Autonomie Südtirols

Rechte, die der Region Trentino-Südtirol und dem Land Südtirol weitreichende Selbstverwaltung des öffentlichen Lebens ermöglichen
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Das Zweite Autonomiestatut oder Südtirol-Paket ist nach zähen Verhandlungen zwischen der österreichischen und der italienischen Regierung am 20. Jänner 1972 in Kraft getreten.

Es regelt als Zusatzvertrag zum Gruber-De-Gasperi-Abkommen von 1946 alle Belange der Autonomie der Provinzen Bozen-Südtirol und Trient.

Vorgeschichte

Nachdem Österreich vor der UNO über den Bruch des Gruber-De Gasperi-Abkommens klagte, fordete diese mit der (UN-Resolution VII Res. 1497/XV vom 31. Oktober 1960) die italienische und österreichische Regierung auf, sich zu einigen.

In der Folge konstituierte sich am 1. September 1961 die Neunzehnerkommission. Sie bestand aus elf Italienern, sieben Südtirolern und einem Ladiner. Den Vorsitz hatte der Senator Dr. Rossi inne. Die Einrichtung dieser Kommission wurde zunächst als geeignete Maßnahme gesehen, Österreich aus der Südtirol Frage fernzuhalten (siehe Geschichte Südtirols), sie erarbeitete jedoch einen stufenweisen Plan zur konkreten Umsetzung der Autonomie, das sogenannte Südtirol-Paket, der sowohl für Österreich, als auch für Italien und für die Südtiroler akzeptabel sein sollte. Die Ergebnisse der Kommission wurden nach über drei Jahren Arbeit am 10. April 1964 an den damaligen italienischen Ministerpräsidenten Aldo Moro überreicht.

Am 16. Dezember 1964 treffen sich die Außenminister Italiens und Österreichs, Saragat und Kreisky auf einer Geheimkonferenz in Paris. Dabei werden die Vorschläge der Neunzehnerkommission gutgeheißen und man einigt sich grundsätzlich auf die Durchführung des Pakets. In der Folge spricht Kreisky am 8. Januar 1965 in Innsbruck mit Vertretern aus Nord- und Südtirol und empfiehlt ihnen die Annahme des Pakets. Dies wurde jedoch bereits im Vorfeld des Treffens abgelehnt, ohne jedoch Kreisky darüber zu informieren. Dieser verliert daraufhin erzürnt jegliches Interesse an der Südtirolpolitik.

Die Neunzehnerkommission sah in ihren Durchführungsvorschlägen auch vor, das Reformpaket international zu verankern. Während Italien dies kategorisch ablehnte, beharrte Österreich zunächst darauf, um der Forderung der SVP vom März 1967 gerecht zu werden. Die geheimen Verhandlungen über diesen Punkt zogen sich insgesamt über Jahre hin, bis sich gegen Ende der 1960er Jahre ein Nachgeben Österreichs abzeichnete.

Am 13. Mai 1969 findet am Rande einer Ministerkonferenz des Europarates schließlich ein Treffen der beiden Außenminister Pietro Nenni und Kurt Waldheim statt. Dort einigt man sich erstmals über den Operationskalender. Operationskalender ist ein, von italienischer Seite geprägter Begriff, der die Summe der Paketänderungen ohne die strittige internationale Einigung meint.

Genehmigungsphase

Vor seiner endgültigen Genehmigung musste dieses Paket von den Regierungen Südtirols, Italiens und Österreichs ratifiziert werden. Im Oktober 1969 trifft sich der Parteiausschuss der Südtiroler Volkspartei und empfiehlt mit 41 zu 23 Gegenstimmen der Landesversammlung die Annahme des Operationskalenders zu empfehlen. Diese Landesversammlung findet schließlich am 22. und 23. November 1969 im Meraner Kursaal statt. Aus der ganzen Region trafen Delegierte ein, um an dieser Urabstimmung teilzunehmen. In einer flammenden Debatte wird in den frühen Morgenstunden des 23. November schließlich die Durchführung des Operationskalenders beschlossen. Die Paketbefürworter um Silvius Magnago, Roland Riz und Friedl Volgger setzen sich mit 583 (52,8%) Stimmen gegenüber den Paketgegner um Alfons Benedikter und Peter Brugger durch, die 492 Stimmen (44,6%) erreichen.

Wenige Tage später, treffen sich am 30. November 1969 erneut Kurt Waldheim und Aldo Moro in Kopenhagen und beschließen den Zeitplan zur Durchführung des Operationskalenders. Nur wenige Tage später, wird in einer formellen Abstimmung am 3. Dezember die breite Zustimmung für das Paket auch im italienischen Parlament gegeben. Dem Antrag von Ministerpräsident Mariano Rumor stimmen 269 Abgeordnete zu, dagegen stimmen 26 und 88 Abgeordnete enthalten sich der Stimme. Kurz darauf zieht Italien am 8. Dezember das EWG-Veto gegen Österreich zurück.

Wesentlich umstrittener war die Abstimmung hingegen in Österreich. Anzunehmen wäre, dass nach Zustimmung Südtirols die Abstimmung im österreichischen Nationalrat nur noch Formsache sein sollte, aus verschiedenen, teils innenpolitischen Gründen war dem jedoch keineswegs so. Nach der Enttäuschung Kreiskys über seine Abfuhr 1964 (siehe weiter oben) und Regierungsumbildungen, war die SPÖ seit 1966 auf Totalopposition zur, mit absoluter Mehrheit regierenden, ÖVP. So hatte die SPÖ auch versucht, Weiterentwicklungen zur Paketfrage zu blockieren, unter anderem wurde sogar die Spaltung der SVP versucht. Weiterhin standen Wahlen kurz bevor (aus denen Kreisky später als Sieger herausgehen sollte). Am 15. Dezember brachte Bundeskanzler Klaus die Abstimmung vor den Nationalrat. Erwartungsgemäß stellte die SPÖ daraufhin den Antrag, das gesamte Paket, vom Pariser Vertrag bis zum Operationskalender dem Internationalen Gerichtshof vorzulegen. Dieser Antrag konnte nur mit Regierungsmehrheit der ÖVP abgewendet werden, dem Antrag stimmten 79 Abgeordnete (73 der SPÖ, 6 der FPÖ) zu, dagegen waren die 83 Stimmen der ÖVP.

Damit war das Paket endlich beschlossenen. Es umfasst 137 Gesetzesänderungen (im Detail weiter unten aufgelistet), von denen 97 durch Verfassungsgesetze durchgeführt werden mussten. Die wohl wichtigste Neuerung, das geänderte Autonomiestatus, wurde am 10. November 1971 beschlossen und trat am 20. Januar 1972 in Kraft.

Folgen

Die Bezeichnung „Paket“ erhielt das Statut aufgrund der vielen enthaltenen Maßnahmen. Diese sollten innerhalb 2 Jahren, also bis 1974, wirksam werden, in Wirklichkeit dauerte es noch bis 1992 zur vollständigen Umsetzung. Daraufhin zog Österreich seine Klage bei der UNO zurück.

Die meisten (aber nicht alle) Bestimmungen sind mit diesem Statut und entsprechenden Durchführungsbestimmungen geregelt. Diese besitzen Verfassungsrang und können nur schwer abgeändert werden. Da die Verfassung aber über dem Autonomiestatut steht, bleibt immer die Möglichkeit, dass mit der Verfassung auch die Autonomie geändert und damit abgeschwächt wird (entsprechende Bestrebungen gab es zum Beispiel 2004 im Rahmen der Föderalismusreform Berlusconis).

Liste der Paketmaßnahmen (Durchführungsbestimmungen)

 
Deutschsprachige Grundschule (Ahrntal)

(Die Liste, sie bringt eine Auswahl der Wichtigsten, wurde aus praktischen Gründen dem Literaturtipp 1 entnommen, ist aber Allgemeingut, da diese Bestimmungen auch veröffentlicht wurden)
Gegenstand / Jahr

  • Almwirtschaft / 1974
  • Arbeitsinspektorat / 1980
  • Arbeitsvermittlung / 1974
  • Ausrichtungs- und Koordinierungsbefugnis / 1992
  • Banner und Wappen des Landes / 1983
  • Gesetzgebungsbefugnisse / 1972
  • Berufsertüchtigung und Berufsaubildung / 1973
  • Elektrische Energie / 1977
  • Finanzen / 1975, 1989 und 1992
  • Friedensrichter / 1992
  • Geförderter Wohnbau / 1974
  • Gemeinden / 1975
  • Gesundheitswesen / 1975
  • Grund- und Gebäudekataster / 1983
  • Grund- und Sekundarschule / 1983
  • Grundbuch- und Katasterwesen / 1978
  • Handel, Handwerk, und die Handels- Indusrie-, Handwerks- und Landwirtschaftskammer / 1978
  • Katastrophenhilfe... (Zivilschutz) / 1978
  • Kommunikations- und Transportwesen / 1987
  • Landeshauptmann / 1973
  • Landesraumordnungsplan / 1974
  • Landwirtschaft / 1974
  • Örtliche Sitten und Gebräuche (Kultur) / 1973
  • Rundfunk und Fernsehen / 1973
  • Sozialfürsorge / 1978
  • Sprachgebrauch / 1988
  • Straßenwesen / 1974
  • Zweisprachigkeit / 1976

Literatur

  • Autonome Provinz Bozen - Südtirol; das neue Autonomiestatut, Bozen 2003 (elfte, ergänzte Auflage)
  • Gottfried Solderer (Hrsg.), das 20 Jahrhundert in Südtirol, Autonomie und Aufbruch - 1960 - 1979, Bozen 2002

Wortlaut des Zweiten Autonomiestatuts Online