In der Neurologie werden die Erkrankungen des Nervensystems behandelt, die körperlich begründet sind und nicht zu Störungen der Erlebnisweisen führen. Die Abgrenzung zur Psychiatrie ist teilweise fließend. In Deutschland ist die Neurologie als ein Teilgebiet aus der Inneren Medizin hervorgegangen. Neurologen behandeln drei verschiedene Organsysteme:
- das Zentralnervensystem (Gehirn und Rückenmark) , dessen Umgebungsstrukturen und blutversorgende Gefäße.
- das periphere Nervensystem (Nerven in ihrem Verlauf außerhalb des Rückenmarkskanales) einschließlich der Verbindungsstrukturen mit Muskeln.
- die Skelettmuskulatur.
Die klinische Methode in der Neurologie
Die Neurologie gilt als ein kompliziertes medizinisches Fachgebiet. Die Hürden für das Verständnis neurologischer Erkrankungen sind nicht nur bei Laien sondern auch für Medizinstudenten und Ärzte hoch, weil die Einsicht in die Funktionsweise des Nervensystems in besonderer Weise geschult werden muß. Der Zugang zur Neurologie wird durch die Tatsache erschwert, das es hier eine große Zahl seltener Erkrankungen gibt. Zudem sind viele Lehrbücher auf eine für den Anfänger verwirrende Art strukturiert. Ein einleitendes Kapitel in dieses Fachgebiet an dieser Stelle kann daher nicht besser oder einfacher sein, als die traditionellen Zuganswege zu dieser Wissenschaft.
Definitionen
Vorweg sollen einige Begriffe erklärt werden, die im Folgenden immer wieder verwendet werden. Als klinische Symptome bezeichnet man die Beschwerden, die von den Patienten bemerkt werden und diesen zum Arzt führen: Schmerzen, Übelkeit, Schwäche etc. Als klinische Zeichen bezeichnet man Veränderungen, die die Patienten nicht bemerken, die aber vom Arzt durch eine körperliche Untersuchung festgestellt werden können (beispeilsweise ein Nystagmus). Selbsterklärend sind die Begriffe der körperlichen Untersuchung und der Untersuchung mit technischen Hilfsmitteln (EKG). Mit dem Begriff klinisches Spektrum bezeichet man die Summe all der Zeichen und Symptome, die ein Patient mit einer bestimmten Erkrankung bekommen kann, aber nicht bekommen muß und die im ursächlichen Zusammenhang mit der Erkrankung stehen. Als Kardinalsymptome bezeichnet man die Symptome, durch die eine Krankheit definiert ist. Als diagnostische Kriterien für eine Krankheit bezeichnet man die Kombination der Symptome, bei deren Vorliegen die Diagnose der Erkrankung gestellt werden darf. Als Diagnose bezeichnet man das Verfahren der Erkennung und den Prozess der richtigen Benennung einer Krankheit. Als Differentialdiagnose bezeichnet man die Auflistung ähnlicher Krankheitsbilder, das Auffinden von Alternativen zu einer vermuteten Diagnose und das Verfahren unter der Auswahl aller möglichen Diagnosen die einzig richtige zu finden.
Der Patient als Richtschnur
Alle Lehrbücher der Neurologie betonen die besondere Bedeutung der klinischen Untersuchung des Patienten. In keinem anderen Fachgebiet ist die genaue Befragung des Patienten und die an den Beschwerden orientierte körperliche Untersuchung so wichtig, wie in der Neurologie.
Ärzte kennen in ihren Fachgebieten das Phänomen, das ein scheinbar gleiches Symptom unterschiedliche Ursachen haben kann: Schmerzen im Oberbauch - Magengeschwür oder Herzinfarkt. Benachbarte Organe können zudem ganz verschiedene Beschwerden machen: die Entzündung der Bauchspeicheldrüse tut im Rücken weh, der Gallenstein bereitet Schmerzen in der rechten Schulter und der Stein im Harnleiter macht Schmerzen in Hoden oder Schamlippe der betreffenden Seite. In diesen Fällen ist es unmittelbar verständlich, das eine technische Untersuchung an der falschen Stelle zur Aufklärung der Erkankung nicht weiterhilft. Im Falle der "Rückenschmerzen" ist das Röntgen der Wirbelsäule nicht wegweisend, aber ein Blick auf den (männlichen) Patienten (gerötetes Gesicht, Bauchglatze, Storchenbeine) oder eine einfache Frage: "Trinken sie regelmäßig Alkohol?". Auch eine genaues Hinhören auf die Schilderung des Patienten hilft weiter: die "Rückenschmerzen" ziehen von hinten ausstrahlend gürtelförmig um den Oberbauch. Aufgrund dieser Informationen bildet der Arzt eine Hypothese (Alkoholiker mit gürtelförmigem Oberbauchschmerz = Pankreatitis), die natürlich auch in die Irre führen kann. Denn der betreffende könnte ja im Rausch gestürzt sein und sich in der Tat die Wirbelsäule verletzt haben.
In der Neurologie sind solche Situationen das tägliche Brot des Untersuchers. Es gibt kaum eine neurologische Erkrankung, bei der die Schilderung der Beschwerden der Patienten (oder der Bericht einer dritten Person) den Untersucher nicht in die Irre führen könnten. So kann ein Sturz oder eine "Gangstörung" zahllose verschiedene Ursachen haben. Aus diesem Grund ist die genaue Befragung der Patienten und die genaue körperliche Untersuchung in der Neurologie so wichtig. Im Laufe dieser klinischen Untersuchung bildet der Arzt Hypothesen über die Art der Erkrankung seines Patienten. Hierbei leitet ihn das Wissen um die Funktionsweise des Nervensystems (Neuroanatomie, Neurophysiologie), das Wissen um die verschiedenen neurologischen Erkrankungen und seine Erfahrung, der sogenannte klinische Blick für typische Kombinationen von Beschwerden und Zeichen bei bestimmten Erkrankungen. Aufgrund dieser Hyopthesenbildung verfertigt man dann eine Vorstellung über den Schädigungsort im Sinne einer neurologisch-topischen Diagnostik und veranlaßt eine gezielte Untersuchung, die möglichst die gebildeten Hypothesen bestätigen oder widerlegen sollte.
Fallbeispiel I: Liquorresorptionsstörung
Ein etwa siebzig Jahre alter männliche Patient wird von den Angehörigen in die neurologische Sprechstunde gebracht. Man berichtet, der Großvater sei in letzter Zeit wiederholt gestürzt, habe sich aber nicht verletzt, außerdem sei er vergeßlich geworden und man habe festgestellt, das er Probleme beim Wasserlassen habe. Auf gezielte Nachfragen berichten die Angehörigen, das die Beschwerden mit der Zeit kamen und das ganze sich schon mindestens zwei Jahre hinzieht. Dann wird der Patient körperlich untersucht: der Neurologe fordert den Patienten auf durch das Zimmer zu gehen: er zeigt ein schwerfälliges Gangbild und hebt beim Laufen die Füße nur wenig an. Die Arbeitshypothese lautet: Demenz mit Blasenentleerungsstörung und "magnetischem" Gang seit etwa zwei Jahren mit Zunahme der Beschwerden könnte seine Ursache in einer Liquorresorptionsstörung haben. Zunächst wird eine CCT des Schädels durchgeführt. Man erwartet aufgrund der vermuteten Liquorresorptionsstörung sogenannte ballonierte Seitenventrikel mit einer randständigen und bevorzugt frontalen Hypodensität. Da das CCT diesen Befund zeigt, wird eine therapeutisch-diagnostische Maßnahme durchgeführt: beim sog. Fisher-Test wird mittels einer Lumbalpunktion probeweise ca 30-40 ml Nervenwasser entnommen, dies sollte die Beschwerden bessern. Etwa 10 min nach der LP zeigt der Patient ein gebessertes Gangbild. Seine Gedächtnisstörung wird unbeeinflußt bleiben und die Harninkontinenz wird sich später am ehesten verbessern. Der Patient wird mit der Diagnose eines "Hydrozephalus malresorptivus" zum Neurochirurgen überwiesen zur Implantation eines ventrikulo-peritonealen Shuntsystems zum Zweck der dauerhaften Ableitung überschüssigen Nervenwassers.
Fallbeispiel II: Hirntumor
Ein 32 Jahre alter Mann wird in die Notaufnahme eines Krankenhauses gebracht, nachdem er am Arbeitsplatz gestürzt war, eine Kopfplatzwunde erlitten hat und bewußtlos gewesen war. Da den Sturz niemand beobachtet hatte, wurde er in benommenen Zustand zunächst in der Poliklinik von dem Unfallchirurgen versorgt. Dabei beklagte der Patient eine Schwäche des rechten Armes und erklärte, das sei neu. Nach der Versorgung der Kopfplatzwunde wurde der Patient dem Neurologen vorgestellt, der ein Absinken im Armhalteversuch rechts feststellte. Der Neurologe vermutete, der Patient habe einen Sturz im Rahmen eines erstmaligen Krampfanfalles erlitten (der Patient konnte sich an nichts erinnern) und interpretierte die Armparese als sog. Toddsche Lähmung nach einem Krampfanfall. Die durchgeführte CCT-Untersuchung zeigte eine links hochparietale runde Hypodensität. Fehlende Gefäßrisikofaktoren bei einem jungen Patienten ließen einen ischämischen Hirninfarkt als Ursache für Sturz und Armlähmung sehr unschwahrscheinlich erscheinen. Es wurde die Verdachtsdiagnose eines Astrozytoms Grad I gestellt und durch eine Hirnbiopsie bestätigt.
Fallbeispiel III: Hirnstamminfarkt
Eine 62 Jahre alte Frau wird mit einer plötzlich aufgetretenen Gangunsicherheit in die Notaufnahme gebracht. Sie klagt außerdem über eine jetzt neu aufgetretene "Heiserkeit". Die Patientin ist Diabetikerin und leidet an einem Bluthochdruck. Sie berichtet, sie habe sich vor ziemlich genau einer Stunde ihr Insulin gespritzt, ihre Blutdruckmedikamente eingenommen und danach sei es ihr merkwürdig gewesen und sie sei beim Aufstehen gestürzt. Angehörige brachten sie dann sogleich in die Notaufnahme. Eine Gangprüfung zeigt, das die Patientin nur mit Hilfe Stehen kann, obgleich ihre Kraft in den Beinen unbeeinträchtigt ist. Die Inspektion zeigt, das ihr rechtes Oberlid leicht herabhängt. Als der Neurologe ihr einen Spiegel vorhält erkennt sie sogleich, das ihr rechtes Auge "schief" sei. Die Untersuchung zeigt ein aufgehobenes Temperaturempfinden im Bereich des linken Armes. Eine CCT des Gehirnschädels zeigt erwartungsgemäß keine auffälligen Veränderungen. Bei einer Dopplersonographie der extrakraniellen hirnversorgenden Gefäße wird die Vertebralarterie rechts vermißt. Die Verdachtsdiagnose lautet: ischämischer Hirninfarkt der dorsolateralen Pons im Versorgungsgebiet der PICA (Posterior inferior cerebellar artery) rechts aufgrund eines Verschlusses der Vertebralarterie rechts.
Fallbeispiel IV: Meningitis
Ein 24 Jahre alter Mann wurde in die Notaufnahme des Krankenhauses gebracht. Der Vater des Patienten berichtete, sein Sohn sei Zeitsoldat und auf Urlaub zu Hause. Am Mittag des Aufnahmetages habe er geklagt, das es ihm schlecht ginge. Er jammerte zunehmend über immer stärkere Kopfschmerzen und begann zu frieren. Da er nicht mehr richtig ansprechbar war, wurde er in das nahe gelegene Krankenhaus gebracht. Der junge Mann machte einen schwer kranken Eindruck, er konnte nicht stehen und antwortete nur schwach, er zitterte stark. Eine rektale Temperaturmessung ergibt 39,4°. Der Neurologe führt eine körperliche Untersuchung durch: er faßt den Kopf des Patienten mit beiden Händen und bewegt ihn langsam nach rechts und links. Schon diese Bewegung bereitet dem Patienten, der mit angezogenen Beinen und leicht nach hintem gebogenen Kopf im Bett liegt deutliche Schmerzen. Aufgrund dieser Befunde: Fieber, Kopfschmerzen, Bewußtseinstrübung, Nackensteifigkeit und der Anamnese (der Patient ist Soldat) wird die Verdachtsdiagnose einer Meningokokken-Meningitis gestellt und entsprechende Hygienemaßnahmen für das Personal angeordnet. Es wird eine Lumbalpunktion durchgeführt und aufgrund des klinischen Befundes sofort eine antibiotische Therapie eingeleitet.
Das Stufenweise Vorgehen zur Diagnosestellung in der Neurologie
Anhand der Beispiele kann man die verschiedenen Stufen in der neurologischen Herangehensweise an klinische Fragestellungen sehen.
Erster Schritt: Anamnese, klinische Symptome, klinische Zeichen, technische Befunde
Zunächst ist in der Anamnese die Zeitdimension wichtig:
- perakut beim Krampfanfall, der Patient stürzt aus voller Gesundheit.
- akut beim Schlaganfall, innerhalb weniger Minuten stellen sich die Gangunsicherheit und die Heiserkeit ein.
- subakut bei der Meningitis, innerhalb von Stunden entwickelt sich ein äußerst schweres Krankheitsbild.
- chronisch beim Hydrozephalus malresorptivus, die Beschwerden entwickeln sich über Monate oder Jahre schleichend.
Wenn man aufgrund der Anamnese eine erste Hypothese gemacht hat, vergewissert man sich noch einmal über einige Details:
- Der Patient mit der Kopfplatzwunde ist für einen ischämischen Hirninfarkt zu jung.
- Die ältere Frau mit der Standunfähigkeit hat Gefäßrisikofaktoren.
- Der fiebrige junge Mann mit den heftigen Kopfschmerzen ist Soldat (bei 20% aller Soldaten findet man in Nasen-Rachabstrichen Meningokokken).
Sodann werden gezielte körperliche Untersuchungen durchgeführt:
- der Armhalteversuch bei dem jungen Mann mit dem Krampfanfall.
- die Testung der Temperatursensibilität bei der alten Frau mit Standunfähigkeit, Heiserkeit und schiefem Auge (man hält einfach den Metallgriff vom Reflexhammer unter das kalte Wasser des Waschbeckens und gibt ihn der Patientin zunächst in die linke und dann in die rechte Hand, die Patienten merken sofort den Unterschied).
- die sehr vorsichtige Drehung des Kopfes bei dem Meningitispatient.
- die Gangprüfung bei dem alten Mann: "Gehen sie bitte durch das Zimmer."
Man sieht daran, das eine neurologische Untersuchung ganz einfach ist, wenn man weiß, wonach man suchen muß. Nun kann man die technischen Daten sammeln:
- Der CCT-Befund bei dem jungen Mann ist nur an der Oberfläche zweideutig: eine runde Hypodensität spricht immer für einen Tumor. Irritierend ist in diesem Fall, das der Patient gesagt hat, die Armlähmung käme plötzlich.
- der unauffällige CCT-Befund bei der älteren Frau ist erwartet worden. Im CCT kann man keinen Hirnstamminfarkt sehen.
- im Falle des jungen Mannes mit der Meningitis braucht man unbedingt eine Liquorkultur zum Erregernachweis. Die Entscheidung über Diagnose und Therapie trifft man aber ohne jede technische Diagnostik (außer Fiebermessen).
- der CCT-Befund bei dem alten Mann mit dem magnetischen "Gang" ist eine gute Unterstützung für die Anfangshypothese, aber zu unspezifisch.
Zweiter Schritt: Interpretation der gewonnenen Daten in physiologischen und anatomischen Begriffen
Dies ist der nächste Teil der neurologischen Arbeit:
- der junge Mann mit der Kopfplatzwunde hat eine Armlähmung. Jetz kann man anhand der Reflexprüfung sehen, ob die Lämung zentral oder peripher ist: Wenn die Muskeldehnungs-Reflexe im rechten Arm abgeschächt sind spricht dies für eine Schädigung im Verlauf der Nerven außerhalb des Rückmarkskanales (periphere Läsion). Wenn die Reflexe betont sind, dann spricht dies für eine Schädigung im Bereich von Rückenmark oder Gehirn (zentrale Läsion).
- die alte Dame mit der Heiserkeit hat eine sogenannte "gekreuzte" Symptomatik: das herabhängende Oberlid rechts (ein Hornersyndrom) und die Störung der Temperatursensibilität links. Eine "gekreuzte" Symptomatik ist aufgrund anatomischer Verhältnisse typisch für den Hirnstamm. Das nun die PICA betroffen ist, ist eher trivial, die ist meistens betroffen.
- der zielführende Hinweis bei dem fiebrigen jungen Mann ist seine gekrümmte Haltung beim Liegen: so liegt jemand mit einer Reizung der Hirn- und Rückenmarkshäute. Wenn der betreffende nun Fieber hat ist es naheliegend, das die Reizung der Hirnhäute eine infektiöse und das heißt meist bakterielle Ursache hat. Das könnte natürlich auch ganz anders sein, aber der junge Mann ist ja Soldat.
Dritter Schritt: Syndromale Formulierung und Lokalisation der Läsion: Anatomische Diagnose
- Eine isolierte zentrale Armlähmung bei dem jungen Mann mit der Kopfplatzwunde ist eher ungewöhnlich. Wahrscheinlich hat der Neurologe den Patienten nicht sorgfältig untersucht und die diskrete zentrale Fazialisparese rechts und möglicherweise eine leichte aphasische Störung übersehen. Entscheidend ist aber, das man schnell und sicher zum Ziel kommt. Die Kombination von erstmaligem Krampfanfall bei einem ca. 30 Jahre alten Mann und dem geschilderten CCT-Befund ist hochverdächtig auf ein Astrozytom.
- Die alte Dame mit dem Hirnstamminfarkt ist natürlich ein Musterbeispiel für die sogenannte topische Diagnostik in der Neurologie. Die Kombination eines Hornersyndroms mit einer kontralateralen Störung der Temperaturempfindlichkeit zeigt immer auf den Hirnstamm und dort in den Bereich der Pons. Entscheidend für das Verständnis der Störung ist, das im Bereich des Hirnstamms einerseits Kerngebiete der Hirnnerven liegen und andererseits Bahnen für Motorik und Sensibilität. Die enge Nachbarschaft dieser Strukturen an dieser Stelle im Gehirn führt zu Störungen in weit entfernten Körperteilen, die von diesen Strukturen versorgt werden.
- Der fiebrige junge Mann hat keine Läsion an einer bestimmten Stelle im Nervensystem, er hat eine Störung an einem ganzen Organsystem, nämlich den gesamten Hirnhäuten. Das bedingt auch die Schwere der Erkrankung und die große Gefahr für zahlreiche Kommplikationen: generalisierte Krampfanfälle, Koma, Atemlämung.
Vierter Schritt: Pathologische oder Ätiologische Diagnose
- Bei dem jungen Mann mit der Kopfplatzwunde stellt der Neurologe eigentlich keine endgültige Diagnose. Die abschließende (pathologische oder ätiologische) Diagnose wird in diesem Fall von dem Pathologen aufgrund einer Hirnbiopsie gestellt. Die Aufgabe des Neurologen ist es, den Weg dorthin zu bahnen.
- Die ätiologische Diagnose im Falle der heiseren älteren Dame ist vermutlich ein embolischer Verschluß einer Hirnarterie aufgrund von arteriosklerotischen Veränderungen in der vorgeschalteten Strombahn mit der Folge eines ischämischen Infarktes des durch das Gefäß ursprünglich versorgten Gehirnareals.
- Die durch die Infektion und die Abwehreaktion des Körpers freigesetzen Bakterientoxine sind im Falle einer Meningitis die Ursache für die dramatischen Krankheitsverläufe, die unbehandelt mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit zum Tode führen.
Zusammenfassung
Nun kann man abschließend die klinische Methode in der Neurologie definieren: Wir sammeln Daten mithilfe der Befragung des Patienten oder seiner Angehörigen über die Vorgeschichte und durch eine körperliche Untersuchung. Man interpretiert die Daten aufgrund Physiologischer und Anatomischer Kenntnisse und formuliert eine Hypothese, die anatomische Diagnose. Dann führt man gezielte technische Untersuchungen durch um die Hypothese zu bestätigen oder zu widerlegen was zu einer abschließenden pathologischen oder ätiologischen Diagnose führt, die meistens auch einen genau definierten Namen hat. Auf der Grundlage genau geprüfter Erfahrungswerte aus klinischen Studien vereinbart man dann mit den Patienten eine Therapie.
In älteren Lehrbüchern der Neurologie findet man zu diesem Hauptprinzip der Neurologie gelegnetlich einfache Merksätze wie zum Beispiel "Das Prinzip der sechs W" nach Mumenthaler:
- Wie kam es zur Erkrankung? (Anamnese)
- Was stellt man fest? (Befund)
- Wo sitzt die Läsion, die solche Symptome bewirken kann? (topische Diagnose)
- Warum erkrankt der Patient? (ätiologische Diagnose)
- Wohin führt der Krankheitsprozeß? (Prognose)
- Womit behandelt man? (Therapie)
Spezifisch für die Neurologie ist die Frage nach dem Wo, die sogenannte topische Diagnose. Obwohl dieses Prinzip auch etwa in der Diagnostik des Herzinfarktes eine Rolle spielt ist sie doch ein prägendes Merkmal für die gesamte Neurologie. Diese Tatsache soll jetzt nocheinmal an ausgewählten (konstruierten) Fallbeispielen erläutert werden, in denen Fehler in der klinischen Methode dargestellt werden.
Die neurologische Untersuchungstechnik
Eine ausgefeilte Diagnosetechnik ist auch heute noch die Domäne der Neurologie. Dabei gilt die sogenannte neurologisch-topische Diagnostik als Ideal: allein aufgrund des Berichtes des Patienten über seine Beschwerden (Anamnese) und eine körperliche Untersuchung ohne technische Hilfsmittel soll der genaue Schädigungsort im Nervensystem angegeben werden. Dies erfordert eine genaue Befragung des Patienten und seiner Angehörigen, große Erfahrung in der klinischen Untersuchung von Patienten und sehr genaue theoretische Kenntnisse zur Krankheitslehre und Aufbau und Funktion des Nervensystems. Auf diese Weise können mehr als 90% aller relevanten Diagnosen in der Neurologie gestellt werden.
Anamneseerhebung in der Neurologie
Die Anamneseerhebung in der Neurologie bereitet besondere Schwierigkeiten. Diese ergeben sich aus der Natur der neurologischen Erkrankungen. Bei manchen Erkrankungen liegt der Beginn lange zurück, sodass die Patienten daran keine genaue Erinnerung haben. Dann finden die Patienten häufig nicht die richtigen Worte für die Phänomene, die den Neurologen interessieren. So wird manchmal eine Lähmung mit einer Sensibilitätsstörung verwechselt, eine Koordinationsstörung wird wie eine Lähmung beschrieben und manchmal werden Kopf- und Gesichtsschmerzen verwechselt usw. In solchen Fällen muß der Arzt die Anamnese der Patienten strukturieren. Das heißt, man muß eine Vorstellung von den Beschwerden haben, die der Patient haben könnte und dann genau erfragen, welche Störung vorliegt und die gebildete Hyopthese, die Beschreibung des Patienten und die eigene Anschauung und der Befund der kröperlichen Untersuchung in Übereinstimmung gebracht werden. Da dies häufig nicht bei dem ersten Gespräch möglich ist, braucht die Neurologie Zeit. Es lohnt sich Patienten immer wieder nach ihren Beschwerden zu befragen und Angehörige hinzu zu ziehen, um das Bild von der Störung des Patienten zu verfolständigen.
Manche Anamnesen können vollständig strukturiert werden. Hierzu gehört zum Beispiel die Befragung der Patienten mit Kopfschmerzen und Anfallsleiden. Die neurologische Anamnese dieser Erkrankungen umfaßt bei der Epilepsie folgende Aspekte: Beginn der Erkrankung, Vorkommen von Fieberkrämpfen in der Kindheit, Frequenz der Anfälle pro Zeiteinheit (Woche, Monat), tageszeitliche Bindung (Vorkommen zu bestimmten Tageszeiten), auslösende Faktoren, spüren die Patienten, wenn ein Anfall kommt (Aura), wie lange dauert der Anfall, sind die Patienten bewußtlos, kommen Zungenbiß (an der Spitze der Zunge oder seitlich an der Zunge) vor, wird eingekotet oder eingenäßt, führt der Anfall zu Stürzen bei denen sich die Patienten verletzen, gibt es nach dem Anfall besondere Beschwerden (anhaltende Verwirrtheit, Sprachstörung oder ähnliches), wenn Zeugen den Anfall beobachtet haben können sie die motorischen Entäußerungen beschreiben, sind die Augen bei dem Anfall geöffnet oder geschlossen, wie fallen die Patienten hin, welche Medikamente in welcher Dosis wurden bisher verordnet, haben sie die Anfälle wirksam unterdrückt, wurden Medikamente regelmäßig eingenommen, wurden Medikamentenspiegel bestimmt? Bei den Kopf- und Gesichtschmerzen strukturiert man die Befrgaung ähnlich, fügt aber noch besondere Fragen zum Schmerzcharakter hinzu.
Abschließend ist zu sagen, das eine Anamneseerhebung sich immer an den Beschwerden des Patienten und an der vermuteteten Erkrankung orientiert. Einen Patienten mit der Erstmanifestation einer entzündlichen Erkrankung des zentralen Nervensystems befragt man anders als einen Patienten mit einer Parkinsonerkrankung. Manchmal sind Fremdanamnesen die einzigen Informationen, die man in einer Notfallsituation erhält. Manche Patienten können überhaupt keine Angaben zu ihrer Erkrankung machen (kleine Kinder). Solche Situationen sind immer eine besondere Herausforderung.
Die körperliche Untersuchung in der Neurologie
Die körperliche Untersuchung in der Neurologie ist zeitaufwendig und kompliziert. Sie erfordert von dem Untersucher einiges Geschick und vom Patienten Geduld und aktive Mitarbeit.
- Hirnnervenfunktion. Es gibt zwölf Hirnnerven. Die Funktion eines jeden einzelnen Hirnnerven kann in einer neurologischen Untersuchung geprüft werden. Da dies sehr aufwendig ist, werden Hirnnerven meist nur "orientierend" untersucht. Das heißt, man macht eine unvollständige Untersuchung unter der Annahme, das wahrscheinlich alles in Ordnung ist. Wenn man aber eine Hirnnervenstörung vermutet, muß man im Zweifelsfall jede einzelne Funktion genau prüfen. Die ersten beiden Hirnnerven sind der Olfactorius für den Geruchssinn und der Optikus für den Sehsinn. Das Riechen wird mit Riechstoffen geprüft (Kaffeemehl tut es zur Not) und das Gesichtsfeld mittels der sogenannten Fingerperimetrie. Die Hirnnerven III, IV und VI steuern die Bewegungen der Augen ("Schauen sie bitte auf meinen Finger"). Der fünte Hirnnerv ist der Trigeminus: er versorgt sensibel das Gesicht und motorisch die Kaumuskulatur. Der Fazialis ist der siebte Hirnnerv, er versorgt motorisch die mimische Muskulatur. Der achte Hirnnerv ist für Gehör und Gleichgewichtsorgan zuständig. Hier kommt der Stimmgabeltest zur Anwendung. Den Gleichgewichtsinn prüft man sinnvollerweise nur, wenn er gestört ist. Die Patienten haben dann einen Schwindel. Zu diesem Zweck gibt es spezielle Manöver, mit deren Hilfe man einen Schwindel provoziert. Dies muß man den Patienten genau erklären und darauf hinweisen, das es sehr unangenehm ist die Untersuchung durchzuführen. Der neunte Hirnnerv ist der Glossopharyngeus. Der hilft, wie der Name schon sagt beim Schlucken und vermittelt auch den Geschmack im hinteren Zungendrittel (dort schmeckt man bitter). Der zehnte Hirnnerv ist der Vagus, er vermittelt die vegetative parasympathische Innervation der Inneren Organe. Er macht außerdem das Gespür an der Ohrmuschel und hebt das Gaumensegel. Der elfte Hirnnerv steuert einen Teil der Nackenmuskulatur und der zwölfte Hirnnerv, der Hypoglossus bewegt die Zunge.
- Motorik. Die Motorik wird in verschiedenen Aspekten geprüft. Zunächst einmal kann man mit zahllosen Manövern die Kraft einer jeden Muskelgruppe und teilweise auch die von vielen einzelnen Muskeln prüfen. Hier soll jetzt nur das Prinzip erläutert werden. Die Bewegung der Hand wird durch drei verschiedene Nerven ermöglich: N. radialis, ulnaris und medianus. Der Ausfall eines der drei Nerven führt zu charakteristischen Veränderungen: Störungen der Sensibilität, Beinträchtigung der Kraft, langfristig eine Verschmächtigung der Muskulatur (Atrophie) und Abschwächung der jeweiligen Reflexe. Im Falle des Nervus medianus (etwa durch eine Verletzung im Bereich des Ellenbogens), kann die Funktion des Nerven beeinträchtigt werden. Da der Medianus die Beugemuskulatur für Daumen, Zeige- und Mittelfinger versorgt, wird die Hand des Patienten beim Faustschluß keine volle Kraft entwickeln können. Das Öffnen des Drehverschlusses einer Flasche mit der betreffenden Hand ist nicht möglich. Die Muskulatur des Daumenballens wird mit der Zeit zurückgebildet.
- Reflexe: Bei einer neurologischen Untersuchung können etwa zehn sogenannte Muskeldehnungsreflexe geprüft werden. An dieser Stelle soll zur Erläuterung nur ein einziger dieser Reflexe kurz erklärt werden. Allgemein bekannt ist der sogenannte Patellarsehnenreflex: man schlägt mit einem Reflexhammer leicht auf die Sehne, die unterhalb der Kniescheibe zur vorderen Seite des Schienbeins führt. Vorrausgesetzt das zu untersuchende Bein ist so gelagert, das der Unterschenkel frei schwingen kann (am einfachsten zu erreichen durch übereinander geschlagene Beine) wird die Auslösung des Reflexes dazu führen, das das Bein im Knie gestreckt wird: der Unterschenkel schwingt nach vorne (das ist die Reflexantwort). Das Prinzip ist dabei, das durch den Schlag auf die Sehe der dazu gehörige Muskel (M. quadrizeps femoris) kurz gedehnt wird. Die den Muskel versorgenden Nerven treten im Bereich der Lendenwirbelsäule (L3,4) aus dem Rückenmarkskanal. Über einen Reflexbogen wird die Reflexantwort eingeleitet. Wenn nun aufgrund einer Gewebsveränderung im Bereich der Nervenaustrittsstellen der Lendenwirbelkörper 3 oder vier Teile der Bandscheiben auf die Nervenwurzeln drücken, so hat dies außer den Schmerzen eine Funktionseinschränkung zur Folge: der Muskel wird nicht mehr richtig innerviert und führt somit zu einer Schwäche der Streckung des Beines, außerdem wird die Reflexantwort beeinträchtigt: der Reflex ist abgeschwächt im Seitenvergleich mit dem gesunden "Bein". Der abgeschwächte Reflex zeigt die sogenannte "periphere" Lähmung an. Der Ort der Läsion sitzt nicht im Zentralnervensystem (Gehirn oder Rückenmark) sondern im peripheren Nervensystem, hier im Bereich der Nervenwurzel.
- Sensibilität: Es gibt vier verschiedene sensible Qualitäten: Tast- und Berührungsempfinden, Druckempfinden, Lage der Extermitäten sowie Schmerz- und Temperaturempfinden. Die Oberfläche des menschlichen Körpers kann bezogen auf die Sensibilität in verschiedene Areale aufgeteilt werden. Dabei sieht diese Aufteilung der Oberfläche des Körpers in sensible Areale jeweils anders aus, wenn eine Nervenwurzel. oder ein Nerv im weiteren Verlauf geschädigt ist. Bei einer Schädigung des Nervus medianus erleidet man ein Taubheitsgefühl im Bereich der Innenhand zwischen Daumen und Zeigefinger (Medianusversorgungsgebiet). Wenn die Bandscheibe zwischen den dritten und vierten Lendenwirbelkörper auf die jeweilige Nervenwurzel drückt, erleidet man ein Taubheitsgefühl, das von der Außenseite des Oberschenkels auf die Innenseite des Unterschenkels zieht (Versorgungsgebiet der Wurzel L3,4).
- Koordination: Störungen der Koordination von Bewegungen können verschiedene Ursachen haben. Bei einer Funktionsstörung des Kleinhirns kann es zu einer sogenannten Ataxie kommen. Eine solche Bewegungsstörung verursacht einen über das Ziel hinausschießenden Bewegungsablauf. Man prüft dies zum Beispiel mittels Zeigeversuch (mit geschlossenen Augen den Zeigefinger in großem Bogen auf die Nasenspitze aufsetzen). Auch bei Sensibilitätsstörungen kommt es Fehlen des Bewegungsablaufes. Alkoholismus und Diabetes sind häufige Ursachen einer sensiblen Neuropathie bei der es zu Störungen der peripheren Nervenfunktion bevorzugt in in den unteren Extremitäten mit Taubheitsgefühl kommt. Da die Patienten den Boden nicht richtig spüren gehen sie unsicher und breitbasig (Seemannsgang).
- Muskeltonus: Manche Erkrankungen (Multiple Sklerose, Morbus Parkinson) machen typische Veränderungen der tonisierung der Muskulatur. Normalerweise lassen sich Gliedmassen passiv ohne Widerstand bewegen, wenn die Patienten sich entspannen. Menschen mit einer Multiplen Sklerose zeigen häufig eine spastische Gangstörung (das gehen sieht staksig und ungelenk aus) und man kann den erhöhten Muskeltonus in den Beinen spüren, indem man das entspannte Bein des Patienten im Knie beugt und streckt. Dabei spürt man eine plötzliche Widerstandserhöhung bei der Bewegung, die nachläßt, wenn man die Kraftwirkung zurücknimmt. Ähnliches gilt für den sogenannten Rigor der Muskulatur bei der Parkinsonkrankheit.
- Meningismus: Was die Ursache dieses Phänomens ist wurde schon am beispiel des fiebrigen jungen Mannes erklärt. Die Nackensteifigkeit kommt durch eine Reizung der Hirnhäute zustande und zeigt sich vor allem in einer Schonhaltung der Patienten. Man kann dies auch testen. Zu diesen Zweck gibt es verschiedene Manöver die die Hirnhäute leicht dehnen (z. Bsp. Vorbeugen des Kopfes). Allerdings ist die Untersuchung für Patienten mit einer Meningitis sehr schmerzhaft.
- Pyramidenbahnzeichen: Die Pyramidenbahn besteht aus einem Bündel von Nervenzellen, die von Scheitelhirn bis zu den ersten Umschaltstellen im Rückenmark ununterbrochen durchlaufen. Diese Zellen sind so etwas wie ein Schrittmacher der willkürlichen Bewegungen. Der Name Pyramidenbahn stammt von einer Struktur im Hirnstamm (der pyramis) durch die die Pyramidenbahn hindurchläuft. Wenn dieses Nervenbündel an irgendeiner Stell unterbrochen wird kommt es zu einem typischen Funktionsausfall: einer spastischen Lähmung (Krfatminderung mit Muskeltonuserhöhung). Die Ursache kann völlig unterschiedlich sein: Eine Verletzung der Wirbelsäule und des Rückenmarkes, eine Durchblutungssörung im Hirnstamm, eine Hirnblutung im Bereich der sog. Kapsel oder ein Tumor in der Großhirnrinde an der passenden Stelle. Neben der Lähmung und der Muskeltonuserhöhung finden sich dann häufig sogenannte Pyramidenbahnzeichen. Man meint damit in erster Linie das Abspreitzen der großen Zehe beim Bestreichen der Fußsohle an ihrem Außenrand.
- Besondere körperliche Untersuchungen: Bei verschiedenen Erkrankungen werden besondere Untersuchungen durchgeführt. So kann man mit bestimmten Verfahren die Schweißsekretion prüfen oder die Flexibilität von Blutdruck und Pulsanpassung bei Belastung. Nach Schlaganfällen prüft man die motorischen Funktionen der Sprache, wenn eine Dysarthrie vorliegt oder die grammatischen Funktionen der Sprache im Falle einer Aphasie. Störungen komplexer Bewegungsabläufe ohne Beeinträchtigung von Kraft und Empfinden nennen wir Apraxien (ein Beispiel wäre das Anziehen einer Jacke). Manche Patienten bemerken nach einem Schlaganfall ihr neu entstandenes Defizit nicht, das heißt Anosognosie. Manchmal tritt nach einem Schlaganfall ein Gesichtsfeldausfall ein, den die Patienten nicht bemerken. Das Nichtbemerken dieser Störung nennen wir einen Neglect. Für alle diese Phänomene gibt es besondere Testmethoden und Untersuchungsverfahren. Ein weiteres besonderes Gebiet ist die neurologische Untersuchung von bewußtseinsgestörten Patienten und kleinen Kindern.
Zusammenfassend kann gesagt werden, das die Untersuchungsmethoden, die hier kruz vorgestellt wurden und von denen nur eine unvollständige Auswahl gegeben werden konnte für das Erkennen neurologischer Erkrankungen unersetzlich sind. Kein technisches Verfahren kann an die Stelle von aufmerksamer Beobachtung, einfühlsamen Gespräch und der vielen verschiedenen Manöver und Prüfungen treten. Das Ziel aller dieser Maßnahmen ist eine Diagnose und damit die Bestimmung, welche neurologische Erkrankung vorliegt.
Technische Untersuchungsverfahren in der Neurologie
Die technischen Untersuchungsverfahren in der Neurologie sind sehr vielgestaltig. untersucht werden: Laborwerte, Hirnwasser (Liquordiagostik), Hirnströme (EEG und Evozierte Potentiale), Muskelfunktionen (EMG), die elektrischen Funktionen der Nerven (NLG), die hirnversorgenden Gefäße mittels Ultraschall Ultraschall (extrakranielle und transkranielle Doppler- und Duplexuntersuchungen) und invasiver Verfahren Angiografie und die Bildgebung des Gehirns und Rückenmarks mittels Computertomografie, Magnetresonanztomografie und der sogenannten funktionellen bildgebenden Verfahren: PET, SPECT und der funktionellen Kernspintomographie.
Der Gegenstand der Neurologie: die neurologischen Erkrankungen
In der Neurologie werden folgende Erkrankungsgruppen behandelt:
- Gefäßerkrankungen: hierzu zählen insbesondere der ischämische Hirninfarkt und die verschiedenen Formen der Hirnblutungen.
- Basalganglienerkrankungen: hierzu zählt vor allem die Parkinsonkrankheit.
- Nervenverletzungen: in Zusammenarbeiten mit Neurochirurgen und Unfallchirurgen werden alle Formen von Nervenverletzungen behandelt.
- Neubildungen: Tumoren von Gehirn, Rückenmark und peripheren Nerven.
- Bandscheibenerkrankungen: alle Formen der mechanischen Nervenwurzelreizungen, die nicht oder nicht sofort operiert werden müssen, werden von Neurologen behandelt.
- Anfallsleiden: hierzu gehört die Behandlung der epileptischen und nichtepileptischen Anfallsleiden.
- Entzündliche Erkrankungen des Zentralnervensystems: hierzu zählen die vornehmlich bakteriellen und viralen Infektionen von Hirn- und Rückenmarksgewebe und -häuten.
- Entmarkungskrankheiten: hierzu zählt in erster Linie die Multiple Sklerose.
- Primär degenerative Erkrankungen: hierzu zählen die Demenzen, die sog. Motoneuronerkrankungen (ALS, spinale Muskelatrophien) und die degenerativen Kleinhirnerkrankungen (die hereditären Ataxien).
- Dysraphische Störungen (die sog. Veschlußkrankheiten) und Fehlbildungskrankheiten (Phakomatosen).
- Erkrankungen des peripheren Nervensstems: (Polyneuropathien).
- Muskelerkrankungen: die Muskeldystrophien, die Myotonien und die entzündlichen Muskelerkrankungen, die Myositiden.
- Störungen der neuromuskulären Übertragung: in erster Linie die Myasthenie.
- Kopf- und Gesichtsschmerzen: hier vor allem die Migraine.
Therapieprinzipien der Neurologie
Die Neurologie galt viele Jahre als eine Disziplin, in der sehr aufwändige diagnostische Verfahren angewandt wurden und wenige therapeutische Möglichkeiten bestanden. Dies hat sich in den letzten Jahren grundlegend gewandelt. Viele neurologische Erkrankungen sind heute weitaus besser als noch vor wenigen Jahrzehnten behandelbar. Entscheidend für die Verbesserung der Versorgung von Schlaganfallpatienten ist die nunmehr zur Routine gewordene bildgebende Diagnostik, die eine Unterscheidung zwischen ischämischen Hirninfarkten und Hirnblutungen erlaubt. Zur Behandlung der Parkinsonkrankheit stehen heute verschiedene Medikamentengruppen zur Verfügung. Bei der Behandlung der Anfallsleiden kann bei ausreichender Mitarbeit der Patienten in vielen Fälllen eine Anfallsfreiheit erreicht werden. Die infektiös-entzündlichen Erkrankungen des Nervensystems sind bei frühzeitiger Diagostik fast alle vollständig heilbar. Die Multiple Sklerose ist weiterhin nicht heilbar, seit der Einführung der Interferone sind die Verläufe aber besser beeinflußbar geworden. Bei den meisten degenerativen Erkrankungen des Nervensystems, den Fehlbildungen und angeborenen Muskelerkrankungen sind die Behandlungsmöglichkeiten weiterhin sehr begrenzt.
Quellen
- Klaus Kunze. Lehrbuch der Neurologie. Georg Thieme Verlag. Stuttgart 1992. ISBN 3-13-761301-9
- Raymond D. Adams (Ed.) Principles of Neurology McGraw Hill. New York 1997. ISBN 0-07-067439-6
Weblinks
- www.neurologen-und-psychiater-im-netz.de - Info-Homepage der Berufsverbände und Fachgesellschaften für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie
- www.neuroact.de
- www.neuroscript.com
- www.neuroreha.info
- Deutsche Gesellschaft für Neurologie
- Leitlinien
- Allgemeinverständlicher Neurologie-Newsletter