Das Fass Amontillado

Kurzgeschichte von Edgar Allan Poe
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 14. Dezember 2005 um 22:36 Uhr durch Quoth (Diskussion | Beiträge) (Anmerkung). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Das Fass Amontillado, engl. "The Cask of Amontillado", ist eine der berühmten späten Erzählungen von Edgar Allan Poe.

Inhalt

Der Icherzähler Montrésor lockt den verhassten Fortunato, der sich noch für Montrésors Freund hält, während des Karnevals in die Gewölbe unter seinem Palazzo und mauert ihn dort als Rache für erlittene „tausendfältige Unbill“ lebend ein. Als Köder dient Montrésor ein Fass Amontillado, das dort unten angeblich auf die beiden Kenner wartet und begutachtet werden muss. Immer wenn Fortunato mitzukommen zögert, erwähnt Montrésor Luchresi, einen anderen Freund, den er ja auch um sein Urteil bitten könne. Das genügt, um Fortunato in die mörderische Falle zu locken. Was Fortunato dem Icherzähler Montrésor angetan hat, bleibt im Dunkeln.

Deutung

Edgar Allan Poe schrieb und publizierte diese Erzählung im Jahr 1846, als er sich im War of the Literati befand, der in einer Klage Poes wegen übler Nachrede gipfelte. Poes Gegner war Thomas Dunn English, die Auseinandersetzung fand statt in den Spalten des New Yorker Evening Mirror, dessen Leiter Hiram Fuller war. Die heimliche Wut des Icherzählers Montrésor würde bei dieser Deutung dann seine Wut auf Thomas Dunn English (Fortunato) widerspiegeln, mit dem immer wieder aufgeführten Luchresi (Look crazy) könnte Hiram Fuller gemeint sein, den Poe als Richter anzurufen droht.

Marie Bonaparte führt andere Gleichsetzungen durch. Sie sieht in Fortunato ein Abbild des verhassten Ziehvaters John Allan und reiht die Erzählung in die Gruppe derjenigen ein, die in verschlüsselter Form Poes Vatermordphantasien behandeln. Die gemeinsame Liebe zum Wein deutet sie als Ödipusrivalität, und es ist in der Tat kaum möglich, sich der psychoanalytischen Identifikation des Gewölbes mit dem Mutterleib zu entziehen. Dass er als Gruft dargestellt wird, leuchtet ein, wenn man bedenkt, dass sowohl Poes Mutter und Ziehmutter wie auch sein Vater und Ziehvater zu diesem Zeitpunkt tot sind und seine Ehefrau todkrank ist.

Außerdem weist Marie Bonaparte darauf hin, dass Poe zu dieser Zeit die Dichterin Frances Osgood verehrte, auf die auch sein "Freund" Rufus Wilmot Griswold ein Auge geworfen hatte. Rivalität um die geliebte Frau könnte also ein drittes Motiv für die Erzählung gewesen sein.

Anmerkung

Poe hat Amontillado, der eine Form von Sherry ist, offenbar für eine italienische Weinsorte gehalten („I was skillful in the Italian vintages myself and bought largely whenever I could.“) Die beiden Freunde kosten einen Médoc, ebenfalls nicht die „italienische Lese“, auf die Montrésor sich zu kaprizieren vorgibt. Aus amerikanischer Ferne verschmelzen die europäischen nationalen Unterschiede offenbar. Dazu passt es auch, dass der Icherzähler zwar einen römischen Palazzo besitzt, aber einen französischen Namen trägt. Am italienischen Dekor reizen Poe (wie in Politian und Das Stelldichein) Maske, Musik und Einbettung in fiktive uralte Traditionen, wie es sie in den Vereinigten Staaten nicht gibt, außerdem huldigt er darin der spezifischen Romantik Byrons. Bei der hier angeführten Ursprungsgeschichte dürfte es sich um Legendenbildung handeln.

Literatur

  • Edgar Allan Poe: Werke, hrsgg. von Kuno Schuhmann und Hans Dieter Müller, Olten 1966
  • Marie Bonaparte: Edgar Poe, Wien 1934