Naturrecht

Kategorie der Rechtsphilosophie
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Der Begriff Naturrecht oder überpositives Recht ist eine rechtsphilosophische Bezeichnung für das Recht, das dem durch Normen geregelten gesetzten oder positiven Recht vorhergeht und übergeordnet ist. Die Naturrechtslehre steht im Gegensatz zum Rechtspositivismus.

In vielen positivrechtlichen Regelungen finden sich Normen des Naturrechtes, die entweder zur größeren Sicherheit einfach wiedergegeben sind oder auf eine konkrete Situation detailliert angewendet werden.

Definition

Diesem Begriff liegt die Überzeugung zugrunde, dass jeder Mensch von Natur aus mit unveräußerlichen Rechten ausgestattet ist, unabhängig von Geschlecht, Alter, Ort, Staatszugehörigkeit oder der Zeit und der Staatsform, in der er lebt. Dazu gehören das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit oder das Recht auf persönliche Freiheit. Die Naturrechte gelten als vor - und überstaatliche "ewige" Rechte. Die Idee der Naturrechte reicht bis in die griechische Antike zurück und gewinnt im Zeitalter der Aufklärung politische Bedeutung.

Ursprung

Die Berufung auf überpositives Recht geht davon aus, dass bestimmte Rechtssätze unabhängig von der konkreten Ausgestaltung durch die Rechtsordnung "schlechthin" Geltung beanspruchen und somit durch einen positiven Akt der Rechtssetzung weder geschaffen werden müssen noch außer Kraft gesetzt werden können.

Berufung

Die im Naturrecht gelehrten Rechtsprinzipien werden unterschiedlichen, aber immer vom Menschen nicht beeinflussbaren Quellen zugesprochen. Als Beispiele seien genannt:

  • Gott oder eine bestimmte Gottheit, der die Rechtsprinzipien bei der Schöpfung geschaffen hat,
  • der als göttliches Gesetz gedeutete Logos, der die Welt durchströmt,
  • das in das menschliche Individuum eingeschriebene und wirkende Naturgesetz (Fähigkeit zur Selbsterkenntnis und Orientierung des Gewissens) im Unterschied zu den rein instinktiven Naturgesetzen des Tierreiches,
  • bestimmte naturwissenschaftliche Notwendigkeiten, die sich in der Natur zeigen,
  • die Natur als solche.
  • die Vernunft

Trotz der Möglichkeit, als Quelle des Naturrechts sowohl bei Gott als auch beim Menschen anzusetzen, kann es nicht im Sinne der modernen Naturwissenschaft verworfen werden, sondern bildet einen Hauptgegenstand der Moral- und Rechtsphilosophie. Nach Johannes Messner besteht das für das Naturrecht als Hauptbasis angesehene (spezifisch menschliche) Naturgesetz "nicht in einem unveränderlich für alle Zeiten gleichen Moralkodex, vielmehr in den das vollmenschliche Sein bedingenden und den Menschen verpflichtenden Grundwerten oder Grundprinzipien, die nur in ihrem allgemeinen Gehalt unveränderlich und nur insoweit absolute Geltung besitzen, als sie dem unveränderlichen und selbst einen absoluten Wert darstellenden Grundwesen der Personnatur des Menschen entsprechen."

Abgrenzung zum Rechtspositivismus

Demgegenüber verneinen andere rechtsphilosophische Überlegungen die Geltung eines überpositiven Rechts und halten nur dasjenige für verbindlich, was durch einen rechtssetzenden Akt als positives Recht normiert worden ist.

Die Problematiken beider Konzeptionen liegen auf der Hand: Durch die Annahme eines überpositiven Rechts werden elementare moralische Grundsätze, seien diese ethisch oder religiös motiviert, dem Zugriff der positiven Gesetzgebung entzogen, was diese Grundsätze einerseits stärkt, andererseits sie aber nur in dem Maße verwirklichen lässt, wie über deren Bestand ein möglichst breiter Konsens herrscht.

Bedeutung

Das Naturrecht bildet eine wesentliche Argumentationsgrundlage bestimmter Rechtsgebiete wie denen der Menschenrechte oder des Völkerrechts. Das Naturrecht ist dann jener Teil des menschlichen Naturgesetzes, der sich auf das gemeinschaftliche Leben bezieht, denn erst wo Gemeinschaft, dort auch Recht, weshalb Johannes Messner so definiert: "Naturrecht ist Existenzordnung, Grundordnung des Existierens des Menschen als Mensch, im wahrsten und vollsten Sinn von 'Existieren', die Ordnung, deren Forderungen ihm mit diesem Existieren in ihrem bestimmten Inhalt bewußt werden gemäß dem Prinzip, daß alle Erkenntnis durch die Erfahrung bedingt ist, auch die der Prinzipien der Rechtsvernunft als Teil der praktischen Vernunft. So erfaßt, werden diese Forderungen von der voll entfalteten Vernunft in ihrer allgemeinen in sich gewissen Wahrheit und in ihrer allgemeinen verpflichtenden Geltung eingesehen."

Ein Beispiel für überpositives Recht stellt nach herrschendem Rechtsverständnis die Würde des Menschen dar. Das deutsche Grundgesetz garantiert diese zwar in Art. 1 GG, doch wird ihre Unantastbarkeit hier nur als Prinzip des Rechts dargestellt; folgen soll sie vielmehr als allgemein gültiger Rechtssatz aus vorgelagerten ethischen oder religiösen Anschauungen, die für alle menschlichen Gesellschaften gelten sollen. Eine Konsequenz dieser Auffassung ist, dass die Menschenwürde nicht nur unantastbar, sondern insbesondere auch unverzichtbar sein soll. Der Rechtsträger kann also nicht wirksam in ihre Verletzung einwilligen. Darüber hinaus führt der Gedanke, die Menschenwürde sei durch überpositives Recht vorgegeben, auch dazu, dass auch außerhalb des Geltungsbereichs des Grundgesetzes ein Eingriff in die Menschenwürde eines Individuums keinen Gehorsam erwarten dürfe. Der Eingriff verstoße gegen das gerade von keinem Rechtssetzungsakt geschaffene, sondern aus sich heraus geltende überpositive Recht.

Des Weiteren ist von überpositivem Recht immer dann auszugehen, wenn von "Sitten" die Rede ist, so zum Beispiel in Vorlage:Zitat Art GG, Vorlage:Zitat de § BGB, Vorlage:Zitat de § BGB oder Vorlage:Zitat de § BGB.

In die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes floss das Naturrecht immer wieder auf dem Wege der Radbruch'schen Formel ein, die unter bestimmten Umständen dem Naturrecht Vorrang vor dem positiven Recht gewährt.

Geschichte

Vorstellungen einer überpositiven Normsetzung gibt es bereits seit der griechischen Antike. Diese hatten allerdings noch keine Verbindlichkeit, sondern galten nur als erstrebenswertes individuelles Ziel. Verbindliche überpositive Normen tauchen ebenso in der Bibel und anderen religiösen Codizes auf, allerdings sind diese offenbartes Recht und besonders im Fall der Bibel nicht logisch kohärent, sondern gehen direkt auf Worte Gottes zurück.

Eine erste einflussreiche Synthese der beiden Ursprünge versuchte Thomas von Aquin. In der scholastischen Moraltheologie und im Zeitalter der Aufklärung erlangten Naturrechtslehren erneut Bedeutung. Besonders einflussreich in der Ausformung eines liberal bestimmten Naturrechtsgedanken waren hier Hugo Grotius, Samuel von Pufendorf und besonders John Locke. Auf Locke bezogen sich maßgeblich die US-amerikanischen Gründerväter und insbesondere Thomas Jefferson bei der Begründung der US-amerikanischen Unabhängigkeitserklärung.

Am Problem des Naturrechts wird die Überschneidung von Rechtswissenschaft und Philosophie bzw. Theologie immer wieder deutlich. Damit ist das Naturrecht nicht nur ein wesentliches Teilgebiet der Rechtsphilosophie, sondern auch der Rechtswissenschaft als solcher, ob sie sich nun auf weltliches oder kirchliches Recht spezialisiert.

Bedeutende Vertreter des Naturrechts

Literatur

Siehe auch

Naturzustand