Die Wiener Wasserversorgung wird durch zwei Hochquellenwasserleitungen, die täglich den durchschnittlichen Tagesverbrauch von rund 400.000 m³ Wasser in die Stadt leiten, sowie zwei weiteren, kleineren Quellen, die in Ausnahmefällen ins Leitungssystem der Stadt eingespeist werden, gewährleistet. Abgeleitet wird das Wasser durch die Wiener Kanalisation.
Geschichte
Bereits zur Römerzeit versorgte eine mehrere Kilometer lange Wasserleitung das damalige Castell Vindobona. So wurde das Wasser aus dem Gebiet des heutigen Perchtoldsdorf und Gumpoldskirchen an der Thermenlinie bezogen. Es waren bereits etwa 5.000 m³ täglich. Nach dem Ende der römischen Herrschaft verfiel das unterirdische Leitungssystem allerdings, und vom Mittelalter bis ins beginnende 16. Jahrhundert hinein wurde der Wasserbedarf wieder aus Hausbrunnen gedeckt. Durch den lehmigen Untergrund und die damaligen hygienischen Bedingungen wurde die Qualität des Wassers der Brunnen aber laufend schlechter.
Erst nach dem großen Brand im Jahre 1525 wurde wieder über die Errichtung eines Wasserverteilungssystems nachgedacht, vor allem um die Löschwasserkapazitäten zu erhöhen. 1562 erhielt der kaiserliche Hof schließlich als erster seine eigene Wasserzuleitung durch die Siebenbrunner Hofwasserleitung, die im Auftrag König Ferdinand I. errichtet wurde. Das Wasser wurde in sieben Brunnen in Oberreinprechtsdorf (Bezirksteil von Margareten) gesammelt und in gusseisernen Rohren zu einem Reservoir unter der Augustinerbastei in Wien geleitet, von wo es wiederum in die Hofburg weitergeleitet wurde.
Ab 1565 wurde mit der Hernalser Wasserleitung schließlich auch für die Bevölkerung Frischwasser zugeleitet. Von den ursprünglichen 1.500 m³ pro Tag blieben später nur 45 m³. Das Wasser wurde nun aus öffentlichen Brunnen von so genannten Wassermännern und Wasserfrauen verkauft. Kaiser Karl VI. hingegen ließ sich das Wasser aus Kaiserbrunn von Wasserreitern in Bottichen bringen. Von der Quelle, die der Kaiser bei einer Jagd entdeckte, dauerten diese Transporte jeweils zweieinhalb Tage.
Im 17. Jahrhundert versorgte der Brunnen am Neuen Markt, welcher von einer Quellenleitung gespeist wurde, die ersten Stadtteile mittels einiger kleineren Wasserleitungen mit Frischwasser. Dies blieb bis weit ins 19. Jahrhundert hinein das einzige Wasserleitungssystem innerhalb von Wien. So genannte Wasserer - sie verkauften Wasser aus Tanks auf ihren Pferdewägen, mit welchen sie durch die Stadt fuhren - und Hausbrunnen versorgten weiterhin den größten Teil der Bevölkerung mit Wasser. Im Jahr 1804 wurden erstmals auch die damaligen Vorstädte dank der Albertinischen Wasserleitung von Hütteldorf aus mit Wasser versorgt. Da mit dem Wachstum der Stadt auch die Verschmutzung zunahm, kam es 1830 erstmals zu einer Cholera-Epidemie in Wien, an welcher bis Dezember 1831 rund 2 000 Menschen starben.
Zwischen 1835 und 1841 schließlich wurde das erste flächendeckende Wasserleitungssystem Wiens gebaut: Die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung, welche täglich 20.000 m³ filtriertes Donauwasser in die Stadt brachte. Das Wachstum der Stadt überforderte dieses System allerdings schon bald - pro Tag waren nur etwa vier bis fünf Liter für jeden Bewohner möglich. Da das Wasser aus dem nahegelegenen Donaukanal entnommen wurde, war das Wasser auch nicht viel reiner als das aus den Hausbrunnen. Viele Typhus- und Cholerafälle zwangen zum Handeln.
Erste Hochquellenwasserleitung
Als 1861 bereits die siebenfache Menge dessen, was die Kaiser-Ferdinands-Wasserleitung lieferte, notwendig war, kam es zu einer öffentlichen Ausschreibung in der Wiener Zeitung für ein neues Wasserversorgungssystem. Es gewann das Projekt des Wiener Geologen und Gemeinderat Eduard Suess und seines Mitarbeiters Karl Junker, welches eine 120 km lange Fernleitung, Wasserspeicher, und ein Verteilungssystem beinhaltete. Der Wiener Gemeinderat stimmte dem Projekt am 12. Juli 1864 zu.
Die Bauarbeiten begannen 1870, und nur drei Jahre später war die vom Rax-Schneeberg-Gebiet entlang der Thermenlinie nach Wien führende Wasserleitung fertig, und wurde anlässlich der Weltausstellung am 23. Oktober 1873 als Europas größte Wasserleitung von Kaiser Franz Joseph I. eröffnet. Zur Erinnerung an dieses Bauwerk wurde in Wien der Hochstrahlbrunnen am Schwarzenbergplatz errichtet.
Bereits 1888 waren 90 % der Wohnhäuser des damaligen Wiens an das Netz angeschlossen. In jeder Etage gab es einen Wasserhahn mit Emaillebecken - die noch heute in zahlreichen Häusern dieser Zeit vorhandene Bassena.
Die Quellen der größtenteils mit Ziegelmauerwerk erbauten Kaiser Franz Josefs-Wasserleitung, wie die 1. Hochquellenwasserleitung ursprünglich hieß, liegen bei Kaiserbrunn im Schwarzatal. Im Laufe der Jahre wurden noch weitere Quellen, wie die in Gußwerk oder am Fuß der Schneealpe, in die erste Hochquellenwasserleitung eingespeist. Der Verlauf führt von Kaiserbrunn über Hirschwang durch das Höllental mittels 3 km langen Stollen weiter über Payerbach, Neunkirchen, Bad Vöslau, Baden, Mödling bis in die Wasserspeicher wie den Hochbehälter am Rosenhügel im 13. Wiener Gemeindebezirk, von wo es dann weiterverteilt wird. Die Transportdauer ist 24 Stunden, bis das Wasser in Wien eintrifft. Es erwärmt sich dabei um 1,5 - 2 °C. Da das Wasser die gesamte Strecke über in freiem Gefälle fließt, waren keine Pumpstationen notwendig. Im Laufe der Jahre wurden noch weitere Quellen wie in Gußwerk oder Quellen am Fuß der Schneealpe in die Stadt eingeleitet, wo es zunächst in die Wasserspeicher wie den am Rosenhügel gelangt, und von dort aus verteilt wird.
In den Jahren 1953 - 1959 wurde in Neusiedl am Steinfeld ein weiterer Zwischenbehälter mit einem Fassungsvermögen von 600.000 m³ errichtet, der einer der größten Wasserbehälter Europas ist.
Durch die rasante Stadtentwicklung wurde die erste Hochquellenwasserleitung aber bald zu schwach. Deshalb wurde bereits am Anfang des 20. Jahrhunderts die zweite Hochquellenwasserleitung errichtet.
Entlang der I. Hochquellenwasserleitung ist auch ein Wanderweg eingerichtet, der von Kaiserbrunn bis Mödling führt.
Zweite Hochquellenwasserleitung
Die zweite Hochquellenwasserleitung wird von Quellen im Hochschwabgebiet gespeist. Sie wurde 1910 ebenfalls von Kaiser Franz Joseph eröffnet. Auch diese hat ausreichend Gefälle bis Wien, sodass keine Pumpen benötigt werden. Da bereits im Quellgebiet große Höhenunterschiede vorhanden sind, werden mit dem Wasser auch Turbinen als Druckbremse angetrieben, die die Umgebung von Wildalpen bis Mariazell mit Strom versorgen. Die 170 km lange Leitung, die großteils aus Stein gemauerten Stollen besteht, führt über 120 Aquädukte. Das Wasser benötigt ungefähr 36 Stunden für die Strecke aus dem Quellengebiet bis Wien. Auch bei der Zuleitung in den Hochbehälter in Lainz ist der Druck des Zulaufes so stark, dass dort ebenfalls eine Turbine eingebaut wurde, welche jetzt wieder reaktiviert werden soll, um die Energie zu nutzen.
Die größte der Quellen ist die Kläfferquelle am Fuß des Hochschwab im steirischen Salzatal, die bei Schneeschmelze eine Schüttung von 10.000 l/sek hat (das sind ca. 860.000 m³ oder 860 mio. Liter pro Tag - pro Einwohner Wiens 600 Liter) und damit zu den größten Trinkwasserquellen Europas zählt. Allerdings hat die Leitung nur ein Fassungsvermögen von 210.000 m³ täglich.
Der Verlauf der Leitung führt von Wildalpen, Lunz am See, Scheibbs, Wilhelmsburg, Neulengbach über Preßbaum nach Wien.
Der größte Teil des Quellengebietes gehört der Gemeinde Wien, die es vom Stift Admont gekauft hatte.
Allgemeines
Täglich wird über diese beiden Leitungen eine Wassermenge von ungefähr 400.000 m³, was dem durchschnittlichen Tagesbedarf der Stadt entspricht, transportiert.
Hochbehälter
Etwa dreißig Hochbehälter können die Stadt, die in verschiedene Höhenzonen eingeteilt ist, ebenfalls ohne Pumpen bis in die oberen Stockwerke versorgen. Nur wenige Hochzonen müssen mit Pumpen versorgt werden. So beispielsweise die Wohntürme in Alt-Erlaa oder der Millennium Tower, welche hauseigene Pumpen besitzen. Einer dieser Hochbehälter war der markante Wiener Wasserturm am Wienerberg. Mittlerweile ist er aber stillgelegt und von anderen abgelöst worden. Durch die vielen Behälter kann an Tagesspitzen ein Bedarf bis 600.000 m³ abgedeckt werden.
Wasserqualität
Das Wasser der beiden Hochquellenwasserleitungen ist so sauber, dass es nicht aufbereitet werden muss. Da das Wasser aus einem reinen Karstgebiet kommt, ist die Durchflussgeschwindigkeit durch den Boden sehr hoch. Da das Wasser nach 8 - 10 Stunden bereits wieder aus der Quelle fließt, ist die Reinigungswirkung nicht so stark. Dafür ist das Wasser aber mit 7 - 8 deutsche Härtegrade sehr weich. Um trotzdem jederzeit sauberes Trinkwasser zu haben, wurde bereits 1965 das Quellgebiet in einer Größe von 600 km² als Wasserschutzgebiet deklariert. Außerdem arbeitet die Verwaltung sehr eng mit der Forstverwaltung der Stadt Wien zusammen, um zielgerichtete Aufforstungen zu betreiben, die eine bessere Bildung von Humus zu erreichen, der das Wasser besser als der Kalkboden reinigt. Außerdem hat sich die Verwaltung auch an einer fachgerechten Wasserentsorgung der in dem Gebiet liegenden Schutzhütten beteiligt.
Weitere Quellen
Seit 1966 kann in Sonderfällen, wie z.B. bei Wartungsarbeiten oder der sogenannten Abkehr, aber auch bei außergewöhnlich hohem Wasserverbrauch auf die Tiefbrunnen in der Lobau zurückgegriffen werden. Die Leitung von dort her wird als dritte Wiener Wasserleitung bezeichnet. Das Wasser ist ein Uferfiltrat der Donau, das eine viel längere Durchlaufzeit von der Oberfläche hat und etwas härter ist.
In den 1970er- Jahren wurden im östlichen Wiener Becken, der Mitterndorfer Senke, Grundwasserseen erschlossen. Auf Grund der Grundwasserverunreinigungen, u.a. durch die ehemalige Fischer-Deponie, muss dieses Wasser jedoch aufbereitet werden. Die vielen Tests und Verfahren dauerten bereits bis 2004, so dass sie erst ab 2005 Wasser liefert.
Museen
In Kaiserbrunn und in Wildalpen sind zwei Museen, die sich speziell mit dem Bau und dem Betrieb der Wasserleitung beschäftigen, eingerichtet:
- Wasserleitungsmuseum Kaiserbrunnn in Reichenau an der Rax
- Wasserleitungsmuseum Wildalpen
- der Wasserturm am Wienerberg wird für regelmäßige Ausstellungen genutzt, die allerdings nichts mit der Wasserversorgung zu tun haben.
Literatur
- Drennig, A. (1973): Die I. Wiener Hochquellenwasserleitung. Festschrift herausgegeben vom Magistrat der Stadt Wien, Abt. 31 - Wasserwerke, aus Anlaß der 100-Jahr-Feier am 24. Oktober 1973. Jugend und Volk, Wien.
- Drennig, A. (1988): Die II. Wiener Hochquellenwasserleitung. Festschrift herausgegeben vom Magistrat der Stadt Wien, Abt. 31 - Wasserwerke. Compress-Verlag, Wien.