Benutzer:Krib/Spielwiese
Das 19. Jahrhundert (Sorben)
Unter dem Eindruck der Französische Revolution kam es kurz vor Ende des 18. Jahrhunderts zwischen 1790 und 1794 in beiden Lausitzen zu größeren Bauernunruhen, welche in Teilen der Oberlausitz auch unmittelbar durch den großen sächsischen Bauernaufstand von 1790 ausgelöst wurden. An der Wende zum 19. Jahrhundert war das sorbische Siedlungsgebiet mit Schauplatz der Napoleonischen Kriege. Neben wiederholten großen Truppendurchzügen, unter welchen die Bevölkerung aller Teile der Lausitzen litten, kam es 1813 während der Befreiungskriege zur Schlacht bei Bautzen und weiteren Gefechten bei Luckau und Hoyerswerda. Mit Beendigung des Krieges und dem Wiener Kongress 1815 kam es zu einer territorialen Neugliederung Europas, von denen auch große Teile des sorbischen Siedlungsgebietes betroffen waren. Die ehemalig zum Königreich Sachsen gehörenden Gebiete der Niederlausitz und die nördliche und östliche Oberlausitz um Hoyerswerda, Weißwasser und Görlitz fielen an Preußen. Dadurch wurde das noch größtenteils zusammengehörige sorbische Siedlungsgebiet, was am Ende des 18. Jahrhunderts nur noch circa 7.000 m² betrug, geteilt und mit 200.000 Sorben gehörte der Großteil der sorbischen Bevölkerung nun zu Preußen. Im verbliebenen sächsischen Teil der Oberlausitz lebten noch 50.000 Sorben.
Durch die Trennung der sorbischen Bevölkerung in zwei Staaten und die Tatsache, das die Sorben durch die Neugliederung in Preußen in fast allen Regierungsbezirken nun in der Minderheit waren, wurde die intellektuelle und kulturelle Entwicklung, speziell in der Niederlausitz, nachteilig beeinflusst und die Bildung einer eigenen Nation nahezu unmöglich gemacht. Die Unterdrückung der sorbischen Sprache in Preußen wurde weiter verschärft und erreichte nach der Reichsgründung in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts einen Höhepunkt. Auf Grund des gespannten deutsch-russischen Verhältnisses jener Zeit, wurde die Existenz einer slawischen nationalen Minderheit als Bedrohung für Deutschland angesehen. Mit der Billigung durch Reichskanzler Otto von Bismarck wurde im Deutschen Reich eine Phase der antisorbischen Repression eingeleitet. Im preußischen Teil der Oberlausitz kam es 1875 zu einem generellen Verbot der sorbischen Sprache in Schulen, 1885 zum Verbot des sorbischen Konfirmandenunterrichts in Schlesien und 1888 verbot das preußische Kultusministerium den sorbischen Sprachunterricht am Gymnasium in Cottbus. Sorbische Intellektuelle reagierten zwar auf diese Angriffe und versuchten den Widerstand gegen die eingeschlagene Sorbenpolitik zu erhöhen, dennoch beschleunigte sich die Assimilation der Niederlausitzer Sorben unter dem erhöhten Druck der Obrigkeit gegen Ende des 19. Jahrhunderts erheblich.
Das 19. Jahrhundert war aber auch eine Blütezeit der bürgerlichen sorbischen Kultur, welche maßgeblich von einzelnen obersorbischen Persönlichkeiten getragen wurde. Die Sprachwissenschaftler und Verleger Jan Pětr Jordan und Jan Arnošt Smoler waren Verfechter der nationalen Bewegungen der slawischen Völker und derer kulturellen Wechselseitigkeit. Sie waren bemüht um eine sorbische Rechtschreibreform, die die bisherige sehr uneinheitliche Rechtschreibung an die anderer slawischer Völker angleichen sollte und als wesentliche Bedingung für die Entwicklung einer einheiltichen sorbischen Literatur angesehnen wurde. Jordan war zudem maßgeblich an der Vorbereitung und Durchführung des im Juni 1848 durchgeführten Slawenkongress in Prag beteiligt, an dem auch eine sorbische Delegation teilnahm und wo die panslawistischen Farben festgelegt wurden, auf denen auch die Flagge der Sorben beruht. Smoler trug gemeinsam mit Leopold Haupt (1797–1883) und Handrij Zejler die bedeutende sorbische Liedersammlung „Die Volkslieder der Wenden in der Ober- und Nieder-Lausitz“ zusammen. Der Dichter Handrij Zejler gilt als Begründer der modernen sorbischen Literatur sowie er selbst als treibende Kraft und seine Werke als Hohepunkt der nationalen sorbischen Wiedergeburt, welche die sorbische Literaturentwicklung des 18. und 19. Jahrhunderts umfasst. „Da Zejler die Möglichkeit eines sorbischen Nationalstaates ausschloß, war für ihn die nationale Emanzipation der Sorben gleichbedeutend mit dem Eintreten für die Konstituierung einer sorbischen bürgerlichen Identität innerhalb eines deutschen Staates“, was die Existenz des sorbischen Volkes seiner Ansicht nach sichern würde. Eine weitere herausragende Persönlichkeit dieser Zeit war der mit Zejler befreundete sorbische Komponist Korla Awgust Kocor. Beide organisierten ab 1845 sorbische Gesangsfeste, die einen nachhaltigen Eindruck in der obersorbischen Bevölkerung hinterließen und zu Festigung der sorbischen Sprache und Kultur beitrugen.
Der sorbische Wissenschaftler Arnošt Muka untersuchte in den Jahren 1884/85 auf ausgedehnten Reisen den Zustand der sorbischen Sprache und Kultur in der Ober- und Niederlausitz und veröffentlichte danach seine Statistika Łužiskich Serbow („Statistik der Lausitzer Sorben“). Nach Muka gab es zu diesem Zeitpunkt 160.000 Sorben, die in weiten Teilen der nördlichen Ober- sowie der Niederlausitz noch die Bevölkerungsmehrheit stellten.