Das Ziegenproblem, Drei-Türen-Problem, Monty-Hall-Problem oder Monty-Hall-Dilemma ist eine Aufgabe mit Bezug zur Wahrscheinlichkeitstheorie. Die Aufgabenstellung ist lose der US-amerikanischen Spielshow Let's Make a Deal nachempfunden, welche im deutschen Sprachraum in der Variante Geh aufs Ganze! bekannt wurde. Die Bezeichnungen beziehen sich auf Monty Hall, den Moderator von Let’s Make a Deal, oder auf die Ziegen, die in einer bekannten Problemformulierung neben dem richtigen Preis, einem Auto, als Spottpreise zu gewinnen sind.

Das Ziegenproblem wird oft als Beispiel dafür herangezogen, dass der menschliche Verstand zu Trugschlüssen neigt, wenn es um das Bestimmen von Wahrscheinlichkeiten geht, und ist Gegenstand einer lang anhaltenden öffentlichen Diskussion.
Die Aufgabenstellung selbst geht auf den Biostatistiker Steve Selvin zurück, der sie als Leserbrief im American Statistician 1975 veröffentlichte. Weltweit bekannt und zum Gegenstand einer kontroversen Debatte wurde das Problem aber erst durch seine Publikation in Marilyn vos Savants „Ask Marilyn“-Kolumne des Parade Magazines im Jahre 1990. Die dortige Version beruht auf einem Leserbrief, den vos Savant von Craig F. Whitaker aus Columbia, Maryland erhalten hatte.[1]
„Nehmen Sie an, Sie wären in einer Spielshow und hätten die Wahl zwischen drei Toren. Hinter einem der Tore ist ein Auto, hinter den anderen sind Ziegen. Sie wählen ein Tor, sagen wir, Tor Nummer 1, und der Showmaster, der weiß, was hinter den Toren ist, öffnet ein anderes Tor, sagen wir, Nummer 3, hinter dem eine Ziege steht. Er fragt Sie nun: ,Möchten Sie das Tor Nummer 2?‘ Ist es von Vorteil, die Wahl des Tores zu ändern?“[2]
Die Fragestellung in dieser Form ist unterbestimmt, die richtige Antwort hängt davon ab, welche Zusatzannahmen getroffen werden. Vos Savant gab die Antwort „Ja, Sie sollten wechseln. Das zuerst gewählte Tor hat die Gewinnchance von 1/3, aber das zweite Tor hat eine Gewinnchance von 2/3“. Vos Savants Antwort ist, obwohl unter Zusatzannahmen richtig, auch unter diesen Zusatzannahmen für viele Menschen sehr kontraintuitiv. In der Folge erreichten vos Savant zahlreiche Briefe, nach ihren Angaben Zehntausende, welche überwiegend die Richtigkeit ihrer Antwort bezweifelten.[3]
Das Ziegenproblem ist eine bemerkenswerte Fragestellung, welche Gegenstand andauernder öffentlicher Debatten, wissenschaftlicher Untersuchungen und Monographien ist.
Die erfahrungsbezogene Antwort
Wenn man die Fragestellung im Leserbrief unvoreingenommenen Personen vorlegt, bekommt man häufig die Antwort:
„Die Gewinnchancen für die Tore 1 und 2 sind gleich. Denn ich weiß ja nichts über die Motivation des Showmasters, das Tor 3 mit einer Ziege dahinter zu öffnen und einen Wechsel anzubieten.“ (Indifferenzprinzip)
Die Intuition beim Verständnis des Leserbriefs geht davon aus, dass es sich bei der Problemstellung um die Beschreibung einer einmaligen Spielsituation handelt. Außerdem zeugt die Antwort von einer gewissen Vertrautheit mit Spielshows wie Geh aufs Ganze, in denen der Showmaster (Moderator) eine aktive und unberechenbare Rolle spielt. Im Gegensatz zu den Problemvarianten, in denen der Moderator auf einen an fixe Verhaltensregeln gebundenen „Handlanger“ reduziert wird, darf realistischerweise angenommen werden, dass er völlig frei in seinen Entscheidungen ist (Monty Hall: „Ich bin der Hausherr!“). Diese Freiheit kann anhand einiger Beispiele illustriert werden, wobei vor jedem Spiel Auto und Ziegen hinter den drei Toren zufällig neu verteilt wurden. Weil die Kandidaten diese Spielshow, für die sie sich als Teilnehmer beworben haben, kennen, ist ihnen die Unberechenbarkeit des Moderators natürlich bewusst.[4]
- Spiel 1
- Kandidat Alfred wählt Tor 1, der Moderator öffnet das Tor 1 mit einer Ziege dahinter; Alfred verliert.
- Spiel 2
- Kandidat Bertram wählt Tor 1, der Moderator öffnet Tor 2 mit einer Ziege dahinter und bietet Bertram an, seine Wahl zu ändern. Bertram möchte wechseln, aber der Moderator öffnet kein Tor, sondern bietet 5000,- Euro dafür, dass Bertram bei seiner ersten Wahl bleibt. Dieser ändert seine Wechsel-Entscheidung nicht, und der Moderator öffnet Tor 3 mit einer Ziege dahinter; Bertram verliert.
- Spiel 3
- Kandidatin Conny wählt Tor 1, der Moderator öffnet kein Tor sondern bietet der Kandidatin 1000,- Euro dafür, dass sie auf das Öffnen des Tors verzichtet; Conny nimmt das Geld und gewinnt 1000,- Euro.
- Spiel 4
- Kandidatin Doris wählt Tor 1, der Moderator öffnet daraufhin Tor 3 mit einer Ziege dahinter und bietet Doris an, ihre Wahl zu überdenken …
Angesichts der verschiedenen Verhaltensmöglichkeiten des Moderators sollte Doris ihre Gewinnchancen sorgfältig abwägen. Wenn sie glaubt, dass der Moderator nett zu ihr sei und sie von ihrer ersten falschen Wahl abbringen möchte, dann sollte sie wechseln. Wenn sie allerdings meint, dass ihr der Moderator nicht gut gesinnt sei und sie nur von ihrer ersten, richtigen Wahl ablenken möchte, dann sollte sie bei Tor 1 bleiben. Wenn Doris den Moderator nicht einschätzen kann – auch im Leserbrief werden keine entsprechenden Hinweise gegeben – hat sie immer noch die Möglichkeit, sich auf das Indifferenzprinzip zu berufen und ihre Gewinnchance durch Raten als 1/2 einzuschätzen. Die Antwort auf die Frage "Ist es von Vorteil, die Wahl des Tores zu ändern?" lautet in ihrem Fall also:"Nicht unbedingt!"
Obwohl die Frage des Leserbriefs damit bereits beantwortet ist, wurde der Vorschlag gemacht, Doris bei ihrer Entscheidung zu unterstützen und ihr eine echte 50:50-Chance auf den Gewinn zu verschaffen. Dazu wird angenommen, dass sie die Möglichkeit hat, sich nach dem Wurf einer fairen Münze für eines der beiden verbleibenden Tore zu entscheiden. Auf diese Weise kann sie sicherstellen, dass ihre Gewinnwahrscheinlichkeit unabhängig von den Absichten des Moderators genau 1/2 beträgt.[5]
Antwort von Marilyn vos Savant
Durch die Antwort von Marilyn vos Savant auf den Leserbrief erzielte das Problem international auch außerhalb der Fachwelt hohe Aufmerksamkeit und führte zu heftigen Kontroversen. Ihre Antwort lautete:
„Ja, Sie sollten wechseln. Das zuerst gewählte Tor hat die Gewinnchance von 1/3, aber das zweite Tor hat eine Gewinnchance von 2/3. Hier ist ein guter Weg, sich das Geschehen vorzustellen. Nehmen Sie an, es gäbe 1 Million Tore und Sie wählen Tor Nummer 1. Dann öffnet der Moderator, der weiß, was hinter den Toren ist, und der das eine Tor mit dem Preis immer vermeidet, alle Tore bis auf Tor Nummer 777777. Sie würden doch sofort zu diesem Tor wechseln, oder nicht?“[6]
Marilyn vos Savant berücksichtigt dabei nicht eine bestimmte Motivation des Moderators; es ist laut Leserbrief keineswegs ausgeschlossen, dass der Moderator nur deswegen ein Ziegentor öffnet, um den Kandidaten von seiner ersten erfolgreichen Wahl abzulenken. Stattdessen fasst vos Savant den Leserbrief offensichtlich so auf, dass die Spielshow immer wieder nach demselben Muster abläuft:
- Verlauf der Spielshow: Der jeweilige Kandidat wählt ein Tor, der Moderator öffnet daraufhin immer ein anderes Tor mit einer Ziege dahinter und lässt danach dem Kandidaten noch einmal die Wahl zwischen den beiden noch geschlossenen Toren. Der Kandidat erhält das Auto, wenn es sich hinter dem von ihm zuletzt gewählten Tor befindet.
Somit erhält sie als Lösung die durchschnittliche Gewinnwahrscheinlichkeit aller möglichen Kombinationen von Toren, die von den jeweiligen Kandidaten gewählt werden und vom Moderator daraufhin geöffnet werden können. Weil die erste Wahl eines Kandidaten als beliebig und die Verteilung von Auto und Ziegen hinter den Toren als zufällig angesehen wird, darf jede der neun Möglichkeiten als gleichwahrscheinlich betrachtet werden:
Tor 1 gewählt | Tor 2 | Tor 3 | Moderator öffnet... | Ergebnis beim Wechseln | Ergebnis beim Behalten |
---|---|---|---|---|---|
Auto | Ziege | Ziege | Tor 2 oder Tor 3 | Ziege | Auto |
Ziege | Auto | Ziege | Tor 3 | Auto | Ziege |
Ziege | Ziege | Auto | Tor 2 | Auto | Ziege |
Tor 1 | Tor 2 gewählt | Tor 3 | |||
Auto | Ziege | Ziege | Tor 3 | Auto | Ziege |
Ziege | Auto | Ziege | Tor 1 oder Tor 3 | Ziege | Auto |
Ziege | Ziege | Auto | Tor 1 | Auto | Ziege |
Tor 1 | Tor 2 | Tor 3 gewählt | |||
Auto | Ziege | Ziege | Tor 2 | Auto | Ziege |
Ziege | Auto | Ziege | Tor 1 | Auto | Ziege |
Ziege | Ziege | Auto | Tor 1 oder Tor 2 | Ziege | Auto |
Drei von neun Kandidaten gewinnen, wenn sie bei ihrer ersten Wahl bleiben, während sechs von neun Kandidaten durch Wechseln das Auto bekommen. Ein Kandidat hat durch Wechseln also eine durchschnittliche Gewinnchance von p = 2/3.
Strategische Lösung
Wegen der Auffassung von vos Savant und unter Berücksichtigung der von ihr vorgeschlagenen Wechselstrategie lässt sich eine alternative Sicht des Ablaufs der Spielshow formulieren:
- Der jeweilige Kandidat darf zwei freigewählte Tore bestimmen, die der Moderator öffnen muss, und jener erhält das Auto, falls es sich hinter einem dieser beiden Tore befindet.
Um es an einem Beispiel klarzumachen: Ein Kandidat möchte Tor 2 und Tor 3 öffnen lassen. Er wählt also Tor 1, das verschlossen bleibt, und wechselt dann zu Tor 2, wenn der Moderator Tor 3 geöffnet hat, oder umgekehrt. Der Kandidat hat damit offensichtlich eine durchschnittliche Gewinnchance von p = 2/3. Demnach wäre es für einen Kandidaten, der mehrmals an dieser Spielshow teilnehmen dürfte, von Vorteil, die Wahl des Tors immer zu ändern.
Kontroversen
Es sind vor allem die folgenden Hauptargumente, die zu Zweifeln an vos Savants Antwort führen. Während das erste Argument nicht stichhaltig ist und auf falsch angewandter Wahrscheinlichkeitstheorie basiert, verdeutlichen die weiteren Argumente, dass das Originalproblem eine Vielzahl von Interpretationen zulässt:
- Unter der Voraussetzung, dass der Showmaster den im nächsten Abschnitt ausgeführten Spielregeln folge, sei ein Wechsel des Tores nicht schlecht. Die Gewinnchance für das zweite Tor sei aber niemals 2/3, sondern generell nur 1/2, weil nach dem Öffnen eines Tores mit einer Ziege dahinter nur noch zwei geschlossene Tore zur Auswahl stünden. Die Chancen seien deshalb auf beide Tore immer gleichverteilt.
- Die Fragestellung im Leserbrief enthält keinerlei Hinweise darauf, dass der Showmaster einer bestimmten Verhaltensregel folgt. Solch eine Regel ließe sich nur unter der Annahme ableiten, dass das Spiel mehrmals unter den gleichen Bedingungen wiederholt würde: Sie wählen ein beliebiges Tor, der Showmaster öffnet ein anderes Tor, hinter dem eine Ziege steht, und Sie dürfen die Wahl Ihres Tores ändern. Von solch einer Wiederholung des Spiels ist aber im Leserbrief keine Rede. Also basiert vos Savants Antwort auf zusätzlichen Annahmen, die sich in dieser Form nicht zwingend aus dem Leserbrief ergeben.[7]
- Marilyn vos Savants Interpretation bezieht sich nicht auf die in der Fragestellung konkret benannten Tore, und damit lässt sie möglicherweise vorhandene Präferenzen des Moderators bzgl. einzelner Tore außer Acht. Deshalb erhält sie als Gewinnwahrscheinlichkeit 2/3 durch Wechseln, die nicht bei jedem Moderatorverhalten gültig ist. Dementsprechend bildet auch die obige Tabelle, welche nur Durchschnittswahrscheinlichkeiten veranschaulicht, solche Präferenzen nicht korrekt ab.
Das erste Argument wird durch den ausgeglichenen Moderator widerlegt, das zweite wird anhand der erfahrungsbezogenen Antwort und das dritte anhand des faulen Moderators ausgeführt.
Das Monty-Hall-Standard-Problem
Weil die im Leserbrief von Whitaker formulierte Aufgabe einigen Wissenschaftlern nicht eindeutig lösbar erschien, wurde von ihnen eine Neuformulierung des Ziegenproblems vorgeschlagen. Diese als Monty-Hall-Standard-Problem bezeichnete Umformulierung, die zur gleichen Lösung wie der von Marilyn vos Savant führen soll, stellt bestimmte Zusatzinformationen bereit, welche die erfahrungsbezogene Antwort ungültig machen, und berücksichtigt im Unterschied zur Interpretation von vos Savant auch die konkrete Spielsituation:
„Angenommen, Sie befinden sich in einer Spielshow und haben die Wahl zwischen drei Toren. Hinter einem Tor ist ein Auto, hinter den anderen befindet sich jeweils eine Ziege. Das Auto und die Ziegen sind vor der Show zufällig auf die Tore verteilt worden, und Sie haben keine Information über die Position des Autos. Die Regeln lauten: Nachdem Sie ein Tor gewählt haben, bleibt dieses zunächst geschlossen. Der Showmaster Monty Hall, der weiß, was sich hinter den Toren befindet, muss nun eines der beiden verbleibenden Tore öffnen. Hinter dem von ihm geöffneten Tor muss sich eine Ziege befinden. Nachdem Monty Hall ein Tor mit einer Ziege geöffnet hat, fragt er Sie, ob Sie bei Ihrer ersten Wahl bleiben oder zum letzten verbliebenen Tor wechseln möchten. Nehmen Sie an, Sie wählen Tor 1, und der Showmaster öffnet Tor 3 mit einer Ziege. Er fragt Sie dann: „Möchten Sie zu Tor 2 wechseln?“. Ist es vorteilhaft, Ihre Wahl zu ändern?“
Der Moderator hat die Möglichkeit, frei darüber zu entscheiden, welches Tor er öffnet, wenn er die Auswahl zwischen zwei Ziegentoren hat (Sie haben also zuerst das Auto-Tor gewählt). Um zu zeigen, welche Unterschiede bei der Wahrscheinlichkeit, das Auto zu gewinnen, auftreten können, werden im Folgenden mehrere Moderatortypen vorgestellt. Ihnen sind die jeweiligen Verhaltensweisen des Moderators natürlich vorher bekannt.
Der ausgeglichene Moderator
Bei einer Spielshow kann der Kandidat ein Auto gewinnen. Dem Spiel liegen die folgenden Regeln zugrunde.
- Ein Auto und zwei Ziegen werden zufällig auf drei Tore verteilt.
- Zu Beginn des Spiels sind alle Tore verschlossen, sodass Auto und Ziegen nicht sichtbar sind.
- Der Kandidat, dem die Position des Autos völlig unbekannt ist, wählt ein Tor aus, das aber vorerst verschlossen bleibt.
- Fall A: Hat der Kandidat das Tor mit dem Auto gewählt, dann öffnet der Moderator zufällig ausgewählt mit der gleichen Wahrscheinlichkeit eines der beiden anderen Tore, hinter dem sich immer eine Ziege befindet.
- Fall B: Hat der Kandidat ein Tor mit einer Ziege gewählt, dann muss der Moderator dasjenige der beiden anderen Tore öffnen, hinter dem die zweite Ziege steht.
- Der Moderator bietet dem Kandidaten an, seine Entscheidung zu überdenken und das andere ungeöffnete Tor zu wählen.
- Das vom Kandidaten letztlich gewählte Tor wird geöffnet, und er erhält das Auto, falls es sich hinter diesem Tor befindet.
Diese Regeln sind dem Kandidaten bekannt. Wie soll er sich im vorletzten Schritt entscheiden, wenn er zunächst Tor 1 gewählt und der Moderator daraufhin Tor 3 mit einer Ziege dahinter geöffnet hat?[8]
Einfache Erklärung
Das Auto ist mit der Wahrscheinlichkeit 1/3 hinter dem vom Kandidaten zunächst gewählten Tor 1. Wegen der Symmetrie im Regelwerk, insbesondere wegen der Spielregeln 4 und 5, wird diese Wahrscheinlichkeit durch das Öffnen eines Ziegentors nicht beeinflusst, denn die Torwahl des Moderators kann keinerlei zusätzlichen Hinweis zum aktuellen Standort des Autos liefern.[9] Deshalb ist nach dem Öffnen des Tors 3 das Auto mit 2/3-Wahrscheinlichkeit hinter Tor 2, und ein Wechsel führt mit der Wahrscheinlichkeit 2/3 zum Erfolg.
Tabellarische Lösung
Für die Erklärung wird angenommen, dass der Kandidat zu Anfang Tor 1 gewählt hat und sich anschließend umentscheidet. Für die Situationen, in denen der Kandidat die Tore 2 oder 3 gewählt hat und der Moderator dementsprechend andere Tore öffnet, gilt eine analoge Erklärung. Es müssen sechs Fälle betrachtet werden, um die Gleichwahrscheinlichkeit des Öffnens der Tore 2 und 3 durch den Moderator gemäß Regel 4 modellieren zu können. Das entspricht einem Zufallsexperiment, bei dem die beiden Ziegen voneinander unterschieden werden können, und jede Verteilung von Auto und Ziegen hinter den drei Toren gleichwahrscheinlich ist (Laplace-Experiment).
Zur Auswertung der Tabelle müssen nun die Fälle betrachtet werden, in denen der Moderator das Tor 3 öffnet (das ist die Bedingung). Das sind die Fälle 2, 4 und 5. Man sieht, dass in zwei von drei dieser Fälle der Kandidat durch Wechseln gewinnt. Unter den Voraussetzungen, dass der Kandidat zunächst Tor 1 gewählt hat und der Moderator Tor 3 mit einer Ziege dahinter öffnet, befindet sich das Auto also in 2/3 der Fälle hinter Tor 2. Außerdem kann aus der Tabelle leicht abgelesen werden, dass wenn der Moderator anstelle von Tor 3 das Tor 2 öffnet, der Kandidat durch Wechseln ebenfalls in zwei von drei Fällen das Auto gewinnt. Der Kandidat sollte also seine Wahl zugunsten von Tor 2 ändern.
Formelle mathematische Lösung
Es sind die Ereignisse definiert:
- : Der Gewinn ist hinter Tor i (i = 1, 2, 3)
- : Der Moderator hat das Tor j geöffnet (j = 1, 2, 3)
Es liegt folgende Situation vor: Der Kandidat hat Tor 1 gewählt, und der Moderator hat daraufhin das Tor 3 geöffnet. Lohnt es sich für den Kandidaten zu wechseln? Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Auto hinter Tor 2 ist? Gesucht ist also die bedingte Wahrscheinlichkeit , dass das Auto hinter Tor 2 ist, wenn bekannt ist, dass es nicht hinter Tor 3 ist. Man kann diese Wahrscheinlichkeit mit dem Satz von Bayes ermitteln.
Auf Grund der Aufgabenstellung (Regeln 1, 4 und 5) gelten folgende Voraussetzungen:
Die Anwendung des Satzes von Bayes ergibt dann:
Der Kandidat sollte also wechseln, um seine Gewinnchancen von anfangs 1/3 auf nun 2/3 zu verdoppeln.
Der faule Moderator
Der Moderator, der nicht gerne große Wege zurücklegt, öffnet am liebsten Tor 3, weil er dort in der Nähe seinen Standort als Showmaster hat. Wenn also hinter dem vom Kandidaten gewählten Tor 1 das Auto stünde, dann würde er mit Sicherheit Tor 3 öffnen, auf keinen Fall aber Tor 2.[10]
Tabellarische Lösung
Für die folgende Erklärung wird angenommen, dass der Kandidat zu Anfang Tor 1 gewählt hat. Für die Situationen, in denen der Kandidat die Tore 2 bzw. 3 gewählt hat und der Moderator dementsprechend andere Tore öffnet, gilt eine analoge Erklärung. Obwohl es hier ausreichen würde, die drei ersten Spielsituationen zu betrachten, werden sechs Fälle unterschieden, um die Problemstellung vergleichbar mit der obigen tabellarischen Lösung beim ausgeglichenen Moderator modellieren zu können. Jede Spielsituation wird also zweimal betrachtet. Das entspricht einem Zufallsexperiment bei dem die beiden Ziegen voneinander unterschieden werden können, und jede Verteilung von Auto und Ziegen hinter den drei Toren gleichwahrscheinlich ist (Laplace-Experiment).
Öffnet der Moderator Tor 3 (Fälle 1, 2, 4 und 5), gewinnt der Kandidat nur in zwei von vier dieser Fälle durch Wechseln. Seine Gewinnwahrscheinlichkeit ist demnach zu diesem Zeitpunkt nur noch p = 1/2. Es kann ebenso leicht aus der Tabelle abgelesen werden, dass, wenn der Moderator Tor 2 öffnet, der Kandidat sicher gewinnt, wenn er zu Tor 3 wechselt.
Formelle mathematische Lösung
Es liegt die folgende Situation vor: Der Kandidat hat Tor 1 gewählt, und der Moderator hat daraufhin das Tor 3 geöffnet. Es gelten dann folgende mathematische Beziehungen unter Berücksichtigung der oben definierten Ereignismengen:
Die Anwendung des Satzes von Bayes ergibt dann für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet:
Für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto tatsächlich hinter Tor 1 befindet, gilt aber ebenfalls
Der Gewinn hinter Tor 2 ist genauso wahrscheinlich wie der Gewinn hinter Tor 1. Der Kandidat kann demnach in diesem Fall also ebenso gut bei Tor 1 bleiben wie zu Tor 2 wechseln. Hat der Moderator Tor 3 geöffnet, ist seine Gewinnchance also unabhängig von der Entscheidung 1/2.
Der unausgeglichene Moderator
Wenn der Moderator die Möglichkeit hat, aus zwei Toren mit jeweils einer Ziege dahinter ein Tor auszusuchen (der Kandidat hat also das Tor mit dem Auto dahinter ausgewählt), dann öffnet er das Tor mit der höchstmöglichen Nummer mit der Wahrscheinlichkeit q und das Tor mit der niedrigeren Nummer mit der Wahrscheinlichkeit q* = 1 - q. Dann gelten folgende mathematische Beziehungen unter Berücksichtigung der oben definierten Ereignismengen:
Die Anwendung des Satzes von Bayes ergibt dann für die bedingte Wahrscheinlichkeit, dass sich das Auto hinter Tor 2 befindet:
Diese Berechnung beschreibt den allgemeinen Fall, aus dem sich „Der ausgeglichene Moderator“ (q = 1/2) und „Der faule Moderator“ (q = 1) als Spezialfälle ableiten lassen.[11]
Die allgemeine Lösung
Aus der Betrachtung des unausgeglichenen Moderators lässt sich ableiten, dass unabhängig von seiner jeweiligen Vorliebe für ein bestimmtes Ziegentor die Gewinnwahrscheinlichkeit durch Wechseln nach dem Öffnen eines Ziegentores immer mindestens 1/2, im Durchschnitt sogar 2/3 beträgt. Solange der Moderator gemäß der Spielregeln gezwungen ist, immer ein nichtgewähltes Ziegentor zu öffnen und daraufhin einen Wechsel anzubieten, sollte ein Kandidat also in jedem Fall seine Wahl des Tors ändern.
Siehe auch
Literatur
- Gero von Randow: Das Ziegenproblem – Denken in Wahrscheinlichkeiten. Rowohlt, Reinbek 1992, ISBN 3-499-19337-X, Neuauflage: Rowohlt, Reinbek 2004, ISBN 3-499-61905-9.
- Jason Rosenhouse: The Monty Hall Problem. Oxford University Press 2009, ISBN 978-0-19-536789-8.
- Henk Tijms: Understanding Probability, Chance Rules in Everyday Life. University Press, Cambridge 2004, ISBN 0-521-83329-9.
- Gerd Gigerenzer: Das Einmaleins der Skepsis – Über den richtigen Umgang mit Zahlen und Risiken. Berlin-Verlag, Berlin 2002, ISBN 3-8270-0079-3.
- Sasha Gnedin: The Mondee Gills Game. The Mathematical Intelligencer, 2011 (Online-Kopie)
- Hans-Otto Georgii: Stochastik, Einführung in Wahrscheinlichkeitstheorie und Stochastik. de Gruyter 2004, 4. Auflage 2009, ISBN 9783110215274, S. 56f. (Auszug (Google))
- Norbert Henze: Stochastik für Einsteiger. Vieweg 1997, 9. Auflage 2011 (Springer), ISBN 9783834818454, S. 51-52, 105-107. (Auszug (Google))
- Charles M. Grinstead, J. Laurie Snell: Grinstead and Snell’s Introduction to Probability. 4. Juli 2006 (pdf [abgerufen am 2. April 2008] Online version of Introduction to Probability, 2nd edition, American Mathematical Society, Copyright (C) 2003 Charles M. Grinstead and J. Laurie Snell).
Weblinks
- Jochen Paulus: Das Rätsel der drei Türen. Die Zeit, 18. November 2004
- Christoph Drösser: Der maliziöse Moderator. Die Zeit, 22. Juli 2010
- Christoph Drösser: Und ewig meckert die Ziege. Die Zeit, 19. August 2011
- Matheprisma der Uni Wuppertal: Ziegenproblem: Online Simulation, bedingte und totale Wahrscheinlichkeit, Bayes-Formel
- Gerhard Keller: Ein Auto und zwei Ziegen Kritische Analyse der Rezeptionsgeschichte des Ziegenproblems
Einzelnachweise
- ↑ Jason Rosenhouse: The Monty Hall Problem. Oxford University Press 2009, ISBN 978-0-19-536789-8, S. IX, 20-26
- ↑ Craig F. Whitaker: Ask Marilyn. In: Parade Magazine. 9. September 1990, S. 16.
- ↑ John Tierney: Behind Monty Hall's Doors: Puzzle, Debate and Answer? In: The New York Times. 21. Juli 1991.
- ↑ John Tierney: Behind Monty Hall's Doors: Puzzle, Debate and Answer? In: The New York Times. 21. Juli 1991.
- ↑ Marc C. Steinbach: Von Autos, Ziegen und Streithähnen. (PDF; 3,6 MB) Kapitel 4.2
- ↑ Game-Show-Problem – gesammelte Leserbriefe und Antworten innerhalb des Webauftritts von Marilyn vos Savant
- ↑ Peter R. Mueser, Donald Granberg: The Monty Hall Dilemma Revisited: Understanding the Interaction of Problem Definition and Decision Making. In: University of Missouri Working Paper. 1999-06.
- ↑ Stefan Krauss, X. T. Wang: The Psychology of the Monty Hall Problem: Discovering Psychological Mechanisms for Solving a Tenacious Brain Teaser. In: Journal of Experimental Psychology: General. 132 (1)2003.
- ↑ Jeffrey S. Rosenthal: Monty Hall, Monty Fall, Monty Crawl. (PDF; 70 kB) In: Math Horizons. September 2008, S. 5-7.
- ↑ Jeffrey S. Rosenthal: Monty Hall, Monty Fall, Monty Crawl. (PDF; 70 kB) In: Math Horizons. September 2008, S. 5-7.
- ↑ J. P. Morgan, N. R. Chaganty, R. C. Dahiya, M. J. Doviak: Let's make a deal: The player's dilemma. In: American Statistician. 45(1991), S. 284-287.