Deutsch-lettische Beziehungen

Verhältnis zwischen Deutschland und Lettland
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Deutschland und Lettland führten ab 15. Juli 1920 und wiederum seit dem 28. August 1991 diplomatische Beziehungen. Beide Länder sind Mitglieder des Ostseerates, der NATO, der OSZE, der Europäischen Union und des Schengen-Raumes. Lettland ist Mitglied im Wechselkursmechanismus II (feste Bindung des Lats an den Euro) und möchte 2014 die europäische Gemeinschaftswährung einführen. Das freundschaftliche deutsch-lettische Verhältnis kann auf den Erfahrungen eines Jahrhunderte langen Zusammenlebens aufbauen, wobei die deutsch-baltischen Vereine eine Brückenfunktion einnehmen können.

deutsch-lettische Beziehungen
Lage von Deutschland und Lettland
Deutschland Lettland
Deutschland Lettland

Deutschland ist durch die Deutsche Botschaft Riga in Lettland vertreten.[1] Lettland verfügt über eine Botschaft in Berlin und Honorarkonsuln in Bremen, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Künzelsau, Lübeck, München und Rostock.[2]

Nach einer Volkszählung von 2004 gab es zu dem Zeitpunkt 3311 deutsche Muttersprachler in Lettland. Die Lettische Gemeinschaft in Deutschland hat sich unter anderem dem kulturellen Austausch verschrieben.

Geschichte

Im 12. Jahrhundert bestanden erste niederdeutsche Handels- und Missionsstationen an der Düna.

 
Das Herder-Denkmal in Riga

Im 13. Jahrhundert wurde Riga durch den Bremer Domherren Albert von Buxhoeveden, Bischof von Livland, gegründet. Außerdem begann die Unterwerfung der baltischen Heiden durch den Schwertbrüderorden (später Deutscher Orden). Seit dieser (auch im Rahmen der Deutschen Ostsiedlung zu sehenden) Zeit gab es in Lettland eine baltendeutsche Minderheit, die zwar quantitativ immer beschränkt blieb, für die Entwicklung Lettlands aber eine große Rolle spielte. So war Johann Gottfried Herder zeitweise beruflich in Riga tätig, übersetzte lettische Dainas (Volkslieder) ins Deutsche und förderte durch Veröffentlichung ihre Anerkennung als Kulturgut. Auch der aus Mitau gebürtige Sprachwissenschaftler August Bielenstein beschäftigte sich mit Dainas und machte sich auch darüber hinaus sehr verdient um die Erforschung der lettischen Sprache und Kultur. Des Weiteren gab er den Anstoß für das erste lettische Sängerfest in Dobele 1870.[3] Auf der anderen Seite studierte zum Beispiel der erste Regierungschef des unabhängigen Lettlands Kārlis Ulmanis u. a. an der Universität Leipzig, der lettische „Nationaldichter“ Rainis besuchte das Deutsche Gymnasium Riga und übertrug später Goethes Faust ins Lettische. Zurückkehrend zu den Deutsch-Balten kann festgestellt werden, dass sie ihre bedeutende Stellung unter den verschiedenen Herrschern und über viele Jahrhunderte hinweg weitgehend bewahren konnten.

 
Deutsche Offiziere während des Ersten Weltkriegs in Riga

Gegen Ende des 19. Jahrhunderts kam es jedoch zu einer zunehmenden Russifizierung im Zarenreich, zu dem damals auch Lettland gehörte. Außerdem erwachte das Nationalgefühl der Letten, das auch stark gegen die dominierende deutschbaltische Oberschicht gerichtet war. Während der Zeit der deutschen Besetzung des Baltikums im Ersten Weltkrieg (Riga wurde im September 1917 von deutschen Truppen eingenommen) kamen deswegen auch Pläne auf, einen deutschbaltisch-dominierten Staat (Vereinigtes Baltisches Herzogtum) unter reichsdeutschem Schutz zu errichten, deutsche Siedler sollten die Letten verdrängen. Nach der Niederlage des Deutschen Reichs und der erfolgreichen Unabhängigkeitserklärung Lettlands wurde den Deutsch-Balten dieses Verhalten während des Krieges als Landesverrat ausgelegt. In Landreformgesetzen wurde der deutschbaltische Großgrundbesitz in Lettland zu großen Teilen zugunsten der landlosen lettischen Bauernschicht enteignet. Im Gegensatz zu anderen Staaten Ost(mittel-)europas, die nach dem Ersten Weltkrieg eine repressive Politik gegenüber ihren nationalen Minderheiten betrieben gewährte, Lettland jedoch seinen nationalen Minderheiten eine kulturelle Autonomie. Diplomatische Beziehungen zu Deutschland wurden mit einem in Berlin unterzeichneten Abkommen am 15. Juli 1920 etabliert.[4]

Den Schlussstrich unter die mehr als 700 Jahre deutsch-baltischer Kultur setzte der Hitler-Stalin-Pakt 1939, der eine Umsiedlung der von den Ideologen des Nationalsozialismus als „rassisch wertvoll“ betrachteten Deutschbalten in das deutsche Herrschaftsgebiet vorsah. Die Umsiedlung wurde noch im selben Jahr durchgeführt. Lettland war hingegen in dem Abkommen der sowjetischen Interessensphäre zugeschlagen worden und wurde 1940 auch von der Roten Armee besetzt. Hiermit waren auch die bilateralen Beziehungen zwischen Deutschland und Lettland als zwei souveränen Staaten für mehrere Jahrzehnte beendet. Von 1941 bis 1945 hatte Lettland dann im Zuge des Überfalls auf die Sowjetunion unter deutscher Besetzung zu leiden. Die jüdische Bevölkerung Lettlands wurde im Holocaust fast völlig vernichtet.

Ein Teil der Letten kollaborierte 1941 bis 1945 mit den Deutschen. Den einen erschienen angesichts des stalinistischen Terrors, den sie bereits 1940/1941 kennengelernt hatten, die deutschen Nationalsozialisten als das kleinere Übel; andere Kollaborateure waren begeisterte Nationalsozialisten. Sowohl ehemalige Zwangsarbeiter als auch anti-kommunistische Flüchtlinge (unter ihnen viele ehemalige Kollaborateure) bildeten den lettischen Teil der Displaced Persons, die sich 1945 auf dem Gebiet der drei Westzonen Deutschlands aufhielten. Die Zahl der nach Deutschland verschleppten Zwangsarbeiter wird mit 16.000 angegeben.[5]

 
Deutsche Zivilisten und Wehrmachtsangehörige verlassen auf Schiffen den Hafen von Windau

Bis zum 8. Mai 1945 hielten deutsche Truppen und etwa 14.000 Kämpfer der lettischen Waffen-SS die „Festung Kurland“, wo noch im März 1945 unter deutscher Besatzung eine unabhängige Republik Lettland ausgerufen worden war. Bevor Lettland wieder sowjetisch wurde und hinter dem Eisernen Vorhang verschwand, flohen viele Letten noch in den Westen, unter anderem nach Deutschland. Die Zahl der bei Kriegsende nach Deutschland geflohenen Letten wird mit 9.000 angegeben.[6] Auch die verbliebenen Deutsch-Balten flohen 1944/45 größtenteils oder wurden vertrieben. Der größte Teil der im Exil lebenden Letten konnte gut in die Gesellschaft des jeweiligen westlichen Aufnahmelandes integriert werden. Nach 1990 war die Bereitschaft der im Westen lebenden Lettischstämmigen, nach Lettland zurückzukehren, relativ gering.

1990 kam es noch zu keiner aktiven Unterstützung Deutschlands für die lettische Unabhängigkeitsbewegung, da man die Perestrojka-Politik Michail Gorbatschows nicht unterminieren wollte. Schon wenige Tage nach der Anerkennung Lettlands beziehungsweise der baltischen Staaten durch den russischen Präsidenten Boris Jelzin nahm Deutschland 1991 die Beziehungen zu Lettland aber wieder auf und bekannte sich zu einer aus dem Hitler-Stalin-Pakt resultierenden besonderen historischen Verantwortung für die Unterstützung der baltischen Staaten. Deutschland förderte in der Folge auch die Einbindung Lettlands in westliche Strukturen. Die Mehrheit deutscher Außenpolitiker ist allerdings nicht bereit, eine Politik der konsequenten Abgrenzung der NATO-Staaten von Russland, wie sie von der Mehrheit lettischer Politiker gefordert wird, mitzutragen, da eine solche Politik nach Ansicht dieser deutschen Politiker die deutsch-russischen Beziehungen übermäßig belasten würde.[7]

Siehe auch

Commons: Deutsch-lettische Beziehungen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. Deutsche Botschaft in Riga (deutsch und lettisch). Abgerufen am 6. November 2011.
  2. Botschaft der Republik Lettland in der Bundesrepublik Deutschland (deutsch und lettisch). Abgerufen am 6. November 2011.
  3. Susanne Dell: Lettland. München 2006, S. 18 ff.
  4. League of Nations Treaty Series, Bd. 2, S. 92–99. Abgerufen am 13. November 2012.
  5. Historischer Verein Wolfratshausen: Lager Föhrenwald – Zwangsarbeiter S. 9
  6. Ainars Diamants: Die Rückkehr der Balten aus dem Westen ins Vaterland der überblick. Zeitschrift für ökumenische Begegnung und internationale Zusammenarbeit. Ausgabe 2/2001, S. 38
  7. http://edoc.hu-berlin.de/nordeuropaforum/2008-2/dauchert-helge-53/PDF/dauchert.pdf Deutschlands Baltikumpolitik / Helmut Dauchert ; abgerufen am 31. Dezember 2011