Ludwig Poullain

deutscher Banker und Bankmanager
Dies ist eine alte Version dieser Seite, zuletzt bearbeitet am 9. Dezember 2005 um 10:17 Uhr durch Ehrhardt (Diskussion | Beiträge) (Biografie: typo). Sie kann sich erheblich von der aktuellen Version unterscheiden.

Dr. h.c. Ludwig Poullain (* 23. Dezember 1919 in Lüttringhausen) war von 1969 bis 1977 Vorstandsvorsitzender der WestLB und von 1967 bis 1972 Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes (DSGV).

Biografie

Ludwig Poullain wurde wurde am 23. Dezember 1919 in Lüttringhausen bei Remscheid als Sohn eines Bäckermeisters geboren. Nach Abschluss des Realgymnasiums begann er 1937 eine Lehre als Bankkaufmann bei der Sparkasse Remscheid. Mit Beginn des Zweiten Weltkriegs 1939 wurde er Soldat, bei Kriegsende war er Oberleutnant. Ab 1950 wurde er Verbandsprüfer beim Rheinischen Sparkassen- und Giroverband, weitere Stationen seiner Karriere waren ab 1955 Vorstandsmitglied bei der Sparkasse Solingen und ab 1958 Vorstandsmitglied bei der Sparkasse Recklinghausen.

1964 wechselte er zur Landesbank für Westfalen in Münster, deren Generaldirektion er 1966 übernahm. 1967 wurde er zusätzlich zum Präsidenten des Deutschen Sparkassen- und Giroverbands (DSGV) gewählt. Am 1. Januar 1969 vereinigte sich die Landesbank für Westfalen mit der "Rheinischen Girozentrale und Provinzialbank" in Düsseldorf zur "Westdeutschen Landesbank Girozentrale" (WestLB) mit Sitz in Düsseldorf und Münster. Damit entstand in Nordrhein-Westfalen die damals größte Bank in Deutschland. Poullain war ihr erster Vorstandsvorsitzender. 1972 tritt Poullain vom Amt des DSGV-Präsidenten zurück. Die Mehrheit der Sparkassen war seinen Ideen zur Weiterentwicklung der Sparkassenorganisation nicht gefolgt. Poullain widmete sich daraufhin dem Ausbau der Marktposition der WestLB Er stärkte vor allem das Auslandsgeschäft der Bank. Niederlassungen in Luxemburg (1972), London (1973) und New York (1975) wurden eingerichtet. Außerdem ging die WestLB in dieser Zeit zahlreiche Unternehmensbeteiligungen ein (z.B. Preussag oder Gildemeister]]. Im Zuge der Poullain-Affäre (siehe unten) trat er 1977 zurück.

Ludwig Poullain betätigte sich danach als Berater, unter anderem von Max Grundig. Später übernahm er bei mittelständischen Unternehmen Funktionen wie Generalbevollmächtigter oder, zuletzt, Aufsichtsratsvorsitzender der Marseille-Kliniken AG in Hamburg.

Poullain-Affäre 1977

Am 23. Dezember 1977 trat Ludwig Poullain vom Amt als Vorstandsvorsitzender der WestLB zurück. Zuvor war in der Öffentlichkeit ein Beratervertrag Poullains mit dem Unternehmer Franz Josef Schmidt bekannt geworden, der in der Presse als skandalös empfunden wurde. Eine Million DM hatte der Poullain aus diesem Vertrag erhalten. Der Vertrag war von ihm nicht verheimlicht und auch ordnungsgemäß versteuert worden, wie sich später herausstellte. Die WestLB sprach nach weiteren Presseveröffentlichungen am 17. Januar 1978 eine fristlose Kündigung gegen Poullain wegen grober Pflichtverletzung aus. Der nordrhein-westfälische Finanzminister Friedrich Halstenberg (SPD) trat am selben Tag zurück. Halstenberg war Vorsitzender des WestLB-Verwaltungsrat. Es mag hier auch eine Rolle gespielt haben, dass Ludwig Poullain zuvor dem Ministerpräsidenten Heinz Kühn (SPD) gegenüber standfest geblieben war. Kühn hatte Poullain gebeten, in der Öffentlichkeit künftig kritische Sätze zur Wirtschaftspolitik des damaligen Bundeskanzlers Helmut Schmidt (SPD) zu unterlassen. Poullain verweigerte sich dem Ansinnen und pochte auf sein Recht auf freie Meinungsäußerung.

Die Poullain-Affäre beschäftigte auch die Gerichte. Am 13. Juli 1979 endete die Berufungsverhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf wegen Erfüllung seines Abfindungsvertrags zugunsten Poullains. Im Strafverfahren wegen Betrugs und Untreue sprach ihn das Landgericht Münster am 16. November 1981 in allen Anklagepunkten frei. Poullain habe nicht als "Amtsträger" gehandelt und den umstrittenen Beratervertrag somit schließen dürfen.

Ungehaltene Rede 2004

Im Juli 2004 geriet Ludwig Poullain erneut in die Schlagzeilen der Wirtschaftspresse. Er sollte zur Verabschiedung des Vorstandschefs der Norddeutschen Landesbank Manfred Bodin eine Rede halten. Die geplante Rede über „Bank und Ethos“ wurde kurzfristig abgesagt, nachdem der Redetext mit zahlreichen Kritikpunkten am bestehenden deutschen Bankwesen bekannt geworden war. Die ursprünglich für einen kleinen Insiderkreis geschriebene Rede wurde daraufhin unter der Überschrift „Ungehaltene Rede“ am 16. Juli 2004 in voller Länge in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlicht. Die Schelte, die man unterdrücken wollte, entfaltete so eine sehr viel größere Wirkung.

Werke

  • Gefährdete Wirtschaftsordnung, Deutsche Weltwirtschaftsgesellschaft, Berlin 1974
  • Die Sparkassenorganisation, Knapp, Frankfurt/M. 1972
  • Tätigkeitsbericht, Seewald, Stuttgart-Degerloch 1979, ISBN 3-5120-0532-2 (Biographie)
  • Ungehaltene Rede, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung 163 (2004) vom 16. Juli 2004, S. 9

Literatur

  • Helmut Reuther: Ludwig Poullain, Transcontact Verlag, Bonn 1973 (Menschen unserer Zeit; Bd. 19)