Röhricht-Brennnessel

Art der Gattung Brennnesseln (Urtica)
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Die Röhricht-Brennnessel (Urtica kioviensis) ist eine Pflanzenart aus der Gattung der Brennnesseln (Urtica) in der Familie der Brennnesselgewächse (Urticaceae). Weitere deutsche Trivialnamen sind Ukrainische Brennnessel, Sumpf-Brennnessel, Russische Brennnessel und Kiewer Brennnessel.[1]

Röhricht-Brennnessel

Die Röhricht-Brennnessel Urtica kioviensis Rogow. kommt in Deutschland im Havelgebiet vor. Gut zu erkennen sind die Unterschiede zur Großen Brennnessel Urtica dioica L.: Glänzende Blätter aufgrund fehlender Borstenhaare, stattlicherer Bau, lang gestielte Blätter, keine Verzweigungen.

Systematik
Eurosiden I
Ordnung: Rosenartige (Rosales)
Familie: Brennnesselgewächse (Urticaceae)
Tribus: Urticeae
Gattung: Brennnesseln (Urtica)
Art: Röhricht-Brennnessel
Wissenschaftlicher Name
Urtica kioviensis
Rogow.

Beschreibung

Vegetative Merkmale

Die Röhricht-Brennnessel ist eine sommergrüne, ausdauernde krautige Pflanze, die Wuchshöhen von 60 bis 200 Zentimeter erreicht. Neben den Brennhaaren sind verstreut Borstenhaare vorhanden. Der liegende bis aufsteigende Stängel kann reichlich Wurzeln bilden und ist bei einem Durchmesser von 5 bis 8 Millimeter kaum kantig. Die gegenständigen Laubblätter sind in Blattstiel und Blattspreite gegliedert. Die Blattstiele sind mindestens halb so lang wie die Blattspreite. Die Oberseite der Blattspreite ist hellgrün und glänzt stark. Die Nebenblätter sind breit eiförmig und am Grund bis zu 15 Millimeter breit. Die Nebenblätter der oberen Blätter sind paarig bis zur Mitte verwachsen.

Generative Merkmale

Die Röhricht-Brennnessel ist einhäusig getrenntgeschlechtig (Monözie|monözisch). Die Blütezeit reicht von Juli bis August. Die oberen Blütenstände sind weiblich, die unteren männlich. Die männlichen Blütenstände sind in der Regel kürzer als der Blütenstiel. Das Perigon der weiblichen Blüten ist bis 2/3 geteilt, ihre Zipfel sind in der Mitte am breitesten.

Ökologie

Es handelt sich um eine rosettenlosen Hemikryptophyten, der ein Rhizom ausbildet. Die Bestäubung findet durch den Wind statt. Die Samen werden durch Stoßausbreitung ausgebreitet.

Vorkommen und Gefährdung

Die Röhricht-Brennnessel ist ein Vegetationselement des submeridionalen bis südtemperaten, kontinentalen Europas. In Deutschland kommt Röhricht-Brennnessel selten im Nordosten Sachsen-Anhalts an der Havel, in Mittel- und West-Brandenburg im Havelgebiet, am Müggelsee und bei Baruth sowie in Mecklenburg-Vorpommern in Teterow und im Faulenroster Holz vor.[2] In Österreich ist die Röhricht-Brennnessel auf die niederösterreichischen March- und Thaya-Auen beschränkt und wird als „gefährdet“ eingestuft.[1]

Die Röhricht-Brennnessel wächst in Staudenfluren, Röhrichten, Auenwiesen und Auengebüschen.[2]

Taxonomie

Die Erstbeschreibung von Urtica kioviensis erfolgte 1843 durch Afanassi Semjonowitsch Rogowitsch[3]. Hugh Algernon Weddell ordnete sie 1856 der Urtica dioica als Varietät Urtica dioica var. kioviensis (Rogow.) Wedd. unter.[4] Urtica kioviensis wurde aber in der Folge von Gustav Hegi als selbstständige Art beibehalten.[5] Die deutschen Vorkommen, der bis dahin in Mitteleuropa nur aus Niederösterreich bekannten Art, wurden zuerst 1936 von Bálint Zólyomi (1908–1997) veröffentlicht, zusammen mit einer ausführlichen Differenzialdiagnose gegenüber Urtica dioica.[6]

Verwendung

Die Röhricht-Brennnessel ist zur Gewinnung hochwertiger Nesselfasern geeignet.[7] Sie kann ähnlich wie die Große Brennnessel zu Nahrungszwecken verwendet werden. So können Suppen, Aufläufe, Salate, Spinat, etc. hergestellt werden.[8] Es gibt neuerdings Wurzelextrakte, die der Prostatavergrößerung entgegenwirken sollen.[9] Die Röhricht-Brennnessel könnte in Zukunft möglicherweise als Futterpflanze für verschiedene Tiere dienen.[10]

Belege

  • Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Begründet von Werner Rothmaler. 10., bearbeitete Auflage. Band 4: Gefäßpflanzen: Kritischer Band. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München/Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1496-2, S. 188.

Einzelnachweise

  1. a b Manfred A. Fischer, Karl Oswald, Wolfgang Adler: Exkursionsflora für Österreich, Liechtenstein und Südtirol. 3., verbesserte Auflage. Land Oberösterreich, Biologiezentrum der Oberösterreichischen Landesmuseen, Linz 2008, ISBN 978-3-85474-187-9, S. 555.
  2. a b Eckehart J. Jäger, Klaus Werner (Hrsg.): Exkursionsflora von Deutschland. Begründet von Werner Rothmaler. 10., bearbeitete Auflage. Band 4: Gefäßpflanzen: Kritischer Band. Elsevier, Spektrum Akademischer Verlag, München/Heidelberg 2005, ISBN 3-8274-1496-2, S. 188.
  3. Afanassi Semjonowitsch Rogowitsch: Urtica kioviensis, species nova plantarum. In: Bulletin de la Société impériale des naturalistes de Moscou. Band 16, Nr. 2, 1843, S. 324–326, Vorschau in der Google-Buchsuche
  4. Hugh Algernon Weddell: Monographie de la famille des Urticées. In: Archives du Muséum d'Histoire Naturelle, Paris. Band 9, Nr. 1–2, 1856, S. 1–592 (hier: S. 78), Digitalisathttp://vorlage_digitalisat.test/1%3Dhttp%3A%2F%2Fwww.biodiversitylibrary.org%2Fopenurl%3Fpid%3Dtitle%3A35667%26volume%3D9%26issue%3D1-2%26spage%3D78%26date%3D1856~GB%3D~IA%3D~MDZ%3D%0A~SZ%3D~doppelseitig%3D~LT%3D~PUR%3D
  5. Gustav Hegi: Illustrierte Flora von Mittel-Europa. Mit besonderer Berücksichtigung von Deutschland, Oesterreich und der Schweiz. Band III. Dicotyledones. J. F. Lehmanns, München 1912; S. 141, urn:nbn:de:hbz:061:2-22126-p0169-0
  6. Bálint Zólyomi: Urtica kioviensis Rogowitsch neu für die deutsche Flora. In: Verhandlungen des Botanischen Vereins der Provinz Brandenburg. Band 76, 1936, S. 152–156.
  7. Patent DE112005001792: Verfahren zum Aufschließen von Bastfasern. Angemeldet am 22. Juli 2005, veröffentlicht am 2. Februar 2005, Anmelder: FH Kaiserslautern, Erfinder: Klaus Sommer, Ralf Jakobi, Dietmar Sommer.
  8. Steffen G. Fleischhauer: Enzyklopädie der essbaren Wildpflanzen. 1500 Pflanzen Mitteleuropas. AT Verlag, Aarau 2003, ISBN 3-85502-889-3.
  9. Patent EP19910101516: Medical preparation containing stigmasta-4-en-3-one and the use thereof. Angemeldet am 2. Mai 1991, veröffentlicht am 6. August 1994, Anmelder: Boots Pharma GmbH, Erfinder: August S. Streber.
  10. Siegfried Schlosser, Lutz Reichhoff, Peter Hanelt: Wildpflanzen Mitteleuropas. Nutzung und Schutz. Deutscher Landwirtschaftsverlag, Berlin 1991, ISBN 3-331-00301-8.