Funktionstheorie

Teilgebiet der Musiktheorie und gehört zur Harmonielehre
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Die so genannte "Riemannsche" Funktionstheorie versucht, anhand von Buchstabensymbolen hörbare Spannungsbeziehungen (=Funktion) zwischen einzelnen Akkorden eines Musikstückes zu erfassen. Grundlage für die Funktionstheorie ist das durmolltonale Empfinden (= Tonalität). In der tonalen Musik sind alle Entwicklungen auf einen Grundton gerichtet. Zu dem Grundton gehört eine Tonleiter. Auf jeder Stufe dieser Tonleiter lassen sich Dreiklänge bilden. In der Funktionstheorie liegen die wichtigsten Akkorde auf der I., IV. und V. Stufe. Eine Folge dieser drei Klänge bezeichnet man als Kadenz, sie bestimmt die Tonart.

Im Wesentlichen verwendet die Funktionstheorie dazu die Buchstaben

für Dur-Dreiklänge
sowie t, d, s für Moll-Dreiklänge.

Eine einfache Dur-Kadenz jeder beliebigen Tonart (hier C-Dur) lässt sich so universell darstellen als T S D T:
Datei:FunktionstheorieNB1.PNG Klangbeispiel in C-Dur

Spielt man diese Kadenz in einer anderen Tonart, z. B. in A-Dur, so verändert sich zwar die gesamte Tonhöhe des Gebildes, nicht aber die Spannungsbeziehung der vier Akkorde untereinander.
Datei:FunktionstheorieNB2.PNG Klangbeispiel in A-Dur

Es handelt sich also bei der funktionalen Bezeichnung nicht um eine absolute, sondern eine relative, die immer den Bezug zu einer Grundtonart benötigt.

Wird ein Bratscher gefragt: "Was ist die Subdominante von F?" "Wieso, F ist doch die Subdominante..."
...stimmt natürlich nur in C-Dur, der einfachsten Tonart. Die richtige Antwort wäre aber B.


Alle Symbole können mit Zusätzen in Form von Zahlen und Buchstaben versehen werden.

1. Zusätze in Form von Zahlen

Diese wohl häufigste Art von Zusätzen bezeichnet Intervalle, die in Bezug auf den Grundton des jeweiligen Akkordes zu verstehen sind.

Beispiel: eine 7 im Zusammenhang mit dem Buchstaben D bezeichnet die Septime der Dominante
in B-Dur ist die Dominante F-Dur, die Septime zu F ist der Ton es
Datei:FunktionstheorieNB3.PNG
in G-Dur ist die Dominante D-Dur, die Septime zu D ist der Ton c
Datei:FunktionstheorieNB4.PNG


Wenn nicht anders vermerkt, handelt es sich immer um leitereigene Töne, das heißt, die Töne kommen in der Tonleiter der Grundtonart vor. Darum im Beispiel mit B-Dur auch es und nicht e, da in der Tonleiter das e zum es erniedrigt ist.

Es gibt zwei Orte, an denen Zahlen zum Buchstaben hinzugefügt werden können:

rechts oben (wie ein Exponent in der Mathematik)
unter dem Buchstaben

Die oben angefügten Zahlen bezeichnen diejenigen Intervalle, die dem Dreiklang beigegeben werden sollen oder andere Töne des Dreiklangs ersetzen sollen.

Dabei kommen als häufigste "Beigaben" die 7 und eine übereinander notierte Kombination aus 5 und 6 vor. Diese werden dem Dreiklang einfach hinzugefügt.
Datei:FunktionstheorieNB5.PNG


"Ersetzungen" sind etwas komplizierter.
Führen wir uns zunächst die Grundstruktur des Dreiklangs vor Augen, der aus dem ersten, dem dritten und dem fünften Ton der Tonleiter besteht.
Diese Struktur wird, wie beim Generalbass als Voraussetzung gesehen und deswegen auch in der Funtionsschreibweise nicht ausdrücklich erwähnt.

Alle ersetzenden Intervalle fungieren bis einschließlich zur klassischen Musik als "Vorhalte", die nach den Regeln der Stimmführung aufgelöst, das heißt in den Grundklang zurückgeführt werden müssen.

Im einzelnen sind dies:

4 - Die Quarte
sie ersetzt die Terz des Dreiklangs (=Quartvorhalt)
Datei:FunktionstheorieNB6.PNG
oft gebraucht in Verbund mit
6 - Die Sexte
sie ersetzt die Quinte des Dreiklangs (im Verbund mit der 4: Quartsextvorhalt)
Datei:FunktionstheorieNB7.PNG
9 - Die None
sie ersetzt die Oktave des Dreiklangs, also den oktavierten Grundton.
Datei:FunktionstheorieNB8.PNG
Aus diesem Grund schreibt man statt 9 auch nicht 2, was rechnerisch das gleiche meint, denn die hieraus folgende Ersetzung des Grundtons selbst würde dem Dreiklang die Basis entziehen.

Unter dem Buchstaben angefügte Zahlen bezeichnen denjenigen Ton, den der Akkord zum tiefsten Ton haben soll (siehe auch Umkehrung). Dabei ist es gleichgültig, ob dieser Ton zum ursprünglichen Dreiklang (1-3-5) gehört oder ein zusätzlicher Ton gemeint ist. Da aber Vorhalte in der Bassstimme sehr ungewöhnlich sind (wegen der oft tiefen Lage wäre zum Beispiel ein Quartvorhalt nur als mehr oder weniger hässliches Rumpeln zu hören), sind die häufigsten Zahlen an diesem Ort 3, 5 und 7.

Die 1 wird wieder stillschweigend vorausgesetzt
Die 5 ist auch eher ungewöhnlich, da sich der entstehende Akkord meist als Grundakkord mit Quartsextvorhalt entpuppt, was viel aussagekräftiger für den Zusammenhang ist als die bloße Angabe der Umkehrung.
Datei:FunktionstheorieNB9.PNG
Wird die Terz (3) in den Bass gelegt, entsteht ein Sextakkord
Liegt die Septime (7) im Bass, handelt es sich um einen Sekundakkord


2. Zusätze in Form von Buchstaben

Hierbei handelt es sich um die Angabe von Medianten, die mit dem Ausgangsdreiklang verwandt sind.

Dazu ist grundsätzlich zu sagen, dass das Prinzip "große Buchstaben-Dur; kleine Buchstaben-Moll" auch hier konsequent durchgehalten wird.

Die Buchstabenzusätze werden in Form eines Index (rechts unten) vermerkt.
Sie bezeichnen entweder die

Parallele (P bzw. p)

oder den

Gegenklang (G bzw. g)

Beispiele:

in C-Dur: Tp bezeichnet die Moll-Parallele der Tonika C, also a-Moll
in c-Moll: tP bezeichnet die Dur-Parallele der Tonika c, also Es-Dur
in C-Dur: Tg bezeichnet den Moll-Gegenklang der Tonika C, also e-Moll
in c-Moll: tG bezeichnet den Dur-Gegenklang der Tonika c, also As-Dur

Bei diesen Beispielen handelt es sich um die leitereigenen Medianten, ebenso ist es möglich zu schreiben:

TP: bedeutet in C-Dur: die Parallele von C, aber als Durdreiklang, also A-Dur
tp: bedeutet in c-Moll: die Parallele von c, aber als Molldreiklang, also es-Moll

Diese Mediantenbildung ist selbverständlich auch mit Dominante und Subdominante möglich, allerdings verliert an diesem Punkt die Funktionstheorie ihr wesentlichstes Merkmal, nämlich die Beziehung der Akkorde in Form von Spannungen zu beschreiben. Die Mollparallele einer Dur-Dominante existiert zwar theoretisch, hat jedoch keinerlei dominantischen (hinführenden, auflösungsbedürftigen) Charakter mehr. Daher wäre es irreführend, den entstehenden Klang mit der Dominante in Verbindung zu bringen. Im Gegenteil, durch sein gleichzeitiges mediantisches Verhältnis zur Tonika ist er eher der Zielklang-Gruppe zuzuordnen.
Ähnlich verhält es sich mit der Funktion "Sp", der am ehesten möglichen Mediante einer Kadenzfunktion. In C-Dur ist die Subdominante F-Dur, deren Parallele d-Moll. Zwar hat diese Parallele im Kontext immer noch subdominantischen Charakter (die Folge Sp-D-T spielt zum Beispiel im Jazz eine überaus wichtige Rolle), dennoch benutzt man diesen Ausdruck selten, da eine andere, viel entscheidendere Qualität verschleiert wird: die Folge d-Moll, G-Dur, C-Dur ist Teil einer Quintfallsequenz, die einzelnen Basstöne stehen im Quintenabstand zueinander. Der Begriff "Subdominante" im Zusammenhang mit dem ersten Klang lässt dies auf den ersten Blick aber nicht vermuten (Subdominante und Dominante sind genau einen Ganzton voneinander entfernt).

Daher verwendet man in solchen Fällen gerne die etwas allgemeiner gehaltene Stufentheorie, die die Klänge neutraler beschreibt, aus diesem Grunde aber auch wenig über Spannungsverhältnisse aussagen kann.