Murat Kurnaz

türkischer Staatsbürger; in Guantánamo-Bay auf Kuba inhaftiert (2002–2006)
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 17. Dezember 2005 um 13:42 Uhr durch 85.212.162.138 (Diskussion) (Weblinks: Interview mit Kurnazs Rechtsanwalt Bernhard Docke hinzugefügt). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Lebenslauf

Murat Kurnaz wurde 1982 in Bremen geboren und ist dort bei seinen Eltern in Bremen aufgewachsen. Er ist anerkannter Deutsch-Türke und hat seinen Wohnsitz in Deutschland. Seine Eltern Rabiye und Metin Kurnaz kamen in den 70er Jahren als Gastarbeiter nach Deutschland. Murat Kurnaz ging in Bremen zur Schule, interessierte sich für Sport, spielte Keyboard und Gitarre in einer Band, besuchte die türkische Moschee vor Ort in Bremen und erhielt eine Ausbildung zum Schiffbauer. Seine Mutter beschreibt ihn als "hilfsbereiten, gutgläubigen und aufrichtigen Menschen, der andere stets mit Respekt behandelte".

Verschleppung von Deutschland nach Guantanamo Bay

Der Bremer Murat Kurnaz ist der einzige Gefangene aus Deutschland, der seit Januar 2002 rechtswidrig auf der US-amerikanischen Militärbasis Guantanamo Bay auf Kuba gefangen gehalten wird.

Im Juli 2001 reiste Kurnaz von Deutschland in die Türkei, um dort seine Verlobte zu heiraten. Nach der Hochzeit kehrte Kurnaz ohne seiner Ehefrau wieder nach Bremen zurück, um dort die Einreiseformalitäten seiner Ehefrau für den Dezember 2001 bei den deutschen Behörden zu klären. Aufgrund seiner Ehe entwickelte sich Murat Kurnaz zu einem streng gläubigen Muslim.[1]

Am 3. Oktober 2001 reiste der damals 19-jährige von Bremen nach Pakistan, um sich bei mehreren Koranschulen über den Koran zu informieren.[2]

Dort in Pakistan wurde Kurnaz Ende November 2001 bei einer Routinekontrolle von der pakistanischen Polizei festgenommen und einige Wochen später nach Afghanistan verschleppt, um ihn an die US-Behörde zu übergeben. Rabiye Kurnaz, Mutter von Murat Kurnaz, erhielt eine Postkarte von ihrem Sohn, in der er schrieb, dass er in einem Gefangenenlager in Afghanistan sei. Er wurde mit anderen Gefangenen in einem umzäunten Pferch im Freien gefangen gehalten und zehn Tagelang gezwungen, im afghanischen Winter nichts als kurze Hosen zu tragen.[3]

Murat wurde ohne Gerichtsverfahren als "feindlicher Kämpfer" eingestuft und im Januar 2002 vom US-Häftlingslager in Afghanistan nach Guantanamo Bay weiterverschleppt. Seitdem wird er dort festgehalten. Die nächste Postkarte an Murats Eltern in Bremen kam im Januar 2002 von dem US-Marinestützpunkt Guantanamo Bay auf Kuba.

Bis heute ist unklar, was Murat Kurnaz von den US-Behörden konkret vorgeworfen wird. Beweise für eine Beteiligung an Gewalttaten wurden nicht vorgebracht. Er wird von den US-Regierung als "feindlicher Kämpfer" bezeichnet. Der Begriff, von George W. Bush im "Krieg gegen den Terrorismus" eingeführt, beschreibt die Tatsache, dass sich die USA mit der Inhaftierung der Betroffenen in einer rechtlichen Grauzone befinden, da ihre Rechte stark eingeschränkt sind. Sie dürfen z.B. keinen eigenen Anwalt beschäftigen, sich mit ihm alleine unterhalten, ihre Angehörigen sehen und sie werden vor einem Militärgericht angeklagt. Sein Anwalt, Bernhard Docke, klagte erfolgreich zusammen mit den Anwälten anderer Guantanamo-Gefangenen dagegen vor dem US-amerikanischem Verfassungsgericht. So stellte die US Bundesrichterin Green am 31. Januar 2005 fest, das die Einstufung Murat Kurnaz' als feindlicher Kämpfer unbegründet und damit seine Inhaftierung rechtswidrig ist. Am 9. Februar legte die US-Regierung jedoch Berufung gegen dieses Urteil ein, über die das Bundesberufungsgericht im September 2005 verhandeln will. Danach ist noch die Anrufung des Supreme Court möglich, so dass sich das Verfahren (und damit auch die Haft) noch lange hinziehen könnte.

Die Karlsruher Bundesanwaltschaft stellte bereits im Frühjahr 2002 ein Ermittlungsverfahren gegen ihn ein, weil es "keinen Hinweis auf radikal-fundamentalistische Vorgangsweisen" gebe.

Kritik an die deutsche und türkische Regierungen

Im Zusammenhang mit Murats Gefangenschaft wird sowohl die deutsche als auch die türkische Regierung wegen Passivität kritisiert. Beide fühlten sich für ihn nicht zuständig. Die Bundesregierung sah in ihm nach offizieller Darstellung nur einen türkischen Staatsbürger, da er obwohl der Sohn türkische Gastarbeiter sich noch nicht um eine Staatsbürgerschaft gekümmert hatte. Die türkische Regierung wiederum sah in ihm einen Deutschen, weil er in Bremen geboren und 19 Jahre lange aufgewachsen ist. Am 14. Dezember 2005 wurde jedoch bekannt, daß bundesdeutsche Geheimdienstmitarbeiter, offenbar vom Bundesnachrichtendienst, an Verhören Kurnaz' im Lager Guantanamo Bay beteiligt waren.

Der Innensenator Bremens, Thomas Röwekamp, hat im August 2004 angekündigt, dass Murat nach seiner Freilassung nicht wieder nach Deutschland einreisen könne, da seine unbefristete Aufenthaltsgenehmigung nicht mehr gültig sei. Kurnaz habe die gesetzlich vorgeschriebene Fristverlängerung nicht beantragt. Aus der Haft heraus war es ihm jedoch unmöglich, die Verlängerung zu beantragen. Das Bremer Verwaltungsgericht entschied daher im November 2005, dass die Aufenthaltserlaubnis weiterhin gültig ist.

Siehe auch