Ein Fahrzyklus legt fest, unter welchen Bedingungen und mit welchen Geschwindigkeitsabläufen ein Fahrzeug bei der Ermittlung von CO2-Emission und Energieverbrauch betrieben wird.
Dabei sind Randbedingungen wie Starttemperatur, Schaltpunkte (nur Fahrzeuge mit Handschaltgetriebe), Fahrzeugvorbereitung (Konditionierung), Zuladung, Beginn der Abgasmessung und weiteres vorgegeben. Fahrzyklen sollen eine möglichst realitätsnahe Belastung produzieren, wobei es sich dabei um ein Durchschnittsprofil handelt. Der Fahrzyklus wird üblicherweise auf einem Motoren- oder Rollenprüfstand abgefahren. Das ermöglicht es, reproduzierbare und vergleichbare Ergebnisse zu erhalten. Aus Sicht der Hersteller bietet ein solcher Fahrzyklus Entwicklungssicherheit.
Der Fahrzyklus ist auch relevant für die Durchführung von Diagnosen. Er ist wesentlicher Bestandteil einer Abgasvorschrift.
Fahrzyklen in Europa
Energieverbrauch gemäß RL 70/220/EWG
Die Ermittlung des Kraftstoffverbrauchs von Kraftfahrzeugen in der Europäischen Union erfolgt seit dem 1. Januar 1996 im NEFZ (Neuer Europäischer Fahrzyklus), oder englisch: NEDC (New European Driving Cycle) bzw. MVEG (Motor Vehicle Emissions Group).
Für die Ermittlung des Verbrauchs eines Fahrzeugs müssen zunächst die Fahrwiderstände (Roll- und Luftwiderstand) des Fahrzeugs auf der Straße exakt ermittelt werden. Dann werden die gemessenen Fahrwiderstände auf einen Rollenprüfstand übertragen und dann ein genormter Fahrzyklus abgefahren. Dabei werden auch die Abgasemissionen gemessen. Anschließend wird aus der Abgasemission der Kraftstoffverbrauch berechnet. Bei Elektroautos wird stattdessen die verbrauchte Energie der Batterie gemessen. Der Fahrzyklus und die Vorgehensweise bei der Messung ist in der Richtlinie des Rates 70/220/EWG vom 20. März 1970 beschrieben[1].
Eine rechtlich verbindliche Messung kann nur durch zertifizierte EG-Prüflaboratorien durchgeführt werden. Die Zertifizierung erfolgt in der Bundesrepublik Deutschland durch das Kraftfahrt-Bundesamt.
Der genormte Fahrzyklus dauert insgesamt 1180 Sekunden (knapp 20 Minuten). Er besteht aus einem 780 Sekunden dauernden City-Zyklus (städtische Bedingungen) und einem 400 Sekunden dauernden Überland-Zyklus (außerstädtischen Bedingungen). Die Umgebungstemperatur beträgt während der Messung 20 °C bis 30 °C. Kaltstartbedingung, Beschleunigungen und Verzögerungen werden erfasst (Vergleiche Quellenangabe) und entsprechend interpoliert.
Dieses Testverfahren soll gegenüber der früher üblichen Ermittlung des Energieverbrauches gemäß der alten DIN-Norm realitätsnäher sein, weil die Kaltstartphase mehr Berücksichtigung findet. Allerdings darf das gesamte Fahrzeug bis zu 6 Stunden auf bis zu 30 °C "vorkonditioniert" werden, wodurch die einfließende "Kaltstartphase" nicht mit dem Praxisverständnis eines Kaltstart bei Frost übereinstimmt. Außerdem gibt es nur wenige Vorgaben, die es den Herstellern verbieten, serienferne spritsparende Möglichkeiten wie besondere Leichtlauföle oder Spritsparreifen einzusetzen[2]. 2013 wurde eine Studie von T&E veröffentlicht, welche die von den Automobilherstellern ausgenutzte Flexibilitäten der Richtlinie auf gut verständliche Weise darstellt[3]. Einige Beispiele dafür sind:
- Entladen der Batterie im Zyklus.
- Verwendung des minimalen Fahrzeuggewichtes.
- Abzug der 4%igen Toleranz auf den Messwert.
Das führt laut T&E zu einer Differenz von 10-20% im Verbrauch (der Bericht ist diesbezüglich uneinheitlich). Während die USA die Praxinähe nachprüfen und dadurch zum Beispiel Hyundai-Kia 2012 für unrealistische Fahrwiderstandsangaben (Roll- und Luftwiderstand) bestraft wurden, werden in der EU die Angaben nicht hinterfragt[3].
DIN-Verbrauch Drittelmix
Früher war in Deutschland die Angabe des sogenannten „DIN-Verbrauchs“ üblich. Dieser bestand zu je einem Drittel aus einem aus verschiedenen Fahrphasen zusammengesetzten Fahrzyklus:
- 1/3 simulierter Stadtverkehr bis 50 km/h
- 1/3 konstant 90 km/h Landstraße im höchsten verfügbaren Gang
- 1/3 konstant 120 km/h Autobahn im höchsten verfügbaren Gang.
Der Fahrzyklus begann mit warmgefahrenem Motor ohne Berücksichtigung der Kaltstartphase. Diese Methode entsprach zwar nur selten dem tatsächlichen Fahrprofil (bei der RL93/116/EWG wird Ähnliches in geringerem Ausmaß bemängelt), hatte aber einen entscheidenden Vorteil: Auch der Laie konnte selbst hinreichend genau den Verbrauch seines Fahrzeugs bei 90 und 120 km/h feststellen und somit erkennen, ob nachteilig verbrauchsbeeinflussende Faktoren vorlagen.
Eine Gegenüberstellung der Flottenverbräuche des VDIK nach DIN und RL93/116/EWG zeigt im Gesamtdurchschnitt etwa 0,5 l/100 km Mehrverbrauch für die europäische Norm.[4]
Verbrauchsangaben für Elektrohybrid-Fahrzeuge - ECE-Norm R 101
Diese werden (Stand August 2011) anhand der ECE-Norm R 101 ermittelt. VCD, Autobild und andere kritisieren dieses Verfahren vehement:
„In ihr [dieser Norm] ist für Plug-in-Hybridautos ein gut elf Kilometer langer Fahrzyklus festgelegt: eine Stadt- und eine Überlandfahrt, die die Plug-ins zweimal durchfahren – mit vollen und mit leeren Akkus. Also zuerst mit dem Elektromotor, anschließend auch mit dem Verbrenner. Über eine Formel werden beide Werte kombiniert. Ein Problem bei dieser Art der Berechnung ist, dass das Plug-In-Fahrzeug im E-Betrieb keinen Sprit verbraucht, sondern Strom. Dieser Strom wird in der Emission des Fahrzeugs mit null eingerechnet. Das trifft auf die direkte Emission des Fahrzeugs zu, jedoch muss der Kunde den Strom zusätzlich bezahlen und dazu kann, je nach gewähltem Stromvertrag, dem Grad des Ausbaus von regenerativer Stromerzeugung, und dazu auch von der Netzauslastung, auch eine CO2-Emission des Stromerzeugers dem Kundenverbrauch zugerechnet werden. Eine Angabe über den Verbrauch in kW Strom pro 100 km wäre daher ebenfalls interessant. Das ist in der Norm jedoch bislang nicht abgebildet, und auch nicht so ohne Weiteres errechenbar.[5]“
Der Fehler liegt in der Nichtberücksichtigung der vorher eingeladenen elektrischen Energie. Dieser systemische Fehler führt deshalb zu sehr niedrigen Norm-Verbrauchswerten. Zum Beispiel wird für eine PS-starke Mercedes S-Klasse ein Normverbrauch von unter 4 Liter ermittelt.
Formel für Plug-in-Hybridautos nach ECE-Norm R 101:
C = (De x C1 + Dav x C2)/(De + Dav)
C = Gesamtverbrauch in l/100 km, C1 = Kraftstoffverbrauch bei voll aufgeladenem Akku, C2 = Kraftstoffverbrauch bei leerem Akku, De = rein elektrische Reichweite, Dav = 25 km (angenommene durchschnittliche Strecke zwischen zwei Akkuaufladungen)
Die Berücksichtigung des Schadstoffausstoßes bei der Stromproduktion (Übergang von Tank-to-Wheel zu Well-to-Wheel) würde allerdings zu einer Verzerrung zugunsten der Verbrennungsmotore führen, da die Aufwendungen für Produktion und Transport der Flüssigkraftstoffe bisher ebenso unberücksichtigt bleiben. Außerdem führt diese Betrachtungsweise zu unterschiedlichen Verbrauchsangaben, da die Aufwendungen zur Stromproduktion und Kraftstoffherstellung regional /in verschiedenen Ländern stark differieren, vom Fahrzeughersteller aber nicht beeinflussbar sind. Vor allem aber ist durch die zunehmende Nutzung regenerativer Energien ein quasi "automatischer" Einspareffekt bei E-Fahrzeugen gegeben, während ein Fahrzeug mit Verbrennungsmotor immer dieselbe Menge Kraftstoff pro 100 km verbrauchen und entsprechend CO2 emittieren wird. Möglich wäre eine Angabe in der Norm über den Energiebedarf pro 100 km in kWh. Auch der Energiegehalt von Benzin und Diesel ließe sich umrechnen. Dadurch würde dann auch sichtbar, wie ineffizient die Fahrzeuge mit Verbrennungsmotor noch immer mit der Menge chemisch gespeicherter Energie umgehen.
Realitätsbezug und Kritik
Die genormten Fahrzyklen stellen Durchschnittsprofile dar, um die Fahrzeuge untereinander vergleichen zu können. Sie stimmen oft nicht mit dem Nutzungsprofil des Kunden überein, insbesondere dann, wenn viel Kurzstrecken- und Stadtverkehr vorkommt. Der Verbrauch und die Emissionen bei Geschwindigkeiten über 120 km/h werden nicht gemessen und fließen nicht in die Durchschnittsberechnung ein. Je ungünstiger die Aerodynamik eines Fahrzeuges ist, desto steiler steigt der Verbrauch bei höheren Geschwindigkeiten an. Die im Zyklus durchgeführten Beschleunigungen von 0 auf 50 km/h innerhalb 26 Sekunden sind nicht realistisch, der Zyklus blendet so hohe Verbräuche und Schadstoffemissionen bei starken Beschleunigungen aus. Besonders bei Fahrzeugen mit höheren Fahrzeugmassen, z. B. SUV, ergeben sich so im Fahrzyklus deutlich geringe Verbrauchswerte als in der Praxis.
Die Verbrauchsermittlung nimmt eine energiesparende Fahrweise an. Fahrer, die diese nicht beherrschen bzw. nicht praktizieren wollen, erreichen die gemessenen Verbrauchsangaben im realen Betrieb nicht oder nur schwer. Zusatzverbraucher, insbesondere die Auto-Klimaanlage, werden beim Fahrzyklus nicht berücksichtigt (die Messung erfolgt mit ausgeschalteter Klimaanlage).
Bei Fahrzeugen mit Schaltgetriebe ist im Prüfzyklus die genaue Wahl der Gänge vorgeschrieben, weil davon ausgegangen wird, dass der Durchschnittsfahrer nicht immer den verbrauchsgünstigsten Gang wählt, sondern manchmal zu hochtourig fährt. Bei Fahrzeugen mit Schaltgetriebe und einer Schaltanzeige wird nach dieser geschaltet, wodurch mit deutlich geringerer Drehzahl gefahren wird und somit der Verbrauch geringer ausfällt. Bei Fahrzeugen mit Automatikgetriebe oder automatisierten Schaltgetrieben gibt es keine Vorgaben an die Wahl des Ganges, die Getriebesteuerung kann immer den verbrauchsgünstigsten Gang wählen. Vor allem handgeschaltete Fahrzeuge mit großvolumigen Motoren und/oder mit hoher Gesamtübersetzung werden so oft mit unnötig/unrealistisch hohen Drehzahlen geprüft, was zu erhöhten Messwerten gegenüber der Praxis beiträgt.
Laut einem Test des ADAC sind die Normangaben um bis zu 25 % zu optimistisch (= zu niedrig). [6]
Die Europäische Union sieht selbst den Bedarf, den NEFZ durch einen realistischen Zyklus zu ersetzen. Sie teilte im Juli 2008 mit, dieses Vorhaben langfristig im Rahmen einer geplanten weltweiten Harmonisierung der Fahrzyklen umsetzen zu wollen.[7]
WLTP
Der WLTP-Zyklus (Worldwide Harmonized Light Duty Test Procedure) soll diese Ziele weltweit erreichen, wird jedoch nicht vor 2017 in Kraft treten. Die Standardisierung betrifft neben dem eigentlichen Fahrzyklus (Harmonized driving Cycle) auch die Messprozedur (= Duty Test Procedure = DTP)[8].
Artemis-Zyklus
Um Verbrauch und Schadstoffausstoß realistischer zu bestimmen, wurde im Rahmen eines EU-Projekts ARTEMIS (Assessment and Reliability of Transport Emission Models and Inventory Systems), der gleichnamige Zyklus (CADC, Common Artemis Driving Cycle), entwickelt, der einen Stadtanteil mit realistischen Beschleunigungen, einen Landstraßenanteil und einen Autobahnanteil enthält. Dieser ist bislang nicht verbindlich.[9]
Fahrzyklen international
- Der US-Fahrzyklus FTP 75 (Federal Test Procedure) vom Jahr 1975 verfügt nicht über klar abgegrenzte Fahrzustände, sondern bildet eine reale Fahrt ab.
- In Japan wird der sogenannte 10-15 Mode verwendet - wie in Europa ein synthetischer Zyklus, jedoch mit abweichendem Verlauf.
Literatur
- Hans-Hermann Braess, Ulrich Seiffert: Vieweg Handbuch Kraftfahrzeugtechnik. 2. Auflage, Friedrich Vieweg & Sohn Verlagsgesellschaft mbH, Braunschweig/Wiesbaden, 2001, ISBN 3-528-13114-4
Quellen
- ↑ Richtlinie des Rates vom 20. März 1970: Zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über Maßnahmen gegen die Verunreinigung der Luft durch Emissionen von Kraftfahrzeugen Online-Version aufgerufen am 6. Februar 2007; 22:13.
- ↑ Handelsblatt, 15. März 2012: Spritverbrauch wie im Paradies, aufgerufen, 21. Mai 2012
- ↑ a b T&E, 13. März 2013: Mind the Gap! Why official car fuel economy figures don’t match up to reality, aufgerufen 18. April 2013
- ↑ Verband der Internationalen Kraftfahrzeughersteller e.V. (VDIK): Entwicklung des Kraftstoffverbrauchs der importierten Pkw und Kombi Online-Version aufgerufen am 6. Februar 2007; 14:50.
- ↑ Heft 32/2011 vom 12. August 2011, Seite 88: Zu grün, um wahr zu sein
- ↑ Focus 27. November 2007 Kraftstoffverbrauch Im Katalog hui, in der Praxis pfui
- ↑ Amtsblatt der Europäischen Union, Mitteilung über die Anwendung und die künftige Entwicklung der gemeinschaftlichen Rechtsvorschriften über Emissionen von Fahrzeugen für den Leichtverkehr und über den Zugang zu Reparatur- und Wartungsinformationen (Euro 5 und Euro 6), 2008/C 182/08, Punkt 10, PDF-Dokument
- ↑ Homepage der Arbeitsgruppe bei der UNECE
- ↑ M. André: "Real-world driving cycles for measuring cars pollutant emissions", Part A: The ARTEMIS European driving cycles, Report INRETS-LTE 0411, Juni 2004, PDF