesellschaft sehen. Effi verzeiht ihm, und ihre Mutter mutmaßt, sie sei bei der von ihr forcierten und protegierten Heirat "doch vielleicht zu jung" gewesen. So entsteht ein komplexes Lebens- und Sittenbild der untergehenden altpreußischen Gesellschaft, die in der Literatur Europas ziemlich einzigartig ist. Fontanes Werk kann auch unabhängig von preußischen Gegebenheiten als allgemeinere Betrachtung des Konfliktes zwischen Individuum und gesellschaftlichem Zwang betrachtet werden. Dies alles offenbart sich in Plaudereien der Figuren und einem fast beiläufigen Erzählton, bei dem es gilt, sozusagen zwischen den Zeilen zu lesen, denn Fontane bekannte, es komme ihm nicht auf das "Was", sondern auf das "Wie" an.
Das heißt allerdings nicht, dass der Schriftsteller alles gut hieße, was seine Figuren tun. Der pervertierte Ehrbegriff der Zeit zum Beispiel, der sich im literarischen Motiv des sinnlosen und illegalen Duells findet, wird im Werk Fontanes immer wieder in verschiedenen Spielarten (man denke nur an die todbringenden Mesalliancen im "Schach von Wuthenow" und anderen Romanen) aufgegriffen. Mit dem Duell-Motiv findet sich Fontane in Gesellschaft etwa Arthur Schnitzlers, der die leere Sinnlosigkeit des preußischen Ehrbegriffes im "Leutnant Gustl" (1900) satirisch zuspitzt, während für den jungen Offizier Zosima in Dostojewskis "Die Brüder Karamasow" (1879-80) das Duell geradezu zum Wendepunkt seines Lebens wird: Er verzichtet darauf zu schießen und wird zum frommen Einsiedler.
Literaturwissenschaftlich gesehen steht Fontanes "Effi Briest" auch in der speziellen Tradition des Liebes- oder Verführungsromans, vergleichbar etwa mit "Madame Bovary" von Flaubert oder "Anna Karenina" von Tolstoi.
Links
- Inhaltsangabe und Text online bei Wikisource (werbefrei)
- Der Text online beim Gutenberg-Projekt
- kurzes, prägnantes Szenarium
- Dekonstruktivistische Sicht auf die Figur "Effi"
- Gründe für Fontanes Motive Vorausdeutung und Symbolik
- Effis Eheerwartungen und Ängste
- Wer ist der Chinese?
- Dialoganalyse des Gesprächs zwischen Effi und ihrer Mutter, S. 13-14
- Romane und Erzählungen von Theodor Fontane als eBooks zum Download für den kostenfreien Microsoft Reader