Ein Bogen folgt einer Stützlinie, wenn in seinem gesamten Querschnitt bei einer gegebenen Belastung nur Druckspannungen vorhanden sind. Biege-, Schub- und Torsionspannungen sind dagegen nicht vorhanden. Bei einem nur mit seiner eigenen Gewichtskraft belasteten Bogen folgt die Stützlinie einer Katenoide, bei einer über die Bogenspannweite verteilten Gleichstreckenlast einer quadratischen Parabel. Der Materialeinsatz für einen in einer Stützlinie verlaufenden Bogen ist minimal, die Stützlinie repräsentiert damit ein Optimum.


Der ideale Lastverlauf, bei vorgegebener Geometrie eines Gewölbes, ist für die Bauphysik von Interesse: Im Falle eines halbkreisförmigen Bogens ist dies die Funktion der senkrechten Belastung:
wobei die senkrechte Belastung in der Mitte des Bogens und der am Halbkreis des Bogens abgetragene Winkel und der zur dritten Potenz erhobene Sinus dieses Winkels ist. An den Auflagern des Bogens wird q unendlich groß; dieses Ergebnis entspricht der Anschauung, da ein halbkreisförmiger Steinbogen an den Auflagern durch die auf ihn liegenden Steine deutlich stärker belastet wird als in der Bogenmitte.
Für den Spannungsnachweis müssen Druckspannungen in, in einer Stützlinie verlaufenden Bögen, nach der Stabilitätstheorie auch noch auf Knicken und Beulen, und zusätzlichen Lastfällen untersucht werden.
Stützlinien treten auch innerhalb eines belasteten Bauteiles auf; in ihrer Gesamtheit nennt man sie dann Spannungstrajektorien.
Literatur
- José Luis Moro: Baukonstruktion. Vom Prinzip zum Detail. Band 2: Konzeption. Springer, Berlin u. a. 2009, ISBN 978-3-540-27790-3, Absatz 4.2, S.194 f.: Die Begriffe der Seil- und der Stützlinie.