Skalarprodukt

mathematische Verknüpfung, die zwei Vektoren eine Zahl (Skalar) zuordnet
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Ein Skalarprodukt (auch inneres Produkt) ist eine Funktion, die zwei Elementen eines Vektorraums ein Element des dem Vektorraum zugrundeliegenden Skalarkörpers zuordnet. Das Skalarprodukt ermöglicht es, die "Länge" eines Vektors und den "Winkel" zwischen zwei Vektoren zu erklären.

Ein Vektorraum, auf dem ein Skalarprodukt definiert ist, heißt Innenproduktraum. Innenprodukträume verallgemeinern den Euklidischen Raum; sie ermöglichen damit die Anwendung geometrischer Methoden auf abstrakte Strukturen.

Abgrenzung zu anderen Produkten

Sei V ein Vektorraum über einem Körper K. Dann ist das Skalarprodukt eine Funktion von V×V nach K.

Demgegenüber ist das äußere Produkt, auch skalare Multiplikation genannt, das in jedem Vektorraum definiert sein muss, eine Funktion von K×V nach V.

Wenn der Vektorraum die Dimension 3 hat, kann man ferner ein Vektorprodukt, auch Kreuzprodukt genannt, definieren, das eine Funktion von V×V nach V ist. (In höherdimensionalen Räumen hat man eine Verallgemeinerung des Kreuzprodukts, das dann mehr als zwei Vektoren verknüpft.)

Das Spatprodukt in einem dreidimensionalen Raum schließlich entsteht durch Verknüpfung von Skalar- und Vektorprodukt; es ist eine dreistellige Funktion von V×V×V nach K.

Notation

In diesem Artikel stellen wir Vektoren, als Elemente beliebiger Vektorräume, zur Unterscheidung von Skalaren einheitlich in Fettdruck dar.

Das Skalarprodukt wird mit einem Punkt als Multiplikationszeichen geschrieben: x·y. In der französischen Literatur ist ein tiefgestellter Punkt gebräuchlich: x.y. In der Funktionalanalysis oder wann immer sonst die Rolle des Skalarprodukts als eine Funktion betont werden soll, bevorzugt man die Notation <x,y>. Davon abgeleitet ist die Bra-Ket-Notation, die in der Quantenmechanik gerne verwendet wird: <x|y>.

Wie bei der normalen Multiplikation kann das Multiplikationszeichen auch ganz weggelassen werden, wenn keine Missverständnisse auftreten können; das ist insbesondere in Texten der Fall, in denen Vektoren durch Vektorpfeile, durch Fettdruck oder durch Unterstreichen kenntlich gemacht sind und daher nicht mit Skalaren verwechselt werden können:

x·y = xy ist ein Skalarprodukt,
ax dagegen ist ein äußeres Produkt.

Motivation: Skalarprodukt im Euklidischen Raum

Das Skalarprodukt ist ursprünglich im Rahmen der analytischen Geometrie im Euklidischen Raum eingeführt worden. Um die geometrische Bedeutung des Skalarprodukts zu erklären, stellen wir uns ungefähr auf den Standpunkt der Schulmathematik und betrachten den dreidimensionalen affinen Raum mit einem kartesischen Koordinatensystem.

Ein Punkt A besitze die Koordinaten (a1, a2, a3). Diese Koordinaten kann man auch als Komponenten eines Ortsvektors   auffassen, der vom Ursprung O nach A zeigt. Der Abstand des Punktes A vom Ursprung, oder äquivalent die Länge des Vektors   ist nach dem Satz des Pythagoras

 .

Den Ausdruck unter der Wurzel fassen wir nun als skalarwertiges Produkt des Vektors   mit sich selber auf: wir definieren also das Skalarprodukt (vorläufig, auf dem Niveau der Schulmathematik) als Summe über die Produkte der Vektorkomponenten,

 .

Damit gilt für die Länge eines Vektors

 ,

was eine erfreuliche Analogie zum Absolutbetrag einer reellen

 

aufweist; tatsächlich kann man die Länge eines Vektors und den Absolutbetrag einer Zahl unter dem allgemeineren Begriff der Norm zusammenfassen.

Man rechnet leicht nach, dass das so eingeführte Skalarprodukt tatsächlich die typischen Eigenschaften einer multiplikativen Verknüpfung hat: es gelten insbesondere das Distributivgesetz und damit auch die binomischen Formeln. Wir betrachten nun ein Dreieck ABC im affinen Raum und finden unter Verwendung der binomischen Formel:

 .

Durch Vergleich mit dem Cosinussatz finden wir

 .

Damit hat das Skalarprodukt eine geometrische Deutung: es ist das Produkt der Länge zweier Vektoren, gewichtet mit dem Cosinus des von diesen Vektoren eingeschlossenen Winkels. Dieser Cosinus ist ein Maß für die Parallelität der beiden Vektoren: er ist 1, wenn die Vektoren richtungsgleich sind; -1, wenn die Vektoren einander entgegengerichtet sind; und 0, wenn die Vektoren senkrecht aufeinander stehen.

Komponentenweise Berechnung

Hier fehlt ein Absatz, der mit den Mitteln der Schulmathematik aus dem vorigen Absatz ableitet, dass man das Skalarprodukt im Euklidischen Raum als Summe der Produkte der Vektorkomponenten berechnet. Siehe einstweilen das einschlägige Kapitel am Ende der nun folgenden abstrakteren Darstellung.

Formale Definition

Um den Begriff des Skalarprodukts auf abstrakte Räume zu übertragen, abstrahiert man aus den vorstehenden Überlegungen einige Minimalvoraussetzungen, die ein skalares Produkt zweier Vektoren besitzen muss, um im Fall des Euklidischen Raums mit dem naiv eingeführten Skalarprodukt zusammenzufallen.

Sei V ein Vektorraum über dem Körper K der reellen oder komplexen Zahlen. Eine Abbildung <·,·>: V×VK heißt Skalarprodukt, wenn für alle x, y, z aus V und für alle a, aus K die folgenden axiomatischen Bedingungen erfüllt sind:

  • <x,x> ≥ 0 (positiv);
  • aus <x,x> = 0 folgt x = 0 (definit);
  •   (Hermitesch);
  • <x,ay+z> = a<x,y>+<x,z> (linear).

Bemerkungen:

  • Der Überstrich im dritten Axiom bedeutet komplexe Konjugation. In einem reellen Vektorraum (wenn also K=R) hat die komplexe Konjugation keine Auswirkung; das Skalarprodukt ist dann nicht nur Hermitesch, sondern sogar symmetrisch.
  • Aus Bedingungen 3 und 4 folgt <ax + z, y> =  <x, y> + <z, y>; das Skalarprodukt ist also nicht nur linear im zweiten Argument, sondern auch semilinear im ersten Argument, insgesamt also sesquilinear; über einem reellen Vektorraum ist das Skalarprodukt sogar bilinear.
  • Das Skalarprodukt über einem komplexen Vektorraum wird oft auch als linear im ersten Argument, und damit semilinear im zweiten, definiert. Man muss also aufpassen, ob in einem gegeben Text <ax,y> = a<x,y> oder <ax,y> =  <x,y> gilt.

Beispiel

Ein Beispiel für einen Innenproduktraum, der kein Euklidischer Raum ist, ist der Raum aller stetigen Funktionen von einem reellen Intervall [a,b] nach R mit dem Skalarprodukt

 ,

wobei p(x) eine positive Gewichtsfunktion (oder "Belegung") ist (statt p(x)>0 genügt es, p(x)≥0 mit schwachen Zusatzbedingungen zu fordern). Eine orthogonale Basis dieses Raums heißt orthogonales Funktionensystem; Beispiele für solche Funktionensysteme sind die trigonometrischen Funktionen, die in Fourier-Reihen verwendet werden, die Legendre-Polynome, die Tschebyscheff-Polynome, die Laguerre-Polynome, die Hermite-Polynome usw.

Norm und Winkel

Das Skalarprodukt induziert eine Norm

 

Damit ist jeder Innenproduktraum ein normierter Raum.

Bemerkung: der Beweis, dass das so definierte ||·|| tatsächlich eine Norm ist, also insbesondere die Dreiecksungleichung erfüllt, erfordert als nichttrivialen Zwischenschritt die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung.

Die Norm kann man anschaulich als die Länge eines Vektors verstehen. Zumindest in geometrischem Kontext schreibt man die Norm üblicherweise mit einfachen Betragszeichen

 

und nennt sie auch den Betrag eines Vektors. Vektoren mit dem Betrag 1 heißen Einheitsvektoren.

Unter Verwendung der Norm kann man das Skalarprodukt beliebiger Vektoren

xy = |x| |y| cos φ

schreiben. Die Zahl φ kann man geometrisch als den von den beiden Vektoren eingeschlossenen Winkel deuten.

Dabei verwendet man wiederum die Cauchy-Schwarzsche Ungleichung, die sicherstellt, dass -|x| |y| ≤ xy ≤ |x| |y|, was die Voraussetzung dafür ist, dass wir den Quotienten xy/|x||y| als einen Cosinus interpretieren.

Diese geometrische Deutung legt es nahe, Vektoren, deren Skalarprodukt Null ist, senkrecht oder orthogonal zueinander zu nennen. Orthogonale Einheitsvektoren heißen orthonormal.

Mit der durch das Skalarpodukt induzierten Norm ist jeder Innenproduktraum ein normierter Raum, damit auch ein metrischer Raum, damit auch ein topologischer Raum; er besitzt also sowohl eine geometrische als auch eine topologische Struktur.

Ein vollständiger Innenproduktraum heißt Hilbertraum. Ein Banachraum auf dem man ein Skalarprodukt definiert, wird ein Hilbertraum.

Eine Verallgemeinerung von Innenprodukträumen sind Bilinearräume, bei denen das Skalarprodukt ersetzt ist durch eine Bilinearform, die nicht notwendig positiv definit ist. Ein wichtiges Beispiel ist der Minkowski-Raum der speziellen Relativitätstheorie.

Bilinearräume erlauben auch die Betrachtung anderer Grundkörper außer den reellen oder komplexen Zahlen. Die Theorie der Bilinearräume ist eng verbunden mit der Theorie der quadratischen Formen (homogene Polynome vom Grad 2).

Komponentenweise Berechnung

Ausgehend von den vorstehenden Überlegungen und Begriffsbildungen arbeitet sich die lineare Algebra zu der Erkenntnis vor, dass man jeden Vektor als Linearkombination aus orthonormalen Basisvektoren darstellen kann,

x = x1e1 + x2e2 + ...

Daraus ergibt sich, dass man das Skalarprodukt, in Übereinstimmung mit der "naiven" Definition, koeffizientenweise ausrechnen kann:

 ,

wobei der Überstrich wieder für die komplexe Konjugation steht.

Im dreidimensionalen Euklidischen Raum berechnet man also das Skalarprodukt von zwei Spaltenvektoren zum Beispiel als

 

Bei unendlichdimensionalen Räumen muss man zwischen einer Orthonormalbasis und einer Basis im Sinne der linearen Algebra unterscheiden , die zur Unterscheidung auch Hamelbasis genannt wird.