Susanne Osthoff

deutsche Archäologin und Gesundheitsberaterin
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Vorlage:Neuigkeiten Susanne Osthoff (* 1962 in München) ist eine deutsche Archäologin und Beraterin im Gesundheitswesen. Einer größeren Öffentlichkeit wurde sie bekannt durch ihre Verschleppung im November 2005 von Geiselnehmern im Irak.

Osthoff ist Archäologin und hat einen Studienabschluss in vorderasiatischer Archäologie, Semitistik und Osteo-Archäologie. Ihre Magisterarbeit trägt den Titel „Der Spiegel im Vorderen Orient“. Sie hält sich nach Presseinformationen seit 1991 im Irak auf und hat unter anderem Medikamente und medizinische Geräte für die Bevölkerung geliefert, sowie archäologische Forschungen betrieben. Schon früher hatte sie mehrere Studien- und Ausgrabungsreisen unter anderem in die Türkei, nach Syrien, Jordanien, in den Irak und den Jemen unternommen. Seit 1998 arbeitet sie als Beraterin, Organisatorin und Trainerin für die Münchner Unternehmensberatung faktorM. im Bereich »interkulturelles Management«. Sie betreut auch im Rahmen der Kinderhilfe Irak (früher: Direkt-Hilfe Irak) ausländische Patienten in Einrichtungen des bayerischen Gesundheitswesens und initiiert, koordiniert und berät Projekte zum Aufbau des Gesundheitswesens im Irak. Von ihren Mitarbeitern wird sie als eine sehr willensstarke und hilfsbereite Persönlichkeit beschrieben.

Am 23. Mai 2003 erschien ein Artikel auf der Titelseite der New York Times Vorlage:Ref, in dem Susanne Osthoff die Zerstörung der Ausgrabungsstätten von Isin im Irak dokumentiert. Dort hatte sie bei mehreren wissenschaftlichen Grabungskampagnen bis 1989 mitgearbeitet. Neben dem Gesundheitswesen enagagierte sie sich u.a. auch für den Erhalt einer osmanischen Karawanserei aus dem Jahr 1793 in Mossul. Es gelang ihr, dafür eine Aufbauhilfe 40.000 € vom Auswärtigen Amt am 18. Mai bewilligt zu bekommen, dessen erste Rate bereits an die irakische Antikendirektion überwiesen wurde.

Entführung

Bereits im Sommer 2005 gab es angeblich ernst zu nehmende Drohungen gegen Osthoff, die auf eine mögliche Entführung hindeuteten. Damals hielt sich Osthoff in Mossul auf, um in der Stadt Arbil ein deutsches Kulturzentrum aufzubauen. Sie wurde daraufhin von US-Soldaten nach Bagdad in Sicherheit gebracht. Angeblich stammten die Drohungen damals von dem Topterroristen Abu Musab az-Zarqawi. Osthoff berichtete im Oktober einem Journalisten der «Neuen Osnabrücker Zeitung» in Bagdad von den Entführungsdrohungen. Die deutsche Botschaft in Bagdad bat sie darum, das Land zu verlassen. Auf Grund ihres Informationsnetzwerks, ihrer Landeskenntnisse und guten Beziehungen kam sie dieser Bitte nicht nach. Mehrere Male gelang es ihr schon, sich aus gefährlichen Situationen zu retten. Da Osthoff angeblich vor ihrer Reise den irakischen Behörden sowie dem Innenministerium mitgeteilt habe, wann und wohin sie fahren wolle, geht der Krisenstab von einem Verrat über ihre Route aus. Diese Annahme ist jedoch wenig glaubhaft, da auch Osthoff bekannt war, daß in den Behörden Sympathisanten der Aufstandsbewegung arbeiten.

Nach Angaben des Krisenstabs fuhr am 25. November um 6 Uhr morgens Osthoff mit ihrem irakischen Fahrer Chalid al-Schimani in einem weißen Taxi mit Bagdader Kennzeichen ins rund 350 Kilometer entfernte Arbil im Nordirak. Nach etwa 200 Kilometern, kurz vor Tus Churmatu, war die Straße angeblich wegen einer Militäraktion gesperrt. Osthoff beschloss die Weiterfahrt und wollte die Stadt vermutlich westlich umfahren. Sie hatte sich um 10 Uhr mit ihren irakischen Gesprächspartnern in Arbil verabredet, kam allerdings nicht mehr an. Die beiden Reisenden wurden von einer Gruppe von Geiselnehmern namens "Saraja al-Salasil" ("Sturmtruppen der Erdbeben") gefangengenommen und verschleppt. Die Entführer ließen drei Tage später dem ARD-Büro in Bagdad eine Videobotschaft zukommen. Darin saßen die beiden Entführten auf dem Boden und mehrere bewaffnete Vermummte standen um sie herum, einer der Entführer verlas die Botschaft mit den Forderungen. Die Kidnapper drohten darin mit ihrer und seiner Ermordung, falls die deutsche Regierung nicht den Forderungen der Geiselnehmer nachkomme. Sie verlangten den sofortigen Abbruch der Zusammenarbeit der Bundesregierung mit der derzeitigen irakischen Regierung. Sicherheitsexperten ordnen diese Gruppe den im Untergrund kämpfenden sunnitischen "Ischrin-Brigaden" zu und werden daher als arabische Nationalisten eingeschätzt. Diese Gruppen benennen sich nach dem Aufstand von 1920 gegen die britische Kolonialmacht. Auch heute kämpft man wieder für ein Ende der Besatzung und für die Unabhängigkeit vom Ausland, allerdings auf der Grundlage eines islamischen Iraks.

Nach den Erhebungen von Brookings Institution wurden in den beiden Jahren seit dem Irak-Krieg 2003 bis zum 27. November 2005 bislang 242 ausländische Geiseln genommen und davon 43 getötet, in 73 Fällen ist das Schicksal der Betroffenen unbekannt geblieben (Iraq Index, Rubrik: Foreign Nationals Kidnapped in Iraq since May 2003) Vorlage:Ref. Besonders Nichtiraker aus dem nichtmilitärischen Bereich wurden entführt, da in diesen Fällen leichter Lösegeldforderungen gestellt werden können.

Mögliche Motive der Entführer

Nachdem die Medien anfänglich noch von einer politisch motivierten Entführung ausgingen, will später der Krisenstab nichts mehr davon wissen und hebt jetzt die Unprofessionalität des Entführer-Videos hervor. Bundesinnenminister Schäuble und der stellvertretende Leiter des Instituts für Terrorismusforschung in Essen, Kai Hirschmann, betonen dagegen den offenbar politisch zielbewussten Zeitpunkt der Entführung, nämlich zur Amtseinführung der neuen deutschen Regierung Vorlage:Ref. Der Hintergrund zu diesem offiziellen Meinungsumschwung könnte der Versuch sein, die Deutschen aus dem Irak und damit von der Polizeiausbildung zu drängen, damit die Amerikaner und Briten wieder allein die Kontrolle über die irakischen Sicherheitskräfte haben werden. Auch die Authentizität der Entführer scheint nicht mehr sicher zu sein, nachdem im September 2005 in Basra zwei nicht-britische Geheimdienstmitarbeiter des englischen Special Air Service (SAS) festgenommen worden waren, die sich als Araber verkleidet hatten und im Kofferraum ihres Wagens Sprengstoff mit sich führten Vorlage:Ref. SAS-Agenten wurden in Nordirland auch zur Tötung von IRA-Mitgliedern eingesetzt.

Der Archäologe und frühere Projektkoordinator für irakische Ausgrabungen, Müller-Karpe Vorlage:Ref, schlägt neben einer primär politischen und einer rein kriminellen Motivation der Entführer noch eine dritte Möglichkeit vor. Demnach könnte Osthoff das Opfer von einflussreichen Raub-Kunstkreisen sein, da sie als eine der wenigen Archäologen den Mut hatte, die USA verantwortlich zu machen für die ungehindert vonstatten gehenden Plünderungen der irakischen Grabungsstätten. Auch die deutsche Ausbildungshilfe für den Aufbau einer irakischen Polizei ist dem internationalen Raub-Kunsthandel ein Dorn im Auge, da die Polizei wieder die Ausgrabungsstätten bewachen soll. Dieses Argument wird unterstützt durch eine Vielzahl eindeutiger Indizien, die auf eine Zusammenarbeit von Kunsträubern und der US-Armee schließen lassen.

  • Vorlage:Ref Am 8. April 2003 nachmittags in Bagdad wurden zwei Bewacher eines öffentlichen Gebäudes am Tigris-Ufer durch das Gewehrfeuer eines US-Panzers ermordet, anschließend schossen mehrere US-Panzer das Tor vom benachbarten Justizministerium auf; mehrfach wurde in arabischer Sprache aus vier amerikanischen Panzern heraus die Bevölkerung dazu aufgerufen, die öffentlichen Gebäude zu plündern.
  • Vorlage:Ref Mehrere Augenzeugen beobachteten am 9. April 2003, wie zwei Panzer vor dem Bagdader Nationalmuseum anrückten, amerikanische Soldaten die Tür des Hauptgebäudes aufbrachen und etwa zwei Stunden unbeobachtet in den Ausstellungssälen blieben. Anschließend brachten sie Gegenstände heraus und transportierten sie ab. „Ein Anwohner berichtet, wie die US–Soldaten jene Iraker, die zufällig auf dem Gelände standen, aufforderten, sich im Museum zu bedienen: „This is your treasure, get in!“ – Dies ist euer Schatz.“ Tags darauf setzten die weltweit aufsehenerregenden Plünderungen des Nationalmuseums ein, die professionell durchgeführt wurden.
  • Vorlage:Ref Der ehemals ranghöchste französische Bibliothekar und Unesco-Gesandte Jean-Marie Arnoult hatte bei seiner Bestandsaufnahme der irakischen Bibliotheken im Juni/Juli 2003 festgestellt, daß zur Vernichtung der Bibliotheken chemische Brandbeschleuniger eingesetzt wurden, über die nur die irakische oder US-Armee verfügen.
  • Vorlage:Ref  Der britische Journalist Robert Fisk berichtete von blau-weißen Bussen, mit denen die Brandstifter der Bagdader Regierungsgebäude und Bibliotheken im April 2003 direkt zu den Gebäuden gefahren wurden und die von den US-Militärposten nicht kontrolliert wurden.

Da innerhalb einer Woche weitere fünf ausländische Geiseln im Irak genommen wurden und am 15. Dezember Parlamentswahlen in Irak stattfinden sollen, geht man mittlerweile von einer Kampagne aus. Vermutlich finden die Selbstmordattentate nicht mehr das gewünschte Maß an Aufmerksamkeit bei der Weltöffentlichkeit in den Augen der Aufständischen, so daß nun das Ausland direkt mit Entführungen involviert werden soll.

Reaktionen

Während sich in Frankreich und Italien große Demonstrationen mit den jeweiligen Entführungsopfern solidarisierten, fand bislang nur in ihrem letzten deutschen Wohnort in Glonn eine Mahnwache statt. Medienkommentare interpretieren diese Zurückhaltung mit einer Mischung aus Vertrauen in die Arbeit des Berliner Krisenstabs und einer grundsätzlichen Reserve gegenüber dem Islam und dem irakischen Bürgerkrieg.

Verschiedene politische und geistliche Vertreter des Islam und des irakischen Staates setzten sich für die Freilassung von Osthoff und al-Schimani ein. Unter den prominentesten Fürsprechern befinden sich der irakische Staatspräsident Dschalal Talabani, der Schiiten-Prediger Muqtada as-Sadr während eines Freitagsgebets in Nadschaf und in Deutschland der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland (ZMD), Nadeem Elyas, der sich selbst für einen Austausch gegen die Geiseln bereiterklärte. Der Krisenstab beansprucht neben seinen Informanten auch die Mithilfe von kurdischen Vermittlern, darunter der Kurdenführer Massud Barsani, der sunnitische Geistliche Abd al-Muneim al Badari und der geschiedene Ehemann von Osthoff, Salem Bachan, dessen Familie in Nordirak ebenfalls als einflußreich gilt.

Familie

Bis Mai 2005 war sie in Glonn im Landkreis Ebersberg beim Einwohnermeldeamt gemeldet und hat sich dann dort abgemeldet. Ihr letzter Wohnort ist nicht öffentlich bekannt. Sie war mit einem jordanischen Araber verheiratet, von dem sie heute wieder getrennt lebt. Ihre gemeinsame 11-jährige Tochter lebt in einem bayerischen Internat. Osthoff spricht fließend arabisch und ist zum Islam konvertiert.

Auszeichnungen

Für ihr Engagement und ihre Zivilcourage im Irak erhielt sie im Jahre 2003 den Tassilo-Preis der Süddeutschen Zeitung Vorlage:Ref

Zitate

  • Es wird durchwühlt und restlos zerstört“, klagt Osthoff. „Das ist alles Lehmziegelarchitektur, die wird jetzt unwiederbringlich zerstört. [...] Es liegt hier seit dem dritten Jahrtausend vor Christus. Jetzt wird’s in nur ein paar Wochen ausgeplündert.“ Banditen plündern archäologische Stätten im Irak, ZDF, 2. Juni 2003 Vorlage:Ref
  • Question: “Did you ever feel you were [in] danger … ?” Answer: “Only in Iraq, at Isin, where I was so scared that my interpreter literally had to hold my hand. The place was being turned inside out by bootleg diggers, and I was terrified that as soon as they realized that we were not buyers, that they would throw us off the site or worse. I happened to be with a German archaeologist, Susanne Osthoff, who was one of the bravest people I’ve ever met and who encouraged us to keep exploring even as she was watching the demolition of her former study site.” Roger Atwood, 21. April 2005 Vorlage:Ref
(Frage: „… hatten Sie jemals das Gefühl, in Gefahr zu sein?“ Antwort: „Nur im Irak, in Isin, wo ich solche Angst hatte, dass mein Dolmetscher buchstäblich meine Hand halten musste. Raubgräber kehrten hier gerade das Innerste nach außen, und ich hatte Angst, dass sie, sobald sie feststellten, dass wir keine Käufer waren, uns vertreiben würden oder schlimmeres. Ich war mit einer deutschen Archäologin unterwegs, Susanne Osthoff, einem der tapfersten Menschen, dem ich je begegnet bin, und sie ermutigte uns, uns weiter umzusehen, selbst als sie mit ansah, wie ihr eigenes Ausgrabungsfeld gerade zerstört wurde.“)

Quellen

SZ-Berichte aus Bagdad

faktorM und Kinderhilfe Irak

Aktuelle Berichterstattung

Frühere Artikel

  • Vorlage:Ref „Iraqi Looters Tearing Up Archaeological Sites“, New York Times, 23. Mai 2003; die ursprünglichen Plünderungsphotos fehlen weitgehend (die Originalseite: [1] erfordert eine Registration und Annahme von Cookies)
  • „Day of the Vulture“, Mother Jones, September/October 2003, Bericht über die Plünderungen der Grabungsstätte in Isin, die Osthoff erforschte und heute wie eine Mondlandschaft aussieht. Für die Plünderungen macht Osthoff das Pentagon verantwortlich, was fast alle Archäologen sich nicht trauen, öffentlich zu äußern.
    „In two weeks, they have ruined all the work that was done over 15 years,“ said Susanne Osthoff, an archaeologist who worked with a German team that excavated at Isin from the mid-1970's until 1989.“

Bilder