Riemannsche Zeta-Funktion

mathematische Funktion
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Die riemannsche ζ-Funktion (Zeta-Funktion nach Bernhard Riemann) ist eine spezielle mathematische Funktion, die in der analytischen Zahlentheorie, einem Teilgebiet der Mathematik, eine wichtige Rolle spielt. Ihre Bedeutung liegt darin, dass ihre Nullstellen im Komplexen Auskunft über Primzahlen, ihre Verteilung und über deren Eigenschaften geben. Zudem ist sie eine bedeutende Dirichlet-Reihe, die in vielen Disziplinen Anwendungen hat.

Die riemannsche Zeta-Funktion in der komplexen Ebene.
Die in obigem Bild verwendete Kolorierung der komplexen Funktionswerte: Positive reelle Werte sind rot gefärbt.

Erstmals untersucht wurde die Zeta-Funktion im 18. Jahrhundert von Leonhard Euler, der bedeutende Aussagen bezüglich ihrer fundamentalen Eigenschaften machen konnte. In der Zeit danach folgten viele weitere bahnbrechende Entdeckungen, die bedeutendsten unter ihnen von Riemann, der den tiefgründigen Zusammenhang zwischen der Zeta-Funktion und Primzahlen aufzeigte.

Wichtige Anwendungsgebiete sind:

Definition

 
Die Dirichlet-Reihe ist nur auf der um 1 verschobenen rechten Halbebene definiert. Der für sie undefinierte Bereich, in welchem die Reihe divergiert, ist in grau dargestellt. Das untere Bild zeigt die analytisch fortgesetzte Zeta-Funktion.
 
Im Vergleich: die analytische Fortsetzung. Ihre Werte stimmen innerhalb der um 1 verschobenen rechten Halbebene exakt mit denen der Dirichlet-Reihe überein. Jedoch besitzt sie generell Werte für alle   mit  .

Die Zeta-Funktion wird in der Literatur generell über ihre elementare Reihendarstellung definiert.

Für komplexe Zahlen  , deren Realteil   größer als 1 ist, ist die Zeta-Funktion definiert durch die Dirichlet-Reihe:

 

Die Beschränktheit der Definitionsmenge dieser Darstellung wird ersichtlich, wenn man zum Beispiel versuchte, die  -Funktion an der Stelle   über die Dirichlet-Reihe auszuwerten. Man hätte dann

 

was ganz offensichtlich keinen endlichen Grenzwert besitzt. Daher ist der Definitionsbereich der Dirichlet-Reihe auf die um 1 verschobene rechte Hälfte der komplexen Zahlenebene, also auf alle  , beschränkt und somit kann die Dirichlet-Reihe auch nur in diesem Zahlenbereich für eine Berechnung der Zeta-Funktion herangezogen werden. Innerhalb ihres Definitionsbereiches ist die besagte Dirichlet-Reihe zudem absolut konvergent.

Trotz dieser Einschränkungen ist die Dirichlet-Reihe die Basis für alle anderen Darstellungen der Zeta-Funktion. Um die riemannsche Zeta-Funktion für alle Zahlen der komplexen Zahlenebene (mit Ausnahme der Zahl 1) berechnen zu können, bedient man sich des Konzepts der analytischen Fortsetzung. Eine analytische Fortsetzung stellt anschaulich einen alternativen Ausdruck für eine Funktion bereit, der den Definitionsbereich des ursprünglichen Ausdrucks verallgemeinert.

Beispiele für analytische Fortsetzungen befinden sich im Abschnitt Andere Ausdrücke für die Zeta-Funktion.

Euler-Produkt

Eine wesentliche Eigenschaft der Zeta-Funktion ist ihre Verbindung zu den Primzahlen. Euler, der als erster diesen Zusammenhang entdeckte, betrachtete dafür das später nach ihm benannte Euler-Produkt:

 

Hierbei stellt jeder einzelne Faktor des Produktes eine geometrische Reihe gebildet über den Wert   dar, während sich das gesamte Produkt über alle Primzahlen   erstreckt. Das Euler-Produkt ist deshalb so erstaunlich, da Primzahlen normalerweise aufgrund ihrer chaotischen Verteilung sehr schwer in analytischen Ausdrücken unterzubringen sind. Jedoch stellt es eine überraschend einfache Identität zwischen den „chaotischen Primzahlen“ und einer wohl geordneten Reihe dar.

Im nächsten Schritt multiplizierte Euler das Produkt komplett aus, wobei sich unter Anwendung der Regel über das Produkt (zweier, dreier, ... unendlich vieler) unendlicher geometrischer Reihen

 
 
 
usw.
 

der folgende Ausdruck ergibt:

 

wenn   die  -te Primzahl ist. Nun griff Euler auf den Fundamentalsatz der Arithmetik zurück, der besagt, dass es für jede natürliche Zahl   eine eindeutige Primfaktorzerlegung gibt, was wiederum heißt, dass für jede dieser Zahlen   genau eine natürliche Folge   existiert, sodass

 

gilt. Wendet man diese Tatsache auf Eulers ausmultiplizierten Summenausdruck an, erhält man folglich:

 

da die Summen jeweils unabhängig alle Folgeglieder über alle natürlichen Zahlen einschließlich 0 summieren, sodass jede erdenkliche Kombination der Primfaktorzerlegung genau einmal durchlaufen wird. Zusammen mit der Formel

 

für die geometrische Reihe ist es schließlich möglich, die im unendlichen Produkt befindlichen Summen   zu einem geschlossenen Ausdruck zu bringen und man gelangt schließlich zu:

 [1]

Diese auf den ersten Blick völlig harmlose Tatsache macht die Zeta-Funktion zu einem zentralen Gegenstand der modernen Zahlentheorie und war ausschlaggebend für Bernhard Riemanns bedeutende Arbeit Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe. In dieser gelang es Riemann, aus ebendieser geschlossenen Formel konkrete Informationen über die Primzahlverteilung zu gewinnen.

Anmerkung: Da das Euler-Produkt äquivalent zur Dirichlet-Reihen-Darstellung der Zeta-Funktion ist, konvergiert es ebenfalls nur auf der um 1 verschobenen rechten Halbebene, also für alle komplexen Zahlen   mit  .

Funktionalgleichung

Auf ganz   gilt als Identität zwischen meromorphen Funktionen

 

Aus dieser geht durch einfache Umformung die alternative Darstellung

 

für alle   hervor. Hierbei bezeichnet   die Gammafunktion, welche die Fakultät auf komplexe Zahlen verallgemeinert.[2][3]

Die Funktionalgleichung schafft einen unzertrennlichen Zusammenhang zwischen bedeutenden mathematischen Funktionen und war ein wichtiger Anhaltspunkt für Riemanns Arbeiten über Primzahlen. So lassen sich beispielsweise wertvolle Erkenntnisse über die Lage der Nullstellen der Zeta-Funktion aus ihr gewinnen.

Alternativ zu der obigen Funktionalgleichung definierte Riemann in seiner Arbeit die Funktion:

 

für die

 

gilt. Sie wird auch als riemannsche Xi-Funktion bezeichnet.[4]

Ein Herleitungsansatz für die Funktionalgleichung befindet sich im Abschnitt Beziehung zur Thetafunktion.

Geschichte

Im Gegensatz zu den Primzahlen oder beispielsweise der euklidischen Geometrie ist die mathematische Entdeckungsgeschichte der riemannschen Zetafunktion sehr jung. So sind alle bis heute wesentlichen Entdeckungen bezüglich dieser Funktion in den letzten 350 Jahren gemacht worden. Dies liegt zu einem daran, dass in der Zeit davor die mathematischen Methoden, die für eine tiefgründige Untersuchung der Zeta-Funktion vonnöten sind, noch nicht ausgereift waren. Die Zeta-Funktion besaß zum Zeitpunkt ihrer Entdeckung noch keinerlei offensichtliche Anwendung in der Praxis. Ein Grund, weshalb sie trotzdem die Aufmerksamkeit vieler Mathematiker erhielt, war, dass sie trotz ihrer sehr simpel wirkenden Struktur keinesfalls annähernd triviale Eigenschaften besitzt wie beispielsweise die geometrische Reihe.

 
Leonhard Euler, 1735

Einer der ersten Mathematiker, der sich mit einem Vorläufer der heute definierten Zeta-Funktion intensiv und ausführlich auseinandersetzte, war Leonhard Euler. Seit Beginn des 18. Jahrhunderts versuchten Mathematiker den exakten Grenzwert der unendlichen Reihe

 

zu bestimmen. Leonhard Euler, der im Jahre 1735 dieses schwierige Basler Problem mit Hilfe eigener neuartiger Techniken löste[5], untersuchte anschließend den verallgemeinerten Ausdruck

 

(Euler verwendete das „reelle  “, die Schreibweise mit komplexer Variablen   wurde erst über Riemann populär) in der Hoffnung, weitere und außerdem weit bedeutendere Aussagen über diese Reihe treffen zu können. Da die Methoden der komplexen Analysis Euler zu seinen Lebzeiten weitestgehend noch nicht bekannt waren, war er auch noch nicht im Stande, das Problem der Primzahlen in der Weise zu attackieren, wie Riemann es später tun sollte. Jedoch gelang es ihm, einige bedeutende Aussagen über diese verallgemeinerte Reihe zu treffen.

 
Bernhard Riemann, 1863

So fand er zum Beispiel die Formel

 

(Euler selbst verwendete noch nicht das   als Funktionssymbol) und berechnete neben   per Hand[6] den Wert

 

Auch entdeckte Euler das nach ihm benannte Euler-Produkt

 

und konnte mit seiner Hilfe die Divergenz der Reihe der Kehrwerte aller Primzahlen

 

nachweisen.[7] Diese Tatsache war für ihn ein Indikator dafür, dass Primzahlen wesentlich dichter liegen müssten als Quadratzahlen, da er im Basler Problem ja gezeigt hatte, dass die unendliche Summe der Kehrwerte aller Quadratzahlen gegen einen endlichen Grenzwert strebt. Auch die von Riemann später bewiesene Funktionalgleichung soll Euler schon bekannt gewesen sein.

 
Die erste Seite von Bernhard Riemann's Artikel über Primzahlen.

Im Jahr 1859 setzte Bernhard Riemann in seiner Arbeit Über die Anzahl der Primzahlen unter einer gegebenen Größe die Zeta-Funktion in zentralen Zusammenhang zu den Primzahlen. Zwar hatte Euler schon ein Jahrhundert vorher die Gültigkeit des Euler-Produktes aufgezeigt, jedoch war es erst über Riemanns Herangehensweise möglich geworden, aus diesem konkrete Informationen über Primzahlen selbst zu gewinnen. Riemann, der selbst ein Schüler von Gauß war, schrieb in seiner achtseitigen Arbeit eine funktionentheoretische Interpretation bzw. Auswertung des Euler-Produktes, die einen tiefgründigen Zusammenhang zwischen Primzahlen und den nicht-trivialen Nullstellen der Zeta-Funktion schaffte. Damit war ihm ein völlig neuer Zugang zu dem Primzahl-Rätsel gelungen. In ihr führte er ebenfalls erstmals das griechische   (Zeta) als Funktionssymbol ein. In seiner Arbeit formulierte er außerdem seine bis heute unbewiesene berühmte riemannsche Vermutung, die eine wichtige Aussage über die genaue Lage der Nullstellen der Zeta-Funktion macht. Daher beschäftigte sich Riemann ebenfalls mit der numerischen Berechnung seiner Zeta-Funktion und fand sogar die ziemlich genaue Lage einiger nicht-trivialer Nullstellen in der komplexen Ebene, ohne dafür eine Rechenmaschine zu benutzen. Die Formel, die er dafür verwendete, wurde später von dem deutschen Mathematiker Carl Ludwig Siegel bei der Auswertung seiner Dokumente wiederentdeckt und wird seit diesem Zeitpunkt Riemann-Siegel-Formel genannt. Da viele von Riemanns Aufzeichnungen nach seinem Ableben von seiner Haushälterin verbrannt wurden, kann bis heute nur spekuliert werden, wie tiefgründig seine tatsächlichen Untersuchungen hinsichtlich der Primzahlen waren. [8]

Im Jahre 1910 veröffentlichte der indische Mathematiker S. Ramanujan im Journal of the Indian Mathematical Society einen Artikel, in dem unter anderem die folgende Gleichung behauptet wurde.

 

Die meisten Mathematiker, die diese Gleichung zu Gesicht bekamen, hatten sie als offensichtlichen Schwachsinn gewertet. So kam es, dass Professor Hill vom University College in London schrieb:

„Mr. Ramanujan ist ein Opfer der Fallstricke des sehr schwierigen Gebietes der divergenten Reihen geworden.“

Als jedoch, nach zahlreichen ablehnenden Reaktionen, ein Brief Ramanujans bei dem britischen Mathematiker Godfrey Harold Hardy in Cambridge landete, änderte sich die Situation. Hardy, einer der bedeutendsten Zahlentheoretiker seiner Zeit, entdeckte in dieser Gleichung schließlich die korrekte Auswertung des Wertes   durch den Inder wieder, auch wenn sie bezüglich ihrer mathematischen Formalität natürlich inkorrekt war. Hardy war sich sicher, dass Ramanujan, trotz seiner fremden Art Mathematik zu betreiben, ein Genie sein müsse.[9]

Eigenschaften

Konvergenzverhalten der Dirichlet-Reihe

Die elementare Darstellung der Zeta-Funktion über die Dirichlet-Reihe

 

ist nicht für alle beliebigen   gültig. Das liegt daran, dass diese Reihe nur für bestimmte komplexe Zahlen   konvergiert, das heißt in unendlicher Aufsummierung gegen einen endlichen Grenzwert strebt. Wählen wir ein   mit   (also mit positivem Realteil) können wir über die nun folgenden Betrachtungen auf das Konvergenzverhalten der Dirichlet-Reihe schließen.

Über das Majorantenkriterium

Nutzt man das sogenannte Majorantenkriterium, so sucht man eine Majorante (in diesem Falle eine zweite Reihe), deren Konvergenz erstens einfach zu zeigen ist und welche zweitens betragsmäßig größere Summanden und somit auch einen höheren Grenzwert besitzt als den der Dirichlet-Reihe. Anschaulich bedeutet dies, über einen Größenvergleich beider Reihen die Konvergenz (und somit Endlichkeit) der kleineren Dirichlet-Reihe zu beweisen, indem die Konvergenz der größeren Reihe bewiesen wird, denn etwas, was betragsmäßig kleiner als eine endliche Zahl ist, muss ebenfalls endlich sein.

Als Ansatz bietet es sich an, die Reihe   in unendlich viele Teile aufzuspalten und all diesen Teilen jeweils eine einfache „Teilmajorante“ zuzuordnen. Es gilt

 

Die Folge dieser „Teilmajoranten“ ist eine geometrische Folge, denn es gilt  . Zu jedem Folgeglied kann genau ein Segment der Dirichlet-Reihe zugewiesen werden (wie in der oberen Darstellung gut zu erkennen ist). Da jedes einzelne dieser Folgeglieder größer ist als das zu ihm gehörende Segement muss die aus der geometrischen Folge bestehende geometrische Reihe im Gesamten ebenfalls größer sein als die Zeta-Funktion. Man hat also

 

Der Ausdruck auf der linken Seite der Ungleichung ist für alle   konvergent und endlich, daher muss das gleich auch für die Zeta-Funktion gelten. Bei   divergiert die geometrische Reihe (Majorante) jedoch. Es ist daher zu vermuten, dass das gleiche für die Zeta-Funktion gilt, was bedeuten würde, dass die Reihe

 

keinen Grenzwert besitzt. Das ist auch tatsächlich der Fall, für eine Beweisidee siehe auch harmonische Reihe. Folglich ist die Dirichlet-Reihe für alle   mit   ebenfalls divergent und darf hier nicht mehr zur Berechnung der Zeta-Funktion verwendet werden. Dafür kann man analog zum Majorantenkriterium das Minorantenkriterium mit der harmonischen Reihe als Minorante verwenden, um die Divergenz aller Reihen   mit   zu beweisen.

Nicht zuletzt kann man als logische Konsequenz mit Hilfe von   für alle reellen   und   über

 

die absolute Konvergenz der Dirichlet-Reihe für alle   mit   folgern.

Über das Integralkriterium

Auch das Integralkriterium bietet eine einfache Chance auf den Konvergenzbereich der Dirichlet-Reihe zu schließen. Ist nämlich die Reihe

 

für ein   konvergent, so muss das dazugehörige Integral

 

ebenfalls existieren. Dieses Integral ist aber im Vergleich zur Dirichlet-Reihe sehr einfach auszuwerten.

 

Das Integral existiert also, sofern der Realteil von   weder 1 noch kleiner als 1 ist.

Das beweist die Konvergenz der Dirichlet-Reihe in der um 1 verschobenen rechten Halbebene  .

Verhalten in der komplexen Ebene

Die  -Funktion ist eine in ganz   holomorphe Funktion, das bedeutet, dass sie an allen Stellen außer   ableitbar ist. Darüber hinaus ist sie in ganz   meromorph.

An der Stelle   besitzt sie, aufgrund der Divergenz der harmonischen Reihe, einen Pol erster Ordnung mit Residuum 1, das heißt es gilt:

 

Des Weiteren gilt:

 

Strebt also der Realteil des Arguments gegen unendlich, so tendiert der Funktionswert der Zeta-Funktion stets gegen 1, egal welchen Imaginärteil das Argument besitzt. Eine einfache Erklärung hierfür ist das Verhalten der Dirichlet-Reihe. Wird nämlich der Realteil des Arguments stark vergrößert, so liefern die Reihenglieder nach 1 nur noch verschwindend kleine Beiträge.

 

Vergleiche hierzu auch den komplexen Graph der Zeta-Funktion zu Beginn des Artikels, der in Richtung der positiven reellen Achse zunehmend konstant rot gefärbt ist.

Spiegelung konjugierter Argumente

Zu einer komplexen Zahl   definiert man ihre Konjugation über  . Es gilt nun für alle  :

 

Das bedeutet: Wenn für ein reelles Zahlenpaar   mit  

 

mit   gilt, so gilt gleichzeitig

 

Mit anderen Worten: Verändert man das Vorzeichen des Imaginärteils des Arguments so verändert sich auch das Vorzeichen des Imaginärteils des Funktionswertes.

Eine Beweismöglichkeit dieser Tatsache ergibt sich über die Dirichlet-Reihe:

 

Obwohl die Dirichlet-Reihe nicht global konvergiert, wird diese Eigenschaft in ganz   beibehalten. Auch die Tatsache, dass die Zeta-Funktion auf der reellen Achse nur reelle Werte annimmt und in ganz   holomorph ist, kann für obiges als Begründung herangezogen werden.

 
Jede auf dem kritischen Streifen   definierte und in einem Gebiet   nullstellenfreie holomorphe Funktion wird beliebig genau approximiert.

Universalitätssatz von Woronin

Nach dem Universalitätssatz von Woronin ist die riemannsche  -Funktion im Stande, jede beliebige (holomorphe) Funktion in einer nullstellenfreien Kreisscheibe mit Radius 1/4 beliebig genau zu approximieren.

Als anschaulichen Vergleich stelle man sich dafür vor, dass es für jede (holomorphe) Funktion eine Art „Landkarte“ gibt, die Höhen und Tiefen sowie Himmelsrichtung der Funktionswerte in der komplexen Ebene darstellt. Der Universalitätssatz besagt nun, dass man, wenn man die Landkarte der Zeta-Funktion in einem bestimmten unendlichen Bereich scannen würde, früher oder später auf Gebiete stieße, die Ausschnitten der Landkarten anderer Funktionen, also mit samt aller darin eingetragenen „Berge“ und „Täler“, sehr ähneln - ja, sogar beliebig genau ähneln. Als einzige Voraussetzung gelte hierbei jedoch, dass auf dem Kartenausschnitt der fremden Funktion nie der Wert 0 eingetragen sei.

Formal ausgedrückt: sei   eine zusammenhängende, kompakte Teilmenge (Gebiet) des Streifens  .

Sei   nun eine in ganz   holomorphe Funktion, die außerdem für kein   verschwinde. Es existiert dann für jedes   ein  , sodass

 

für alle  .

Der Universalitätssatz ist insofern bemerkenswert, da sich seiner Aussage nach die  -Funktion im kritischen Streifen äußerst chaotisch verhalten muss, was zunächst widersprüchlich zu der (vermutlich) perfekt symmetrischen Lage ihrer Nullstellen zu sein scheint. Viele Mathematiker vermuten daher, dass sich hinter diesen abstrakten Eigenschaften eine fundamentale Theorie verbirgt.

Die Aussage, dass sich die  -Funktion selbst über den Universalitätssatz approximieren lässt, ist äquivalent zur riemannschen Vermutung.[10]

Spezielle Funktionswerte

Funktionswerte für gerade natürliche Zahlen

Die Funktionswerte der riemannschen Zeta-Funktion für positive, gerade Zahlen haben eine enge Beziehung zur Kreiszahl  . Für eine positive ganze Zahl   ist

 

wobei   die  -te Bernoulli-Zahl bezeichnet. Somit lässt sich jeder Funktionswert   in der Form

 

schreiben, wobei   und   ganze Zahlen sind. Daraus folgt auch sofort, dass jeder Wert   für natürliche Zahlen   irrational ist.

Beispielsweise ist

 

Diese Formeln wurden von Euler entdeckt und 1735 in seiner Arbeit De Summis Serierum Reciprocarum erstmals veröffentlicht. Das Auffinden des Werts von   ist auch als das Basler Problem bekannt.

Daneben gibt es auch die bemerkenswerte Rekursionsformel

 

für natürliche Zahlen  , die Euler noch nicht bekannt war.[11]

Funktionswerte für ungerade natürliche Zahlen

Über den Wert der Zeta-Funktion für ungerade natürliche Zahlen ist nur sehr wenig bekannt. Beispielsweise weiß man, dass die Apéry-Konstante   irrational ist, was 1979 von dem französischen Mathematiker Roger Apéry bewiesen wurde.[12]

Um 1900 fand Matyáš Lerch[13] einen besonders eleganten Ausdruck für  :

 

Durch Arbeiten von Lerch und S. Ramanujan inspiriert,[14] entwickelte der Kanadier Simon Plouffe ab 1995 weitere Ausdrücke dieser Art:

 
 

Eine allgemeine Formel für alle ungeraden, positiven ganzen Zahlen der Form   mit   ist:[15]

 

wobei   die  -te Bernoulli-Zahl ist. Dies vereinfacht sich zu einer alternativen Darstellung, die Zeta-Werte gerader Argumente mit einschließt:

 [16]

Die Dezimalentwicklungen der ersten ungeraden Zeta-Werte sind:

    (Folge A002117 in OEIS)
    (Folge A013663 in OEIS)
    (Folge A013665 in OEIS)
    (Folge A013667 in OEIS)

Funktionswerte für nichtpositive ganze Zahlen

Im Gegensatz zu den Zeta-Werten positiver ganzer Argumente, über die im Falle der ungeraden Werte bis heute nahezu nichts bekannt ist, sind die Funktionswerte für nichtpositive ganze Zahlen sämtlich bekannt. Insbesondere sind sie alle rational. Sie hängen, wie die Zeta-Wert gerader positiver Zahlen, sehr eng mit den Bernoulli-Zahlen zusammen.

Aus der Funktionalgleichung und Eulers Formel für gerade Zeta-Werte gelangt man für eine natürliche Zahl   zu:

 

Aus   für ungerade n geht schließlich die für alle natürlichen Zahlen   gültige Darstellung

 

hervor, mit deren Hilfe man insbesondere

 

ableiten kann. Weitere Werte sind:

 

Bezüglich des Wertes   schrieb der indische Mathematiker S. Ramanujan in einem seiner Artikel die (formal natürlich inkorrekte) Gleichung:

 

siehe auch im Abschnitt Geschichte.

Funktionswerte für halbzahlige Argumente

Auch die Funktionswerte für halbzahlige Argumente sind interessant, und zwar gilt

    (Folge A059750 in OEIS),
    (Folge A078434 in OEIS).

Dieser Wert wird u. a. in der Physik bei der Berechnung der kritischen Temperatur für die Ausbildung eines sogenannten Bose-Einstein-Kondensats und in der Spinwellen-Theorie bei magnetischen Systemen benötigt.

 
 

Nullstellen

 
Die ersten "trivialen" Nullstellen der  -Funktion.
 
In Blau ist der Realteil und in Rot der Imaginärteil der Funktion   dargestellt, sodass man klar die ersten nichttrivialen Nullstellen erkennen kann.

Triviale Nullstellen

Aus der Darstellung als Euler-Produkt kann man leicht folgern, dass   für   gilt. Zusammen mit der Funktionalgleichung ergibt sich, dass die einzigen Nullstellen außerhalb des kritischen Streifens

 

die „trivialen“ Nullstellen   sind.

Die riemannsche Vermutung

Die Lage der Nullstellen im kritischen Streifen hängt eng mit Aussagen über die Verteilung der Primzahlen zusammen. Beispielsweise ist die Aussage, dass auf dem Rand des kritischen Streifens keine Nullstellen liegen, ein möglicher Zwischenschritt beim Beweis des Primzahlsatzes. Weitere Vergrößerungen des „nullstellenfreien Bereiches“ implizieren Restgliedabschätzungen im Primzahlsatz. Riemann vermutete im Jahr 1859, dass alle Nullstellen auf der parallel zur imaginären Achse verlaufenden Geraden   liegen. Diese so genannte riemannsche Vermutung konnte bislang weder bewiesen noch widerlegt werden.

Der Verlauf der Zeta-Funktion in der komplexen Ebene, besonders entlang von parallel zur imaginären Achse verlaufenden Streifen, wird wegen des Zusammenhangs mit der Primzahlverteilung und des davon unmittelbar betroffenen sogenannten Faktorisierungsproblems seit kurzem auch gezielt mit physikalischen Methoden untersucht, und zwar mit Interferenz-Methoden analog zur Holographie. Man teilt dazu die definierende Summe in zwei Teile mit positiver bzw. negativer Phase auf, ψ bzw. ψ*, die man anschließend zur Interferenz bringt.[17]

Die Imaginärteile der „ersten“ Nullstellen sind beispielsweise

±k ±Im ρk
1 14,134725141734693790…
2 21,022039638771554993…
3 25,010857580145688763…
4 30,424876125859513210…

Über die Eigenschaften dieser Imaginärteile (Irrationalität, Transzendenz, …) ist bis heute nahezu nichts bekannt.[18]

Anwendung und Auftreten

Die riemannsche Zeta-Funktion tritt nicht nur im Zusammenhang zwischen Primzahlen und ihren Nullstellen auf. Sie findet darüber hinaus in vielen verschiedenen Teilgebieten der Mathematik Anwendung. Das kann einmal dadurch begründet werden, dass ihre Dirichlet-Reihe durch ihre einfache Struktur immer wieder in elementaren Zusammenhängen auftritt. Darüber hinaus sind es auch ihre besonderen Eigenschaften als spezielle Funktion, die ein zahlreiches Auftauchen begünstigen.

In Verbindung mit zahlentheoretischen Funktionen

Es existieren Zusammenhänge zwischen einigen zahlentheoretischen Funktionen und der  -Funktion. Diese Verbindungen drücken sich in Dirichlet-Reihen aus, die über die betreffenden zahlentheoretischen Funktionen gebildet werden. Hierbei macht man sich zu Nutze, dass das Produkt zweier (oder generell mehrerer) konvergenter Dirichlet-Reihen eine wiederum konvergente Dirichlet-Reihe ergibt. Man spricht auch von der sogenannten Dirichlet-Faltung zweier (oder mehrerer) Dirichlet-Reihen. In diesem Zusammenhang kann man sich zum Beispiel die Dirichlet-Reihen von  ,   oder auch   ansehen:

Man findet beispielsweise die Relation:

 

wobei   die Teileranzahlfunktion darstellt, welche zählt, wie viele natürliche Teiler eine Zahl   besitzt. Zu diesem Ergebnis gelangt man durch systematisches Ausmultiplizieren des Quadrates der Dirichlet-Reihe der Zeta-Funktion. Da es sich dabei um das Produkt zweier (konvergenter) Dirichlet-Reihen handelt, kann es, wie oben beschrieben, wiederum über eine Dirichlet-Reihe dargestellt werden.

 

Die aus dieser Faltung erzeugte Dirichlet-Reihe hat nun eine neue zahlentheoretische Funktion, die als   bezeichnet wird. Der Summenindex wird als   gewählt, um Verwechslungen zu vermeiden. Der vorletzte Schritt der Auswertung zeigt nun, dass man den Wert von   über die Anzahl aller natürlichen Zahlenpaare   gewinnen kann, für die   gilt. Somit reduziert sich die Frage nach dem Wert von   darauf, wie viele Teiler die betroffene Zahl   besitzt.

Allgemeiner hat man:

 

wobei   die verallgemeinerte Teilerfunktion ist.[19]

Mit der Möbiusfunktion erhält man eine Dirichlet-Reihe, die den Kehrwert der  -Funktion erzeugt. Es gilt dann:

 

Zur Erklärung dieses Zusammenhangs betrachtet man

 

also einfach den Kehrwert des Euler-Produkts, und bildet durch konsequentes Ausmultiplizieren die dazugehörige Dirichlet-Reihe, die sich dann definitionsgemäß über jene Möbiusfunktion erstreckt.

Weitere Beispiele sind

 

mit der eulerschen  -Funktion[20] und

 

mit der Mangoldt-Funktion.[21]

In der Analysis

Taylor-Reihen

In der Analysis tritt die Zeta-Funktion unter anderem als Koeffizientenfolge in den Taylor-Reihen des Kotangens und der Digamma-Funktion auf.

Die erzeugende Funktion der Folge   mit   für alle   ist:

 

wobei   hier die Digamma-Funktion und   die Euler-Mascheroni-Konstante bezeichnet.[22]

Summiert man außerdem in einer Potenzreihe, welche die Zetafunktionswerte als Koeffizienten hat, nur über die geradzahligen Exponenten bzw. Folgeglieder, so ergibt sich:

 

ebenfalls mit Konvergenzradius 1.[23]

Unendliche Reihen

Des Weiteren gibt es eine reichhaltige Fülle an unendlichen Reihen mit besonderen Grenzwerten, die die Zeta-Funktion beinhalten. Zwei Beispiele für Reihen mit rationalen Grenzwerten sind:

 

und

 

Zusammen mit der Euler-Mascheroni-Konstante   hat man:

 
 
 

und auch:

 

Auch für die catalansche Konstante   existieren solche Reihen:[24]

 

In der Wahrscheinlichkeitstheorie

Die Zeta-Funktion spielt eine zentrale Rolle bei der sogenannten Zipf-Verteilung. Es gilt für eine Zufallsvariable  :

 

Auch einige Wahrscheinlichkeitsgesetze aus der Zahlentheorie stehen in engem Zusammenhang zu der Zeta-Funktion. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine zufällig gewählte Zahl quadratfrei ist, und ebenso die Wahrscheinlichkeit, dass zwei zufällig gewählte Zahlen teilerfremd sind, ist gleich

    (Folge A059956 in OEIS).

Allgemeiner ist   die Wahrscheinlichkeit, dass n positive ganze Zahlen keine k-te Potenz größer 1 als gemeinsamen Teiler haben.[25]

Als Funktionswert spezieller Funktionen

Die riemannsche Zeta-Funktion taucht ebenfalls bei der Auswertung bestimmter Funktionswerte anderer spezieller Funktionen auf, was nicht zuletzt durch ihre Verbindung zur Gamma-Funktion (beispielsweise in der Funktionalgleichung) begründet werden kann. Zum Beispiel ergibt sich mit der Polygamma-Funktion:

 
 [26]

Andere Ausdrücke für die ζ-Funktion

Neben ihrer elementaren Reihendarstellung besitzt die Zeta-Funktion eine reiche Fülle an weiteren Ausdrücken, von denen einige im Folgenden aufgeführt werden. Hierbei sei jedoch zu bemerken, dass sich die allermeisten dieser Formeln nicht wirklich für eine effiziente numerische Berechnung eignen. Viele dieser Ausdrücke spielen jedoch in der reinen Mathematik eine wichtige Rolle, da mit ihrer Hilfe theoretische Resultate bewiesen werden können, die neben dem allgemeinen Erkenntnisgewinn auch für die spätere Anwendung entscheidende Auswirkung haben können. Des Weiteren stellen einige dieser Formeln analytische Fortsetzungen dar, welche die Zeta-Funktion auch außerhalb der um 1 verschobenen rechten Halbebene gültig darstellen.

Beziehung zur η-Funktion

Eine Möglichkeit, den Definitionsbereich der  -Funktion auf die gesamte rechte Halbebene   auszudehnen, ergibt sich über einen Bezug zur Dirichlet-Reihendarstellung der dirichletschen η-Funktion.

 

Man erhält über die nun folgende Umformung einen neuen Reihenausdruck für die Zeta-Funktion, der für alle   bzw. allgemeiner   konvergiert. Hierbei summiert man die Reihe der Eta-Funktion mit der (mit dem Vorfaktor   versehenen) Reihe der Zeta-Funktion zusammen.

 

Stellt man diese Gleichung um, so ergibt sich der Ausdruck für  :

 

Die Identität zwischen den Funktionen   und  ,

 

ist zudem in ganz   gültig.[27]

Beziehung zur Primzetafunktion

Es gilt für alle   mit  :

 

wobei   mit

 

die Primzetafunktion bezeichnet. Dieser Ausdruck kann durch Logarithmieren des Euler-Produktes und anschließendes Umformen gewonnen werden.[28]

Integraldarstellungen

Die riemannsche Zeta-Funktion besitzt insbesondere zahlreiche Integraldarstellungen. Die nun folgenden Beispiele haben jedoch für die praktische Berechnung der Zeta-Funktion wenig Bedeutung, da sie erstens in ihrer Definitionsmenge beschränkt sind und zweitens nur langsam bis mittelmäßig schnell konvergieren. Jedoch sind sie für die theoretische Analyse der Zeta-Funktion und die Herleitung anderer Ausdrücke, die unter Umständen schneller konvergieren, von großer Bedeutung.

Über die Mellin-Transformation von   gelangt man unter Ausnutzung der geometrischen Reihe zu:

 

Das ergibt sich mit Hilfe der Definition der Gamma-Funktion  . Nun lässt sich daraus für   die folgende Beziehung folgern:

 [29]

Diese Integraldarstellung kann auch für die Gewinnung weiterer Ausdrücke benutzt werden (siehe im nächsten Abschnitt Summenformeln).

Eine weitere Integraldarstellung, welche sogar für   gilt, ist gegeben durch

 

Der Ausdruck

 

mit dem Ganzzahlwert   ist ebenfalls für   gültig.[30] Diese Formel ergibt sich aus der letzten Summenformel im weiter unten stehenden Abschnitt bezüglich   für  .

Insbesondere gibt es noch eine Multiintegraldarstellung für natürliche Argumente. Für alle   erhält man:

 

So bekommt man unter anderem:

 

Dies beweist man leicht durch die Auffassung des Integranden als Grenzwert der geometrischen Reihe und Vertauschung von Integration und Summation.

Für eine praktische Berechnung der Zeta-Funktion sind die folgenden Integralausdrücke hingegen sehr gut geeignet. Für alle   erhält man die Integralrelation

 

die zur numerischen Berechnung der Zeta-Funktion herangezogen werden kann, da sie sehr schnell konvergiert.[31] Ein ähnlicher Ausdruck ergibt sich über die Integraldarstellung der lerchschen Zeta-Funktion:

 [32]

Summenformeln

Zerlegt man die über die Mellin-Transformation gewonnene Integraldarstellung aus dem vorherigen Abschnitt in die beiden Intervalle   und  , also

 

so erhält man unter Zuhilfenahme der Bernoulli-Zahlen   und deren Definition   über die Transformation

 

die Summenformel

 [29]

Die Bedeutung dieser Summenformel, wenn auch nicht allzu offensichtlich, liegt vor allen Dingen darin, dass man durch sie auf einfache Weise die Formel   herleiten kann.

Einen anderen Weg, um zu einem Summenausdruck zu gelangen, stellt die Anwendung der Euler-MacLaurin-Summenformel,

 

dar, wobei f als Mindestvoraussetzung eine auf dem Intervall   q-mal differenzierbare Funktion ist,   die Bernoulli-Polynome sind und   den ganzzahligen Anteil von x darstellt.[33]

Indem man   mit der Summenformel umwandelt, erhält man den Ausdruck

 

Diese Formel gilt nicht nur für die Ebene  , sondern sogar für   (wobei natürlich wieder   sei). Durch die freie Wahl von   kann man den Definitionsbereich beliebig ausdehnen und hat damit einen Ausdruck für ganz  .[33]

Reihenentwicklungen

Die Zeta-Funktion ist holomorph in ganz   und hat an der Stelle   einen Pol erster Ordnung. Daher kann sie um   in einer Laurentreihe entwickelt werden. Diese Laurentreihe hat die Form

 

Bei den Koeffizienten

 

handelt es sich um die Stieltjes-Konstanten, wobei   die Euler-Mascheroni-Konstante ist,[29] für die sich daraus insbesondere der Ausdruck

 

ergibt.

Helmut Hasse hat die von Konrad Knopp veröffentlichte und auf ganz   definierte Reihenidentität

 

1930 bewiesen.

Produktentwicklung

Neben dem Euler-Produkt gibt es eine weitere Produktdarstellung der Zeta-Funktion, die erstmals ihre Nullstellen in eine mögliche Definition direkt mit einschließt. Diese ist deshalb so bedeutend, weil sie ein wichtiger Schlüssel für den Zusammenhang zwischen Primzahlen und Nullstellen ist. Der entscheidende Schritt in Bernhard Riemanns Arbeit war nämlich der „Vergleich“ dieser beiden Produkte, was schließlich ein enges Verhältnis zwischen den Produktelementen (in diesem Falle Primzahlen und Nullstellen) impliziert.

Aufgrund ihrer langsamen Konvergenzgeschwindigkeit ist die Produktdarstellung jedoch ebenfalls nicht für eine numerische Berechnung geeignet.

Über den Produktsatz von Weierstraß für holomorphe Funktionen ist es möglich, die Zeta-Funktion anhand ihrer Nullstellen über ein Produkt der Form

 

explizit zu rekonstruieren, wobei   eine auf das Produkt multiplizierte und meist elementare Funktion darstellt. Im Falle der Zeta-Funktion ergibt sich für   die Funktion   und somit unter Verwendung der trivialen sowie nicht-trivialen Nullstellen:

 

Unter Zuhilfenahme der Produktentwicklung der Gamma-Funktion   erhält man das Hadamard-Produkt[34], benannt nach seinem Entdecker Jacques Hadamard, das global in   konvergiert:

 

Eine etwas einfachere Form des Hadamard-Produktes ist:

 

Besonders diese letzte Darstellung verdeutlicht, dass sich die  -Funktion im Prinzip komplett aus ihren Nullstellen und ihrer Singularität bei   konstruieren lässt. Jedoch ist dieses Produkt auch nur bedingt konvergent. Um absolute Konvergenz zu erreichen, müssen die Nullstellen „paarweise“ (  und   sind ein solches Paar) in das Produkt eingesetzt werden. Alternativ kann man daher

 

schreiben, um Konvergenz eindeutig herbeizuführen.

Beziehung zur Thetafunktion

Eine weitere Möglichkeit, die riemannsche  -Funktion in analytischer Fortsetzung zu betrachten, ist die folgende Funktionalgleichung:

 

Diese kann über eine Umtransformation des Integrals

 

mittels der jacobischen Theta-Reihe hergeleitet werden. Riemann griff in seiner Arbeit dafür auf Ergebnisse des deutschen Mathematikers Carl Gustav Jacob Jacobi zurück, welcher für den speziellen Theta-Nullwert

 

seiner Theta-Reihe die nützliche Transformationsformel

 

aufgezeigt hatte. Eine alternative und vereinfachende Schreibweise

 

führt hierbei zu

 

Mit der Substitution   in das obere zu transformierende Integral erhält man vorerst

 

was sich unter unendlicher Aufsummierung nach   (Mellin-Transformation) und Multiplizierung mit   zu

 

ergibt. Dieses Integral lässt sich nun über die Intervalle   und   aufspalten.

 

Mit Hilfe einer erneuten Substitution   in das erste Integral mit Integrationsgrenzen 0 und 1 und der Theta-Transformationsformel erhält man:

 

Zusammengefasst ergibt dies:

 

Dieser Ausdruck ist in ganz   holomorph und unter der Abbildung   invariant (ändert man also   zu  , ändert sich nichts), das heißt

 

Mit einigen Umformungen und Transformationen bezüglich der Gammafunktion kann man daraus die schon oben erwähnte Funktionalgleichung der  -Funktion gewinnen.[35]

Beziehung zur Polygammafunktion

Espinosa und Moll haben 2003 die Relation

 

mit der Digammafunktion   und der auf komplexe Ordnungen   verallgemeinerten Polygammafunktion   aufgezeigt.[36] Unter Ausnutzung der Beziehung

 

zur hurwitzschen Zeta-Funktion und Einsetzen in die allgemeinere Relation

 

gelangt man zu

 

Damit gehören die Nullstellen der ζ-Funktion zu den Lösungen ρ der Gleichung

 

Numerische Berechnung

Es gibt sehr effiziente Methoden, die Zeta-Funktion ohne großen Rechenaufwand numerisch anzunähern. Diese wurden in der Zeit bevor es Rechenmaschinen (geschweige denn Computer) gab, dazu verwendet, bestimmte Funktionswerte der Zeta-Funktion auf viele Dezimalstellen genau zu bestimmen. Beispielsweise ermittelte Leonhard Euler 1735 den Wert von   auf ca. 20 Stellen genau, bevor er das Basler Problem, das sich mit dem analytisch „exakten“ Wert von   befasste, löste. Diese numerische Auswertung war für ihn die praktische Bestätigung für die Richtigkeit seines exakt ermittelten Wertes.[37]

Des Weiteren fand der dänische Mathematiker Jørgen Pedersen Gram im Jahr 1903 numerische Werte der ersten 15 nicht-trivialen Nullstellen, wobei er die ersten zehn Nullstellen auf sechs und die weiteren fünf auf jeweils eine Stelle nach dem Komma ermittelte.[38]

Als effektive Methode erweist sich die „abgebrochene“ Summenformel, die mit Hilfe der Euler-MacLaurin-Summenformel hergeleitet wird (siehe auch im Abschnitt Summenformeln). Hierfür wird zunächst eine beliebige natürliche Zahl   festgelegt, für die außerdem   gelten sollte. Es gilt dann:

 

wobei das Restglied   durch

 

gegeben ist. Bei der (freien) Wahl von   ist zu beachten, dass das Restglied nur auf der Halbebene   konvergiert. Daher muss stets   gelten. Für größer werdende Werte von   verkleinert sich der Fehler   unabhängig von   rapide.[39]

Beispiele

Als ein Beispiel bietet sich die numerische Annäherung des Zahlenwertes von

 

an. Für eine sehr gute Approximation reichen die Werte   und   vollkommen aus. Einsetzen ergibt:

 

Die folgende Tabelle zeigt die numerische Auswertung dieser Rechnung.

Term Numerischer Wert
   
   
   
   
   
   
   
   
   

Diese mit wenig Aufwand gewonnene Approximation stimmt mit dem tatsächlichen Wert

 

bereits in sechs Dezimalstellen (gerundet) nach dem Komma überein.[40]

Analog kann der Dezimalwert von   angenähert werden. Hier reicht die Wahl von   und  .

Term Numerischer Wert
   
   
   
   
   
   
   
   

Auch dieser Wert stimmt auf sechs Dezimalstellen genau.[41]

Ableitung

Ausdruck über Dirichlet-Reihen

Alle Ableitungsfunktionen der riemannschen Zeta-Funktion (also die erste, zweite und höhere Ableitungen) lassen sich, wie die Zeta-Funktion selbst, für komplexe Zahlen   mit   als Dirichlet-Reihen ausdrücken.

Zur Gewinnung eines Ausdrucks der ersten Ableitung bietet sich gliedweise Differenzierung der Dirichlet-Reihe der  -Funktion an. Man erhält:

 

Somit ist ihre Ableitung die Dirichlet-erzeugende Funktion der Folge  .

Für die   -te Ableitung gilt allgemein:

 

Dies folgert man leicht über den folgenden Rechenweg unter Ausnutzung der Ableitungseigenschaften der Exponentialfunktion.

 

Die Eigenschaft der Holomorphie in ganz   wird von der Zeta-Funktion auch auf ihre Ableitungen übertragen. Das bedeutet, dass sich für jede (auch höhere) Ableitungsfunktion der Zeta-Funktion ebenfalls eine analytische Fortsetzung finden lässt, die über den Definitionsbereich der Dirichlet-Reihen hinaus geht.

Weitere Ausdrücke

Eine weitere Formel für die Ableitung der  -Funktion lässt sich mittels logarithmischer Ableitung, also über die Identität:

 

gewinnen. Setzt man hier   für die  -te Primzahl (Euler-Produkt), ergibt sich:

 

Für eine numerische Berechnung in ganz   eignet sich:

 

Spezielle Werte

Für alle negativen ganzen Zahlen   erhält man insbesondere:

 

Daraus ergeben sich unter anderem die Werte:

 

Andere Werte sind:

 

wobei   hier die Glaisher-Kinkelin-Konstante bezeichnet.

Stammfunktion

Eine Stammfunktion der  -Funktion ist gegeben durch:

 

Verallgemeinerungen und andere Zeta-Funktionen

Es wurden diverse Funktionen betrachtet, deren Definition der der riemannschen Zeta-Funktion ähnelt, diese wurden dann auch „Zeta-Funktion“ mit dem Namen ihres „Entdeckers“ genannt. Insbesondere sei hier auf die dedekindsche Zeta-Funktion, die hurwitzsche Zeta-Funktion und die lerchsche Zeta-Funktion verwiesen, siehe auch Liste aller Zeta-Funktionen. Ähnlich definierte „verallgemeinerte Zeta-Funktionen“ werden auch in der theoretischen Physik verwendet, und zwar im Zusammenhang mit der systematischen sogenannten semiklassischen Näherung quantenmechanischer Resultate.

Literatur

Zur Mathematik:

Zur Geschichte:

  • Marcus du Sautoy: Die Musik der Primzahlen. Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik. 4. Auflage. Beck, München 2005, ISBN 3-406-52320-X.
Commons: Riemannsche ζ-Funktion – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Die folgenden Arbeiten sind englisch, aktuell und verschaffen einen schnellen Überblick:

Einzelnachweise

  1. Holger Reeker: Eulerprodukte von zwei-variablen Zetafunktionen (PDF; 374 kB), 10. Oktober 2012, Seite 6 ff.
  2. Aleksandar Ivic: The Riemann Zeta-Function, Dover, ISBN 978-0-486-42813-0, Seite 4
  3. Julian Havil: Gamma. Springer-Verlag Berlin et al. 2007, ISBN 978-3-540-48495-0, Seite 290
  4. H. M. Edwards: Riemann's Zeta Function, Dover, ISBN 978-0-486-41740-0, Seite 16
  5. Julian Havil: Gamma. Springer-Verlag Berlin et al. 2007, ISBN 978-3-540-48495-0, Seite 50
  6. Julian Havil: Gamma. Springer-Verlag Berlin et al. 2007, ISBN 978-3-540-48495-0, Seite 53
  7. H. M. Edwards: Riemann's Zeta Function, Dover Verlag ISBN - 978-0-486-41740-0, Seite 1
  8. Marcus du Sautoy: Die Musik der Primzahlen. Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-34299-5, Seite 130
  9. Marcus du Sautoy: Die Musik der Primzahlen. Deutscher Taschenbuch Verlag, ISBN 978-3-423-34299-5, Seite 170 ff.
  10. Jörn Steuding: On the Universality of the Riemann zeta-function (PDF; 456 kB), 11. Oktober 2012, Seite 54.
  11. Reinhold Remmert: Funktionentheorie I. Springer-Verlag Berlin et al. 1984, ISBN 3-540-12782-8, Seite 234.
  12. Roger Apéry: Irrationalité de   et  . Astérisque 61, 1979, S. 11–13
  13. Matyáš Lerch: Sur la fonction ζ(s) pour les valeurs impaires de l’argument, Jornal de sciencias mathematicas e astronomicas 14, 1900, S. 65–69 (französisch; Jahrbuch-Zusammenfassung)
  14. Simon Plouffe: Identities inspired by Ramanujan Notebooks
  15. Linas Vepstas: On Plouffe’s Ramanujan Identities (PDF; 202 kB)
  16. Jonathan M. Borwein, David M. Bradley, Richard E. Crandall: Computational strategies for the Riemann zeta function (PDF; 310 kB), 11. Oktober 2012, Seite 270
  17. siehe z. B. W. Merkel et al.: Factorization of Numbers with Physical Systems. In: W.P. Schleich und H. Walther (Hrsg.): Elements of Quantum Information. Wiley-VCH-Verlag, Weinheim 2007, Seite 339 bis 353
  18. Julian Havil: Gamma. Springer-Verlag Berlin et al. 2007, ISBN 978-3-540-48495-0, Seite 226.
  19. Eric W. Weisstein: Divisor Function. In: MathWorld (englisch).
  20. G. H. Hardy und E. M. Wright: An Introduction to the Theory of Numbers, 5th ed. Oxford, ISBN 978-0-198-53171-5, 1979
  21. Springer: Encyclopedia of Mathematics: Mangoldt Function, 10. Oktober 2012
  22. Jonathan M. Borwein, David M. Bradley, Richard E. Crandall: Computational strategies for the Riemann zeta function (PDF; 310 kB), Seite 254.
  23. Jonathan M. Borwein, David M. Bradley, Richard E. Crandall: Computational strategies for the Riemann zeta function (PDF; 310 kB), Seite 254.
  24. Weisstein: Wolfram Mathworld: Catalan's Constant, 10. Oktober 2012
  25. ITEM 53 (Salamin) aus M. Beeler, R. W. Gosper, R. Schroeppel: HAKMEM, MIT AI Memo 239, 29. Februar 1972 (englisch)
  26. Weisstein: Wolfram Mathworld: Polygamma Function
  27. Aleksandar Ivic: The Riemann Zeta-Function, Dover, ISBN 978-0-486-42813-0, Seite 4
  28. Komaravolu Chandrasekharan: Einführung in die analytische Zahlentheorie. Springer Verlag, 1965/66, Kapitel XI, Seite 2
  29. a b c Dragan Miličić: Notes on Riemann's Zeta Function. (PDF; 121 kB)
  30. Jörn Steuding: On the Universality of the Riemann zeta-function (PDF; 456 kB), 11. Oktober 2012, Seite 3.
  31. Mathematik-Online-Kurs: Numerik - Numerische Integration der Riemannschen Zeta-Funktion
  32. Jonathan M. Borwein, David M. Bradley, Richard E. Crandall: Computational strategies for the Riemann zeta function (PDF; 310 kB), Seite 253
  33. a b Hans Rademacher: Topics in Analytic Number Theory. Springer-Verlag Berlin et al. 1973, ISBN 3-540-05447-2.
  34. André Voros: More Zeta Functions for the Riemann Zeros (PDF; 182 kB), CEA, Service de Physique Théorique de Saclay (CNRS URA 2306), Seite 6.
  35. Otto Forster: Funktionalgleichung der Zeta-Funktion (PDF; 251 kB)
  36. Oliver Espinosa and Victor H. Moll: A Generalized Polygamma Function auf arXiv.org e-Print archive 2003.
  37. Julian Havil: Gamma. Springer-Verlag Berlin et al. 2007, ISBN 978-3-540-48495-0, Seite 50
  38. J. P. Gram: Sur les Zéros de la Fonction   de Riemann. Acta Math. 27, 289-304 (1903)
  39. H. M. Edwards: Riemann's Zeta Function, Dover, ISBN 978-0-486-41740-0, Seite 114
  40. H. M. Edwards: Riemann's Zeta Function, Dover, ISBN 978-0-486-41740-0, Seite 116
  41. H. M. Edwards: Riemann's Zeta Function, Dover, ISBN 978-0-486-41740-0, Seite 116