Ablaut
Ablaut (auch Apophonie) ist der gesetzmäßige Wechsel des Stammvokals. Ein Begriff aus der Sprachwissenschaft, der in seiner heutigen Bedeutung von Jakob Grimm geprägt wurde. Er beschreibt die Eigenschaft von Wörtern in den germanischen Sprachen (Deutsch, Englisch, Schwedisch, ...), sich in Gruppen einteilen zu lassen, für die gemeinsame Regeln für die Veränderung des Hauptvokales bei der Flexion gelten. Ablaute gibt es in vielen indoeuropäischen Sprachen. Die Ablautbildung geht wohl bereits auf die proto-indoeuropäische Ursprache zurück. Der Ablaut ist zu unterscheiden vom Umlaut, der durch einen der Silbe folgenden Vokal verursacht wurde und eine wesentlich jüngere Erscheinung ist.
Ablaute bei Verben
Im Germanischen dient bei den sogenannten schwachen Verben ein Dentalsuffix (z. B. -t im Deutschen, -ed im Englischen) zur Markierung der Vergangenheit. Bei den starken Verben dagegen tritt ein mehr oder weniger regelmäßiger Ablaut auf, das heißt dort ändern sich die Hauptvokale bei der Konjugation:
Beispiel aus dem Deutschen:
Ein schwaches Verb ist z.B. loben, der Stammvokal ändert sich bei der Vergangenheitsbildung nicht: loben, lobte, gelobt.
Ein starkes Verb ist z.B. trinken, der Vokal ändert sich bei der Vergangenheitsbildung: trinken, trank, getrunken.
Es gibt im Germanischen sieben Ablautreihen, innerhalb derer ein Vokal nach einer jeweils festen Regel ablautet (der ursprüngliche Grund dafür sind u. a. die nachfolgenden Konsonanten). Im Deutschen sind alle sieben Ablautgruppen bis heute erhalten, wobei manche Verben im Laufe der Sprachgeschichte auch ihre Ablautgruppe gewechselt haben, oder schwach geworden sind (das Verb backen z.B. wird im Norddeutschen überwiegend schwach gebeugt - backen, backte, gebackt - während im Oberdeutschen noch das starke Präteritum - backen, buk, gebacken - zu finden ist).
Beispiele für Verben der einzelnen Ablautreihen:
1. Ablautreihe des Deutschen: ei - i/ie - i/ie
- beißen, biss, gebissen
- schreiben, schrieb, geschrieben
- schneiden, schnitt, geschnitten
2. Ablautreihe des Deutschen: ie - o - o
- biegen, bog, gebogen
- bieten, bot, geboten
- fliegen, flog, geflogen
- frieren, fror, gefroren
- wiegen, wog, gewogen
3. Ablautreihe des Deutschen: e/i - a - o/u
- singen, sang, gesungen
- sterben, starb, gestorben
4. Ablautreihe des Deutschen: e/o - a - o
- kommen, kam, gekommen
- nehmen, nahm, genommen
5. Ablautreihe des Deutschen: e/ie/i - a - e
- lesen, las, gelesen
- liegen, lag, gelegen
- sitzen, saß, gesessen
6. Ablautreihe des Deutschen: a - u - a
- tragen, trug, getragen
- graben, grub, gegraben
7. Ablautreihe des Deutschen: a - ie - a
- braten, briet, gebraten
- fallen, fiel, gefallen
- schlafen, schlief, geschlafen
Beim Erlernen der mittelhochdeutschen und althochdeutschen Sprache kommt der Beschäftigung mit den Ablaut-Reihen eine besonders wichtige Bedeutung zu.
Diese Verschiebung der Vokale ist zum Teil bei den gleichen Verben sprachübergreifend zu beobachten, z.B.
deutsch:
- sprechen, sprach, gesprochen
- geben, gab, gegeben
niederländisch:
- spreken, sprak, gesproken
- geven, gaf, gegeven
englisch:
- speak, spoke, spoken
- give, gave, given
Latein:
- ago, egi
- facio, feci
- venio, veni
Zu beobachten ist dabei die gleichartige aber meist nicht gleiche Ablautreihe, da es zu verschiedenen Lautverschiebungen kam. Das Schriftbild hält ältere Formen oft lange aufrecht, die sich in der gesprochenen Sprache bereits geändert haben.
Zu beachten ist, dass die Unregelmäßigkeiten des Vokals im Präsens eines starken Verbes, etwa fangen, fängt oder geben, gibt sowie in den Vergangenheitsformen mancher schwachen verben, etwa denken, dachte oder bringen, brachte nicht durch Ablaut sondern durch Umlaut zu erklären sind.
Der Ablaut kann oft helfen, mehr oder weniger zufällige Unregelmäßigkeiten zu erklären. Beispielsweise hat das Verb "sein" auf Latein die Formen est (er/sie/es ist) und sunt (sie sind). Zu beachten ist, dass diese Formen den verwandten deutschen Formen stark ähneln. Der Unterschied zwischen Singular und Plural in beiden Sprachen lässt sich einfach erklären: die Urindogermanische Wurzel beider Verben ist *es. In der Indogermanischen Ursprache wurde der Stammvokal im Plural weggelassen, was zu den Formen *es-ti für ist und *s-enti für sind führte.
Siehe auch