Femen

feministische Aktivistinnen-Gruppe
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Femen (Eigenschreibung FEMEN, ukrainisch Фемен) ist eine am 11. April 2008 in Kiew gegründete feministische Gruppe in der Ukraine, die durch provokative Aktionen internationale Beachtung gewonnen hat. Gründerin und Leiterin ist Anna Hutsol (* 16. Oktober 1984).

Femen
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Gründung 10. April 2008
Gründer Hanna Huzol, Oksana Schatschko, Alexandra Schewtschenko, Wiktor Swjatski
Sitz Paris
Vorsitz Hanna Huzol
Mitglieder 40
Website femen.org

Femen

 
Aktivistinnen am zweiten Jahrestag der Gründung von FEMEN
 
Éloïse Bouton bei einem Femen-Protest, am 15. Oktober 2012 in Paris

Die Organisation tritt für Frauenrechte ein. Die Aktivistinnen von Femen waren und sind vor allem junge Frauen, meist Studentinnen. Das zentrale Element und das Markenzeichen von Femen sind Oben-ohne-Aktionen, die oft großes öffentliches Aufsehen erregen. Nach der Gründung 2008 war Femen zunächst nur in der Ukraine aktiv und wandte sich mit der Parole "Die Ukraine ist kein Bordell" (Україна — не бордель!) gegen Sextourismus und Zuhälterei. Auch wurde die Bestrafung von Männern gefordert, die sexuelle Dienstleistungen kaufen. Femen erlangte rasch internationale Beachtung. Seit 2011 führt die Organisation auch in anderen europäischen Ländern Aktionen durch und eröffnete 2012 in Paris ein Ausbildungszentrum.[1]

Femen begründet ihre provokativen Methoden damit, diese seien „der einzige Weg, um in diesem Land gehört zu werden. Wenn wir einfach Proteste mit Transparenten durchführen, dann werden unsere Forderungen nicht bemerkt.“[2] Bislang wurde der Gruppe vom ukrainischen Justizministerium die Anerkennung als Organisation verweigert, da ihre Ziele als „Aufruf zur Störung der öffentlichen Ordnung“ aufgefasst werden könnten.[3]

Ausgewählte Aktionen

  • August 2008: Etwa 50 Aktivistinnen der Gruppe versammelten sich in Kiew auf dem Majdan Nesaleschnosti. Unter der Losung Die Ukraine ist kein Bordell protestieren sie gegen Sex-Tourismus.[4]
  • März 2010: Nachdem der ukrainische Ministerpräsident Mykola Asarow im März 2010 erklärt hatte, Politik sei keine Frauensache, forderte Femen die Freundinnen und Ehepartnerinnen der Regierungsmitglieder zum Sexboykott auf. Ferner erklärten sie, dass die „Geringschätzung der Frauen und die Einschränkung deren gesellschaftlicher Rolle in der Ukraine bereits eine gefährliche Tendenz angenommen habe.“[7]
  • Februar 2011: Aktion vor der italienischen Botschaft in Kiew gegen das von Silvio Berlusconi vermittelte Frauenbild in Italien.[8]
  • Oktober 2011: Aktion gegen die Organisation der Fußball-Europameisterschaft 2012.[10]
  • Oktober 2011: Drei Femen-Aktivistinnen posierten als Hausmädchen verkleidet in Paris vor dem Haus von Dominique Strauss-Kahn, um ihn als Sexisten zu brandmarken.[11]
Drei Femen-Mitglieder wurden nach eigenen Angaben von Geheimdienstleuten entführt, mit Verbrennung bedroht, geschoren und am Ende nackt in einem Wald ausgesetzt.[13]
  • Sommer 2012: Protest gegen die Teilnahme frauenunterdrückender islamischer Staaten an den Olympischen Spielen in London.[16]
  • 2012: Protestaktionen gegen Prostitution und Menschenhandel in Deutschland unter anderem vor dem Kölner Bordell Pascha und in der Hamburger Herbertstraße.
  • Februar 2013: Femen beteiligte sich in Berlin an einer Demonstration gegen die rechtsextreme NPD.[17]
  • Am 4. April 2013 demonstrierten Femen-Aktivistinnen im Rahmen eines Topless Jihad Day.[18] in mehreren europäischen Städten, unter anderem in Berlin-Wilmersdorf vor der Ahmadiyya-Moschee, gegen die Unterdrückung der Frauenrechte in islamischen Ländern und erklärten sich mit der tunesischen Femen-Aktivistin Amina Tyler solidarisch, die im März 2013 aus Protest gegen islamistische Moralvorstellungen Fotografien von sich auf Facebook veröffentlicht hatte, auf denen sie mit nackter Brust und mit auf den Oberkörper geschriebenen Parolen abgebildet war.[19][20]
  • Am 8. April 2013 bestürmten zwei Aktivistinnen auf der Hannover Messe in Anwesenheit von Kanzlerin Angela Merkel den russischen Präsidenten Wladimir Putin und trugen dabei Schriftzüge wie „Fuck Putin“ auf den nackten Oberkörpern.[21][22]

Rezeption

In der Gründungsphase von Femen war die Rezeption der Organisation in den Medien fast einhellig positiv, so wurde z.B. herausgestellt, die Organisation kämpfe "gegen den Verfall ihres Landes und für die Rechte der Frauen".[23]

Seitdem die Organisation auch regelmäßig außerhalb der Ukraine Aktionen durchführt, wurden zunehmend kritische Stimmen laut. Femen wurde unter anderem wiederholt vorgehalten, dass ihre Aktionen vor allem auf Medienwirksamkeit ausgerichtet seien, eine vertiefte inhaltliche Arbeit leiste die Gruppe nicht. Auch sei die Struktur und die Finanzierung der Organisation nicht transparent.[24][25]

Im August 2012 sorgten die Aktivistinnen von Femen auch in der Ukraine für viel Kritik, als sie demonstrativ ein christliches Kreuz in der Nähe des Majdan mit einer Kettensäge zerstörten. Das Kruzifix war als Andenken an die Opfer der stalinistischen Repressionen errichtet worden. Femen wollte damit eigenen Angaben nach Solidarität mit Pussy Riot ausdrücken.[26]

In Deutschland wurde eine Femen-Aktion in der Hamburger Herbertstraße kritisiert, bei der die Aktivistinnen ein Transparent mit der Parole „Arbeit macht frei“ am Eingang anbrachten und Slogans wie „Sex-Sklaverei ist Faschismus“ und „Prostitution ist Genozid“ verbreiteten. Die antisexistische Gruppe e*vibes aus Dresden bezeichnete in einem offenen Brief an Femen die Gleichsetzung von Prostitution mit dem Holocaust als „in keiner Weise tragbar“.[27][28]

Literatur

Galia Ackermann, Anna Hutsol, Inna Chevtchenko, Oksana Chatchko, Sacha Chevtchenko: Femen. Calmann-Levy, 2013, ISBN 978-2702144589

Commons: FEMEN – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Sextremismus in Paris, Berliner Zeitung vom 15. März 2013
  2. “Ukraine is not a bordello” In: Russia Today, 14. Dezember 2009 (englisch).
  3. Ukraine erkennt feministische Gruppe nicht an. In: Focus 16. Januar 2012.
  4. "Die Ukraine darf kein Bordell werden", Die Presse vom 12. August 2008
  5. "Die Ukraine ist kein Bordell"', Berliner Zeitung vom 26. Januar 2009
  6. Ukrainische Studentinnen: Mit Krawall gegen Sextourismus, SPON vom 30. Juli 2009
  7. Ukraine: Feministinnen rufen zu Sexboykott gegen neue Regierung auf. RIA Novosti, 22. März 2010, abgerufen am 25. April 2013.
  8. Emmanuel Haddad: Ukraine grüßt Italien: Femen-Mädels barbusig an der Front. cafebabel.com, 15. Februar 2011, abgerufen am 25. April 2013 (Interview mit Inna Schewtschenko).
  9. Baby for sale. Medwedew Magazin, 31. Mai 2011, abgerufen am 25. April 2013.
  10. FEMEN topless auf der Eröffnungszeremonie in Kiew. Medwedew Magazin, 9. Oktober 2011, abgerufen am 25. April 2013.
  11. Maxi Leinkauf: Gewagte Argumente. Der Freitag, 1. November 2011, abgerufen am 25. April 2013.
  12. Nackte Haut gegen Putin. Stern, 9. Dezember 2011, abgerufen am 25. April 2013.
  13. Geheimdienst hat offenbar Demonstrantinnen entführt. Spiegel Online, 20. Dezember 2011, abgerufen am 25. April 2013.
  14. Nackt-Protest am WEF. Tagesschau (SF), 28. Januar 2012, abgerufen am 25. April 2013.
  15. Nackte Frauenrechtlerinnen in Istanbul festgenommen. AFP, 8. März 2012, abgerufen am 25. April 2013.
  16. Jutta Schwengsbier: Sexy FEMENismus. Deutschlandfunk, 12. August 2012, abgerufen am 25. April 2013.
  17. Femen Deutschland - Protest mit nackter Haut. Funkhaus Europa, 18. Februar 2013, abgerufen am 25. April 2013.
  18. Leben retten mit nackter Brust. In: Stern. 4. April 2013, abgerufen am 25. April 2013.
  19. Halbnackter Frauen-Protest vor Berliner Moschee. Berliner Morgenpost, 4. April 2013, abgerufen am 7. April 2013.
  20. Mit blanken Brüsten gegen Islamisten: Femen-Protest in Berlin. dtoday.de, 4. April 2013, abgerufen am 7. April 2013.
  21. Femen-Aktivistinnen bestürmen Putin. In: Handelsblatt. Abgerufen am 25. April 2013.
  22. Femen activist tells how protest against Putin and Merkel was planned. Abgerufen am 15. April 2013 (englisch). guardian.co.uk
  23. Schlammschlacht für ein besseres Land,Jetzt.de vom 9. November 2008
  24. Was die Femen verhüllen SonntagsZeitung vom 10. März 2013
  25. Die Covergirls des Protestes, Jetzt.de vom 19. Februar 2012
  26. Jutta Schwengsbier, Ivan Gayvanovych: Neuer Fall von Blasphemie? In: Deutschlandradio, 20. August 2012.
  27. Offener Brief an Femen Germany. In: e*vibes, 29. Januar 2013.
  28. Simon Brecht: Peta für Frauen. In: Jungle World, 21. Februar 2013.