Mustafa Kemal Atatürk

1. Präsident der Türkei von 1923 bis 1938 (1881–1938)
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Gazi Mustafa Kemal Atatürk (* 1881 in Saloniki (heute Thessaloniki); † 10. November 1938 in Istanbul), ist der Begründer der modernen Türkei mit dem Staatsprinzip des Kemalismus und erster Präsident der Türkischen Republik. Der Ehrentitel „Atatürk“ (‚Vater der Türken‘) wurde ihm während seiner Präsidentschaft vom türkischen Parlament verliehen.

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Mustafa Kemal Atatürk

Leben

Jugend

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Geburtshaus von Mustafa Kemal Atatürk

Geboren wurde Mustafa als Sohn von Ali Rıza Bey und Zübeyde Hanım in Selanik (heute Thessaloniki), das damals ein Teil des Osmanischen Reichs war. Atatürk war türkischer Herkunft. Sein Großvater väterlicherseits, Hafız Ahmet, zählte zu den Yörük-Türkmenen. Seine Mutter Zübeyde war Tochter einer alteingesessenen türkischen Familie des Städtchens Langaza bei Saloniki. Sein Vater war Offizier der Miliz, Sekretär frommer Stiftungen und Bauholzhändler. Atatürks Eltern heirateten 1871. Von seinen fünf Geschwistern starben vier bereits in der Kindheit, nur Makbule (Atadan) lebte bis zum Jahre 1956.

Atatürks genaues Geburtsdatum ist unbekannt. Er soll einmal geäußert haben, dass es „doch schön sei, wenn ich am 19. Mai (dem Tag des Beginns der Befreiung der Türkei von alliierten Besatzern nach dem Ersten Weltkrieg) geboren wäre“.

Auf eigenen Wunsch hin besuchte er eine weltliche Schule, nachdem er einige Monate lang, auf Wunsch der Mutter, eine religiöse Schule besucht hatte. Auf der militärischen Mittelschule in Saloniki wurde sein Talent schnell erkannt. Seinen Abschluss machte er in Monastir (heute Bitola).

Osmanisches Reich

 
Gazi Mustafa Kemal Atatürk

1899 besuchte er die Militärakademie in Istanbul. Dort wurde ihm von seinem Mathematiklehrer der zusätzliche Name „Kemal“ (der Vollkommene) verliehen. Bereits zu Studienzeiten wurde Mustafa Kemal von der Politik beeinflusst, die ihn zu den Jungtürken führte, einer Gruppierung von Offizieren und Offiziersanwärtern, die mit der aktuellen Situation im Osmanischen Reich nicht zufrieden waren. Ausgelöst wurde diese Politisierung durch die Tatsache, dass die osmanischen Offiziere damals die französische Sprache erlernen mussten und dadurch Einblicke in die Geschichte Frankreichs und ihrer Revolution erhielten. In dieser Zeit begann er, dem Rakı, einen hochprozentigen Schnaps, zuzusprechen, was seiner Gesundheit erheblich zusetzte.

Trotz seiner politischen Aktivitäten, die auch zu einer kurzzeitigen Arrestierung führten, machte Mustafa Kemal 1905 seinen Abschluss als einer der Besten, wurde aber zur Armee nach Damaskus strafversetzt, wo er praktisch an der Front stand. 1908/09 war er während der Revolution der Jungtürken einer der Anführer und Kommandeur der aufständischen Truppen, die Sultan Abdülhamid II. zur Abdankung zwangen und seinen Bruder Mehmed V. als machtlosen Ersatz einsetzten. 1911 kämpfte er unter dem Oberbefehl Enver Paschas in Tripolis gegen die italienische Invasion.

Beim Ausbruch des Balkankriegs 1912 kehrte er nach Istanbul zurück und spielte eine entscheidende Rolle bei der Rückeroberung von Ost-Thrakien. Anschließend war er Militärattaché in Sofia bis zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs.

Welt- und Unabhängigkeitskrieg

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Atatürk Statue in Samsun, welches auf mehreren Münzen abgebildet war

Hauptartikel: Türkischer Befreiungskrieg

1915 erzielte er große Erfolge in der Schlacht von Gallipoli bei den Dardanellen; hierfür wurde ihm der Titel Pascha verliehen. 1917 begleitete er den Kronprinzen Vahidettin, den späteren letzten Sultan Mehmed VI., in das Deutsche Reich. Unter anderem traf die Delegation in Bad Kreuznach mit Kaiser Wilhelm II. (Deutsches Reich), Generalfeldmarschall Paul von Hindenburg und Generalstabschef Ludendorff zusammen. Nach Ende des Krieges wurde er 1919 Militärinspekteur in Samsun. Nach der Pro-forma-Kapitulation des Osmanischen Reiches (Vertrag von Sèvres) und der anschließenden Besetzung großer Landesteile durch die Alliierten (Briten, Franzosen, Griechen, Italiener und Russen) rief er am 19. Mai zum Aufstand gegen die Besatzer auf.

In einem Telegramm beschwerte er sich beim Großwesir über die Preisgabe des Landes. Anschließend warb er in Proklamationen an das Volk um die Zustimmung zu einer neuen Türkei. Nach dem Verzicht auf seinen militärischen Dienstgrad (Mustafa Kemal Pascha war zu dieser Zeit Brigadegeneral) wurde er in Sivas zum Vorsitzenden der Repräsentantenversammlung und später des Exekutivrats gewählt.

1920 erklärte er den Unabhängigkeitskrieg, um die Teilung des Landes durch die Besatzer zu verhindern, die im Vertrag von Sevres beschlossen worden war. Als Kommandeur der türkischen Streitkräfte erreichte er nach zwei Jahren Krieg den Rückzug der feindlichen Armeen am 30. August 1922. Er schlug die Griechen am Berg Çal und den Ufern des Sakarya, wurde nach diesem Sieg Marschall und erhielt den Ehrentitel Gazi. Am 1. November wurde das Sultanat abgeschafft.

Nach der Unterzeichnung des Vertrags von Lausanne (24. Juli 1923) wurde am 29. Oktober die Republik Türkei ausgerufen und Atatürk wurde vom Parlament einstimmig zum ersten Präsidenten gewählt. Daraufhin ernannte er seinen langjährigen Weggefährten İsmet İnönü zum ersten Ministerpräsidenten der neuen Republik.

Türkische Republik

 
Atatürk-Denkmal in Istanbul am Goldenen Horn
 
Gemälde von Atatürk

Eins der bedeutendsten Ziele der Politik von Mustafa Kemal Pascha war die Hinwendung des Landes zum Westen und die Trennung von Staat und Religion nach westlichem Vorbild. Er verlegte die Hauptstadt des Landes nach Ankara.

1922 gelang es ihm, das Sultanat abzuschaffen und 1924 das Kalifat. Sultan und Kalif, die höchsten Würdenträger des Islam, verließen das Land. Religionsschulen für Geistliche und Richter wurden aufgelöst, die allgemeine Schulpflicht wurde eingeführt und alle Schulen einem Erziehungsministerium unterstellt.

1926 wurden die Derwischklöster geschlossen und das Tragen religiöser Bekleidungssymbole wie Fes, weit gearbeiteter Hosen, Derwischmützen und Tschador untersagt sowie der Familienname eingeführt. Ferner wurde die islamische Zeitrechnung durch den Gregorianischen Kalender ersetzt sowie das metrische System eingeführt. Anstatt des Freitags wurde der Sonntag wöchentlicher Feiertag. Im selben Jahr wurde auch die am Koran orientierte Rechtsprechung durch das Schweizer Zivilrecht abgelöst und damit die Gleichberechtigung zwischen Mann und Frau, die Eheschließung durch das Standesamt und ein modernes Erbschaftsrecht eingeführt. Daneben wurden das deutsche Handelsrecht und das italienische Strafrecht übernommen.

Als Amtssprache wurde die osmanische Hochsprache der bisherigen Eliten, die stark vom Persischen und Arabischen beeinflusst war, durch die türkische Volkssprache ersetzt. 1928 erfolgte die Umstellung von der arabischen Schrift auf das lateinische Alphabet. Seit 1930 konnten Frauen an Kommunalwahlen teilnehmen, seit 1934 auch an den Parlamentswahlen. Weitere Reformen betrafen das Steuerrecht, wodurch die Industrialisierung gefördert und die Landwirtschaft ungünstiger behandelt wurde.

1934 verlieh die große Nationalversammlung Mustafa Kemal Pascha den Titel „Atatürk“ (Vater der Türken). Atatürk ließ den Koran ins Türkische übersetzen und las ihn als erste Person im Dolmabahce-Palast. Die Idee jedoch, dass in den Moscheen statt auf Arabisch nur noch auf Türkisch gebetet werden sollte, erwies sich als undurchführbar und wurde zurückgenommen.

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Letzte Ruhestätte Atatürks

Zur Zeit des Nationalsozialismus lud Atatürk zum Aufbau des türkischen Hochschulwesens deutsche Wissenschaftler, auch solche jüdischen Glaubens, in die Türkei ein und gab ihnen dadurch eine Zufluchtsmöglichkeit. Die Universitäten von Ankara und Istanbul wurden für viele von ihnen zu neuen Wirkungsstätten.

Mustafa Kemal Atatürk starb am 10. November 1938 in Dolmabahçe in Istanbul an den Folgen einer Leberzirrhose, nachdem er zwei Tage vorher in ein Koma gefallen war, aus dem er nicht mehr erwachte. Eine Behandlung im Ausland lehnte er vehement ab mit den Worten "mich sollen nur türkische Ärzte behandeln". Sein Leichnam wurde nach Ankara gebracht und 1953 in dem eigens dafür geschaffenen MausoleumAnıtkabir“ zur letzten Ruhe gebettet. Der Großraum-Flughafen Istanbuls ist nach ihm benannt.

Zum Todestag Mustafa Kemals wird in der Türkei eine Trauerminute eingelegt, zu der landesweit Sirenen erklingen.

Gedenkstätten und Denkmäler

Das Gedenken an Mustafa Kemal Atatürk ist in der Türkei sehr stark ausgeprägt und nimmt bisweilen Züge eines Personenkults an. In vielen türkischen Städten stehen mehrere Atatürk-Statuen an verschiedenen öffentlichen Plätzen und Parks. Daneben befinden sich in fast allen öffentlichen Gebäuden Büsten von Atatürk, und einige Einrichtungen tragen seinen Namen (z. B. der Atatürk-Staudamm).

Wichtige Gedenkstätten und Denkmäler:

  • Das Geburtshaus in Thessaloniki liegt neben dem türkischen Generalkonsulat. Ein Teil des Gebäudes ist der Öffentlichkeit zugänglich und zeigt eine umfangreiche Ausstellung über Kemal Atatürk.
  • Im Güvenpark sieht man das Denkmal des Vertrauens. Es wurde 1935 erbaut und trägt als Inschrift ein Zitat von Atatürk: „Türke, sei stolz, arbeite und vertraue Dir selbst. (Türk, övün, calis, güven.)“.
  • Das Siegesdenkmal Atatürks auf dem Sieges-Platz zeigt ihn in Uniform.
  • Das Republik-Denkmal auf dem Ulus-Platz in Ankara zeigt Atatürk auf einem Pferd und soll den türkischen Freiheitskampf symbolisieren.

Zitate

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  • „Frieden im Lande, Frieden in der Welt.“
  • „Die Staatsgewalt gehört ohne Einschränkungen und bedingungslos dem Volke“
  • „Welches Glück wird dem zuteil, der sagen kann, ich bin ein Türke!“Vorlage:Ref
  • „Es gibt verschiedene Kulturen, aber nur eine Zivilisation, die europäische“Vorlage:Ref
  • „Der beste (vernünftigste) Wegweiser im Leben ist die Wissenschaft.“
  • „Unsere Religion ist die vernünftigste und natürlichste Religion; darum ist sie auch die letzte Religion geworden.“
  • „Die junge türkische Republik wird ihre Grundsteine nicht auf Bajonette, sondern auf Wirtschaft bauen. Die junge türkische Republik wird kein kriegerischer Staat sein, sie wird ein Wirtschaftsstaat sein (1923).“
  • „Alles, was wir auf der Welt sehen, ist das Werk der Frauen (1923).“
  • „Die Presse muss absolute Freiheit haben. Sie darf aus keinem Grund unter Druck gesetzt werden (1923).“

Literatur

  • Dursun Atilgan: Mustafa Kemal Atatürk. Leben, Leitvorstellungen, Leistung, Önel, Köln 1998, ISBN 3-929490-66-8
  • Kurt Bittel (Hrsg.): Mustafa Kemal Atatürk 1881-1981. Vorträge und Aufsätze zu seinem 100. Geburtstag, Groos, Heidelberg 1982, ISBN 3-87276-272-9
  • Johannes Glaseneck: Die Rolle der Persönlichkeit Kemal Atatürks im nationalen Befreiungskampf der Völker des Nahen Ostens, Akademie-Verlag, Berlin 1983
  • Dietrich Gronau: Mustafa Kemal Atatürk oder die Geburt der Republik, Fischer, Frankfurt/M. 1994, ISBN 3-596-11062-9
  • Halil Gülbeyaz: Mustafa Kemal Atatürk. Vom Statsgründer zum Mythos, Parthas-Verlag, Berlin, 2004, ISBN 3-932539-49-9
  • Peter Scholl-Latour: Allahs Schatten über Atatürk. Die Türkei in der Zerreißprobe; Zwischen Kurdistan und Kosovo, Goldmann, München 2001, ISBN 3-442-15137-6


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