Bedingungsloses Grundeinkommen

Finanztransfervorschlag für ein Einkommen über dem soziokulturellen Existenzminimum, das jedem Bürger regelmäßig ausgezahlt wird
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Das sogenannte bedingungslose Grundeinkommen (BGE), auch Bürgergeld genannt, bezeichnet ein gesellschaftspolitisches und wirtschaftspolitisches Modell, nach dem jeder Staatsbürger einen gesetzlichen Anspruch auf eine bedingungslose zusätzliche bis existenssichernde Grundversorgung durch den Staat haben soll. Umstritten ist neben der ökonomischen oder politischen Machbarkeit, ob dem Grundeinkommen schon heute, etwa in Deutschland, die Kraft eines Rechtsanspruches auf der Basis der Menschenwürde zukommt. Verschiedene Modelle des Grundeinkommens werden von Soziologen, Ökonomen und von unterschiedlichsten politischen Parteien diskutiert.

Historie

Eine staatliche Grundsicherung als unbedingter Rechtsanspruch für alle Bürger ist in keiner vormodernen Gesellschaft nachweisbar, nicht einmal als utopische Konzeption. Alle Unterschiede von Utopien wie Platons "Staat", Morus "Utopia", Bacons "Neu-Atlantis" oder der "Sonnenstadt" Campanellas, wie auch der verschiedensten Kloster-Bewegungen, den frühesten Enklaven des Gemeineigentums, finden ihre strikte Grenze in der allgemeinen Arbeitspflicht. Auch im Volk scheinen solche Ideen nur Gegenstand des Spottes gewesen zu sein, wie in den Lügen- und Narrengeschichten des Mittelalters. Wie das Volksmärchen das Gute mit Fleiß gleichstellt und das Böse mit Faulheit, entsprechend werden solche Versorgungs- oder Freiheits-Utopien verspottet, denn für solche Narren: „"ist das Schlaraffenland gerade das richtige Land. Jede Stunde Schlafen bringt dort ein Silberstück ein und jedesmal Gähnen ein Goldstück. Wer gern arbeitet, das Gute tut und das Böse lässt, der wird aus dem Schlaraffenland vertrieben. Aber wer nichts kann, nur schlafen, essen, trinken, tanzen und spielen, der wird zum Grafen ernannt. Und der Faulste wird König im Schlaraffenland."“

Hintergrund und Bezug solcher Morallehre muß aber eben eine verbreitete „plebejische Utopie“ gewesen sein, die es zu belehren und moralisch zu bekämpfen galt. Noch den Klassikern des Marxismus schwebte eine Grundsicherung aber nicht eigentlich vor. Ihre Vision einer kommunistischen Gesellschaftsordnung ging viel weiter auf den Umsturz aller bestehenden Verhältnisse, dem ein neuer Mensch entsteigen sollte. Ihr Blick auf die gewünschte nähere Zukunft wirkt im Kontrast dazu umso konservativer. August Bebel etwa schreibt: „"Sobald die Gesellschaft im Besitz aller Arbeitsmittel sich befindet, wird die Arbeitspflicht aller Arbeitsfähigen, ohne Unterschied des Geschlechts Grundgesetz ... Die Gesellschaft kann ohne Arbeit nicht existieren. Sie hat also das Recht, zu fordern, daß jeder, der seine Bedürfnisse befriedigen will, auch nach Maßgabe seiner körperlichen und geistigen Fähigkeiten an der Herstellung der Gegenstände zur Befriedigung der Bedürfnisse aller tätig ist ... Der Sozialismus stimmt mit der Bibel darin überein, wenn diese sagt: Wer nicht arbeitet, soll auch nicht essen. ... Ohne Arbeit kein Genuß, keine Arbeit ohne Genuß."“ Dem entspricht die Verteilung der Güter „nach der Arbeitsleistung“ und „nicht nach den Bedürfnissen“, wie Lenin, unter Berufung auf Marx, ausdrücklich hervorhob. In der weiterentwickelten Utopie des Kommunismus soll mit der "entfremdeten Arbeit" zugleich das Problem der "Faulheit" verschwunden sein.

Eine eher unscheinbare Strömung innerhalb der sozialistisch-kommunistischen Ideen des 19. Jhds., allen voran Paul Lafargue, stellt die uralte Frage nach der Gleichheit aller Bürger über die Besitzverhältnisse hinaus an die Arbeit selber. Nur wer "Das Recht auf Faulheit" hat, kann gleich und frei sein. Damit wird von Lafargue die Forderung nach einer Grundsicherung als Rechtsanspruch im Namen der Freiheit für jeden und der Gleichheit zum erstenmal ausdrücklich gestellt. Als solche geht sie weit über alle Modelle zur Armutsbekämpfung seit der Antike hinaus und braucht, im Unterschied zu den Klassikern des Marxismus-Leninismus, keinen besonderen Umsturz der Besitzverhältnisse. Nach dem Zusammenbruch der Staaten des Ostblock hat in Folge eine Renaissance der Ideen Lafargues statt.

Lafargue, erklärtermaßen weder Wissenschaftler noch Ökonom, spekulierte als Laie über eine Selbstfinanzierung seiner Vorstellungen. Danach wird eine "erlöste Bourgeoisie ... nämlich schleunigst die Menge von Soldaten, Beamten, Dienern, Kupplern usw., die sie der nützlichen Arbeit entzogen hatte, freigeben. Infolgedessen wird der Arbeitsmarkt so überfüllt sein, daß man ein eisernes Gesetz haben muß, das die Arbeit verbietet; ... Wenn keine Lakaien und Generäle mehr geschmückt, keine verheirateten oder unverheirateten Prostituierten mehr in Spitzen gehüllt, keine Kanonen mehr gegossen und keine Paläste mehr eingerichtet werden müssen, dann wird man mittels drakonischer Gesetze die Schnick-Schnack-, Spitzen-, Eisen-, Bau- Arbeiter und -Arbeiterinnen zu gesundem Wassersport und Tanzübungen anhalten, um ihr Wohlbefinden wieder herzustellen und die menschliche Art zu verbessern."

Der Mathematiker Bertrand Russell griff Lafargues Gedanken in seinem Essay Lob des Müßiggangs wieder auf und plädierte für ein Grundeinkommen.

Ausformuliert wurde ein Konzept eines garantierten Grundeinkommens bereits 1848 von Joseph Carlier („Solution of the Social Question“, Brüssel 1848) und Popper-Lynkeus („Die allgemeine Nährpflicht als Lösung der sozialen Frage“, Leipzig 1912). In Österreich wurde der erste Vorschlag von Lieselotte Wohlgenannt und Herwig Büchele vorgelegt.

Die Idee eines staatlichen Grundeinkommens folgt den Vorschlägen Milton Friedmans, der sich Anfang der 70er Jahre des 20. Jahrhunderts an der Debatte um die Reform des US-amerikanischen Sozialsystems beteiligt hat. Seine Vorstellung einer negativen Einkommenssteuer war einer von drei Vorschlägen (neben dem Lampman-Green-Plan und dem Tobin-Plan).

Angesichts einer Debatte um effektivere Ressourcennutzung (Taylorismus, Rationalisierung, Automatisierung, Dienstleistungsgesellschaft) wurde angenommen, es würde zu einem Verschwinden der Arbeit (Hermann Glaser) oder zu einem Ende der Arbeit (Jeremy Rifkin) kommen, das neue Modalitäten der Verteilung des Wohlstands, und einen neuen philosophischen Blick auf Arbeit erfordern würde: Wenn Wertschöpfung mit immer weniger menschlicher Arbeit geschehen könne, so müsse gewährleistet sein, dass diejenigen, die zur Schaffung des Wertes nun nicht mehr notwendig sind, ebenso von ihm profitieren können.

Diese Ansicht ist umstritten. Sie steht im Gegensatz beispielsweise zur Arbeitsethik des Protestantismus calvinistischer Prägung und dem entsprechenden Menschenbild.

So findet man im Zuge der Reform-Debatte aktuell zwar Fürsprecher aus Kultur und Wissenschaft, aber nur wenige Vertreter aus der Politik, die solche Konzepte öffentlich vertreten würden. Eine Vertreterin ist beispielsweise Katja Kipping aus der Linkspartei als Sprecherin des Netzwerk Grundeinkommen. Sie fordert u.a. ein Grundeinkommen für Arbeitslose in strukturschwachen Gebieten Ostdeutschlands. Weiterhin gibt es auch verschiedene Vorschläge zum Bürgergeld aus den Reihen der FDP, die 1995 den Begriff der negativen Einkommenssteuer im Einkommenssteuergesetz verankern ließ (Entschluss der FDP zum Bürgergeld (PDF)). Bei diesen beiden Beispielen ist jedoch zu beachten, dass sich die Rahmenbedingungen, unter denen Grundeinkommen vorgeschlagen werden, deutlich voneinander unterscheiden können.

In den USA existiert bereits seit 1975 eine Art Bürgergeld in Form einer Negativsteuer (Earned Income Tax Credit) und wurde dort inzwischen zum größten Transferprogramm ausgeweitet. In Großbritannien generiert die Negativsteuer ein zusätzliches Einkommen von bis zu 6150 Euro/Jahr.

Zur Rechtslage in der Bundesrepublik

Nach heutiger Rechtslage besteht in der Bundesrepublik kein unbedingter gesetzlicher Anspruch auf ein Existenzminimum, bzw. ein Grundeinkommen. Besondere verfassungsrechtliche Bedeutung bekommt hier die Selbsthilfekonzeption der Sozialhilfe (§§ 1, 2 BSHG). In ihrer Ausrichtung als "Hilfe zur Selbsthilfe" und dem Prinzip des "Vorrang(s) der Selbsthilfe" schließt die heutige Sozialgesetzgebung ein "Nicht-Arbeiten-Wollen" von allen existenzsichernden Ansprüchen an den Staat aus. Umgekehrt hat der Anpruchsteller seine "Arbeitswilligkeit" vielfältig zu erklären und glaubwürdig darzustellen. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, daß der sogenannte "Nachrang der Sozialhilfe" oder der "Nachranggrundsatz" zwischen materiellen Mitteln, welche der Bürger zuerst einzusetzen hat und seiner Arbeitskraft nicht unterscheidet.

Diese psychologische Ausweitung des Nachranggrundsatzes bis in den Bereich menschlichen Willens, ist nach Meinung verschiedener Autoren ein äußerst problematischer Eingriff in eine Reihe verfassungsgemäß garantierter Grundrechte: Der Menschenwürde, der Gewissensfreiheit, der Gleichberechtigung, der Verhältnismäßigkeit, der Berufsfreiheit, dem Sozialstaatprinzip.

Der Ansicht, daß mit dieser Identifikation von materiellem Besitz und menschlichem Willen die Herabstufung des Menschen zum Objekt in präziser Weise erfüllt ist, hält die Tendenz richterlicher Entscheidungsbegründung eine eigentümliche Auffassung menschlicher Würde entgegen. So etwa das BVerwG, welches urteilt: daß in der Arbeit und Selbsthilfe "Freiheit und Würde ihren deutlichen Ausdruck" finden. (BVerwGE 27, 58 (63); vgl. auch BVerwGE 67, 1 (5); 23, 149 (153): Die Selbsthilfe sei kein "Abstrich vom Sozialstaatsgedanken, sondern dessen Verdeutlichung und entspricht damit zugleich der Menschenwürde".) Nach Meinung des ehemaligen Bundesverfassungsrichters Paul Kirchhof wird der Staat zum Gegner der Freiheit, indem er durch Bereitstellung von "ausufernden" sozialen Leistungen den Freiheitswillen der Menschen zu ersticken drohe. (Kirchhoff, "Der Staat als Garant und Gegner der Freiheit")

Die Würde aber ist kein so ungewisses Ding wie die Freiheit, sondern unbedingtes, unteilbares, allen gemeines und nicht suspendierbares Rechtsgut, der "alle staatliche Gewalt" (Art. 1 GG) zu dienen hat. Die deutsche Verfassung ist darum unbestreitbar im Kern eine Konstitution der Würde, nicht der Freiheit und setzt jeden Bürger, gleichberechtigt, in eine Position unbedingten Anspruchs an den Staat, von welchem das Existenzminimum schwer auszuschließen ist, ohne in Widerspruch mit der gesamten Grundrechts-Konstitution zu geraten. Neumann dazu: "Die Pflicht des Staates zur Sicherung des Existenzminimums folgt aus Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip. So wie das allgemeine Persönlichkeitsrecht seinen “Sitz” nicht in Art. 1 GG, sondern im Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit hat, so ist die Grundlage dieser Pflicht das Sozialstaatsprinzip.Dieses verpflichtet zur Herstellung sozialer Gerechtigkeit und das heißt in erster Linie zur Gleichheit." (Zum Zusammenhang von Sozialstaatsprinzip, sozialer Gerechtigkeit und Gleichheit BVerfGE 5, 85 (197 f.); 22, 180 (204); 40, 121 (133 f.); 59, 231 (163); 69, 272 (314); BSGE 55, 224 (231). K.-J. Bieback, Sozialstaatsprinzip und Grundrechte, EuGRZ 1985, 657 (665); H. F. Zacher, Das soziale Staatsziel; U. Sacksofsky, Das Grundrecht auf Gleichbehandlung, 1991, 194 f.)

Die maßgebliche Linie der Rechtssprechung in diesem Punkt sieht umgekehrt in der Sozialhilfe keine "rentengleiche Dauerleistung mit Versorgungscharakter" (BVerwGE 57, 237 (239); 25, 307 (308 f.); 28, 216 (222)). Sie hat sondern dient der Überwindung einer konkreten Notlage (BVerwGE 28, 216 (222)). Deshalb wird sie "gleichsam täglich erneut regelungsbedürftig". (BVerwGE 25, 307 (308 f.); 57, 237 (239)). Alle Hilfe des Staates ist also in letzter Zurechnung eine "Grundsicherung für Arbeitsuchende". Dieses Menschenbild im Sinne des Arbeitsmarktes unterstreicht insbesondere die eine Ausnahme: In einem rein psychischen Sinne geschütz wird nach Rechtslage nur eine "seelische Fehlhaltung". (siehe BVerwGE 29, 99; ergänzend VGH Mannheim Urteil vom 2.10.1974, FEVS 23, 117, 122: seelische Fehlhaltung von einiger Erheblichkeit, liegt vor, "wenn sie für die Arbeitsverweigerung ursächlich und wenn sie nach Art und Ausmaß so beschafften ist, daß der Hilfesuchende sie ohne fremde Hilfe, insbesondere ohne psychiatrische oder psychologische Behandlung, nicht überwinden kann. Andernfalls würden auch bloße Faulheit, überwindbare Willensschwäche, Trotz und gemeinschaftsfeindliche Weltanschauungen auf Kosten der Allgemeinheit belohnt".)

Ziele

Als übergeordnete Ziele werden die Lösung der Krise angesehen, in der sich die Arbeitsgesellschaft - als Folge der technologischen Rationalisierungsdynamik und der Globalisierung - befinde sowie die Erfüllung folgender proklamierter Menschenrechte:

  • Jeder Mensch habe als Mitglied der Gesellschaft Recht auf soziale Sicherheit; er habe Anspruch darauf, durch innerstaatliche Maßnahmen und internationale Zusammenarbeit unter Berücksichtigung der Organisation und der Hilfsmittel jedes Staates in den Genuss der für seine Würde und die freie Entwicklung seiner Persönlichkeit unentbehrlichen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Rechte zu gelangen.
  • Jeder Mensch habe Anspruch auf eine Lebenshaltung, die seine und seiner Familie Gesundheit und Wohlbefinden einschließlich Nahrung, Kleidung, Wohnung, ärztlicher Betreuung und der notwendigen Leistungen der sozialen Fürsorge gewährleistet; er habe das Recht auf Sicherheit im Falle von Arbeitslosigkeit, Krankheit, Invalidität, Verwitwung, Alter und von anderweitigem Verlust seiner Unterhaltsmittel durch unverschuldete Umstände.
  • Jeder Mensch habe das Recht, am kulturellen Leben der Gemeinschaft frei teilzunehmen, sich der Künste zu erfreuen und am wissenschaftlichen Fortschritt und dessen Wohltaten teilzuhaben.

Durch ein garantiertes Grundeinkommen soll soziale Sicherheit von der Notwendigkeit der Erwerbsarbeit abgekoppelt bleiben.

Neben auf moralischen Kriterien basierenden Zielen gibt es auch vorwiegend an Effizienz orientierte pragmatische Ziele: So soll beispielsweise durch ein sich aus Negativsteuern ergebendes Grundeinkommen auch eine höhere Effizienz in der Mittelzuweisung erreicht werden. Dies könne im Zusammenhang mit Einsparungen in der Verwaltung der Sozialhilfe oder im Zusammenhang ganzheitlicher Konzepte zur Steuervereinfachung geschehen. Durch Erhaltung und Verstärkung einer breiten Binnenkaufkraft soll auch eine Einengung des Wirtschaftskreislaufs auf eine kleine Klasse Wohlhabender verhindert werden und damit die Volkswirtschaft insgesamt stabilisiert und gefördert werden.


Befürworter sehen folgende Vorteile:

Auswirkungen

Gesamtwirtschaftliche Auswirkungen

  • Erheblicher Bürokratieabbau mit volkswirtschaftlichem Nutzen, denn Sozialhilfe, Arbeitslosenversicherung, Rentenversicherung, BAföG, Kindergeld, Beamten-Pensionen usw. können (zum Teil) entfallen, bzw. auf freiwillige private Vorsorge reduziert werden.
  • Durch eine stärkere Umverteilung würde sich die Konsumproblematik bei schwachem Binnenmarkt entspannen. Makroökonomisch wäre diese Umverteilung ein Nullsummenspiel - eine Schwächung der Wertschöpfung also nicht zu erwarten.
  • Im Zusammenspiel mit einer Vermögenssteuer könnte der zunehmenden Vermögens- und Einkommenspolarisierung zwischen Arm und Reich entgegengewirkt werden, und damit auch insgesamt einer Austrocknung und Einengung der Wirtschaft auf eine Oase der Wohlhabenden gegengesteuert werden. Funktionslose Vermögen würden so wieder in effektiver wirksame Binnenkaufkraft transformiert werden.
  • Senkung von Markteintrittshürden bei kleinen Nachwuchsunternehmen, damit Schaffung von Arbeitsplätzen.
  • Unternehmer sind angesichts der Existenz eines ausreichenden bedingungslosen Grundeinkommens von ihrer Verantwortung als Arbeitgeber weitgehend befreit und können ohne schlechtes Gewissen und öffentliche Denunziation Rationalisierungschancen radikal und offensiv ausnutzen, selbst wenn dies Entlassungen bedeutet.
  • Für die Bürger lohnt es sich verstärkt, auch niedrig entlohnte Tätigkeiten aufzunehmen, da der Lohn zusätzlich zum Bürgergeld gezahlt wird. Damit sinkt der Druck auf die Wirtschaft Arbeiten in Niedriglohnländer zu verlagern.

Gesellschaftliche und soziale Auswirkungen

  • Ohne Kontrollmaßnahmen wird ein möglicher Missbrauch des Sozialsystems vermieden und trotzdem die Privatsphäre des Einzelnen gewährleistet.
  • Die Möglichkeiten für Teilzeitarbeit würden sich durch geringere Arbeitsmarkteintrittshürden erhöhen, was auch für die Geburtenraten positiv sein könnte.
  • Gemeinnützige soziale, sportliche, wissenschaftliche und künstlerische Aktivitäten werden gefördert. Statt häufigen Behördengängen und der entsprechenden Bürokratie haben Betroffene genug Zeit und Muße für unbürokratisches, selbstorganisiertes Engagement in Bereichen wie Hobby (Freizeit, Amateur, DIY), Vereinen, Selbsthilfegruppen, wovon wiederum auch die Gesamtgesellschaft profitiert.
  • Der Status der Arbeitslosigkeit oder Sozialhilfe als Stigma für die Betroffenen, das teilweise mangels finanzieller Möglichkeiten mit Ausgrenzung von der Teilhabe an der Gesellschaft und dem kulturellen Leben, aber oft auch mit persönlicher Mut- und Perspektivlosigkeit und geringem Ansehen in der öffentlichen Meinung verbunden ist, verändert sich. Man definiert sich weniger über den Arbeitsplatz als über die Tätigkeiten, die man ausübt.
  • Die Menschen würden aus der ökonomischen Abhängigkeit von der Erwerbsarbeit bzw. von seinen Mitmenschen befreit und könnten so ein selbstbestimmtes Leben führen.

Arbeitsmarktpolitische Auswirkungen

  • Anreiz für Arbeitgeber, Arbeitsplätze für Arbeitnehmer attraktiv zu gestalten
  • Arbeitnehmer sind eher bereit, einen Arbeitsplatz aufzugeben und sich einen besser zu ihnen passenden zu suchen. Die Folge ist eine höhere Arbeitsmotivation und höhere Arbeitsproduktivität.
  • Ein Arbeitssuchender ist eher bereit, eine Tätigkeit mit niedrigerem Arbeitsentgelt anzutreten, weil...
    1. die finanzielle Arbeitsmarkteintrittshürde sinkt und
    2. sich sein Gesamteinkommen gegenüber der Arbeitslosigkeit in jedem Falle erheblich bessert und
    3. er keine Nachteile bei etwaiger erneuter Arbeitslosigkeit (Verringerung seiner Arbeitslosenbezüge) fürchten muss.
  • Durch eine gerechtere Umverteilung würde sich die Konsumproblematik bei schwachem Binnenmarkt entspannen. Makroökonomisch wäre diese Umverteilung als Nullsummenspiel möglich - eine Schwächung der Wertschöpfung also nicht zu erwarten.

Finanzierbarkeit aus der Sicht der Befürworter

Für die Finanzierung des Grundeinkommens bestehen verschiedene Modelle: Im einfachsten Fall kann kurzfristig eine Erhöhung der Einkommenssteuer vorgenommen werden. Dies bedeutet eine (geringe) Mehrbelastung höherer Einkommen und eine Entlastung geringerer Einkommen. Ein weiterer Vorschlag besteht darin, das Grundeinkommen über eine einzige Konsumsteuer zu finanzieren.

Bei der langfristigen Finanzierung unter den Bedingungen einer „Grundeinkommensgesellschaft“ spielen außerdem folgende Faktoren eine Rolle:

  • Einsparungen bei der Sozialbürokratie
  • Entwicklung der Wertschöpfung
  • Entwicklung des Anteils der Netto-Grundeinkommensempfänger

Die Vorstellungen über die Höhe des Grundeinkommens reichen von einem Existenzminimum bis hin zu einem gewissen Lebensstandard.

Eine fundierte Finanzierungsrechnung haben Pelzer und Fischer mit dem Ulmer Modell und deren Nachfolgestudien geschaffen. Damit wurde auf wissenschaftlicher Grundlage die Finanzierbarkeit nachgewiesen.

Kritik

Gegner des Grundeinkommens verweisen in ihrer Kritik unter anderem auf folgende Punkte:

Problem der Finanzierbarkeit

Kritiker bezweifeln die Finanzierbarkeit des Konzepts. Es ist fraglich, ob die Einsparungen bei Rentenzuschüssen, Kindergeld, Erziehungsgeld, Sozialhilfe, Arbeitslosengeld II und weiteren Sozialausgaben sowie beim Personal in den entsprechenden Ämtern ausreichen würden und ob tatsächlich Steuermehreinnahmen durch eine Kaufkraftsteigerung und ein höheres Wirtschaftswachstum erzielt werden können. Auch der Vorschlag von Götz Werner zur Finanzierung des Konzeptes durch Erhöhung der Mehrwertsteuer, erscheint sehr vage und nur langsam durchzuführen. Insgesamt hat man bisher mit keiner Variante ausreichend Erfahrungen gemacht, die das Unterfangen in der Öffentlichkeit durchsetzungsfähig gemacht hätten.

Zusammenhang von Arbeit und Lohn

Befürworter einer nachkapitalistischen Gesellschaft propagieren einen Typ von Grundeinkommen mit teilweiser oder vollständiger Abschaffung der Lohnarbeit und die Vorwegnahme der Verteilung des Reichtums. Kritiker meinen, dass der Leistungsgedanke dabei abgewürgt würde. Sie befürchten deshalb einen Niedergang der Produktivität auf Grund fehlender Leistungsanreize, die sie ausschließlich bei der herkömmlichen Lohnarbeit gegeben sehen.

Zitate

Wir leben heute in einem Einkaufsparadies, das heißt, unsere Fähigkeit, Güter und Dienstleistungen hervorzubringen, ist größer als die Bedürfnisse der Menschen. (...) Die Produktivität hat die Bedürfnisentwicklung längst überholt, wir haben gesättigte Märkte, und wir brauchen immer weniger Menschen, um dieses Übermaß an Gütern zu produzieren. Jetzt ist der Moment gekommen, in dem wir uns vom Zwang der Arbeit befreien können. (...) Wenn aber die Menschen nicht mehr arbeiten müssen, weil Maschinen das zu einem immer größeren Teil erledigen - dann müssen wir sie eben mit Einkommen versorgen. (Götz Werner, Gründer der Kette dm-drogerie markt, in der Zeitschrift brand eins im März 2005, [1])

Seit 15 Jahren diskutiert man verschiedene Modelle. Das radikalste stammt von dem französischen Denker André Gorz: Er spricht von einem »bedingungslosen Grundeinkommen« für alle Bürgerinnen und Bürger. Doch sein Ansatz erfordert harte Umverteilungsmaßnahmen, die in einer parlamentarischen Demokratie sehr schwer durchsetzbar wären. (Peter Glotz, SPD-Politiker und Professor an der Universität St. Gallen, in Brückenbauer Nr. 28, 11.07.2000)

Siehe auch

Portal zum Thema »Bedingungsloses Grundeinkommen«, Interfakultatives Institut für Entrepreneurship,
Universität Karlsruhe (TH), Leiter: Götz Werner