The Moment of Silence

Computerspiel aus dem Jahr 2004
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The Moment of Silence ist ein Point&Click-Adventure in 2D-Grafik von der Spiele-Softwarefirma House of Tales aus dem Jahr 2004. Es handelt sich um einen Science-Fiction-Thriller. Die Geschichte entwirft ein düsteres, im Jahr 2044 angesiedeltes Zukunftsszenario, das an einen Überwachungsstaat etwa wie in George Orwells 1984 erinnert.

Handlung

Der New Yorker Kommunikationsdesigner Peter Wright hat Frau und Sohn bei einem Flugzeugabsturz verloren. Eines Tages beobachtet er, wie sein Nachbar, der Journalist Graham Oswald, unter mysteriösen Umständen von der Polizei aus der Wohnung geholt wird. Dies befreit ihn aus seiner Lethargie.

Wright beginnt zu recherchieren und stellt bald fest, dass nicht ein Einzelschicksal dahintersteckt, sondern eine globale Verschwörung, ein allumspannender Überwachungsstaat, der die gesamte elektronische Kommunikation der Erde kontrolliert.

Seine Erkundungen führen Peter an die unterschiedlichsten Orte, wie besetzte Häuser New Yorks, eine orbitale Erholungsstation im Weltraum, das SETI-Institut mit dem Radioteleskop in Arecibo, eine Plattform im Bermuda-Dreieck und ein geheimes Staatsgefängnis in der New Yorker Bucht.

Im Verlauf seiner Reise vollzieht Wright, der nach und nach Zusammenhänge zwischen seinem eigenen Familienschicksal, dem Verschwinden des Nachbarn und den Machenschaften des Apparats entdeckt, auf seiner Suche nach der Wahrheit eine innere Wandlung vom staatstragenden Bürger zum erbitterten Systemgegner.

Ablauf

Struktur

The Moment of Silence umfaßt 17 Tage erzählter Zeit: 1. Oktober 2044 - 17. Oktober 2044. Der Spielablauf ist in einzelne Tage strukturiert, die die Funktion von Kapitel übernehmen. (Die Datums- und Wochentagsangaben entsprechen tatsächlichen Kalenderwerten.) Mit dem Intro beginnt der erste Tag Erzählzeit; zwischen dem letzten Tag der spielbaren Handlung (Montag, 10. Oktober) und dem Schlußvideo liegt ein Zeitsprung von einer Woche.

Gameplay

Das Spiel enthält viel Text, meist in langen, oft anspruchsvollen Dialogen, bei denen die üblichen Multiple-Choice-Optionen in der Regel komplett durchgeklickt werden. Ein im Spielverlauf gefundenes Tagebuch des vermissten Nachbarn Graham Oswald liefert zusätzliche Informationen zur Hintergrundgeschichte.

Die Rätsel sind vorwiegend Kombinationspuzzle mit Gegenständen aus Peters Inventar.

Die Dialoge bringen die Story voran und thematisieren dabei häufig Punkte wie Datenschutz, Kryptografie, Überwachung von Telekommunikation und anderes. Trotz überzeichneter Darstellung sind dabei durchaus ernsthafte Diskussionsansätze erkennbar. Die Dialoge sind überdies gut synchronisiert und gewinnen damit noch an Ausdrucksstärke.

Steuerung

Das Spiel wird durchgehend mit der Maus gesteuert. Der Spieler kann sich zur Spielerleichterung durch einen Tastaturbefehl spielrelevante Punkte im Raum anzeigen lassen.

Bedeutung

Die in The Moment of Silence entworfene Dystopie eines elektronischen Überwachungsstaates bezieht ihre Überzeugungskraft vor allem aus der schlüssigen Zuspitzung von bereits in der Jetztzeit bekannten, geplanten oder denkbaren Entwicklungen informationeller Kontrolle. Digitalisierungspflicht für Bücher und Aufzeichnungen, Verbot von Verschlüsselungstechniken, Abschaffung der Handschrift und des Bargeldes sowie Verschmelzung von Identifizierungs-, Kommunikations-, Navigations-, und Zahlungsfunktionen in einem jederzeit ortbaren und pflichtweise mitzuführenden Gerät ("Messenger") machen die Überwachung lückenlos.


Viele von den im Spiel angesprochenen Technologien gibt es so oder in leicht abgewandelter Form auch in der Realität, wie etwa das Spionagenetz Echelon. Durch die Einbeziehung von populären Verschwörungstheorien und Mythen (UFO-Erscheinungen werden mit staatlichen Überwachungsdrohnen erklärt, Forschungsprogramme und Lauscheinrichtungen wie das SETI-Insitut sind geheimer Teil des Abhörapparats) verdichtet sich die Fiktion eines allgegenwärtigen Staates. Zahlreiche weitere im Spiel dargestellte technische Entwicklungen, beispielweise der von der NASA angedachte Weltraumlift (Space Elevator), sind aus realen Konzeptstudien entlehnt.


Der insgesamt sozialkritische, technologieskeptische und politische Subtext des Spiels kommt in vielen, teils humorvollen, (populär-)kulturellen Versatzstücken, Zitaten und Anspielungen, aber auch in vertieften, ernsten Dialogen und zahlreichen dramatischen Filmsequenzen zum Ausdruck.


Einen direkten Hinweis und Bezug auf historische technologiekritische bzw. -feindliche Bewegungen liefert das Spiel mit der Thematisierung von "Neo-Ludditen", einer fiktiven futuristischen Fortentwicklung der Ludditen-Bewegung Großbritanniens (Luddismus), deren subversive Tätigkeit gegen den Überwachungsstaat einer der Dreh- und Angelpunkte der Hintergrundgeschichte des Spiels ist.

The Moment of Silence gilt als bedeutendes deutsches Abenteuerspiel mit internationaler Relevanz und Wirkung.

Auszeichnungen

  • Das Spiel ist von den Lesern der Computerspiele-Zeitschrift PC Games zum Adventure des Jahres 2004 gekürt worden. Genreübergreifend belegte es damit im internationalen Bewerberfeld des Preises als einzige deutsche Produktion einen ersten Platz.
  • Beim Deutschen Entwicklerpreis 2004 platzierte sich The Moment of Silence in drei Kategorien:
    • Beste Story/Spielwelt (2. Platz).
    • Bester Hauptcharakter (3. Platz)
    • Bester Soundtrack (3. Platz)
  • Den Preis Adventure des Jahres 2004 gewann The Moment of Silence auch auf den wichtigen deutschen adventurespezifischen Webseiten Adventure-Treff.de und Adventure-Archiv.de
  • Für den Leserpreis Best Adventure Game 2005 wurde die nordamerikanische Version des Spiels von der bedeutenden Videospiel-Webseite Gamespy nominiert.

Übersetzungen

The Moment of Silence erschien in acht Sprachen:

  • Deutsch (Urfassung, 2004)
  • Englisch (2004)
  • Französisch (2004)
  • Italienisch (2004)
  • Spanisch (2004)
  • Tschechisch (2005)
  • Russisch (2005)
  • Polnisch (2005)

Zitate

Aus einem Dialog zwischen Peter Wright und dem Antiquitätensammler Huntington:


Huntington: "Wenn diese Sammlung in die Hände des Informationsministeriums gerät, dann wird wird sie nicht gescannt, sondern vernichtet. Irgendwann sterben die letzten Zeugen, und was darin steht, wird dann nicht existiert haben."

Peter Wright: "Das ist doch Unsinn, Mr. Huntington. Die Leute erzählen ihren Kindern von ihren Erlebnissen. Und die erzählen es ihren Kindern. Eine Information kann man nicht einfach so vernichten."

Huntington: "Vernichten nicht. Aber man kann sie - mythisieren."

Peter Wright: "Mythisieren? Was soll das heißen."

Huntington: "Jede Information, die keine Quellen und keine schriftlichen Zeugnisse mehr hat, wird völlig subjektiv. Sie ist nur noch verbürgt in den Köpfen von Menschen. Und wenn sie über Generationen weitergeben wird, werden aus Geschehnissen Erinnerungen, aus Erinnerungen Erzählungen, und aus Erzählungen schließlich Mythen. So werden Fakten ganz langsam in das Reich der Phantasie gedrängt - bis niemand mehr weiß, ob irgendetwas daran wahr war."

Trivia

  • Das Spiel enthält eine Hommage an den medienkritischen amerikanischen Untergrund-/Graffitikünstler Shepard Fairey, dessen "Obey Giant"-Aufkleberkampagne in der Spiel-Location Lower East Side virtuell weitergeführt wird.
  • Die Bezeichnung "Central Services" für den zentralen Gebäudeversorgungsdienst des futuristischen New Yorks ist offenbar ein Zitat aus Terry Gilliams dystopischem Film "Brazil".
  • Der Name Peter Wright ist als sprechender Name aufzufassen, er bildet einen phonetischen Hinweis auf den Rechts-/Unrechtskonflikt der Hauptfigur; dies kommt auch in einem Wortspiel des Militärarztes auf Lunar 5 zum Ausdruck (er spricht Wright als "Wrong" an).