Blood and Honour (englisch für Blut und Ehre) ist ein rechtsextremes Netzwerk, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, neonazistische Bands miteinander zu koordinieren und die nationalsozialistische Ideologie zu verbreiten. Weltweit ist von bis zu 10 000 Mitgliedern auszugehen.[1] Mit Combat 18 besteht ein „bewaffneter Arm“ von Blood and Honour, der vor allem in Großbritannien und Skandinavien aktiv ist, aber auch in Deutschland Anhänger hat.[2]
Ursprung
Ian Stuart Donaldson, Sänger der RAC-Band Skrewdriver, gründete das Netzwerk mit Nicola Vincenzio „Nicky“ Crane in den 1980er Jahren in Großbritannien. Daher verwendet das Netzwerk die britische Rechtschreibung Honour und nicht die US-amerikanische Variante Honor. Seitdem sind Personen aus dem Blood-and-Honour-Umfeld besonders aktiv bei der zumeist konspirativen Organisation von Konzerten und bei der Herstellung und Verbreitung von Tonträgern mit rechtsextremistischen Inhalten. Es erschien auch eine gleichnamige Reihe von Samplern.
1988 gründete Donaldson das Neonazi-Netzwerk "Storm". Nach dem Tod von Donaldson war das Netzwerk weiterhin in Österreich, der Schweiz und Ungarn aktiv. Das Netzwerk "Storm" pflegte Kontakt zur schwedischen Terrorgruppe "Vit Ariskt Mostand" ("Weißer Arischer Widerstand)".[3]
Es existieren „Blood & Honour“-Schriften mit dem Namen „The Way Forward“ (Der Weg vorwärts) und „Field Manual“ (Kampfhandbuch), die eine hierarchiefreie und zellenorientierte Organisation für Anschläge gegenüber Migranten und Andersdenkenden vorsehen, um diese in Schrecken zu versetzen.[4]
Mittlerweile gibt es Blood-and-Honour-Divisionen in vielen europäischen Ländern sowie in den USA und in Australien. In Budapest (Ungarn) findet beispielsweise seit über zehn Jahren jährlich der "Day of Honour" ("Tag der Ehre") statt.[5][6] In Russland wurde das Netzwerk 2012 verboten.[7]
Name und Logo
Die Worte Blut und Ehre (engl. blood and honour) waren auf den Fahrtenmessern der Hitlerjugend eingraviert, die Nürnberger Rassengesetze hießen offiziell Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre. Symbol von Blood and Honour ist eine Art der Triskele, das an das Logo und die Farben der AWB – eine rechtsextremistisch-rassistische weiße südafrikanische Gruppierung unter ihrem Führer Eugène Terre’Blanche – angelehnt ist, und assoziativ das Hakenkreuz als Symbol des Nationalsozialismus nahelegt. Szenecode für Blood and Honour ist die 28 (Zahlenwert der Buchstaben B und H).
Deutschland
1994 entstand in Berlin die "Division Deutschland",[8] ab 1995 wurden erste Konzerte veranstaltet.[9] In der Bundesrepublik gab es bis zum Verbot eine feste Mitgliederstruktur, Neulinge bekamen eine Probezeit von mindestens sechs Monaten und durften erst ab dem Alter von 21 Jahren beitreten.[10] Aktive Bands im Netzwerk waren, bzw. sind unter anderem Landser, SKD, Spreegeschwader, Nahkampf und Noie Werte.
Am 29. April 2000 wurde Helmut Sackers von Neonazi Andreas S. erstochen. Dieser wird später wegen Mangels an Beweisen freigesprochen. Die Polizei fand bei ihm 86 CDs und Schallplatten mit rechtsradikaler Musik und Material von "Blood & Honour".[11]
Die deutsche Division wurde, ebenso wie ihre 1997 entstandene Jugendorganisation White Youth[12] im September 2000 verboten, ist aber unter dem neuen Namen Division 28 weiterhin aktiv.[13] Seit dem Verbot gab es mehr als 20 Ermittlungsverfahren wegen Fortführung der Organisation.[13]
Nähe zum NSU
Im September 1998 rechnete das LKA Thüringen Beate Zschäpe, Uwe Mundlos und Uwe Böhnhardt, denen vorgeworfen wird, als Nationalsozialistischer Untergrund Morde, Anschläge und Bankraube begangen zu haben, „zum harten Kern der Blood-&-Honour-Bewegung“ in Jena.[14] Vor allem aus Sachsen kam Unterstützung: Jan W., der das Chapter in Sachsen führte, soll laut dem Verfassungsschutz Brandenburg, geäußert haben, dass er Geld für Waffen zur Verfügung stellen würde. Der ehemalige Freund von Beate Zschäpe und Stellvertretender Leiter des Chapters Sachsen, Thomas S., soll Sprengstoff für den NSU organisiert und eine Unterkunft verschafft haben.[15] Dem Blood & Honour Aktivist und V-Mann Thomas R. Corelli, der gleichzeitig beim Ku-Klux-Klan gewesen sein soll, wird vorgeworfen, in der Chemnitzer Friedrich-Viertel-Straße 85, Zschäpe, Böhnhardt und Mundlos beherbergt zu haben - kurz nachdem sie im Jahr 1998 in den Untergrund gegangen waren.[16] Nach Erkenntnissen von ZDF-Heute gehören 20 Personen aus dem Umfeld des NSU zum deutschen Netzwerk des Blood & Honour. Darunter sollen sich auch mindestens fünf V-Leute befinden.[17] Antje P., der "Blood & Honour-Sektion Sachsen" soll mutmaßlich ihren Pass Beate Zschäpe zur Verfügung gestellt haben. Jan W., der die "Blood & Honour-Sektion Sachsen" anführte, soll 1998 gegenüber einem V-Mann geäußert haben, Waffen für den NSU zu organisieren. Das Geld solle von "Blood & Honour" zur Verfügung gestellt.[18]
Nach dem Verbot 2000
Nach dem Verbot von Blood and Honour in Deutschland versuchen sich Hammerskins verstärkt auf dem Markt der rechtsextremen Musik- und Konzertorganisation zu profilieren, es gibt aber auch teilweise gemeinsam organisierte Konzerte.[19][20]
Seit dem Jahr 2005 findet das Fest der Völker in unregelmäßigen Abständen in Thüringen statt. Es ist ein großes Rechtsrock-Festival, das von der NPD organisiert wird. An den Veranstaltungen nahmen mehrere führende Vertreter rechtsextremer Organisationen aus ganz Europa und viele Bands teil, die fast ausschließlich Blood and Honour angehören. Wie die Website redok berichtet, haben im Februar 2007 mehrere hochrangige Funktionäre der NPD, unter ihnen Udo Voigt und Eckart Bräuniger, an einem internationalen Neonazi-Treffen, das vom ungarischen Zweig von Blood and Honour organisiert wurde, teilgenommen.[21] Unter anderem wurde das Festival auch von Ralf Wohlleben unterstützt, Thorsten Heise übernahm das Konzept für den so genannten „Eichsfelder Heimattag“.[22][23]
Ende August 2008 erlangten antifaschistische Aktivisten eine Kopie eines der internationalen Blood-and-Honour-Foren. Die Dateien und die Datenbank wurde mit allen öffentlichen und versteckten Foren, persönlichen Nachrichten, Fotos und Anhängen der 31.948 registrierten Benutzer per Download-Adresse und Filesharing veröffentlicht. In den Medien bezeichnete man dies als einen „schweren Schlag gegen die militante rechte Szene“.[24]
Im November 2012 musste die Berliner Verfassungsschutzchefin Claudia Schmid aufgrund einer Aktenvernichtung mit Blood & Honour Bezug ihren Posten räumen. Im Juli 2010 - vor Bekannt werden des NSU im Nobember 2011 - seien Unterlagen vernichtet worden, ohne dem Landesarchiv angeboten worden zu sein. Da im November 2012 die Möglichkeit von Kontakten zwischen NSU und Blood & Honour im Raum stand, handele sich um ein „bedauerliches Versehen“, so Schmid. Der Berliner Innensenator Frank Henkel kündigte Konsequenzen an.[25] Schmid trat unmittelbar nach Bekanntgabe der Aktenvernichtung vom Amt zurück. Alle Fraktionen des Berliner Abgeordnetenhause äußerten einige Tage darauf Bedauern über den Rücktritt der Behördenleiterin. Im Jahr 2013 rekonstruierte der Verfassungsschutz Berlin 158 von zerstörten 214 Akten, ohne dass ein NSU-Bezug gefunden wurde.[26]
Das thüringische Innenministerium registrierte eine Fortführung der verbotenen Organisation im Bundesland, trotz des Verbots. Insgesamt seien bis zum Jahr 2012 43 Vorkommnisse bekannt geworden.[27]
Österreich
In Österreich gab es im Jahr 2003 Aktivisten in Wien, Tirol und Vorarlberg, die unter anderem mit deutschen Aktivisten zusammenarbeiteten.[28]
Schweiz
In der Schweiz wurde am 8. März 2007 vom Bundesgericht ein Urteil bestätigt, das sechs Neonazis zu jahrelangen Haftstrafen verurteilt. Vorausgegangen war am 26. Februar 2003 eine schwere Körperverletzung an zwei Jugendlichen im Alter von 15 und 17 Jahren, die auf ein SKA-Konzert gehen wollten. Bei dem Gerichtsverfahren wurde festgestellt, dass die Täter den Tod der beiden in Kauf genommen hätten. Bei dem 15-Jährigen musste ein Teil des Gehirns entfernt werden. Er wird sein ganzes Leben eine Behinderung davontragen. Der Fall wurde mit großem Medieninteresse verfolgt. Einer der Angeklagten und Mitglied des Blood-and-Honour-Netzwerkes nahm sich in der Untersuchungshaft das Leben.[29]
Spanien
Die spanische Sektion von Blood and Honour wurde am 22. Dezember 1999 als Verein gegründet. Die Sektion veranstaltete immer wieder Konzerte in Spanien. Mitglieder der Organisation traten für die Partei Movimiento Social Republicano (MSR) an. Während eines Konzertes in der Nähe von Madrid gab es 2005 eine großangelegte Polizeirazzia, bei der Propagandamaterial und Waffen beschlagnahmt wurden. Auf der Veranstaltung spielten die Gruppen Section 88 (Vereinigtes Königreich), Estandarte 88 (Spanien) und Faustrecht (Deutschland). Im Anschluss wurden die Wohnungen von Blood-and-Honour-Mitgliedern durchsucht, bei denen wiederum Waffen gefunden wurden. 2010 verbot die 3. Kammer des Provinzgerichtes in Madrid die Organisation und verhängte Haftstrafen bis zu dreieinhalb Jahren für 14 Mitglieder der Organisation.[30] Das Verbot und die Haftstrafen wurden im Juni 2011 vom Obersten Gerichtshof bestätigt.[31]
Literatur
- Archiv der Jugendkulturen (Hrsg.): Reaktionäre Rebellen. Rechtsextreme Musik in Deutschland. Tilsner, Bad Tölz 2001, ISBN 3-936068-04-6.
- Christian Dornbusch, Jan Raabe (Hrsg.): RechtsRock. Bestandsaufnahme und Gegenstrategien. Unrast, Hamburg u. a. 2002, ISBN 3-89771-808-1 (rat, Reihe antifaschistischer Texte).
- Damaris Kofmehl: Der Neonazi. Die wahre Geschichte des Nico M. SCM Hänssler, Holzgerlingen 2010, ISBN 978-3-7751-5086-6.
- Searchlight, Antifaschistisches Infoblatt, Enough is Enough/rat (Hrsg.): White Noise. Rechts-Rock, Skinhead-Musik, Blood & Honour – Einblicke in die internationale Neonazi-Musik-Szene. 3. Auflage. Unrast, Hamburg u. a. 2001, ISBN 3-89771-807-3 (Reihe antifaschistischer Texte 7).
Film
- White Terror. Dokumentarfilm von Daniel Schweizer, Schweiz 2005[32]
- Blut muss fließen – Undercover unter Nazis, Dokumentarfilm von Thomas Kuban, Deutschland 2012
Weblinks
- Blood & Honour, Eintrag im Glossar von NIP Berlin (übernommen von Motiv Rechts 2, Juli 2005)
- Skinheads von Rechts – Kurzer Abriss ueber die Entstehung von Nazi-Skins und ihr Weg bis heute, Artikel aus der Zeitschrift telegraph, Nr. 3/95
- Der Streit ums Erbe – Die Nachfolgestrukturen von Blood & Honour, Artikel im Antifaschistischen Infoblatt, Nr. 2/2006 (PDF; 513 KB)
Siehe auch
Fußnoten
- ↑ Neonazis feiern "Tag der Ehre" sueddeutsche.de vom 11.Februar 2013
- ↑ analyse & kritik: Blood & Honour macht als Combat 18 weiter – Trotz Verbot ist das internationale Musiknetzwerk in Deutschland aktiv, Nr. 478, 21. November 2003
- ↑ Nazi-Netzwerk "Storm" eng mit "Blood and honour" verbunden derstandard.at vom 30. Januar 2002
- ↑ NSU-Spur führt in Dortmunder Neonazi-Szene derwesten.de vom 17. Februar 2013
- ↑ Dämmern in jeder Ecke in jungle-world.com vom 21. Februar 2013, aufgerufen am 25. Februar 2013
- ↑ "Europa rockt völkisch!" in bpb.de vom 21. Februar 2013, aufgerufen am 6. September 2007
- ↑ Russian Supreme Court Bans Blood & Honor in en.rian.ru vom 29. Mai 2012, aufgerufen am 27. Februar 2013
- ↑ Neonazis feiern "Tag der Ehre" sueddeutsche.de vom 11.Februar 2013
- ↑ "Blood & Honour"-Bewegung'. verfassungsschutz.bayern.de, vom 14. September 2000
- ↑ Neonazis feiern "Tag der Ehre" sueddeutsche.de vom 11.Februar 2013
- ↑ Nazi-Terror: Die vergessenen Opfer. daserste.ndr.de, vom 23. Februar 2012
- ↑ Blood and Honour. taz.de, vom 7. April 2012
- ↑ a b Frederik Obermaier und Tanjev Schultz: Neonazis feiern "Tag der Ehre". In: Süddeutsche Zeitung. 11. Februar 2013, abgerufen am 8. Mai 2013.
- ↑ Neonazis feiern "Tag der Ehre" sueddeutsche.de vom 11.Februar 2013
- ↑ Maik Baumgärtner und Jörg Diehl: Rechtsextremes Netzwerk "Blood & Honour": "Jeder hat gegen jeden gekämpft". In: Spiegel Online. 7. Mai 2013, abgerufen am 8. Mai 2013.
- ↑ Ruheraum für Rechtsextreme taz.de vom 5. September 2012
- ↑ Brandstifter im Staatsauftrag?
- ↑ Maik Baumgärtner und Jörg Diehl: Rechtsextremes Netzwerk "Blood & Honour": "Jeder hat gegen jeden gekämpft". In: Spiegel Online. 7. Mai 2013, abgerufen am 8. Mai 2013.
- ↑ Hellmuth Vensky: Die Untergrund-Neonazis. In: Zeit Online. 1. Februar 2013, abgerufen am 8. Mai 2013.
- ↑ Antifaschistisches Infoblatt: Internationaler Hass. Das Netzwerk der Hammerskins. Nr. 97, Winter 2012, S. 22-26
- ↑ redok: „Blood and Honour“: Die NPD unter Freunden, 21. Februar 2007
- ↑ Patrick Gensing: Der braune Strippenzieher; publikative.org, 29. November 2011
- ↑ „Heise will Rechtsrockfestival etablieren”, publikative.org vom 6. Februar 2012, abgerufen am 4. Mai 2013.
- ↑ n-tv: Zugriff auf B&H-Server – Nazi-Netzwerk geknackt. 30. August 2008
heise online: Datenantifa stellt geschlossenes Forum eines Neonazi-Netzwerks online. 30. August 2008
datenbanken beschlagnahmt - datenantifa gelingt schlag gegen internationales musiknetzwerk, Bekennerschreiben auf Indymedia-Deutschland, 29. August 2008 - ↑ NSU-Affäre: Berliner Verfassungsschutz hat weitere Akten vernichtet, rbb-online.de vom 13. November 2012
- ↑ Folgenlos geschreddert?. taz.de, vom 9. April 2013
- ↑ "Blood & Honour" weiter in Thüringen aktiv, tlz.de vom 3. Mai 2013, abgerufen am 19. Mai 2013.
- ↑ Nazi-Netzwerk "Storm" eng mit "Blood and honour" verbunden derstandard.at vom 30. Januar 2002
- ↑ SF Tagesschau: Dominiks Peiniger müssen hinter Gitter. 8. März 2007
- ↑ Horst Freires: Kriminelle Vereinigung. Blick nach rechts, 8. Juli 2010, abgerufen am 10. Juli 2010.
- ↑ El Público: El Supremo ordena a la organización 'Blood and Honour' que se disuelva. El Público, 8. Juni 2011, abgerufen am 12. Oktober 2011.
- ↑ Vorlage:IMDb Titel
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