Die Römische Kaiserzeit bildet einen Epochenabschnitt der klassischen Antike, und zwar jenen zwischen der von Expansion und Anpassungskrisen bestimmten späten Römischen Republik und der Spätantike, die das Auseinanderbrechen des Römischen Reiches und der antiken Zivilisation im Mittelmeerraum bringen sollte. Auch der Abschnitt der Frühgeschichte der in Europa angrenzenden Gebiete wird als Römische Kaiserzeit bezeichnet.
Die von Augustus ausgehende Neuordnung des Staatswesens, die das Prinzipat begründete, bildet den unbestrittenen Auftakt der kaiserzeitlichen Epoche. Ihr Ende dagegen kann mit je plausibler Begründung unterschiedlich datiert werden. Gut nachvollziehbar ist z.B. das Verlöschen des weströmischen Kaisertums mit Romulus Augustulus im Jahre 476 als Epochengrenze, wobei die neuere Forschung dieses Datum jedoch immer weniger als eine wirkliche Zäsur ansieht. Manches spricht aber auch dafür, den Wandel des Herrschaftssystems unter Diokletian und die Hinwendung Konstantins I. zum Christentum, also den Übergang vom 3. zum 4. Jahrhundert bereits als Ende der klassischen Römischen Kaiserzeit zu betrachten (siehe Spätantike). Diesem Blickwinkel folgt auch die nachfolgende überblicksartige Darstellung, die durch die enthaltenen Verweise und die Nutzung der Liste der Römischen Kaiser ergänzt werden kann.
Augustus und die julisch-claudische Dynastie
Die Römische Republik befand sich in den letzten 100 Jahren ihrer Existenz, seit den Reformen der Gracchen, in einer Phase des permanenten Bürgerkrieges. Octavian, der später Augustus genannt wurde und der Neffe Gaius Iulius Caesars war, hatte im Machtkampf im Anschluss an Caesars Ermordung seinen ehemaligen Kollegen im Triumvirat, Marcus Antonius, der gemeinsam mit Cleopatra von Aegypten aus ein hellenistisches Koenigreich zu errichten drohte, bei Actium 31 v. Chr. besiegt. Augustus legte 27. v. Chr. seine im Buergerkrieg uebertragenen Sondervollmachten, die ihn praktisch zum Alleinherrscher machten, zwar formal nieder, doch liess er sich die Amtsvollmachten eines Volkstribunen und Oberbefehlshaber ueber die Legionen der Grenzprovinzen periodisch erneuern, was kuenftig die formale Basis des Kaisertums war. Propagandistisch legimtimierte er seinen Herrschaftsanspruch durch oeffentliche und private Bauvorhaben, Schenkungen an die plebs, Einbindung seiner Person in den Kult und Verherrlichung des durch Beendigung der Buergerkriege erreichten Friedens in Architektur (Ara pacis) und Dichtung, die ihre klassische Bluetezeit erfuhr (Vergil, Ovid). Den durch Buergerkriege und Proskriptionen, spaeter auch durch Umstrukturierungen kraft des Zensorenamtes, personal stark veraenderten Senat hatte Augustus durch Beguenstigungen auf seine Seite gezogen. Unter Ausschoepfung des verfassungsrechtlichen Spielraums hatte Augustus somit als erster Buerger Roms (princeps) die permanente Alleinherrschaft gewonnen und dabei den Fehler seiner Vorgaenger vermieden, in den Verdacht zu geraten, die verhasste Koenigsherrschaft wiederherzustellen. In seinem Tatenbericht nennt Agustus sich an Ansehen ueberlegen, an Amtsgewalt seinen Kollegen jedoch gleichgestellt.
Die Stadt Rom wurde ihrer politischen Bedeutung entsprechend architektonisch und administrativ augebessert durch Herrschaftsanlagen, Tempelpflege, Spiele, Baeder sowie die Einrichtung einer Feuerwehrtruppe und einer mit polizeiaehnlichen Aufgaben betrauten staedtische Garde, deren Oberfehlshaber eine Art kaiserlicher Stellvertreterposition einnahm. Auf sozialem Gebiet versuchte Augustus weitgehend erfolglos den Mitgliederrueckgang der altadligen Patrizierfamilien durch verschaertfe Ehegesetze zu loesen. Augustus erweiterte das Reich durch formale Provinzialisierung von Ägypten, Eroberungen in der Alpenregion sowie auf dem Balkan, befestigte die Grenzen (wobei er jedoch nach der Niederlage des Varus im Jahre 9 die Gebiete zwischen Rhein und Elbe räumen ließ) und erreichte im Osten einen Ausgleich mit dem Partherreich.
Sein Neffe und spaeterer Adoptivsohn Tiberius (14-37 n. Chr.) wurde von Augustus wohl zunaechst von der Thronfolge ausgeschlossen, da er ihm wichtige Aemter verweigerte und Tiberius schliesslich aus nicht genau bekannten Gruenden in die Verbannung musste. Erst nach dem Tod des Marcellus, des zeitweilig zum Erben designierten Agrippa, der als General des Augustus Antonius besiegt hatte, sowie nach dem Tod beider Enkel, Gaius und Lucius, die zu Juniorkaisen ernannt worden waren, konnte sich Tiberius unerwartete Hoffnungen auf die Herrschaftsuebernahme machen. Seine vielleicht fehlende Legitimation liess Tiberius durch demonstratives Zoegern bei der Uebernahme der mit dem Prinzipat verbundenen Funktionsstellen im Senat ausraeumen. Dennoch scheint die Kommunikation durch Kaiser und Senat in dieser Zeit gestoert, da die senatorische Geschichtsschribung den Kaiser als Tyrannen schildert, dessen grausame Charakterzuege waehrend seiner spaeten Regierungsjahre hervortraten, die durch einen Putschversuch des Praetorianerpraefekten Seianus und den anschliessenden Prozessen gepraegt waren. Dies gilt noch weit mehr fuer den dritten Kaiser, Caligula (37-41), auf dem nach Tiberius' Tod grosse Hoffnungen ruhten, der aber moeglicherweise wegen seiner demonstrativen Hinwendung zum orientalischen Herrschaftsabsolutismus nach seiner schliesslichen Ermordung der Ausloeschung des Andenkens verfiel und in der Historiographie als pathologisch gestoerter Sadist dargestellt wird.
Claudius (41-54) war zunaechst wegen sichtbarer koerperlicher Behinderungen zugunsten Caligulas uebergangen worden, war aber nach der Senatsrevolte, die zur Ermordung des Tyrannen fuehrte, einziger legitimer Kandidat. Die Historiographie schildert ihn als introvertierten, seines hohen Amtes kaum faehigen Regenten, der sich geistigen Interessen hingab. In der modernen Forschung wird seine Regierung vor allem wegen der Stabilisierung der Grenzen und des bewussten Abschlusses der Expansion als eher erfolgreich bewertet. Aehnlich wie Caligula galt auch Nero (54-68) zunaechst als Hoffnungsfigur, deren erste fuenf Regierungsjahre mit dem augusteischen Begriff des goldenen Zeitalters in der zeitgenoessischen Literatur gewuerdigt wurden, in denen der jugendliche Nero unter dem Einfluss seines Erziehers, des Philosophen Seneca, stand. Nero, der durch seine ehrgeizige Mutter Agrippina intrigant zur Nachfolge gefuehrt worden war, wird in der Historiographie als Tyrann und leidenschaftlicher Schauspieler dargestellt, der in Verwirklichung seiner Rolle sogar seine Mutter toetete. In der Pisonischen Verschwoerung mussten sich unter anderem Seneca, Lucan und Petronius das Leben nehmen. Nero verfiel nach seinem durch den Senat erzwungenen Selbstmord, der ihn zum Staatsfeind erklaert hatte, dem senatorischen Verdikt, so dass Tacitus ihn geruechteweise als Urheber des grossen Brandes in Rom nennt, den Nero zum Bau seiner Palastanalagen nutzte. Durch die anschliessenden Christenverfolgungen, bei denen auch Paulus starb, ist seine Ueberlieferung in christlicher Zeit weiter in Misskredit geraten.
Die Anfeindung Neros mit den beiden herrschaftslegitimierenden Gruppen, Senat und Heer, fuehrte zur Delegitimation der julisch-claudischen Familie und in den Buergerkrieg. Die bedeutende Rolle des Heeres zeigte sich im Vierkaiserjahr, in welchem sich die Generäle Galba, Otho und Vitellius als kurzzeitige Herrscher ablösten und aus dem schließlich Vespasian als Sieger hervorging. Nach seinem Familiennamen wird seine Dynastie die Flavier genannt.
Die Flavier und die Adoptivkaiser
Vespasian (69-79) wird in der Historiographie als das völlige Gegenbild Neros dargestellt. In seiner Regierungszeit wurde der schon unter Nero ausgebrochene Aufstand in Judäa im Jahr 70 blutig niedergeworfen. Auch gegen die Germanen ging Vespasian hart vor, sicherte die Grenzen am Rhein sowie im Osten gegen die Parther, und reorganisierte das Heer. Und obwohl er gute Beziehungen zum Senat pflegte, zog er immer mehr Befugnisse an sich, ohne aber die Fassade der "republikanischen Ordnung" niederzureissen. Die durch Herkunft mangelnde Legitimation der Flavier sollte durch oeffentliche Bauten, wie dem Kollosseum und dem Titusbogen, hergestellt werden. Die ueberlieferte Haelfte seines Antrittsgesetzes, das wahrscheinlich in aehnlicher Form an seine Vorgaenger verliehen worden war, kann in ihrer so genannten diskretionaeren Klausel als Uebertragung der absoluten Herrschaftsgewalt gedeutet werden, doch wird der schwierige Text auch anders interpretiert.
Nach seinem Tod regierten seine Söhne Titus (79-81) und Domitian (81-96) insgesamt erfolgreich. Titus Regierungszeit wurde vom Ausbruch des Vesuv und dem Ausbruch einer Seuche überschattet. Seine rasch eingeleiteten Hilfsmaßnahmen und seine Großzügigkeit sorgten jedoch dafür, dass sein Name in guter Erinnerung blieb. 81 verstarb Titus und sein ehrgeiziger und teils zu Grausamkeit neigender Bruder Domitian bestieg den Thron, wobei Gerüchte aufkamen, dass er Titus vergiftet habe, die aber völlig unbewiesen sind; ohnehin zeichnen die Quellen ein düsteres Bild von ihm, was aber stark tendenziös gefärbt ist. Domitian knüpfte an die Germanienpolitik seines Vaters an und unternahm mehrere erfolgreiche Feldzüge. Obwohl bei Heer und Volk beliebt, regte sich aufgrund manch grausamer Handlung und seines autokratischen Regierungsstils (er ließ sich als dominus et deus, als "Kaiser und Gott" titulieren) Widerstand bei Hofe, was schließlich im Jahre 96 zu seiner Ermordung führte. Eine ihm in älteren Darstellung oft zu Last gelegte Christenverfolgung war eher regionaler Natur und keineswegs systematisch.
Es folgten nun die so genannten Adoptivkaiser, die den angeblich "Besten auswählten" - was freilich mehr den Umständen Rechnung trug, dass sie keine Söhne hatten. Nerva (96-98), ein doch insgesamt schwacher und greiser Princeps, erwählte den dynamischen Trajan (98-117) zu seinem Nachfolger. Dieser war der erste Kaiser, der aus den Provinzen stammte. Trajan, der bemüht war, sich deutlich von Domitian abzusetzen, obwohl er den Flaviern loyal gedient hatte, unterwarf weite Teile des Partherreichs und Dakien. Das Reich hatte im Jahre 117 denn auch seine größte Ausdehnung erreicht (von Schottland bis zur Sahara, von Spanien und dem Donauraum bis in den heutigen Irak). Sein Nachfolger Hadrian (117-138) sah jedoch die Ressourcen Roms überstrapaziert und gab mehrere Besitzungen im Osten auf (Rücknahme der Grenze bis an den Euphrat). Hadrian hatte schwere Konflikte mit dem Senat zu bestehen (es war in Folge seines Herrschaftsantritts zur Ermordung mehrerer Senatoren gekommen). Doch entfaltete sich unter seiner Herrschaft eine gewisse kulturelle Blüte, die selbst der schwere jüdische Aufstand von 132-135 nicht schmälern konnte.
Auch der Hadrian nachfolgende Antoninus Pius (138-161) schloß an die Defensivpolitik Hadrians an. Ganz anders dessen Nachfolger Marcus Aurelius (161-180). Obgleich Anhänger der Stoa und ein Philosoph ("der Philosoph auf dem Kaiserthron"), sah er sich gezwungen, mehrere Kriege zu führen. Im Osten kam es zu schweren Abwehrkämpfen gegen die Parther, dazu trat eine Pestwelle auf, die dem Reich schwer zusetzte. Es kam außerdem zu zwei Kriegen gegen die Markomannen, Quaden und Sarmaten an der mittleren Donau (Markomannenkriege; 167-175 und 178-180). Das Reich erlebte unter Marc Aurel die Vorwehen der Völkerwanderung, deren Auswirkungen ein Teil der Ursache für den späteren Fall Roms sein sollte. Doch hinterließ Marc Aurel auch einen Sohn (womit das Adoptivkaisertum zu Ende ging): Commodus (180-192).
Die Severer und die Reichskrise des 3. Jahrhunderts
Commodus erwies sich als unfähiger Kaiser und fand folgerichtig 192 den Tod. Dieser läutete eine weitere unruhige Zeit ein, denn wieder stritten die Militärs um die Macht - längst galt, wie schon das Vierkaiserjahr gezeigt hatte, dass die Armee den Kaiser machte. Der aus der Provinz Africa stammende Septimius Severus (193-211) setzt sich im zweiten Vierkaiserjahr durch. Die von ihm begründete Dynastie der Severer erwies sich als ein insgesamt stabilisierendes Element, trotz mancher Schwächen bei einzelnen Herrschern. Septimius sicherte die Grenzen und bemühte sich um eine innere Stabilisierung Roms. Caracalla (211-217) erließ 212 die so genannte Constitutio Antoniniana, die allen Reichsbürgern das Bürgerrecht (und die Steuerpflicht) einbrachte. Die Kämpfe am Rhein gegen die Germanen (und vor allem die Alamannen) und im Osten gegen die Parther brachen nicht mehr ab. Auf den Tod des Severus Alexander (222-235) folgte die unruhige Zeit der Soldatenkaiser.
Die Zeit der Soldatenkaiser war geprägt von dem schnellen Wechsel der Herrscher, aber auch von einem konstanten innerem und äußeren Druck (Reichskrise des 3. Jahrhunderts). Im Inneren spaltete sich das gallische Sonderreich von Rom ab. Im Osten übernahm Palmyra die Kontrolle über weite Teile Kleinasiens und Ägyptens. Diese zentrifugalen Effekte konnten behoben werden. Vor allem Kaiser Aurelian (270-275) schaffte es jedoch, die Lage zu stabilisieren und die verlorenen Gebiete wiederzugewinnen. Im Norden bleibt der Druck durch mehrere barbarische Stämme aber bestehen (wobei im Donauraum nun auch die Goten besonders aktiv waren) - und im Osten erwuchs Rom ein gefährlicher und tödlicher Gegner: das neupersische Reich der Sassaniden, die von einer Erneuerung des alten Perserreichs träumten.
Kaiser Carus (283- 84) blieb gegen die Sassaniden siegreich. Sein Tod beendet das Zeitalter der Soldatenkaiser, denn sein Nachfolger erwies sich als genialer Reformer und Bürokrat: Diokletian, mit dem in der modernen Forschung der Beginn der so genannten Spätantike verbunden wird, der letzten Epoche des Altertums. Im weiteren Sinne endete die römische Kaiserzeit daher im Jahr 476 (Absetzung des weströmischen Kaisers Romulus Augustulus) bzw. 565 (Tod des oströmischen Kaisers Justinian I.).
Zu der nachfolgenden Entwicklung vergleiche die detailliertere Übersicht im Artikel Spätantike.
Literatur
- Karl Christ: Geschichte der Römischen Kaiserzeit, 4. aktualisierte Auflage, München 2002. Beste Darstellung der Kaiserzeit in deutscher Sprache. Siehe dort auch für weiterführende Literatur.
- Alexander Demandt: Die Spätantike, München 1989. Überblickswerk über die späte Kaiserzeit und die Spätantike. Auch unter dem Titel Geschichte der Spätantike (1998) erhältlich.