Latein

indogermanische Sprache
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 23. Mai 2013 um 03:09 Uhr durch Müllerslieschen (Diskussion | Beiträge) (Syntax). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Latein (lat. lingua latina „lateinische Sprache“) ist eine indogermanische Sprache, die ursprünglich von den Latinern, den Bewohnern von Latium mit Rom als Zentrum, gesprochen wurde. Die frühesten Zeugnisse reichen bis ins 5. oder 6. vorchristliche Jahrhundert zurück (Frühlatein), ab dem dritten vorchristlichen Jahrhundert liegen längere Texte vor (Altlatein), ihre volle Ausformung in der Gestalt des heute vor allem bekannten und gelehrten klassischen Lateins erreichte die (Schrift)Sprache im ersten vorchristlichen Jahrhundert.

Latein (Lingua latina)
Sprecher Nur als Zweitsprache
Linguistische
Klassifikation
Offizieller Status
Amtssprache in Vatikanstadt Vatikanstadt
Sprachcodes
ISO 639-1

la

ISO 639-2

lat

ISO 639-3

lat

Latein war Amtssprache des Römischen Reichs und wurde so zur dominierenden Verkehrssprache im westlichen Mittelmeerraum. Während sich aus der gesprochenen Umgangssprache, dem sogenannten Vulgärlatein, die romanischen Sprachen entwickelten, blieb das Latein der römischen Schriftsteller auch als tote Sprache bis in die Neuzeit die führende Sprache der Literatur, Wissenschaft, Politik und Kirche. Gelehrte wie Thomas von Aquin, Petrarca, Erasmus, Luther, Kopernikus, Descartes oder Newton haben Werke in Latein verfasst. Bis ins 19. Jahrhundert wurden die Vorlesungen an den Universitäten in ganz Europa auf Latein gehalten. In Polen, Ungarn und im Heiligen Römischen Reich war Latein bis dahin Amtssprache. In Tausenden von Lehn- und Fremdwörtern sowie Redewendungen ist Latein heute auch in nichtromanischen Sprachen wie Deutsch oder Englisch präsent. Bei der Bildung neuer Fachbegriffe wird immer wieder auf Latein zurückgegriffen.

Wegen seiner enormen Bedeutung für die sprachliche und kulturelle Entwicklung Europas wird Latein vor allem in Deutschland[1] an vielen Schulen und Universitäten gelehrt. Für manche Studiengänge sind Lateinkenntnisse oder das Latinum nötig. Ähnlich stellt sich die Situation in Österreich und der Schweiz dar.

Sprachwissenschaftliche Einordnung

Latein gehört zu den indogermanischen Sprachen. Die Verwandtschaft mit den anderen Mitgliedern dieser Sprachfamilie zeigt sich in Wörtern wie pater (Sanskrit pitár, altgriechisch πατήρ (patér), englisch father, deutsch Vater). Innerhalb des Indogermanischen gehört es zur Gruppe der italischen Sprachen, von denen sich außerhalb des Lateinischen nennenswerte Spuren nur noch im Oskischen und im Umbrischen erhalten haben. Innerhalb der indogermanischen Sprachfamilie wird von einigen Wissenschaftlern aufgrund bestimmter Merkmale eine engere Verwandtschaft mit den keltischen Sprachen angenommen.

Latein ist, ebenso wie Altgriechisch, Sanskrit und andere alte indogermanische Sprachen eine typische flektierende Sprache mit synthetischer Syntax. Mit der Entwicklung zum Vulgärlatein und schließlich den romanischen Sprachen veränderte sich die Typologie des Lateinischen immer mehr in Richtung eines analytischen Sprachbaus. Der Sprachcode ist la.

Dialekte und Soziolekte

Obgleich die Quellen zu dieser Thematik spärlich sind, ist davon auszugehen, dass das Lateinische ebenso wie andere Sprachen in Dialekte (geographische Gliederung) und Soziolekte (Gliederung nach sozialen Schichten) gegliedert war. Dieser Umstand wird von der Altphilologie, die sich hauptsächlich mit der Sprache der sog. Goldenen und Silbernen Latinität beschäftigt, meist gar nicht oder nur am Rande wahrgenommen. Für eine reiche dialektale Gliederung des Lateinischen spricht etwa der Umstand der Ausdifferenzierung in die einzelnen romanischen Sprachen (neben dem Einfluss von Substratsprachen) sowie die reiche dialektale Gliederung innerhalb der einzelnen romanischen Sprachen mit teilweise wechselseitig nur schwer verständlichen Dialekten.

Im Hinblick auf die soziale Ausdifferenzierung des Lateinischen ist insbesondere der Gegensatz zwischen der gesprochenen Sprache (der "unteren" Schichten) einerseits und der uns in den klassischen Texten überlieferten Schriftsprache andererseits hervorzuheben. Letztere dürfte in dieser oder einer ganz ähnlichen Form auch die Umgangssprache der gebildeten Stände gewesen sein. Diese "Hochsprache" hat sich etwa seit dem dritten vorchristlichen Jahrhundert herausgebildet und wurde im letzten vorchristlichen Jahrhundert von Männern wie Cicero in ihre endgültige Form gebracht ("Schulbuchlatein"). Es ist davon auszugehen, dass bereits zu Ciceros Zeit die "Hochsprache" ganz erheblich vom "Latein der Straße" abwich. Da die gebildeten Stände im alten Rom kein Interesse an der Umgangssprache der unteren Schichten hatten, sind die diesbezüglich überlieferten Informationen sehr spärlich. Eine wichtige Quelle stellen insoweit bspw. die durch den Vulkanausbruch von Pompeji im Jahr 79 erhaltenen Graffiti dar, in welchen sich (je nach Bildungsgrad der Schreiber) teilweise eine Sprachform manifestiert, die in vielem bereits Züge der romanischen Sprachen vorwegnimmt (z.B. Kasussynkretismus im Akkusativ mit Verlust des auslautenden -m). Das von Gebildeten wie Cicero, Cäsar usw. geschriebene (und gesprochene?) Latein ist insgesamt eher als Kunstsprache anzusehen. Dies gilt allerdings mehr oder minder für alle Schrift- bzw. Hochsprachen.

Im Folgenden wird, soweit nichts anders gesagt ist, nur auf den Lautstand und die Grammatik der klassischen lateinischen Sprache eingegangen.

Schrift

Hauptartikel Lateinisches Alphabet, Lateinische Paläografie

Ebenso wie viele andere Kulturgüter wurde das lateinische Alphabet aus Griechenland entlehnt, und zwar durch Vermittlung der Etrusker. In klassischer Zeit bestand das lateinische Alphabet aus den folgenden 23 Zeichen: A B C D E F G H I K L M N O P Q R S T V X Y Z

Minuskeln waren in klassischer Zeit unbekannt, d.h. es wurde nur mit den hier angeführten Majuskeln geschrieben. I und V standen gleichzeitig für die Vokale i, u und die Konsonanten j, v. Das Wort iuventus (Jugend) wurde folglich IVVENTVS geschrieben. Die Buchstaben K, Y und Z wurden hauptsächlich nur in griechischen Fremdwörtern bzw. Eigennamen verwendet.

Geschrieben wurde, neben Steininschriften, auf Wachstafeln, Pergament oder Papyrus. Da Papierherstellung und Buchdruck unbekannt waren und jegliche Schriften nur durch Abschreiben vervielfältigt werden konnten, galten Bücher als kostbar. Bibliotheken mit wenigen hundert Büchern galten bereits als sehr groß.

Die erste bekannte stenographische Schrift wurde von Ciceros Haussklaven und Privatsekretär Marcus Tullius Tiro erfunden - siehe Tironische Noten.

Lautstand und Akzent

Hauptartikel Lateinische Aussprache

Der Lautbestand des Lateinischen ist relativ überschaubar und auf "gängige" Konsonanten und Vokale beschränkt, wie sie so oder so ähnlich in sehr vielen Sprachen vorkommen. Die historisch "korrekte" Aussprache (soweit rekonstruierbar) bereitet deutschen Muttersprachlern keine größeren Probleme. Von den romanischen Sprachen hat das Italienische den Lautbestand des Lateinischen am besten bewahrt.

Konsonanten

Die folgende Tabelle zeigt den Konsonantenbestand des Lateinischen:

  Labial Dental Palatal Velar Glottal
einfach Labiovelar
Plosiv stimmhaft /b/ /d/ /ɡ/  
stimmlos /p/ /t/   /k/ /kʷ/
Frikativ
stimmlos /f/ /s/ /h/
Nasal /m/ /n/      
Vibrant /r/      
Approximant   /l/ /j/ /w/

Die stimmhaften Plosive b, d und g wurden wohl wie im Deutschen ausgesprochen. Die stimmlosen Varianten waren anders als im Deutschen nicht aspiriert (behaucht). Eine Palatalisierung des k (Buchstabe C) vor hellen Vokalen fand wohl erst in nachklassischer Zeit statt, wobei nicht auszuschließen ist, dass in bestimmten Dialekten und/oder Soziolekten bereits vor der Zeitenwende eine Palatalisierung anzutreffen war. Der "qu" geschriebene plosive Labiovelar ähnelt dem deutschen "qu", allerdings ist der Bestandteil w bilabial, nicht wie im Deutschen labiodental. Das r wurde wie heute noch im Italienischen gerollt. Das l wurde je nach Position entweder wie der deutsche Laut oder wie auslautendes englisches l artikuliert. Anlautendes h dürfte bereits in klassischer Zeit bestenfalls noch von den Angehörigen gebildeter Stände artikuliert worden sein. Auslautendes m dürfte ebenfalls bereits in klassischer Zeit nur noch schwach artikuliert worden sein, möglicherweise bei gleichzeitiger Nasalierung des vorangehenden Vokals. Der als "V" geschriebene Laut ist ein bilabiales w wie im Englischen.

Vokale und Diphtonge

Das Lateinische kennt, hierin vielen anderen Sprachen ähnlich, die fünf Vokale a, i, u, e und o. Alle fünf Vokale können kurz oder lang sein. Die folgende Tabelle gibt einen Überblick über die genaue Aussprache:

  Vorderzungenvokal Zentraler Vokal Hinterzungenvokal
lang kurz lang kurz lang kurz
Geschlossener Vokal /iː/ /i/   /uː/ /u/
Mittlerer Vokal /eː/ /e/   /oː/ /o/
Offener Vokal   /aː/ /a/  

An Diphthongen kennt das Lateinische au, ai (geschrieben als ae), oi (geschrieben als oe), sowie die selteneren ei, ui und eu.

Anders als im Deutschen wurde vor anlautendem Vokal wohl kein Glottisverschluss artikuliert.

Silbenstruktur

Das Lateinische kennt offene (vokalischer Auslaut) und geschlossene (konsonantischer Auslaut) Silben. Im Anlaut sind maximal drei Konsonanten (K) erlaubt, wobei bei drei Konsonanten der dritte ein Resonant (R) sein muss, wie dies auch im Deutschen der Fall ist. Im Silbenauslaut sind maximal zwei Konsonanten erlaubt, von denen ebenfalls einer ein Resonant sein muss. Der silbentragende Vokal (V) kann von einem Halbvokal (H) gefolgt werden (Diphthong). Als Silbenträger kommen nur Vokale in Betracht, nicht jedoch Resonanten oder gar Konsonanten (wie etwa in dem tschechischen Wort vlk (Wolf) oder der deutschen Interjektion pst!. Damit ergibt sich folgende Silbenstruktur:

  • (K)(K)(R)V(H)(R)(K)

Beispiele:

  • KV: tu (du)
  • VK: os (Knochen)
  • KVK: sus (Sau)
  • KKV(K): spe, spes (Hoffnung, Ablativ und Nominativ Singular)
  • -VRK: amant (sie lieben)
  • KKRV-: striga (Hexe)

Die Silbenstruktur des Lateinischen ist damit deutlich weniger komplex als jene des Deutschen, so dass im Lateinischen (auch wegen des geringen Lautbestands) wesentlich weniger "erlaubte" Silben existieren als im Deutschen. Das Italienische hat die Silbenstruktur des Lateinischen noch recht gut bewahrt.

Akzent

Der Wortakzent liegt im klassischen Latein bei mehrsilbigen Wörtern meist auf der vorletzten oder drittletzten Silbe. Die Entscheidung, welche Silbe bei mehrsilbigen Wörtern zu betonen ist, hängt allein von der vorletzten Silbe ab (Pänultimaregel).

Bis heute ungeklärt und Gegenstand der Diskussion ist die Frage, welcher Natur der lateinische Akzent war. Manche Wissenschaftler gehen von einem dynamischen Akzent bzw. Druckakzent wie etwa im Deutschen aus, bei dem die betonte Silbe mit höherer Lautstärke artikuliert wird. Für diese Theorie sprechen die vielen Vokalschwächungen in lateinischen Wörtern, die für unbetonte Silben in Sprachen mit Druckakzent typisch sind, z.B. facere (tun) und das hiervon abgeleitete deficere (abnehmen, verlassen, sterben) mit der Schwächung des Stammvokals von a zu i. Auch der Umstand, dass alle romanischen Sprachen einen dynamischen Akzent aufweisen, spricht für diese Theorie.

Andere Wissenschaftler nehmen für das Lateinische einen musikalischen bzw. melodischen Akzent an, bei dem statt der Lautstärke die Tonhöhe des Vokals verändert wird. Ein starkes Argument für diese Theorie ist darin zu sehen, dass die von den Römern aus Griechenland "importierte" quantifizierende Metrik für Sprachen mit dynamischem Akzent unbrauchbar ist und folglich einen melodischen Akzent voraussetzt.

Grammatik

Wortbildung

Die Wortbildung im Lateinischen zeichnet sich vor allem durch Derivation aus, wobei sowohl Verbal- wie auch Nominalwurzeln Ausgangspunkt von Ableitungen sein können. Es existiert eine große Zahl von Wortbildungssuffixen, mit denen neue Substantive und Adjektive gebildet werden können. Ebenso können auch Verben aus Nomina abgeleitet werden.

Ebenso wie im Deutschen kann auch im Lateinischen die Grundbedeutung von Verben wie auch Nomina durch eine Vielzahl von Präpositionen variiert werden.

Anders als im Altgriechischen und Sanskrit - oder auch dem Deutschen - sind dem Lateinischen Nominalkomposita fremd - ein Wesenszug, der in den romanischen Sprachen perpetuiert wird.

Morphologie

Wortarten

Die Wortarten oder -klassen der lateinischen Sprache lassen sich zunächst auf einer übergeordneten Ebene in flektierbare (veränderbare) und nicht flektierbare Wörter einteilen. Die flektierbaren Wörter der lateinischen Sprache lassen sich in deklinierbare Wörter bzw. Nomina (Substantive einschließlich Eigennamen, Pronomina, Adjektive, Zahlwörter) und konjugierbare Wörter (Verben) einteilen. Wie alle alten indogermanischen Sprachen besitzt auch das Lateinische eine reichhaltige Formenlehre, was mit einem entsprechend großen Lernaufwand verbunden ist.

Nicht flektierbare Wortklassen des Lateinischen sind:

Anders als das Deutsche, und ebenso wie die meisten slawischen Sprachen, kennt das Lateinische weder bestimmte noch unbestimmte Artikel.

Wesen der Flexion

Die Unterscheidung der grammatischen Funktionen bzw. Kategorien im Rahmen der Deklination und Konjugation kann im Lateinischen auf verschiedene Arten erfolgen:

Anders als Suffixe sind Präfixe im Lateinischen keine grammatischen Morpheme, sondern sie dienen allein der Wortbildung. Das Lateinische unterscheidet sich hierin von manchen anderen indogermanischen Sprachen, in denen auch Präfixe als grammatische Bildungsmorpheme fungieren können (z.B. die Augmentierung im Altgriechischen oder das Präfix ge- bei der Bildung des Partizip Perfekt der starken Verben im Deutschen).

Die Suffigierung ist die bei weitem gebräuchlichste Form der Flexion. Sie überwiegt bei der Konjugation und ist das fast ausschließliche Mittel der Deklination. Jedes Suffix kann, wie in flektierenden Sprachen üblich, stets gleichzeitig mehrere grammatische Kategorien bezeichnen (z.B. das Suffix -arum: Femininum + Plural + Genitiv). Es können mehrere diskrete Suffixe hintereinander treten. Die Suffixe werden an den Wortstamm bzw. andere Suffixe angefügt.

Die Veränderung des Wortstamms oder gar der Wurzel selbst (sog. Wurzelflexion) ist ein von der indogermanischen Protosprache ererbtes Merkmal, das beispielsweise auch noch im Deutschen starke Verwendung findet (insbesondere als Ablaut bei den starken Verben). Der ursprüngliche urindogermaische Ablaut ist im Lateinischen allerdings nur noch in Resten erhalten. Ein Beispiel ist die Schwächung (Schwundstufe) des Stammauslauts -o- der zweiten Deklination zu -e im Vokativ Singular (Brutus zu Brute). Ansonsten hin und wieder auftretende Veränderungen des Stammauslauts (z.B. vetus - veteris (alt) mit dem Lautwandel von u zu e) sind rein phonologische Erscheinungen und grammatisch bedeutungslos. Eine Wurzelflexion findet im Lateinischen vor allem bei der Bildung des Perfektstamms statt (s.u.).

Verben

Kategorien und Konjugationsklassen

Lateinische Verben können nach folgenden Kategorien konjugiert werden:

Das Lateinische unterscheidet vier Konjugationsklassen:

  • 1. Konjugation: Stammauslaut -a
  • 2. Konjugation: Stammauslaut -e
  • 3. Konjugation: Stammauslaut Konsonant oder -u
  • 4. Konjugation: Stammauslaut -i

Jedes Verb wird einer dieser vier Klassen zugeordnet.

Aufbau lateinischer Verben

Lateinische Verben werden in allen Aktivformen sowie im Präsens, Imperfekt und Futur Passiv (also den Formen des Präsensstamms) synthetisch, d.h. ohne Hilfsverben und nur mittels grammatischer Bildungsmorpheme gebildet. Nur im Passiv des Perfekt, Plusquamperfekt und Perfekt Futur erfolgt wie im Deutschen eine analytische Bildung mittels des Partizip Perfekt und des Hilfsverbs esse (sein). Hier zeigt sich also, abweichend vom allgemeinen synthetischen Charakter des Lateinischen (s.u.) eine analytische Tendenz. Anders als im Deutschen wird niemals das Hilfsverb „haben“ (habere) verwendet.

Lateinische Verben bestehen aus einem Verbstamm (Präsens- oder Perfektstamm), gegebenenfalls versehen mit einem Verbalpräfix, einem Tempus- und Moduszeichen, das Zeitform und Modus anzeigt und das an den stammauslautenden Vokal antritt oder diesen ersetzt, sowie - außer im Infinitiv - einer Personalendung, die gleichzeitig Person, Numerus und Diathese anzeigt.

Die folgende Tabelle den Aufbau lateinischer Verben anhand einiger ausgewählter Formen des Verbs amare (lieben).

Bedeutung Stamm Tempus- /Moduszeichen Person, Zahl, Diathese
Präsensstamm 1. Person Singular Präsens Indikativ Aktiv ich liebe ama- -o (-a- + -o zu o)
2. Person Singular Präsens Konjunktiv Aktiv du mögest lieben am(a)- -e- -s
2. Person Plural Imperfekt Konjunktiv Aktiv ihr liebtet ama- -re- -tis
1. Person Plural Futur Indikativ Passiv wir werden geliebt werden ama- -bi- -mur
Perfektstamm 1. Person Singular Perfekt Indikativ Aktiv ich habe geliebt amav- - -i
2. Person Singular Perfekt Konjunktiv Aktiv du hättest geliebt amav- -eri- -s
3. Person Plural Plusquamperfekt Indikativ Aktiv sie hatten geliebt amav- -era- -nt

Aus der Tabelle ist zu ersehen, dass die mittlere Position zwischen Stamm und Personalendung vom Tempus- und Modusmorphem eingenommen wird, während die letzte Position jeweils dem Suffix vorbehalten ist, das gleichzeitig Person, Zahl und Diathese anzeigt. Im Präsens und Perfekt Indikativ ist das Tempuszeichen ein Nullmorphem (die Position ist also nicht besetzt). Bei einigen Futur- und Konjunktivformen wird der Stammvokal je nach Deklinationsklasse durch einen anderen Vokal ersetzt.

Person und Zahl

Die ersten beiden Kategorien (Person und Zahl) sind selbsterklärend und entsprechen hinsichtlich ihrer Verwendung im Wesentlichen den Gepflogenheiten im Deutschen. Das Lateinische trifft am Verbum selbst keine Unterscheidung zwischen formeller und informeller Rede („Du“ und „Sie“).

Bei den Personalendungen ist zwischen Präsensstamm und Perfektstamm sowie Aktiv und Passiv zu unterscheiden:

Aktiv Passiv
Singular Plural Singular Plural
Präsensstamm 1. Person –ō, –m –mus –or, –r –mur
2. Person –s –tis –ris –minī
3. Person –t –nt –tur –ntur
Perfektstamm 1. Person –ī –imus
2. Person –istī –istis
3. Person –it –ērunt / -ēre
Tempus

Präsens, Imperfekt und Futur werden vom Präsensstamm gebildet, Perfekt, Plusquamperfekt und Perfekt Futur vom Perfektstamm. In dieser Unterscheidung zwischen Präsens- und Perfektstamm kann noch ein Nachklang der in der indogermanischen Protosprache wahrscheinlich auf einer fundamentalen Ebene vorherrschenden Unterscheidung zwischen perfektivischem und imperfektivischem Aspekt gesehen werden. Im Lateinischen steht jedoch nicht der Aspekt, sondern das Tempus im Vordergrund. So bezeichnet das Perfekt zuallererst eine Handlung in der Vergangenheit und nur sekundär eine abgeschlossene Handlung.

Die drei Tempora des Präsensstamms bezeichnen grob gesprochen Handlungen, die in der Gegenwart (Präsens), in der Vergangenheit (Imperfekt) bzw. in der Zukunft (Futur) als nicht abgeschlossen gedacht werden. Das Perfekt bezeichnet eine Handlung, die in der Gegenwart bereits abgeschlossen ist, das Plusquamperfekt eine Handlung, die in der Vergangenheit, vor einer anderen Handlung, bereits abgeschlossen war, das Perfekt Futur eine Handlung, die irgendwann in der Zukunft abgeschlossen sein wird.

Der Indikativ Präsens Aktiv wird gebildet, indem die Personalendungen unmittelbar an den Präsensstamm angefügt werden. Diese Kategorie ist somit durch ein Nullmorphem gekennzeichnet.

Der Indikativ Imperfekt Aktiv wird durch die Morpheme -ba- (1. und 2. Konjugation) bzw. -êba- (3. und 4. Konjugation) plus Personalendungen (1. Person Singular -m statt !) gebildet.

Das Indikativ Futur Aktiv wird durch die Morpheme -b(e,i,u)- (1. und 2. Konjugation) bzw. -a, e- (3. und 4. Konjugation) plus Personalendungen (1. Person Singular -m statt !) gebildet.

Im Indikativ Perfekt Aktiv treten die oben gezeigten Personalendungen des Perfektstamms unmittelbar an diesen an.

Im Indikativ Plusquamperfekt Aktiv tritt das Morphem -erâ- zwischen Perfektstamm und Personalendungen des Perfekt.

Im Indikativ Perfekt Futur Aktiv treten die Morpheme -erô / eri- zwischen Perfektstamm und Personalendungen des Perfekt.

Die folgenden sechs Tabelle zeigen die Konjugation im Indikativ in allen sechs Tempora im Aktiv für alle drei Personen und beide Numeri für die Verben amare („lieben“ - 1. Konjugation), tenere („halten“ - 2. Konjugation), dicere („sagen“ - 3. Konjugation) und audire („hören“ - 4. Konjugation):

Präsens:

Person Singular Plural Sing. Pl. Sing. Pl. Sing. Pl.
1. amo amamus teneo tenemus dico dicimus audio audimus
2. amas amatis tenes tenetis dicis dicitis audis auditis
3. amat amant tenet tenent dicit dicunt audit audiunt

Imperfekt:

Person Singular Plural Sing. Pl. Sing. Pl. Sing. Pl.
1. amabam amabamus tenebam tenebamus dicebam dicebamus audiebam audiebamus
2. amabas amabatis tenebas tenebatis dicebas dicebatis audiebas audiebatis
3. amabat amabant tenebat tenebant dicebat dicebant audiebat audiebant

Futur:

Person Singular Plural Sing. Pl. Sing. Pl. Sing. Pl.
1. amabo amabimus tenebo tenebimus dicam dicemus audiam audiemus
2. amabis amabitis tenebis tenebitis dices dicetis audies audietis
3. amabit amabunt tenebit tenebunt dicet dicent audiet audient

Perfekt:

Person Singular Plural Sing. Pl. Sing. Pl. Sing. Pl.
1. amavi amavimus tenui teneuimus dixi diximus audivi audivimus
2. amavisti amavistis tenuisti teneuistis dixisti dixistis audivisti audivistis
3. amavit amaverunt tenuit tenuerunt dixit dixerunt audivit audiverunt

Plusquamperfekt:

Person Singular Plural Sing. Pl. Sing. Pl. Sing. Pl.
1. amaveram amaveramus tenueram tenueramus dixeram dixeramus audiveram audiveramus
2. amaveras amaveratis tenueras tenueratis dixeras dixeratis audiveras audiveratis
3. amaverat amaverant tenuerat tenuerant dixerat dixerant audiverat audiverant

Perfekt Futur:

Person Singular Plural Sing. Pl. Sing. Pl. Sing. Pl.
1. amavero amaverimus tenuero tenuerimus dixero dixerimus audivero audiverimus
2. amaveris amaveritis tenueris tenueritis dixeris dixeritis audiveris audiveritis
3. amaverit amaverint tenuerit tenuerint dixerit dixerint audiverit audiverint
Bildung des Perfektstamms

Das Lateinische kennt mehrere Möglichkeiten der Bildung von Perfektstämmen. Die gebräuchlichste Form (vor allem 1. und 4. Konjugation) ist das v-Perfekt, bei dem der Perfektstamm vom Präsensstamm durch ein an diesen angefügtes Morphem -v- gebildet wird:

  • amare (lieben), amavi (ich habe geliebt)

Beim u-Perfekt erfolgt die Ableitung vom Präsensstamm mittels des Morphems -u-:

  • monere (ermahnen), monui (ich habe ermahnt)

Beim s-Perfekt erfolgt die Ableitung vom Präsensstamm mittels des Morphems -s-:

  • scribere (schreiben), scripsi (ich habe geschrieben)

Beim Dehnungsperfekt wird der Perfektstamm durch Dehnung des Stammvokals gebildet:

  • venire (kommen), veni (ich bin gekommen)

Eine verwandte Form ist das Ablautperfekt:

  • facere (machen, tun), feci (ich habe gemacht)

Schließlich sind im Lateinischen auch einige Reduplikationsformen erhalten geblieben, bei denen der Perfektstamm durch Reduplikation der ersten Silbe gebildet wird. Diese Perfektbildung, die im Altgriechischen noch die Regel ist, ist vermutlich ein Relikt aus der indogermanischen Protosprache.

  • currere (laufen), cucurri (ich bin gelaufen)

Manche lateinische Präsensstämme enthalten ein n-Infix, wobei es sich um ein im Lateinischen nicht mehr produktives altes Präsens-Morphem handelt. Dieses verschwindet bei der Umwandlung in den Perfektstamm:

  • vincere (gewinnen), vîci (ich habe gewonnen) (Dehnungsperfekt)

Das Perfekt von esse (sein) ist fui, fuisti....

Das Perfekt von ferre (tragen) ist tuli, tulisti....

Modus

Der Gebrauch der Modi unterscheidet sich im Lateinischen nicht sehr stark vom Deutschen. Der Indikativ bezeichnet Handlungen, die als tatsächlich so stattgefunden habend gedacht sind.

Der Imperativ ist die Befehlsform, die im Lateinischen nicht nur von der 2. Person Singular und Plural, sondern auch von den beiden 3. Personen (allerdings nicht im Präsens) gebildet werden kann. Die Formen lauten im Aktiv:

  • 2. Pers. Sing.: -(e)
  • 2./3. Pers. Sing.: -tô
  • 2. Pers. Pl.: -(i)te, -(i)tôte
  • 3. Pers. Pl.: (u)ntô

Die Passivformen lauten:

  • 2. Pers. Sing.: -(e)re
  • 2./3. Pers. Sing.: -(i)tor
  • 2. Pers. Pl.: (i)mini
  • 3. Pers. Pl.: (u)ntor

Die Passivformen werden i.d.R. nur bei Deponentien (s.u.) verwendet.

Beim Konjunktiv bzw. Subjunktiv ist zwischen der Verwendung in Hauptsätzen und in Nebensätzen zu unterscheiden. Wird der Konjunktiv Präsens im Hauptsatz verwendet, so bezeichnet er vor allem

Daneben findet der Konjunktiv im Präsens oder in einer der drei Vergangenheitsformen zur Bezeichnung von Handlungen in Nebensätzen Verwendung, wie dies auch im Deutschen der Fall ist.

Das Lateinische bildet Konjunktivformen von folgenden Tempora:

  • Konjunktiv Präsens
  • Konjunktiv Imperfekt
  • Konjunktiv Perfekt
  • Konjunktiv Plusquamperfekt

Das Moduszeichen des Konjunktiv Präsens ist für die 1. Konjugation ein -e-, welches anstelle des Stammauslauts -a- zwischen Verbstamm und Personalendung tritt. Die 2. bis 4. Konjugation benutzt das Moduszeichen -a-.

Präsens Aktiv Konjunktiv
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portem portēmus terream terreāmus petam petāmus audiam audiāmus
2. Person portēs portētis terreās terreātis petās petātis audiās audiātis
3. Person portet portent terreat terreant petat petant audiat audiant

Das Moduszeichen des Konjunktiv Imperfekt ist -re/rê-. Es tritt zwischen den unveränderten Präsensstamm und die Personalendung des Präsensstamms.

Imperfekt Aktiv Konjunktiv
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portārem portārēmus terrērem terrērēmus peterem peterēmus audīrem audīrēmus
2. Person portārēs portārētis terrērēs terrērētis peterēs peterētis audīrēs audīrētis
3. Person portāret portārent terrēret terrērent peteret peterent audīret audīrent

Das Moduszeichen des Konjunktiv Perfekt ist -eri/erî-. Es tritt zwischen Perfektstamm und Personalendungen des Perfekt.

Perfekt Aktiv Konjunktiv
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portāverim portāverīmus terruerim terruerīmus petīverim petīverīmus audīverim audīverīmus
2. Person portāverīs portāverītis terruerīs terruerītis petīverīs petīverītis audīverīs audīverītis
3. Person portāverit portāverint terruerit terruerint petīverit petīverint audīverit audīverint

Der Konjunktiv Plusquamperfekt Aktiv verwendet die Moduszeichen -isse/issê-, die zwischen Perfektstamm und Personalendungen des Perfekt treten.

Plusquamperfekt Konjunktiv Aktiv
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portāvissem portāvissēmus terruissem terruissēmus petīvissem petīvissēmus audīvissem audīvissēmus
2. Person portāvissēs portāvissētis terruissēs terruissētis petīvissēs petīvissētis audīvissēs audīvissētis
3. Person portāvisset portāvissent terruisset terruissent petīvisset petīvissent audīvisset audīvissent
Diathese

Bei der Diathese unterscheidet das Lateinische zwischen Aktiv und Passiv, deren Funktionen im Wesentlichen denen im Deutschen entsprechen. Ein ursprünglich vorhandenes Medium ist resthaft noch in einigen Verben (lavari – sich waschen) und den Deponentien wahrnehmbar. Diese Verben haben fast ausschließlich passivische Formen, aber aktivische, zumeist reflexive Bedeutung, zum Beispiel mirari – sich wundern, uti – sich zunutze machen, potiri – sich bemächtigen. Es existieren noch einige wenige Semideponentien, bei denen die Verbalstämme den Diathesen unterschiedlich zugeordnet sind, d.h. sie haben entweder einen aktivischen Präsensstamm und einen passivischen Perfektstamm (häufigerer Fall) oder einen passivischen Präsensstamm und einen aktivischen Perfektstamm (seltenerer Fall).

Das Passiv wird im Präsens, Imperfekt und Futur gebildet, indem die passivischen Personalendungen an die Tempus- bzw. Moduszeichen angefügt werden. Hierauf wurde weiter oben bereits eingegangen. Die folgende Tabelle zeigt das Präsens Passiv im Indikativ für alle vier Deklinationsklassen. Die synthetischen Passiva der übrigen Tempora und Modi werden analog gebildet, weshalb diese hier nicht dargestellt werden sollen.

Präsens Passiv Indikativ
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portor portāmur terreor terrēmur petor petimur audior audīmur
2. Person portāris portāminī terrēris terrēminī peteris petiminī audīris audīminī
3. Person portātur portantur terrētur terrentur petitur petuntur audītur audiuntur

Das Passiv wird im Perfekt, Plusquamperfekt und Perfekt Futur analytische durch Verbindung des Partizip Perfekt Passiv (PPP) mit den flektierten Formen des Hilfsverbs esse gebildet. Das Partizip wird hierbei, anders als im Deutschen, und wie heute noch bspw. im Italienischen, nach Numerus und Genus dekliniert - wenn also bspw. die Objekte der Handlung mehrere Frauen sind, erhält das PPP die Endung -ae. In den folgenden Tabellen wird von (einem) Objekt(en) im Maskulinum ausgegangen.

Perfekt Passiv Indikativ:

Perfekt Passiv Indikativ
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portātus sum portātī sumus territus sum territī sumus petītus sum petītī sumus audītus sum audītī sumus
2. Person portātus es portātī estis territus es territī estis petītus es petītī estis audītus es audītī estis
3. Person portātus est portātī sunt territus est territī sunt petītus est petītī sunt audītus est audītī sunt

Der Perfekt Passiv Konjunktiv wird mittels des Konjunktivs des Hilfsverbs gebildet:

Perfekt Passiv Konjunktiv
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portātus sim portātī sīmus territus sim territī sīmus petītus sim petītī sīmus audītus sim audītī sīmus
2. Person portātus sīs portātī sītis territus sīs territī sītis petītus sīs petītī sītis audītus sīs audītī sītis
3. Person portātus sit portātī sint territus sit territī sint petītus sit petītī sint audītus sit audītī sint

Im Passiv des Plusquamperfekt wird das Hilfsverb im Imperfekt (Indikativ bzw. Konjunktiv) verwendet:

Plusquamperfekt Passiv Indikativ
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portātus eram portātī erāmus territus eram territī erāmus petītus eram petītī erāmus audītus eram audītī erāmus
2. Person portātus erās portātī erātis territus erās territī erātis petītus erās petītī erātis audītus erās audītī erātis
3. Person portātus erat portātī erant territus erat territī erant petītus erat petītī erant audītus erat audītī erant
Plusquamperfekt Passiv Konjunktiv
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portātus essem portātī essēmus territus essem territī essēmus petītus essem petītī essēmus audītus essem audītī essēmus
2. Person portātus essēs portātī essētis territus essēs territī essētis petītus essēs petītī essētis audītus essēs audītī essētis
3. Person portātus esset portātī essent territus esset territī essent petītus esset petītī essent audītus esset audītī essent

Das Perfekt Futur Passiv wird mittels des Hilfsverbs im Futur gebildet. Hier existiert kein Konjunktiv.

Futur Perfekt Passiv Indikativ
portāre terrēre petere audīre
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
1. Person portātus erō portātī erimus territus erō territī erimus petītus erō petītī erimus audītus erō audītī erimus
2. Person portātus eris portātī eritis territus eris territī eritis petītus eris petītī eritis audītus eris audītī eritis
3. Person portātus erit portātī erunt territus erit territī erunt petītus erit petītī erunt audītus erit audītī erunt
Infinite Formen

Der Infinitiv kann als Grundform des Verbums angesehen werden. Er findet z.B. in Konstruktionen wie dem Accusativus cum Infinitivo (AcI) Verwendung. Anders als im Deutschen kann der Infinitiv neben dem Präsens auch vom Perfekt und dem Futur gebildet werden. Im Präsens hat der Infinitiv folgende Formen:

Aktiv:

  • -are für die 1. Konjugation
  • -ēre für die 2. Konjugation
  • -ĕre für die 3. Konjugation
  • -ire für die 4. Konjugation

Passiv:

  • -ari für die 1. Konjugation
  • -ēri für die 2. Konjugation
  • -i für die 3. Konjugation
  • -iri für die 4. Konjugation

Der Infinitiv Präsens Aktiv von "lieben" lautet also amare, im Passiv amari (geliebt werden).

Im Perfekt Aktiv lautet der Infinitiv auf -isse, wobei selbstverständlich der Perfektstamm verwendet werden muss: amavisse (geliebt haben). Der Infinitiv des Perfekt Passiv wird analytisch mit dem Partizip Perfekt Passiv (PPP) und esse (sein) gebildet: amatus esse (geliebt worden sein).

Irreguläre Verben

Das lateinische kennt eine Reihe von irregulären Verben (1. Pers. Sing. Präs. Akt. Ind., Infinitiv, 1. Pers. Sing. Perf. Akt., soweit vorhanden: PPP):

  • sum, esse, fuī, futūrum (sein)
  • possum, posse, potuī (können)
  • eō, īre, īvī / īī, ītum (gehen)
  • volō, velle, voluī (wollen)
  • nōlō, nōlle, nōluī (nicht wollen)
  • mālō, mālle, māluī (vorziehen)
  • ferō, ferre, tulī, lātum (tragen)
  • fīō, fierī, factus sum (werden)
  • edō, ēsse, ēdī, ēsum (essen)

Substantive

Kategorien der Deklination

Am Substantiv werden die folgenden grammatischen Kategorien unterschieden:

  • Genus (grammatisches Geschlecht): Maskulinum, Femininum, Neutrum
  • Numerus (Zahl): Singular, Plural
  • Kasus (Fall): Nominativ, Genitiv, Dativ, Akkusativ, Ablativ, Vokativ, Lokativ

Bei Personenbezeichnungen folgt das grammatische dem natürlichen Geschlecht:

  • Maskulina: vir (Mann), puer (Junge), dominus (Herr), Marcus, Gaius, Gnaeus (männliche Eigennamen)
  • Feminina: femina (Frau), virgo (Jungfrau), domina (Herrin), Maria, Lucretia, Hortensia (weibliche Eigennamen)

Auch bei Substantiven, die anderen Deklinationsklassen zugeordnet werden, als es ihrem natürlichen Geschlecht entspricht, folgt das grammatische dennoch dem natürlichen Geschlecht. So ist das Substantiv agricola (Bauer) zwar formal ein Femininum, dennoch gilt es im Lateinischen als Maskulinum: bonus agricola (ein guter Landmann).

Lateinische Neutra zeigen die für das Indogermanische typische (und auch im Deutschen erhaltene) Besonderheit, dass die Nominativ- und Akkusativformen sowohl im Singular wie auch im Plural übereinstimmen.

In einigen Wörtern sind noch Reste alter Dualformen erhalten, welche durch die Endung ô gekennzeichnet werden, z.B. duô (zwei), ambô (beide).

Die Funktionen der ersten vier oben genannten Kasus entsprechen grob den Funktionen, welche diese auch im Deutschen aufweisen: der Nominativ ist der Fall des grammatischen Subjekts, der Genitiv zeigt Besitzverhältnisse und Ähnliches an, der Dativ ist der Fall des indirekten und der Akkusativ der Fall des direkten Objekts.

Im lateinischen Ablativ sind durch Kasussynkretismus mehrere ältere Kasus zusammengefallen: Ablativ, Instrumental, Lokativ. Entsprechend vielfältig sind die Funktionen, die der Ablativ im Lateinischen erfüllt. Der ursprüngliche Ablativ bezeichnet eine Bewegung im Raum oder in der Zeit weg von dem entsprechenden Substantiv, z.B.: a Româ (von Rom (weg)), ab urbe conditâ (seit der Gründung der Stadt (Rom)). Der Ablativ als Instrumental bezeichnet den Gebrauch eines Gegenstands, z.B.: gladiô pugnare (mit dem Schwert kämpfen). Der Ablativ als Lokativ bezeichnet einen Ort im Raum oder in der Zeit, z.B.: eo loco (an diesem Ort), eo tempore (zu dieser Zeit).

Der Vokativ, der sich heute bspw. auch noch in der tschechischen Sprache findet, ist der Anredefall. Dieser wird nur noch im Singular der zweiten Deklination (O-Deklination) vom Nominativ unterschieden und wird daher in den Schulgrammatiken i.d.R. nicht bzw. nur für die zweite Deklination separat aufgeführt. Der Kasus ist ursprünglich endungslos, wobei der Stammauslaut in der Schwundstufe steht. Im Singular der zweiten Deklination wird daher der Stammauslaut u (bzw. in einer älteren Sprachstufe: o) durch ein e ersetzt. Der berühmte angebliche letzte Satz Cäsars, "Auch du mein Sohn, Brutus", lautet auf Latein: et tu, mi filii Brute, wobei sowohl "Brutus" als auch "meus filius" im Vokativ stehen.

Der reine Lokativ ist nur noch rudimentär erhalten und wird ebenso wie der Vokativ in Schulgrammatiken i.d.R. nicht separat aufgeführt. Die Endung lautet -i. Neben zu Adverbien erstarrten alten Lokativen wie domî (zuhause), humî (auf dem Boden) tritt der Lokativ noch in der ersten Deklination (A-Deklination) zutage, z.B.: Romae (in Rom).

Das Lateinische kennt fünf Deklinationsklassen, die im Folgenden vorgestellt werden sollen. Es ist zu beachten, dass die lateinische Deklination eine ganze Reihe von Ausnahmen kennt, auf die hier nicht detailliert eingegangen werden kann. Griechische Lehnwörter im Lateinischen folgen oft eigenen Regeln, auf die hier ebenfalls nicht eingegangen werden soll.

Erste Deklination

Die erste Deklination wird von den A-Stämmen gebildet, d.h. Nomina mit dem Stammauslaut a. Es handelt sich i.d.R. um Feminina, einige A-Stämme sind jedoch auch Maskulina, wenn es sich um eine Bezeichnung für als maskulin gedachte Personen handelt. A-Stämme sind im Nominativ Singular endungslos, d.h. der Stammauslaut a bildet hier gleichzeitig den Wortauslaut.

aqua, -ae
Wasser f.
agricola, -ae
Bauer m.
Singular Plural Singular Plural
Nominativ aqua –a aquae –ae agricola –a agricolae –ae
Akkusativ aquam –am aquās –ās agricolam –am agricolās –ās
Genitiv aquae –ae aquārum –ārum agricolae –ae agricolārum –ārum
Dativ aquae –ae aquīs –īs agricolae –ae agricolīs –īs
Ablativ aquā –ā aquīs –īs agricolā –ā agricolis –īs
Locativ aquae -ae aquīs –īs agricolae -ae agricolīs –īs
Zweite Deklination

Der zweiten Deklination unterfallen vor allem O-Stämme. Diese zeigten historisch - entsprechend der O-Deklination des Altgriechischen - den Stammauslaut o, der jedoch in der klassischen lateinischen Sprache zu u verschoben worden ist. O-Stämme sind Maskulina (Endung im Nominativ Singular: -s) oder Neutra (Endung im Nominativ Singular: -m).

Maskulinum:

dominus, –ī
Herr m.
Singular Plural
Nominativ dominus –us dominī –ī
Vokativ domine –e dominī –ī
Akkusativ dominum –um dominōs –ōs
Genitiv dominī –ī dominōrum –ōrum
Dativ dominō –ō dominīs –īs
Ablativ dominō –ō dominīs –īs

Neutrum:

bellum, –ī
Krieg n.
Singular Plural
Nominativ bellum –um bella –a
Vokativ bellum –um bella –a
Akkusativ bellum –um bella –a
Genitiv bellī –ī bellōrum –ōrum
Dativ bellō –ō bellīs –īs
Ablativ bellō –ō bellīs –īs

Einige Nomina der zweiten Deklination enden auf -r: vir (Mann), puer (Junge), magister (Lehrer). Die Endungen sind abgesehen vom Nominativ Singular dieselben wie bei den O-Stämmen.

Dritte Deklination

Die dritte Deklination wird von Konsonantenstämmen und I-Stämmen gebildet. Es kann sich um Maskulina, Feminina oder Neutra handeln. Die folgende Tabelle zeigt drei Beispiele für konsonantische Stämme:

prīnceps, principis
Fürst m.
phoenīx, phoenīcis
Phönix f.
cōnāmen, conaminis
Anstrengung n.
Singular Plural Singular Plural Singular Plural
Nominativ prīnceps -s prīncipēs –ēs phoenīx -s phoenīcēs –ēs cōnāmen cōnāmina –a
Vokativ prīnceps -s prīncipēs –ēs phoenīx -s —— cōnāmen cōnāmina –a
Akkusativ prīncipem –em prīncipēs –ēs phoenīca –em —— cōnāmen cōnāmina –a
Genitiv prīncipis –is prīncipum –um phoenīcis –is —— cōnāminis –is ——
Dativ prīncipī –ī prīncipibus –ibus phoenīcī –ī —— cōnāminī –ī ——
Ablativ prīncipe –e prīncipibus –ibus phoenīce –e —— cōnāmine –e ——
Locativ prīncipī –ī prīncipibus –ibus phoenīcī –ī —— cōnāminī –ī ——

Die folgende Tabelle zeigt drei Beispiele für I-Stämme:

amnis, amnis
Strom m.
pars, partis
Teil f.
animal, animālis
Tier n.
Gleichsilber auf -is oder -es Doppelkonsonant vor der Genitiv-Endung Neutra auf -ar, -e oder -al
Singular Plural Singular Plural Singular Plural
Nominativ amnis -s amnēs –ēs pars -s partēs –ēs animal animālia –ia
Vokativ amnis -s amnēs –ēs pars -s partēs –ēs animal animālia –ia
Akkusativ amnem –em (-im) amnēs –ēs (-īs) partem
partim
–em
-im
partēs –ēs
(-īs)
animal animālia –ia
Genitiv amnis –is amnium –ium partis –is partium –ium animālis –is animālium –ium
Dativ amnī –ī amnibus –ibus partī –ī partibus –ibus animālī –ī animālibus –ibus
Ablativ amne
amnī
–e(-i) amnibus –ibus parte –e partibus –ibus animālī –ī animālibus –ibus
Vierte Deklination

Die vierte oder U-Deklination besteht größtenteils aus Maskulina mit dem Stammauslaut -u. Die Endung im Nominativ Singular ist -s, so dass diese Nomina im Nominativ Singular nicht von Nomina der zweiten Deklination zu unterscheiden sind. Eine weitere Gruppe wird von Neutra gebildet, welche im Nominativ Singular endungslos sind. Die beiden Feminina Domus (Haus) und Manus (Hand) gehören ebenfalls zur vierten Deklination, sie weisen jedoch einige Unregelmäßigkeiten auf. Die Ausnahmestellung von Manus als Femininum hat sich in den romanischen Sprachen noch gehalten (italienisch/spanisch la mano, französisch la main).

portus, –ūs
Hafen m.
cornū, –ūs
Horn n.
Singular Plural Singular Plural
Nominativ portus –us portūs –ūs cornū –ū cornua –ua
Vocativ portus –us portūs –ūs cornū –ū cornua –ua
Akkusativ portum –um portūs –ūs cornū –ū cornua –ua
Genitiv portūs –ūs portuum –uum cornūs –ūs cornuum –uum
Dativ portuī –uī portibus –ibus cornū –ū cornibus –ibus
Ablativ portū –ū portibus –ibus cornū –ū cornibus –ibus
Fünfte Deklination

Die fünfte oder E-Deklination enthält nur relativ wenige Nomina. Der Stammauslaut ist -e. I.d.R. handelt es sich um Feminina.

effigiēs, –ēī
Abbild, Ideal f.
spēs, –eī
Hoffnung f.
Singular Plural Singular Plural
Nominativ effigiēs –ēs effigiēs –ēs spēs –ēs spēs -ēs
Vocativ effigiēs –ēs effigiēs -ēs spēs –ēs spēs -ēs
Akkusativ effigiem –em effigiēs –ēs spem –em spēs -ēs
Genitiv effigiēī –ēī effigiērum -ērum speī –eī spērum -ērum
Dativ effigiēī –ēī effigiēbus -ēbus speī –eī spēbus -ēbus
Ablativ effigiē –ē effigiēbus -ēbus spē –ē spēbus -ēbus

Adjektive

Ebenso wie die Substantive zählen auch die Adjektive im Lateinischen zu den deklinierbaren Wörtern. Die meisten Adjektive werden nach der ersten und zweiten Deklination gebeugt, wie sie weiter oben bereits für Substantive vorgestellt wurde:

  • bonus, bona, bonum (gut)
  • sacer, sacra, sacrum (heilig)
  • miser, misera, miserum (elend)

Die obliquen Kasus entsprechen ebenfalls den weiter oben gezeigten Formen der ersten und zweiten Deklination.

Daneben kennt das Lateinische auch viele Adjektive der dritten Deklination. Diese werden i.d.R. wie I-Stämme gebeugt, wobei sie meist ein statt, wie bei den entsprechenden Substantiven, ein -e im Ablativ Singular zeigen.

  • atrox (alle Genera) (grausam)
  • agilis (m/f), agile (n) (beweglich, schnell)
  • celer (m), celeris (f), celere (n) (schnell)

Adjektive der vierten und fünften Deklination existieren nicht.

Ebenso wie im Deutschen werden der Komparativ und der Superlativ durch Suffigierung gebildet. Das Komparativ-Suffix lautet für Maskulina und Feminina -ior und für Neutra -ius, das Superlativ-Suffix lautet -issimus, -a, -um (m/f/n). Bei Adjektiven mit dem Stammauslaut -r erfolgt eine Assimilation des Suffixes zu -rimus.

  • benignus, benignior/benignius, benignissimus (freundlich, freundlicher, am freundlichsten)
  • pulcher, pulchrior/pluchrius, pulcherimus (schön, schöner am schönsten)

Ebenso wie im Deutschen weisen einige Adjektive unregelmäßige Steigerungsformen auf, z.B.:

  • bonus, melior/melius, optimus (gut, besser, am besten)
  • malus, peior/peius, pessimus (schlecht, schlechter, am schlechtesten)
  • magnus, maior/maius, maximus (groß, größer, am größten)

Pronomina

Pronomina sind deklinierbare Wörter (Nomina), die "an Stelle von Nomina" (pro-nomen) stehen. Pronomina werden im Lateinischen durch alle Kasus außer Vokativ und Lokativ voll durchdekliniert, soweit dies semantisch sinnvoll ist.

Das Lateinische unterscheidet folgende Arten von Pronomina: Personalpronomen, Reflexivpronomen, Demonstrativpronomen, Interrogativpronomen, Relativpronomen

  • Personalpronomina
1. Person 2. Person
ich... wir... du... ihr...
Singular Plural Singular Plural
Nominativ ego nōs vōs
Vokativ —— —— vōs
Akkusativ nōs vōs
Genitiv meus noster tuus vester
Dativ mihi nōbīs tibi vōbīs
Ablativ nōbīs vōbīs
  • Demontrativpronomina
dieser, er m. diese, sie f. dieses, es n.
Singular Plural Singular Plural Singular Plural
Nominativ is eī, iī ea eae id ea
Akkusativ eum eōs eam eās id ea
Genitiv eius eōrum eius eārum eius eōrum
Dativ eīs, iīs eīs, iīs eīs, iīs
Ablativ eīs, iīs eīs, iīs eīs, iīs
dieser, diese, dieses jener, jene, jenes jener dort...
Maskulinum Femininum Neutrum Maskulinum Femininum Neutrum Maskulinum Femininum Neutrum
Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural Singular Plural
Nominative hic haec hae hoc haec ille illī illa illae illud illa iste istī ista istae istud ista
Vocative - - - - - - - - - - - - - - - - - -
Accusative hunc hōs hanc hās hoc haec illum illōs illam illās illud illa istum istōs istam istās istud ista
Genitive huius hōrum huius hārum huius hōrum illīus illōrum illīus illārum illīus illōrum istīus istōrum istīus istārum istīus istōrum
Dative huic hīs huic hīs huic hīs illī illīs illī illīs illī illīs istī istīs istī istīs istī istīs
Ablative hōc hīs hāc hīs hōc hīs illō illīs illā illīs illō illīs istō istīs istā istīs istō istīs
selbst
Maskulinum Femininum Neutrum
Singular Plural Singular Plural Singular Plural
Nominativ ipse ipsī ipsa ipsae ipsum ipsa
Akkusativ ipsum ipsōs ipsam ipsās ipsum ipsa
Genitiv ipsīus ipsōrum ipsīus ipsārum ipsīus ipsōrum
Dativ ipsī ipsīs ipsī ipsīs ipsī ipsīs
Ablativ ipsō ipsīs ipsā ipsīs ipsō ipsīs
derselbe, dieselbe, dasselbe
Maskulinum Femininum Neutrum
Singular Plural Singular Plural Singular Plural
Nominativ īdem eīdem,
iīdem
eadem eaedem idem eadem
Vokativ īdem eīdem,
iīdem
eadem eaedem idem eadem
Akkusativ eundem eōsdem eandem eāsdem idem eadem
Genitiv eiusdem eōrundem eiusdem eārundem eiusdem eōrundem
Dativ eīdem eīsdem,
iīsdem
eīdem eīsdem,
iīsdem
eīdem eīsdem,
iīsdem
Ablativ eōdem eīsdem,
iīsdem
eādem eīsdem,
iīsdem
eōdem eīsdem,
iīsdem
  • Reflexivpronomina
—, sich selbst...
Nominativ
Akkusativ sē, sēsē
Genitiv suus
Dativ sibi
Ablativ sē, sēsē
  • Interrogativpronomina
Wer? m./f. Was? n.
Singular
Nominativ quis quid
Akkusativ quem quid
Genitiv cuius cuius
Dativ cuī cuī
Ablativ quō quō
  • Relativpronomina
welcher, welche, welches
Maskulinum Femininum Neutrumn
Singular Plural Singular Plural Singular Plural
Nominativ quī quī quae quae quod quae
Akkusativ quem quōs quam quās quod quae
Genitiv cūius quōrum cūius quārum cūius quōrum
Dativ cui quibus cui quibus cui quibus
Ablativ quō quibus quā quibus quō quibus

Zahlwörter

Hauptartikel Lateinische Zahlwörter

  • Kardinalzahlen

Die folgende Tabelle zeigt die Kardinalzahlen von 1 bis 20 und dann in Zehnern und Hundertern bis 1.000. Die Zahlen 1 bis 3 sowie das Wort (mille) für 1.000 sind deklinierbar.

1 I ūnus, –a, –um 11 XI ūndecim 21 XXI ūnus et vigintī 101 CI centum et ūnus
2 II duo, –ae, –o 12 XII duodecim 22 XXII duō et vigintī 200 CC ducentī, –ae, –a
3 III trēs, –ia 13 XIII trēdecim 30 XXX trīgintā 300 CCC trecentī
4 IV quattuor 14 XIV quattuordecim 40 XL quadrāgintā 400 CD quadringentī
5 V quīnque 15 XV quīndecim 50 L quīnquāgintā 500 D quīngentī
6 VI sex 16 XVI sēdecim 60 LX sexāgintā 600 DC sescentī
7 VII septem 17 XVII septendecim 70 LXX septuāgintā 700 DCC septingentī
8 VIII octō 18 XVIII duodēvigintī 80 LXXX octōgintā 800 DCCC octingentī
9 IX novem 19 XIX ūndēvigintī 90 XC nōnāgintā 900 CM nōngentī
10 X decem 20 XX vigintī 100 C centum 1000 M mīlle
  • Ordinalzahlen (erster, zweiter...)

primus, secundus, tertius, quartus, quintus, sextus, septimus, octavus, nonus, decimus...

Die Ordinalzahlen sind durchweg deklinierbar und kongruieren mit dem Bezugswort.

  • Multiplikativa (einmal, zweimal...)

semel, bis, ter, quater, quīnqiēs, sexiēs, septies, octies, nonies, decies...

oder: simplex, duplex, triplex, quadruplex, …

Die Multiplikativa sind als Adverbien nicht flektierbar.

Syntax

Der Satzbau des Lateinischen ist in vieler Hinsicht frei, da man die einzelnen Satzglieder häufig an ihren Endungen eindeutig einordnen kann. Besonders in Dichtung und Literatur werden die wenigen, kaum verbindlichen Regeln eher bedeutungslos. Wie in den meisten romanischen Sprachen kann ein Personalpronomen als Subjekt weggelassen werden (B.: venimus „wir kommen“, nos venimuswir kommen“). Ebenso entfallen häufig „sagte/sprach“ usw. vor der wörtlichen Rede (bspw.: tum ille: „cras veniam“ „dann [sagte] jener: ‚morgen komme ich‘“).

An erster Stelle im Satz stehen gewöhnlich betonte Satzteile (je nachdem Subjekt, Objekt oder Adverb), Fragepronomen (z. B.: quis, quid, quando …), Imperative und die Fragepartikeln num „etwa?“ und nonne „etwa nicht?“. Verben stehen häufig am Satzende (zum Beispiel ego te absolvo „ich spreche dich los“).

Adjektive, Partizipien, Possessivpronomen und Genitivattribute stehen gewöhnlich hinter dem zugehörigen Substantiv (zum Beispiel Carolus Magnus „Karl der Große“, homo sapiens „der weise Mensch“, domus mea „mein Haus“).

Sprachgeschichte

Antike

 
Inschrift auf dem Lapis Niger, einem der ältesten überlieferten lateinischen Texte (6. bis 5. Jahrhundert v. Chr.)

Latein hat seinen Namen von den Latinern, einem Volk in Latium, dem heutigen Lazio, zu dessen Zentrum sich seit dem 8. Jh. v. Chr. Rom entwickelte. Die früheste Form des Lateinischen, das Frühlatein, ist nur in einigen Inschriften wie dem Lapis Niger oder der Duenos-Inschrift aus dem 6. oder 5. Jahrhundert greifbar. Aus ihm entwickelte sich durch Rhotazismus, Vokalschwächungen und andere Veränderungen in Phonologie und Morphologie bis zum 3. Jahrhundert das Altlatein, für das mit den Komödien des Plautus und Terenz (3. und 2. Jahrhundert vor) ein großes Textcorpus vorliegt. Für das 1. Jahrhundert und die Zeitenwende spricht man vom so genannten klassischen Latein, das sich vom Altlatein hauptsächlich durch Assimilationen und einige orthografische Änderungen unterscheidet.

 
Büste Ciceros, des Vollenders des klassischen Lateins; (Kapitolinische Museen, Rom)

Mit dem Aufblühen der römischen Literatur in dieser Zeit konnte es sich zunehmend auch in Literatur und Wissenschaft gegenüber dem Griechischen behaupten. Die Autoren der so genannten Goldenen Latinität, insbesondere Cicero und Vergil, wurden für die weitere Entwicklung der Sprache maßgeblich. Weil die Literatur dieser Zeit als mustergültig und nicht weiter verbesserungsfähig betrachtet wurde, veränderte sich die lateinische Literatursprache seitdem nur noch im Vokabular, nicht aber im Formenbestand oder Syntax. Das Latein späterer Autoren wie Seneca oder Augustinus unterscheidet sich deshalb nicht grundsätzlich von dem Latein der klassischen Zeit, wohl aber zunehmend von der gesprochenen Sprache des einfachen Volkes, dem sogenannten Vulgärlatein, das sich kontinuierlich weiterentwickelte, bis daraus im frühen Mittelalter die romanischen Sprachen entstanden. Der Altphilologe Wilfried Stroh vertritt daher die These, Latein sei bereits um die Zeitenwende insofern zu einer "toten" Sprache geworden, als es sich danach nicht mehr entscheidend verändert habe und gerade deshalb zum internationalen Kommunikationsmittel im Mittelalter und der Frühen Neuzeit werden konnte.[2]

Im Zuge der römischen Expansion setzte sich das Lateinische als dominierende Verkehrssprache des Imperium Romanum durch. Durch die Romanisierung vor allem der westlichen Gebiete des Reiches wurde es über Latium hinaus, namentlich im übrigen Italien, in Gallien, Hispanien, Dakien und Nordafrika, zur Muttersprache der ansässigen Bevölkerung. Gerade in der Spätantike drangen auch mehrere lateinische Wörter in den Wortschatz des Griechischen, der Verkehrssprache in Ostrom, ein. Im Osten des Mittelmeerraumes hingegen war Latein zwar die Sprache von Militär und Verwaltung, konnte das Griechische aber als lingua franca nie verdrängen.

Mittelalter

Während Spätantike und Völkerwanderung verfiel schrittweise der lateinische Grammatikunterricht und damit der Gebrauch der lateinischen Sprache. Ein Großteil der lateinischen Literatur der Antike ging zwischen 550 und 750 verloren, neue literarische Texte in dieser Sprache entstanden seit dem späten 6. Jahrhundert kaum mehr. Der letzte römische Kaiser, dessen Muttersprache Latein war, war Justinian, und als letzter bedeutender lateinischer Poet des Altertums gilt sein Zeitgenosse Corippus (um 550). Auch Gregor der Große predigte um 600 noch in klassischem Latein. In der Folgezeit aber vergrößerte sich im Bereich des einstigen weströmischen Reiches die Kluft zwischen der Umgangssprache und Hochlatein so erheblich, dass sich schließlich aus den lokalen Dialekten eigene Volkssprachen entwickelten. Als „Geburtsurkunde“ dieser romanischen Sprachen gilt dabei das Konzil von Tours im Jahr 813, auf dem beschlossen wurde, fortan Predigten in volkstümlicher Sprache zuzulassen, da die Gläubigen kein Latein mehr verstünden. In Ostrom, wo man in Verwaltung und Armee noch im 6. Jahrhundert Latein gesprochen hatte, war Latein im frühen 7. Jahrhundert gänzlich außer Gebrauch geraten und durch das Griechische ersetzt worden.

 
Frontispiz des Codex Buranus mit einer Darstellung des Rads der Fortuna (ca. 1230)

Unter Karl dem Großen und seinem Berater Alkuin erlebte Latein jedoch zugleich eine Renaissance. In einer Anweisung aus dem Jahr 789 wurden alle Klöster und Bischofssitze des Reiches angewiesen, Schulen zu unterhalten, in denen Latein unterrichtet werden sollte. Bald entstanden auch wieder neue literarische Werke in Latein, wie etwa Einhards Biografie Vita Karoli Magni, die sich sprachlich und inhaltlich an antiken Vorbildern orientiert. Weitere lateinische Autoren aus dem Mittelalter sind zum Beispiel Baudri de Bourgueil oder Hrotsvitha von Gandersheim. Als "tote" Sprache veränderte sich Latein auch im Mittelalter nicht wesentlich. Allerdings vergrößerte sich weiterhin das Vokabular und es bürgerten sich Vereinfachungen im Bereich der Grammatik ein, wie zum Beispiel der durch quod eingeleitete Objektsatz anstelle des klassischen (und parallel dazu weiter gebräuchlichen) Accusativus cum infinitivo. Die Quantitäten der lateinischen Silben wurden oft nicht mehr beachtet, so dass Dichtungen in der heute üblichen Akzentuierung entstanden, wie zum Beispiel viele Lieder aus der Sammlung der Carmina Burana. Auch die Phonetik änderte sich, beeinflusst von den romanischen Volkssprachen: So wurde seit dem späten 6. Jahrhundert das c vor e- und i-Vokalen als Zischlaut gesprochen (den es vorher im Lateinischen gar nicht gab), ebenso bürgerte sich die Aussprache von ti als zj ein, wie sie heute noch in deutschen Fremdwörtern üblich ist. Die Diphthonge ae und oe sprach und schrieb man bereits in der Spätantike zunehmend als e.

Latein als Sprache der Gebildeten erreichte im Mittelalter auch in vielen Gebieten Europas Bedeutung, die außerhalb des einstigen Römischen Reiches lagen, also nie lateinischsprachig gewesen waren. Hier hielt es mit der Christianisierung Einzug, denn es war die Sprache der Kirche, der Heiligen Messe und des theologischen Diskurses. An den seit dem 13. Jahrhundert aufkommenden Universitäten West-, Nord- und Mitteleuropas war Latein die Verkehrs- und Wissenschaftssprache schlechthin. So schrieb der bedeutendste Autor des Spätmittelalters, Thomas von Aquin, Latein, das allerdings, da es für die Scholastik typisch war, von den späteren Humanisten als steif und trocken empfunden wurde.

Neuzeit

 
Frühdrucke nach Sprachen: Latein dominierte das gedruckte Wort im 15. Jahrhundert.

Eine Erneuerung der lateinischen Sprache war denn auch das erste Ziel des Renaissance-Humanismus, der in Italien mit Petrarca und Boccaccio begann. Auch nördlich der Alpen wurde bald wieder Cicero als Vorbild im Gebrauch des Lateinischen nachgeahmt. Vor allem Erasmus von Rotterdam reichte mit seinem eleganten Latein an das antike Vorbild heran. Die Entdeckung der Neuen Welt machte Christoph Columbus durch den lateinischen Brief De insulis nuper inventis in ganz Europa bekannt. Reformation und Gegenreformation förderten das Lateinische. Luthers Freund Philipp Melanchthon verfasste Lehrbücher und Lehrpläne für die neu errichteten protestantischen Gymnasien, deren wichtigstes Ziel eine aktive Beherrschung des Lateinischen war. Gleiches galt für die Schulen der Jesuiten, die mit ihren lateinischen Schultheatern auch das einfache Volk begeisterten. Ein Jesuit gilt auch als größter unter den deutschen Barockdichtern, Jakob Balde (1604–1668). Hugo Grotius legte mit seinem 1625 erschienenen Hauptwerk De jure belli ac pacis die Grundlagen des Völkerrechts. Generationen von Kindern lernten seit 1658 Latein mit dem Orbis sensualium pictus, dem berühmten deutsch-lateinischen Bilderbuch des großen Pädagogen Comenius.

 
Grundlegend für die Nomenklatur in der Zoologie: Systema naturæ, Ausgabe von 1758

Mit dem Erstarken der Nationalsprachen seit dem 17. Jahrhundert verlor Latein mehr und mehr an Boden. In Deutschland erschienen im Jahre 1681 zum ersten Mal mehr Bücher auf Deutsch als in Latein. Lateinische Belletristik wie der 1741 erschienene Roman Nikolai Klimii iter subterraneum des Dänen Ludvig Holberg war nunmehr die Ausnahme. Weiterhin wichtig blieb Latein aber als internationales Verständigungsmittel in den Wissenschaften: Nicolaus Copernicus, Johannes Kepler und Galileo Galilei veröffentlichten ihre bahnbrechenden astronomischen Erkenntnisse in lateinischer Sprache, auch die Philosophiae Naturalis Principia Mathematica von Isaac Newton erschien noch 1687 auf Latein.

Carl Friedrich Gauß schrieb im Jahr 1798 mit nur 21 Jahren seine Disquisitiones Arithmeticae (lateinisch für zahlentheoretische Untersuchungen), die am 29. September 1801 in Leipzig veröffentlicht wurden. Sie sind als Lehrbuch der Zahlentheorie bis heute gültig und von Bedeutung.

Der Philosoph René Descartes ist mit seinem Satz Cogito ergo sum aus seinen principia philosophiae berühmt geworden, und Arthur Schopenhauer verfasste noch 1830 seine Theoria colorum physiologica auf Latein. Die von dem Schweden Carl von Linné in seinem Systema naturae 1735 entwickelte Methode, Lebewesen lateinisch zu klassifizieren, ist bis heute in Gebrauch.

Seit der preußischen Bildungsreform durch Wilhelm von Humboldt spielt Latein an den humanistischen Gymnasien eine zentrale Rolle. Die alten Sprachen sollen nach Humboldt dem Ziel einer allgemeinen Menschenbildung dienen. Erst unter Wilhelm II. wurden an den deutschen Gymnasien der lateinische Abituraufsatz und die mündliche Prüfung in Latein abgeschafft. Carl Orffs Carmina Burana wurden in den 1930er Jahren zum Welterfolg. Nach dem Zweiten Weltkrieg erlebte der Lateinunterricht an deutschen Schulen ebenso ein gewisses Aufblühen wie in den neuen Bundesländern nach dem Zusammenbruch der DDR.

Latein in der Gegenwart

Latein in Schule und Universität

Latein wird im deutschsprachigen Raum vor allem an Gymnasien und Gesamtschulen gelehrt. Etwa ein Drittel aller Gymnasiasten in Österreich und Deutschland lernt heute Latein als erste, zweite oder dritte Fremdsprache. Vor allem am humanistischen Gymnasium wird Latein als erste Fremdsprache angeboten. In der Schweiz kann Latein bereits in der obligatorischen Sekundarstufe I als Freifach gelernt werden.

Trotz kritischer Diskussion der Vorzüge und Nachteile des Lateinunterrichts an Schulen steigt seit etwa 10 Jahren die Zahl der Schülerinnen und Schüler, die sich für Latein als Fremdsprache entscheiden, in Deutschland merklich an.[3] Die Gründe dafür sind unklar. Das gute Abschneiden humanistischer Gymnasien bei nationalen und internationalen Bildungstests, eine deutliche Modernisierung des Lateinunterrichts und der entsprechenden Lehrwerke oder das allgemein große Interesse für die Antike werden als Gründe genannt.

An allen größeren Universitäten kann Latein studiert werden. Die Latinistik gehört neben der Gräzistik zum Fachbereich Klassische Philologie. In zunehmendem Maße werden an den Universitäten Lehrstühle mit dem Schwerpunkt Latein im Mittelalter und Latein in der Neuzeit eingerichtet. Mancherorts werden auch Vorlesungen oder andere Veranstaltungen in lateinischer Sprache abgehalten. Für einige andere Studiengänge werden das Latinum oder Lateinkenntnisse gefordert, insbesondere in zahlreichen geisteswissenschaftlichen Fächern. Die Regelungen sind hier jedoch von Universität zu Universität verschieden.

Latein im studentischen Umfeld

Latein als "universitäre" Sprache hatte zu früheren Zeiten auch einen erheblichen Einfluss auf die Studentensprache, was sich im heute noch im Sprachgebrauch der Studentenverbindungen widerspiegelt. Allerdings werden hierbei in der Regel nur einzelne Begriffe verwendet. Ausnahmen finden sich nur in einzelnen Veranstaltungen, die bewusst in lateinischer Sprache abgehalten werden. So findet etwa seit 1998 bei der AMV Waltharia Frankfurt im SV in jedem Semester eine so genannte "Lateinkneipe" statt, bei der Latein die einzig zugelassene Sprache ist und sich dieses nicht nur auf die Studentenlieder beschränkt, sondern auch auf alle Wortbeiträge.

Aus dem allgemeinen studentischen Umfeld ist Latein als Sprache gänzlich verschwunden.

Latein in Rundfunk, Fernsehen und Internet

Der finnische Rundfunksender YLE (Yleisradio) verbreitet Wochennachrichten in lateinischer Sprache. Radio Bremen veröffentlicht regelmäßig die Nuntii Latini in schriftlicher und gesprochener Version oder als Podcast. Seit April 2004 sendet auch die deutschsprachige Redaktion bei Radio Vatikan Nachrichten auf Latein (News auf Latein www.radiovaticana.de). Am 23. August 2008 brachte der Fernsehsender 3sat eine Folge der Kulturzeit in lateinischer Sprache. Im Internet sind nicht nur zahlreiche lateinische Texte und entsprechende Sekundärliteratur verfügbar. In Internetforen wie Grex Latine Loquentium oder e-latein chat kommunizieren Teilnehmer aus verschiedenen Ländern lateinisch, und im Oktober 2009 wurde sogar eine lateinische Version von Facebook veröffentlicht.

Latein in der Musik

Abgesehen von lateinischen Fassungen bekannter Popsongs entstehen auch neue Songs unmittelbar in Latein, etwa O Caritas von Cat Stevens oder Cursum Perficio von Roma Ryan, gesungen von Enya.

 
Die lateinisch singende Mittelalter-Band Corvus Corax

Die Gruppe „Ista“ bietet lateinischen Hip-Hop und von Rosenstolz gibt es den Titel Amo vitam. Sehr erfolgreich ist derzeit die Gruppe Corvus Corax. In der klassischen beziehungsweise neoklassizistischen Musik der Gegenwart findet Latein ebenfalls Verwendung. So hat etwa der belgische Komponist Nicholas Lens auf seinem Werk Flamma Flamma ein lateinisches Libretto vertont, für sein Werk Terra Terra hat Lens selbst ein Libretto in lateinischer Sprache verfasst. Nicht zu vergessen sind auch die zahlreichen Vertonungen lateinischer Gedichte wie beispielsweise von Jan Novák. Carl Orff unterlegte mehreren seiner Vokal-Kompositionen Texte in Latein, u. a. von Catull. Igor Strawinski ließ das nach Sophokles von Jean Cocteau in französischen Versen verfasste Libretto zu Oedipus Rex von Jean Daniélou ins Lateinische übersetzen. Zur Melodie der Europahymne gibt es einen lateinischen Text von Peter Roland (Est Europa nunc unita).[4]

Besonders häufig taucht Latein in der klassischen geistlichen Musik auf, vor allem im katholischen Kontext, da die hier vertonten Texte (etwa liturgischer und biblischer Art) bis Mitte des 20. Jahrhunderts ganz überwiegend in lateinischer Sprache vorlagen.

Lateinische Übersetzungen

Immer wieder werden Bücher ins Lateinische übersetzt. Nikolaus Groß etwa hat 2004 eine komplett latinisierte Übertragung von Patrick Süskinds Das Parfum im Brüsseler Verlag der „Fundatio Melissa“, einem überregionalen Verein zur Pflege des gesprochenen Lateins, veröffentlicht. Dem Buch ist mit dem „Glossarium Fragrantiae“ eine größere Liste aktualisierter Neuschöpfungen beigegeben. Vom selben Wortartisten existiert des Weiteren ein Buch über den Baron Mynchusanus (Münchhausen). 2003 erschien bereits der erste Teil der Harry-Potter-Bücher von Joanne K. Rowling auf Latein (Harrius Potter et Philosophi Lapis). Daneben gibt es noch viele weitere Übersetzungen „klassischer“ Werke ins Latein, so zum Beispiel Karl Mays Winnetou III oder Der kleine Prinz (Regulus) von Antoine de Saint-Exupéry. Sehr beliebt ist auch die lateinische Fassung der Asterix-Comics, die der deutsche Altphilologe Graf von Rothenburg (Rubricastellanus) verfasst hat. Die österreichische Tageszeitung Kurier bringt seit 1994 jeden Mittwoch von Wolfram Kautzky verfasste kuriose Meldungen aus aller Welt (Nuntii Latini) in lateinischer Sprache. Im Auftrag der finnischen Regierung übersetzte Tuomo Pekkanen 1986 das Nationalepos Kalevala ins Lateinische.

Latein in der katholischen Kirche

Latein ist die Amtssprache des Vatikanstaats. Die katholische Kirche veröffentlicht alle amtlichen Texte von weltkirchlicher Bedeutung in Latein. Das gilt für die liturgischen Bücher, den Katechismus, den Kodex des kanonischen Rechts sowie die päpstlichen Rechtsvorschriften (canones und decretales) und Enzykliken. In der Öffentlichkeit wird das Kirchenlatein insbesondere beim österlichen Segen des Papstes Urbi et Orbi (Für die Stadt und den Erdkreis) und in der nach dem Konklave durch den Kardinalprotodiakon verkündeten Formel Habemus papam (Wir haben einen Papst) wahrgenommen. Bis zur Liturgiereform 1970 unter Paul VI. war Latein die offizielle Sprache der Heiligen Messe und ist dies (laut Sacrosanctum Concilium) offiziell noch heute, wobei andere Sprachen jedoch gleichfalls erlaubt sind. Tatsächlich werden nur noch sehr wenige Gottesdienste in Latein gehalten. Papst Benedikt XVI. bevorzugte bei seinen Messen aber das Lateinische vor dem Italienischen. Im März 2007 empfahl er in dem Schreiben Sacramentum caritatis ausdrücklich die Anwendung des Lateinischen in Gottesdiensten. Auch seinen Rücktritt kündigte er am 11. Februar 2013 in lateinischer Sprache an.[5]

Für die Pflege und Weiterentwicklung der lateinischen Sprache rief Papst Paul VI. 1976 die Stiftung Latinitas ins Leben, welche sich darum bemüht, ein dem neuzeitlichen Sprachgebrauch angemessenes Latein zu erstellen. Hierzu veröffentlicht sie neben einer Zeitschrift das Lexicon recentis latinitatis, das Lexikon des Neulateins, welches in seiner letzten Überarbeitung 2004 mit 15.000 neuen Begriffen erschien, darunter etwa das lateinische Wort für „Computer“ instrumentum computatorium.

Latein in den Wissenschaften

In der Biologie erfolgt die Namensbildung der wissenschaftlichen Namen lateinisch und griechisch. In der Medizin sind die anatomischen Fachbegriffe überwiegend lateinisch, für die einzelnen Organe wird zusätzlich auch latinisiertes Griechisch verwendet. Die Krankheitsbezeichnungen leiten sich aus dem Griechischen ab. In den Rechtswissenschaften existieren verschiedene lateinische Lehrsätze und Fachbegriffe (Latein im Recht). Auch in der Geschichtswissenschaft spielt vor allem Latein weiterhin eine große Rolle. In der Meteorologie werden lateinische Begriffe in der Wolkenklassifikation eingesetzt. Auch in der Pharmazie ist Latein üblich, deutsche Apotheker und Ärzte verwenden als Rezeptsprache Latein, vor allem in Abkürzungen. So existiert für jeden Arzneistoff neben dem internationalen IUPAC-Namen auch ein lateinischer Name, ebenso wird für jede Arzneipflanze neben dem deutschen auch ein lateinischer Name geführt, oftmals auch vermischt mit Bezeichnungen griechischen Ursprungs. In der Astronomie hat die Internationale Astronomische Union (IAU) die gesamte Himmelssphäre in 88 Sternbilder unterteilt, die alle einen offiziellen lateinischen Namen zusammen mit einem dreibuchstabigen Kürzel tragen. Einzelne Sterne innerhalb eines Sternbilds werden mit griechischen oder lateinischen Buchstaben oder Zahlen bezeichnet, gefolgt vom lateinischen Genitiv des Sternbildnamens. Auch die Nomenklatur der geologischen Formationen auf anderen Himmelskörpern ist gemäß IAU in der Regel lateinisch. Im Spätsommer 2012 setzte sich die NASA auf dem Mars erstmals darüber hinweg, indem sie in ihren Veröffentlichungen Aeolis Mons durchgängig als Mount Sharp bezeichnete.[6]

Siehe auch

Portal: Latein – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Latein

Referenzlisten

 
Mehrbändiges lateinisches Wörterbuch im Lesesaal der Universitätsbibliothek Graz

Literatur

  • J.N. Adams: The Regional Diversification of Latin, 200 BC – AD 600. Cambridge University Press, Cambridge 2007.
  • Jürgen Leonhardt: Latein, Geschichte einer Weltsprache. C. H. Beck, München 2009, ISBN 978-3-406-56898-5
  • Jules Marouzeau: Das Latein. dtv, München 1969.
  • Udo Kindermann, Latein In: Lexikon für Theologie und Kirche. 3. Auflage, Band 6, Freiburg 1997, Sp. 660-661.
  • Wilfried Stroh: Latein als Weltsprache. In: Karl-Joachim Hölkeskamp, Elke Stein-Hölkeskamp (Hrsg.): Erinnerungsorte der Antike. Die römische Welt. C. H. Beck, München 2006, S. 185–201.
  • Wilfried Stroh: Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer großen Sprache.. List, Berlin 2007, ISBN 978-3-471-78829-5.
  • Tore Janson: Latein. Die Erfolgsgeschichte einer Sprache. Buske, Hamburg, 2006, ISBN 3-87548-400-2.
  • Karl-Wilhelm Weeber: Mit dem Latein am Ende? Tradition mit Perspektiven. V&R, Göttingen 1998, ISBN 3-525-34003-6.
  • Friedrich Maier: Warum Latein? Zehn gute Gründe. Reclam, Stuttgart 2008, ISBN 978-3-15-018565-0
  • Johannes Müller-Lancé: Latein für Romanisten: ein Lehr- und Arbeitsbuch. Tübingen: Narr, 2006
Wiktionary: Latein – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen
Wikibooks: Latein – Lern- und Lehrmaterialien
Wörterbücher
Wikisource: Lateinische Wörterbücher – Quellen und Volltexte
Textcorpora

Einzelnachweise

  1. Hans-Joachim Glücklich, Lateinunterricht. Didaktik und Methodik, Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 1978, 2. Aufl. 1993, S. 221
  2. Wilfried Stroh: Latein ist tot, es lebe Latein! Kleine Geschichte einer großen Sprache, List Verlag, Berlin 2007, S. 103f
  3. Rainer Schöneich: Bericht zur Lage des altsprachlichen Unterrichts. In: Forum Classicum 2/2008, S. 87
  4. Est Europa nunc unita auf YouTube
  5. [1] Pressemitteilung des Vatikans
  6. Spiegel-Artikel zum Fall

Vorlage:Link GA Vorlage:Link GA