Nachtzug nach Lissabon (Film)

Spielfilm von Bille August (2013)
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Nachtzug nach Lissabon (Originaltitel Night Train to Lisbon) ist ein Film von Regisseur Bille August aus dem Jahr 2013, der nach dem gleichnamigen Roman von Pascal Mercier gedreht wurde. Der Film hatte am 13. Februar 2013 auf der 63. Berlinale seine Premiere[2] außer Konkurrenz und startete am 7. März 2013 in Deutschland in den Kinos.

Film
Titel Nachtzug nach Lissabon
Originaltitel Night Train to Lisbon
Produktionsland Deutschland, Schweiz, Portugal
Originalsprache Englisch, Deutsch
Erscheinungsjahr 2013
Länge 110 Minuten
Altersfreigabe
Stab
Regie Bille August
Drehbuch Greg Latter,
Ulrich Herrmann
Produktion Andreas Knoblauch,
Michael Lehmann,
Kerstin Ramcke,
Peter Reichenbach,
Gunther Russ
Benjamin Seikel
Musik Annette Focks
Kamera Filip Zumbrunn
Schnitt Hansjörg Weißbrich
Besetzung

Handlung

Raimund Gregorius ist ein in die Jahre gekommener Gymnasiallehrer für alte Sprachen in Bern, der, seit über fünf Jahren geschieden, allein in seiner mit Büchern vollgestopften, dunklen Etagenwohnung lebt, an Schlaflosigkeit leidet und jeden Morgen schon vor dem Frühstück Schach mit sich selbst spielt. An einem regnerischen Morgen rettet er auf seinem Weg zur Schule eine junge Portugiesin, die gerade von einer Brücke ins Wasser springen will, um Selbstmord zu begehen. Auf ihre Bitte hin nimmt er die völlig durchnässte Frau zum Aufwärmen mit in seinen Lateinunterricht. Sie bleibt allerdings nur kurz und verlässt das Klassenzimmer schon bald wieder. Er eilt hinter ihr her, doch er findet sie nicht mehr. In ihrem roten Mantel, den sie zurücklässt, findet Gregorius ein Buch des portugiesischen Autors Amadeu de Prado. Gregorius geht in ein Antiquariat. Der Antiquar bestätigt ihm, dass er das Buch einen Tag zuvor verkaufte. Beim Blättern des Buches fällt eine Zugfahrkarte nach Lissabon heraus: Abfahrt in fünfzehn Minuten. Gregorius eilt zum Bahnhof, kann das fremde Mädchen allerdings nirgends entdecken. Verwirrt von der Begegnung und fasziniert vom verheißungsvoll poetischen Titel des Buches (Ein Goldschmied der Worte) entschließt sich Gregorius kurzerhand, in den abfahrenden Zug einzusteigen, den Fahrschein nach Portugal für sich selbst zu nutzen und so spontan aus seiner jahrzehntelangen Alltagsroutine auszubrechen, um sich in Lissabon auf Spurensuche nach dem Buchautor zu begeben.

Unter Amadeu de Prados alter Adresse findet er dessen verhärmte Schwester Adriana, die ihren Bruder abgöttisch verehrt und sich so verhält, als sei ihr Bruder noch am Leben, obwohl ihre Dienerin Clotilde Gregorius heimlich verrät, dass Amadeu bereits seit über dreißig Jahren verstorben ist und in Lissabon begraben liegt. Sie ist es auch, die dem Gast schildert, wie Amadeu einst als Medizinstudent seiner Schwester durch eine Koniotomie das Leben rettete, nachdem diese sich beim Essen verschluckt hatte und zu ersticken drohte. Clotilde klärt ihn außerdem darüber aufklärt, dass Amadeu nach dem Ende der Salazar-Diktatur an einem Aneurysma starb.

Als Gregorius auf dem Weg vom Friedhof mit einem Radfahrer zusammenstößt und ihm dabei seine alte Hornbrille zerbricht, verschreibt ihm die Augenärztin Mariana ein neues, moderneres Modell, mit dem ihm das Sehen plötztlich viel leichter fällt. Mariana freundet sich mit Gregorius an. Um ihm bei seinen Nachforschungen zu helfen, rät sie ihm, ihren alten Onkel Joao zu besuchen, der als Widerstandskämpfer Kontakt zu Amadeu de Prado hatte und nun in einem Altersheim wohnt. Während der portugiesischen Diktatur wurden ihm, der als Pianist gern Mozart spielte, vom Geheimdienstoffizier Mendes, der wegen seiner brutalen Folter- und Tötungsmethoden als Schlächter von Lissabon berüchtigt war, beide Hände zerschmettert. Wenig später war es ausgerechnet sein Freund Amadeu, der als Arzt diesem verhassten Menschenquäler mit einer Herzspritze das Leben rettete und deshalb in den Augen der unterdrückten Bevölkerung vom Samariter zum politischen Verräter wurde.

Mit Adrianas und Joaos Hilfe findet Gregorius Pater Bartolomeu, den ehemaligen Lehrer von Amadeu, der ihm von den herausragenden intellektuellen Fähigkeiten seines rebellischen Musterschülers erzählt, und begegnet weiteren wichtigen Personen, die Amadeu kannten. Er taucht immer tiefer in eine dramatische Dreiecksgeschichte ein, die während des Diktaturterrors spielt und in mehreren Rückblenden erzählt wird. Damals wehrte sich Amadeu zusammen mit seinem alten Schulkameraden Jorge und dessen Geliebte Estefania gegen das Regime, bis Amadeu und Estefania sich näherkamen und ineinander verliebten. Mehr aus Eifersucht als aus politischem Kalkül verlangte Jorge den Tod Estefanias, die wegen ihres phänomenalen Gedächtnisses, in dem sie die Daten aller Widerstandskämpfer gespeichert hatte, von der Geheimpolizei besonders hartnäckig gesucht wurde – für Amadeu ein unzumutbares Ansinnen, an dem die „unzertrennliche“ Männerfreundschaft zwischen Aristokraten- und Gemüsehändlersohn endgültig zerbrach. Anstatt Estefania von Jorge erschießen zu lassen, flieht er mit ihr außer Landes.

Gegen Ende des Films erfährt Gregorius, dass die junge Selbstmörderin, der er am Anfang auf der Brücke in Bern begegnete, Catarina Mendes ist, die Enkelin des „Schlächters von Lissabon“. Als Gregorius seine Recherchen in Lissabon abgeschlossen hat und nach Bern zurückkehren will, um seine altes Leben wieder aufzunehmen, begleitet ihn die Augenärztin Mariana zum Bahnhof. Sie versucht ihn zu überreden, in Lissabon zu bleiben, und ihr Kompliment, dass sie ihn, (im Gegensatz zu seiner Ex-Frau, die sich deswegen von ihm scheiden ließ), „überhaupt nicht langweilig“ finde, klingt wie eine Liebeserklärung. Völlig überrascht von dieser plötzlichen Wendung, zögert Gregorius in den Zug einzusteigen – Tableau, Ende offen.

Kritiken

„Dass ein Lateinlehrer aus Bern […] auf eine Geschichte stößt, in der vor dreißig Jahren Blut und Tränen vergossen, Herzen gebrochen, Knochen zerschmettert wurden; dass die Schönheit der Stadt Lissabon auf seltsame Weise mit der Bitterkeit der Erinnerungen zusammenklingt, die in ihren Mauern nisten: Das alles ist August gleich wichtig oder unwichtig, und so gleicht sein Film einer Reise im geschlossenen Abteil, auf der man die wunderbarsten Landschaften sieht. Aber alle nur hinter Glas.“

FAZ[3]

„Große, satt ausgeleuchtete Cinemascope-Bilder allenthalben, große Namen in kleinsten Parts, Klaviermusik, wann immer es romantisch, Violinen, wenn es dramatisch, und Trompeten, wenn es traurig wird. Und doch: Beide Geschichten lassen einen seltsam unberührt, die Rahmenhandlung, weil hier nur Gewesenes erzählt wird, die Rückblende, weil sie nur das Gesagte bebildert. Beide Handlungsstränge nehmen sich gegenseitig die Kraft.“

Die Welt[4]

„Eine uninspirierte, nahezu verstockte Bestselleradaption, die zu einer assoziationslosen Aneinanderreihung von Rückblicken auf eine Liebe in Zeiten der Revolution verkommt.“

„Aber es ist nicht so leicht, den aus Gesprächen und Erinnerungen bestehenden Roman zum Leben zu erwecken. Zu schwermütig, zu getragen und bedächtig ist der Erzählton des Schweizers Mercier. Dass ‚Nachtzug nach Lissabon‘ als Literaturverfilmung dennoch geglückt ist, liegt nicht zuletzt an den hochkarätigen Darstellern […]. Die Handlung springt mit jeder neuen Begegnung in die Vergangenheit – das ist nicht besonders originell, entspricht aber exakt der Struktur des Romans. Man muss die Euphorie von Pascal Mercier nicht teilen, für den Bille Augusts Adaption ‚eine Erfahrung von hypnotischer Wucht‘ war. Doch wer das Buch mochte, wird auch den Film lieben.“

Siehe auch

Einzelnachweise

  1. Freigabe der FSK, abgerufen am 12. März 2013
  2. Berlinale 2013: Wettbewerb komplett. In: berlinale. Abgerufen am 12. März 2013.
  3. Andreas Kilb, Frankfurter Allgemeine Zeitung vom 14. Februar 2013
  4. Peter Zander, Die Welt vom 7. März 2013
  5. Nachtzug nach Lissabon im Lexikon des internationalen Films