Niels Bohr

dänischer Physiker und Nobelpreisträger
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Niels Henrik David Bohr (* 7. Oktober 1885 in Kopenhagen; † 18. November 1962 ebenda) war ein dänischer Physiker. Er erhielt den Nobelpreis für Physik im Jahr 1922 „für seine Verdienste um die Erforschung der Struktur der Atome und der von ihnen ausgehenden Strahlung“.

Niels Bohr 1925 mit Albert Einstein (fotografiert von Paul Ehrenfest)

Leben

Frühe Jahre und Ausbildung

Der Vater von Niels Bohr, Christian Bohr, war Professor für Physiologie, seine Mutter Ellen (geb. Adler) entstammte einer jüdischen Familie. Gemeinsam mit seinem Vater und seinem Bruder Harald Bohr führte er regelmäßig Gespräche und Diskussionen zu wissenschaftlichen Themen, die bei beiden Brüdern das Interesse für die Naturwissenschaften stärkten und das spätere Leben prägten. Harald Bohr wurde später Professor für Mathematik, während sich Niels Bohr der Physik zuwendete. Sein Bruder war außerdem ein populärer dänischer Fußballspieler und spielte in der dänischen Nationalmannschaft. Auch Niels Bohr spielte Fußball, in der 1. Liga Dänemarks. Es ist eine weitverbreitete Annahme, dass auch er in der dänischen Nationalelf gespielt hat. Da die offiziellen Aufzeichnungen aber nur bis 1904 zurückreichen, kann dies nicht offiziell belegt werden. Das half dem Münchner Matthias Pohl bei Wer wird Millionär" (RTL) der Million einen guten Schritt näher: Er darf nochmals um die 500.000 Euro spielen.


Nach Abitur an der Schule in Gammelholm 1903 studierte Niels Bohr Physik, Mathematik, Chemie, Astronomie und Philosophie an der Universität Kopenhagen. 1906 erhielt er die Goldmedaille der Königlich-Dänischen Akademie der Wissenschaften und der Literatur für seine Arbeit über die Oberflächenspannung von Flüssigkeiten. Sein Magisterabschluss erfolgte 1909 und im Jahr 1911 schloss er sein Studium mit seiner Doktorarbeit über die magnetischen Eigenschaften von Metallen ab. Im selben Jahr wechselte er nach Cambridge an das Cavendish Laboratory unter der Leitung des Physik-Nobelpreisträgers von 1906 Sir Joseph John Thomson, und ein Jahr später nach Manchester in das Labor von Ernest Rutherford, der 1908 den Nobelpreis für Chemie erhalten hatte. Hier lernte Niels Bohr auch Margarethe Nørlund kennen, die er später heiratete. Gemeinsam mit ihr hatte er sechs Söhne, davon starben allerdings zwei kurz nach der Geburt.

Entwicklung des Bohr'schen Atommodells

Während des Ersten Weltkrieges nahm Niels Bohr 1914 eine Dozentenstelle in Manchester und kurz danach in Kopenhagen an. Zwei Jahre später wurde er Professor für Physik an der Universität in Kopenhagen. Bei einem Aufenthalt und Vortrag in Berlin 1920 machte er die Bekanntschaft mit Max Planck und Albert Einstein. Mit Hilfe der von ihnen aufgestellten Theorien zur Quantenphysik, die er mit den Gesetzen der klassischen Physik verband, gelang es Bohr bereits 1913, das Bohrsche Atommodell auf der Basis der Beobachtungen von Rutherford zum Atomaufbau zu konstruieren und auch ein erstes befriedigendes Modell des Wasserstoffatoms zu erstellen. Mit dem Modell konnten erstmalig auch die Linienspektren der Atome sowie deren Stabilität erklärt werden.

Von 1916 bis 1919 wurde Niels Bohr Vorsitzender der Dänischen Physikalischen Gesellschaft und ab 1917 war er auch Mitglied der dänischen Akademie der Wissenschaften. 1918 formulierte er das Bohrsche Korrespondenzprinzip, welches den Zusammenhang zwischen der Quantentheorie und der klassischen Physik erklärte und darstellte, dass sich mit steigender Quantenzahl die Gesetze des Plankschen Wirkungsquantums vernachlässigen lassen. Während dieser Zeit arbeitete er daran, ein eigenes Institut an der Universität in Kopenhagen aufzubauen, das am 3. März 1921 als Institut für theoretische Physik eröffnet wurde. Seine Göttinger Vorträge, die er im Sommer 1921 hielt, wurden international bekannt und gingen als „Bohr-Festspiele“ in die Wissenschaftsgeschichte ein. 1922 gelang ihm auf der Basis des von Arnold Sommerfeld erweiterten Atommodells eine Erklärung für den Aufbau des Periodensystems der Elemente, bei der er ein Schalenmodell annahm. Am 10. Dezember 1922 erhielt er für seine Forschungen über die Atomstruktur sowie der von den Atomen ausgehenden Strahlung den Nobelpreis für Physik. Im gleichen Jahr kam auch sein Sohn Aage Niels Bohr zur Welt, der 1975 ebenfalls den Nobelpreis für Physik erhielt

Weiteres Wirken nach dem Nobelpreis

In den folgenden Jahren wurden das Atommodell Bohrs und die Modifikationen der Atomtheorie Arnold Sommerfelds weiter ausgebaut, bis 1925 bis 1927 die Betrachtung der Atomphysik durch die Formulierung der nichtrelativistischen Quantenmechanik revolutioniert wurde. 1926/27 dozierte Werner Heisenberg am Institut von Niels Bohr und durch die Diskussionen der beiden Forscher entwickelten sich Heisenbergs Unschärferelation sowie das Komplementaritätsprinzip Bohrs als „Kopenhagener Deutungen“ der Quantentheorie, die beide 1927 publiziert wurden. Das Komplementaritätsprinzip sollte die Widerspruchsfreiheit zwischen formulierten Theorien und der Abwägung tatsächlicher Beobachtungen gewährleisten und er wendete es später auch auf Prinzipien außerhalb der Physik an.

In den Folgejahren konzentrierte sich Bohr weiterhin auf die Fragen der Quantenmechanik, während sein Atommodell den Pionieren der Kernforschung beim Verständnis elementarer Eigenschaften der chemischen Elemente half. Das Modell bot Erklärungen für die Valenzen, den Metall- und Nichtmetallcharakter der Stoffe sowie für die Ioneneigenschaften. Er selbst versuchte die durch den Beschuss mit Partikeln ausgelösten Reaktionen der Atomkerne zu erklären und führte zu diesem Zweck den Begriff des „Compound-Kernes“ ein. 1936 entwickelte er zwei neue Atommodelle, die er als Sandsack- und Tröpfchenmodell bezeichnete. Gemeinsam mit John Archibald Wheeler erarbeitete er die Möglichkeit der Energiegewinnung, nachdem Otto Hahn und Friedrich Wilhelm Straßmann die erste Kernspaltung durchführten.

Während der deutschen Besatzung Dänemarks engagierte sich Niels Bohr im Widerstand. Als das für ihn zu gefährlich wurde, gelang ihm 1943 die Flucht nach Schweden. Dort bat er beim schwedischen König und beim Außenminister erfolgreich um Asyl für seine jüdischen Landsleute. Nach dem Krieg kehrte er nach Dänemark zurück und setzte seine Forschung zur Atomenergie auf seiner alten Position fort. Gleichzeitig warnte er jedoch vor deren missbräuchlicher Nutzung, vor allem durch einen offenen Brief an die Vereinten Nationen 1950, und wurde deshalb 1957 Preisträger des Atoms for Peace Award. 1962 starb er in Kopenhagen und wurde auf dem Assistens-Friedhof beigesetzt.

Lebenswerk

 
Niels Bohr 1925 mit Albert Einstein (fotografiert von Paul Ehrenfest)

Seine wichtigsten Beiträge zur Physik waren das Bohrsche Atommodell (1913), das erste (heute überholte) quantentheoretische Atommodell, das zusammen mit dem etwas allgemeineren Bohr-Sommerfeldsches Atommodell (Ellipsenbahnen) einen wichtigen Schritt in der Entwicklung der Quantenmechanik darstellte, das Bohrsche Korrespondenzprinzip, das Forderungen für den Übergang der Quantenmechanik zur klassischen Mechanik beschreibt, und das Prinzip der Komplementarität, das besagt, dass die Kenntnis bestimmter Messgrößen notwendigerweise eine totale Unkenntnis bestimmter anderer (komplementärer) Größen bedingt.

In seinen wissenschaftskritischen Arbeiten vertritt Bohr die Auffassung, dass es von den jeweiligen Beobachtungspraktiken abhängig ist, was eine Apparatur überhaupt ausmacht. Karen Barad stellt 1998 fest, dass sich Bohr demnach zwar darauf konzentriert, dass es keine inhärente Unterscheidung zwischen der Apparatur und dem (zu beobachtenden) Objekt gibt, dass Bohr sich aber nicht mit der Frage befasst, wo die Apparatur "endet". In gewissem Sinne, so Barad, definiert Bohr für eine Apparatur nur die "innere" Begrenzung ("inside" boundary), aber nicht die äußere. In Anknüpfung an Bohrs wissenschaftsphilosophische Meilensteine fragt Barad: "What precisely constitues the limits of the apparatus that gives meaning to certain concepts at the exclusion of others?" (Karen Barad: "Getting Real. Technoscientific Practices and the Materialization of Reality," in: differences. A Journal of Feminist Cultural Studies 10 (2), 1998: 87-128, S. 99). Auch frage Bohr nicht nach der zeitlichen Dimension von Apparaturen und Praktiken, so Barad (1998). Er schreibe nichts über die Praktiken, die ein Instrumentarium produzieren. Ebenso wenig scheine ihn die Tatsache zu interessieren, dass das Instrumentarium fortlaufend überarbeitet wird - als Teil der Praktiken, die Phänomene produzieren (Ebd. S. 122, Fn. 11). Bohrs kritische Ansätze erweisen sich damit auch 100 Jahre später als sehr produktiv.

Ehrungen und Mitgliedschaften

Neben dem Nobelpreis für Physik 1922 erhielt Niels Bohr eine Reihe weiterer Preise und Auszeichnungen. Er war Präsident der Dänischen Köglichen Akademie der Wissenschaften und Vorsitzender der Dänischen Atomenergiekommission. Außerdem war er ausländisches Mitglied der Royal Society in London und weiterer internationaler wissenschaftlicher Vereinigungen. Daneben erhielt er die Ehrendoktorwürde an zahlreichen Universitäten der Welt.

Nach Niels Bohr wurde das Bohrium benannt, das Transuran mit der Ordnungszahl 107. Außerdem tragen zahlreiche physikalische Phänomene und Konzepte seinen Namen, darunter der Bohr-Radius, die Bohrschen Bahnen und das Bohrsche Magneton.

Anekdoten

Harry Mulisch erzählt die folgende Anekdote:

Irgendein anderer großer Physiker, Wolfgang Pauli oder so, besuchte Bohr einmal in dessen Landhaus und sah, dass er ein Hufeisen über der Tür hängen hatte. 'Professor!' sagte er,' Sie? Ein Hufeisen? Glauben Sie denn daran?' Worauf Bohr antwortete: 'Natürlich nicht. Aber wissen Sie, Herr Pauli, es soll einem auch helfen, wenn man nicht daran glaubt.'

Werke (Auswahl)

Während seines Lebens publizierte Niels Bohr eine Reihe von wissenschaftlichen Werken. Insgesamt 115 sind bekannt, darunter

  • The Theory of Spectra and Atomic Constitution, University Press, Cambridge, 1922 und 1924
  • Atomic Theory and the Description of Nature, University Press, Cambridge, 1934
  • Neutron capture and nuclear constitution, Nature, 137 (1936) 344
  • The Unity of Knowledge, Doubleday & Co., New York, 1955.
  • Essays 1958-1962 on Atomic Physics and Human Knowledge, herausgegeben von John Wiley and Sons, New York and London 1963
  • Light and Life revisited, ICSU Rev., 5 ( 1963) 194

Literatur

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