Inuit
Das Wort Inuit bedeutet Menschen. Es bezeichnet verschiedene zirkumpolar lebende Volksgruppen - in der Arktis rund um den Nordpol. Analog wird die Bezeichnung Eskimo(s) verwendet, doch ist dabei zu beachten, dass die beiden Begriffe Inuit und Eskimo verschiedentlich nicht ganz deckungsgleich verwendet werden - dann nämlich, wenn auch entfernter verwandte arktische Volksgruppen mit einbezogen werden, die wie die Inuit traditionell von einer Jagdkultur geprägt sind.
![]() |
![]() |
![]() |
![]() |
Die Zahl der Inuit wird heute auf etwa 150.000 veranschlagt. Davon leben auf Grönland etwa 50.000 Inuit, ebenso viele in Kanada - im Territorium Nunavut etwa 25.000, in den Nordwest-Territorien, im Territorium Yukon, im Gebiet Nunavik (Nord-Québec) und auf Labrador zusammen ebenfalls etwa 25.000 - sowie in Alaska etwa 30.000. Eine Gruppe von 10-20.000 lebt in Tschukotka (nordöstliches Sibirien). Die Inuit führen regional unterschiedliche Bezeichnungen: Inuit in Nord- und Nordostkanada, Inuit und spezieller Kalaallit auf Grönland, Yupik in Sibirien und Teilen Alaskas, Inupiat im übrigen Alaska und in Nordwestkanada..
Erklärung des Namens
Inuit ist in Inuktitut das Wort für Menschen; die Einzahl lautet Inuk, Mensch - zwei Menschen sind Inuuk. Die bislang noch bekanntere Bezeichnung Eskimo stammt aus der Sprache der Cree- und Algonkin-Indianer, die - räumlich benachbart siedelnd - immer wieder Auseinandersetzungen mit den Inuit hatten. Das Wort wird üblicherweise als Rohfleischesser gedeutet, neuerdings auch als Schneeschuhflechter - doch ergibt letztere Deutung nur Sinn für Alaska-Eskimos, da die Inuit im Norden und Nordosten Kanadas vor der Kontaktzeit mit Qallunaat (d. s. aus dem Süden kommende Nicht-Inuit) über keine entsprechenden Rohmaterialien verfügten. Eskimo in der Bedeutung Rohfleischesser wird von vielen, doch längst nicht von allen Inuit als herabsetzend angesehen. In Nordamerika, doch auch in der übrigen Welt wird der Begriff Eskimo immer seltener benutzt, vor allem nachdem die Inuit seit den 1950er-Jahren politisch und kulturell zunehmend ins öffentliche Interesse rückten.
Herkunft der Inuit
Die Herkunft der Vorfahren der Inuit ist nicht genau bekannt. Bei Inuit-Kleinkindern ist jedoch noch heute ein "Mongolenfleck" sichtbar, was jedoch nicht als genetische Verwandtschaft mit asiatischen Völkern gedeutet werden kann.
Als sicher gilt heute, dass "Paläo-Eskimos" etwa 3000 v.Chr. (nach der letzten, etwa 10000 v.Chr. endenden Eiszeit) von Asien aus über die Beringstraße nach Alaska (Nordamerika) einwanderten. Sie sind also deutlich später als die Indianer auf den amerikanischen Kontinent gelangt (Paläo-Indianer ca. 28000 v.Chr., Athabasken-Indianer ca. 12000 v.Chr.). Um etwa 2000 v.Chr. (Klima der Arktis wärmer als heute) wanderte dann ein Teil der Paläo-Eskimos von Alaska bis nach Grönland; es entwickelte sich die "Independence-Kultur" und die "Prä-Dorset-Kultur", später (500 v.Chr. bis 1000 n.Chr.) die "Dorset-Kultur" (so nach Fundstücken nahe der heutigen Südbaffin-Siedlung Cape Dorset benannt).
Parallel dazu (2000 v.Chr. bis 1000 n.Chr.) entwickelte sich im durch pazifischen Einfluss wärmeren Alaska eine "Neo-Eskimo-Kultur". Um ca. 1000 n.Chr. folgte eine neuerliche Wanderung von Alaska-Eskimos über Nordkanada bis Grönland (Klima deutlich wärmer als heute). Sie waren den Dorset-Eskimos, deren Entwicklung langsamer fortgeschritten war, deutlich überlegen und verdrängen sie oder vermischen sich mit ihnen. Ihre Kultur wird nach Fundstücken nahe der nordgrönländischen Siedlung Thule als "Thule-Kultur" bezeichnet; Zeitdauer der Thule-Kultur von etwa 1000 bis etwa 1500 (bis zum Beginn der "Kleinen Eiszeit" - um 1550-1850). Die "Thule-Eskimos" sind die direkten Vorfahren der heutigen Inuit. Der folgende Zeitraum von 1500 bis 1900 gilt als "Inuit-Frühgeschichte".
Traditionelle Lebensweise
Die Inuit haben eine relativ einheitliche (Jagd-) Kultur, die lange Zeit auf dem Jagen von Meeressäugern (Robben, Walrosse, Wale, Eisbären), aber auch von Landtieren (Karibus) basierte. Wichtigste Jagdwaffe war die Harpune. Daneben betrieben sie Fischfang und sammelten Früchte. Das Verfolgen jagdbarer Tiere war der Grund für ihre nomadische Lebensweise; in Zeiten ausreichender Jagdwildvorkommen lebten sie ortsfest.
Zur Fortbewegung auf dem Wasser nutzten sie den Kajak oder den vielsitzigen Umiak (Frauenboot); auf dem Land und dem Meereseis diente ihnen im Winter der von Hunden, den Huskies, gezogene Qamutik (Schlitten) als Transportmittel. Im Sommer dienten die Hunde als Tragetiere.
Die meisten Inuit lebten als Familiengruppen in Camps - während des Winters im Qarmaq (Plural: Qarmait), einer Behausung, die je nach Region und verfügbarem Material aus Stein, Gras- und Erdsoden, niedrigem Gestrüpp, gelegentlichem Treibholz und Walknochen erbaut und mit Schnee abgedichtet wurden. Schneehäuser (Iglus) dienten in der Regel nicht als permanente Winterunterkünfte, sondern wurden auf Reisen angelegt. Im Sommer lebte man im luftdurchlässigeren Zelt, das aus Fellen mit Walknochenstangen errichtet wurde. Elemente polarer Kultur waren im übrigen u.a. das Langhaus und die mit Öl aus dem Speck von Meeressäugern betriebene Serpentin-Öllampe (Qulliq).
Kulturelle Umwälzungen
Über das Zusammentreffen der Inuit-Kultur mit der Kultur der Weißen wird im Zusammenhang mit der zunehmenden „Emanzipation“ der Inuit viel geschrieben, und das durchaus nicht immer frei von Ideologie. Häufig werden geschichtliche Zusammenhänge auch verkürzt dargestellt, um etwa ein einzelnes Faktum hervorzuheben, worunter zwangsläufig die Gesamtschau leidet.
Seit dem 2. Weltkrieg unterliegt die Inuit-Kultur starken Umwälzungen: Das Nomadenleben ist seit Ende der 1960er-Jahre praktisch zu Ende, und die Inuit bewohnen heute im Süden Kanadas vorgefertigte, wegen des Permafrosts auf Stelzen errichteten Siedlungshäusern. Diese Häuser werden mit Ölöfen beheizt (jedes Haus mit Heizölvorratstank). Frischwasser wird mit dem Tanklastwagen gebracht, und das verbrauchte Wasser wird ebenfalls mit Tanklastern abtransportiert. Kochplatz mit Elektroherd, Spüle, Gefrierschrank, Waschraum mit Dusche und/oder Badewanne und Spültoilette, selbst Waschmaschine und Wäschetrockner sind üblich. Das TV-Gerät läuft fast rund um die Uhr. Korrespondenzen werden mit Hilfe von Fax-Geräten und E-Mail-Anschlüssen erledigt.
Schlittenhunde (anders als in Nord-Grönland heute in Nunavut eher ein Luxus) wurden durch Schneemobile, Kajak und Umiak durch fabrikgefertigte Kanus mit Außenbordmotoren abgelöst, und Sommerreisen werden nicht mehr zu Fuß, sondern mit dem ATV (All-Terrain Vehicle, „Quad“) unternommen. Die Jagd auf Grönlandwale findet aufgrund internationaler Schutzmaßnahmen nur noch sporadisch nach strengen staatlichen, auf einer Übereinkunft beruhenden Regeln zur Aufrechterhaltung von Tradition statt (Nunavut: fünf Grönlandwale innerhalb von zehn Jahren). Traditioneller Handel mit Robben- und Fuchsfellen sowie mit Handarbeiten aus Walross- und Narwal-Elfenbein sind infolge Boykotts durch viele Staaten (aus Tierschutzgründen) praktisch zum Erliegen gekommen.
Dafür sind jedoch seit der 2. Hälfte der 1950er Jahre Inuit-Kunst und Inuit-Kunsthandwerk wichtige Quellen der Wertschöpfung geworden. Serpentin- und Marmorskulpturen, Kunstgrafik, Wandbehänge und -teppiche (u.a. aus Baker Lake, Arviat und Pangnirtung), Schmuck, Keramiken und Puppen geben heute einer großen Zahl von Inuit-Künstlern und -Künstlerinnen aller Generationen neben Jagen und Fischen eine wesentliche Lebensgrundlage. International bekannt wurden als Inuit-Künstler z.B. aus den Nunavut-Siedlungen Arviat: George Arluk, Lucy Tassiur Tutswituk; Baker Lake: Barnabus Arnasungaaq, Irene Avaalaaqiaq, Jessie Oonark (+); Cape Dorset: Kenojuak Ashevak, Pitseolak Ashoona (+), Nuna Parr, Kananginak Pootoogook, Pauta Saila, Aqjangajuk Shaa, Toonoo Sharky, Uvilu Tunnillie; Iglulik: Germaine Arnaktauyok (heute in Yellowknife wohnhaft); Pangnirtung: Andrew Qappik.
Eine positive Entwicklung sowohl auf wirtschaftlichem wie auf kulturellem Gebiet erhoffen sich die Inuit im Nordosten Kanadas von der Bildung des Territoriums Nunavut, das seit 1. April 1999 besteht und von den Inuit selbst verwaltet wird. Besonderer Wert wird hier auch auf die Pflege von Inuit-Tradition gelegt.
Daneben gibt es auch staatenübergreifende Bewegungen, welche die Kultur der Inuit bewahren und ihre politischen Forderungen koordinieren sollen, z.B. die Inuit Circumpolar Conference (ICC). Als sehr bedeutsames Problem wird der Treibhauseffekt angesehen, der nicht nur das traditionelle Leben der Inuit wesentlich zu verändern scheint, sondern auch Tier- und Pflanzenwelt stark beeinflusst. Die Regierung des Territoriums Nunavut, allen voran Premierminister Paul Okalik, zeigt daher essentielles Interesse daran, wie sich das Kyoto-Protokoll weiterentwickeln und seine Ziele erreichen wird.
Siehe auch
Literatur
Weblinks
- Regierung von Groenland (dän./inuk.)
- Regierung von Nunavut (engl./inuk.]
- Regierung von Kativik, Québec (engl./frz./inuk.]
- Inuit Tapiriit Kanatami - Vertretung der Inuit in Kanada (englisch)
- Inuit - Eskimo Religion Beschreibung der Religion und Demographie der Inuit (englisch)
- Inuit-Kultur - Abriß der Geschichte; Lebensweise der Inuit früher und heute im Vergleich