Turgut Özal

türkischer Politiker, Staats- und Ministerpräsident
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Turgut Özal (* 13. Oktober 1927 in Malatya; † 17. April 1993 in Ankara) war Staats- und Ministerpräsident der Türkei. Er war verheiratet mit Semra Özal. Aus dieser Ehe stammen drei Kinder. Sein Tod löste in der Türkei Kontroversen über die Todesursache aus, die bis heute noch nicht abschliessend geklärt und Gegenstand von Untersuchungen darüber sind.

Turgut Özal (1986)

Leben

Ausbildung

1950 schloss Turgut Özal sein Studium an der Technischen Universität Istanbul als Elektroingenieur ab. Im gleichen Jahr trat er eine Stelle beim Amt für Studien im Bereich Energiegewinnung (Elektrik İşleri Etüd İdaresi), einer nachgeordneten Behörde des Energieministeriums, an. Zwei Jahre später wurde er zur Weiterbildung in die USA geschickt, worauf er nach seiner Rückkehr wieder in der gleichen Institution als stellvertretender Abteilungsleiter in der Generaldirektion eingesetzt wurde.

Karriere

Im Jahre 1958 wurde Turgut Özal Leiter des Sekretariats der neu gegründeten staatlichen Planungskommission und half bei der Gründung des Staatlichen Planungsamtes. In dieser Zeit begann er 1960 seine Lehrtätigkeit an der Ortadoğu Teknik Üniversitesi (ODTÜ, engl. Middle East Technical University) in Ankara. 1966 wurde er zum technischen Berater des Ministerpräsidenten ernannt und ein Jahr später zum Leiter des staatlichen Planungsamtes. 1971 verließ Özal das staatliche Planungsamt und begann seine Tätigkeit als leitender Berater für Industrie- und Bergbauprojekte bei der Weltbank. Nach seiner Rückkehr in die Türkei 1973 war er in leitenden Positionen in verschiedenen Unternehmen des Privatsektors in den Sparten Eisen und Stahl, Automobilindustrie, Banken, Textilien, Lebensmittel und Gießereien tätig. 1977 wurde er in den Verwaltungsrat der Arbeitgebervertretung der metallverarbeitenden Industrie (MESS) und zu dessen Vorsitzenden gewählt. 1979 wurde er Berater des Ministerpräsidenten. Gleichzeitig war er Vizepräsident des staatlichen Planungsamtes.

Politische Ämter

 
Unterschrift von Özal

Turgut Özal war nach dem Militärputsch vom 12. September 1980 als stellvertretender Ministerpräsident in der Regierung von Bülent Ulusu verantwortlich für Wirtschaft. Er wurde am 20. Mai 1983 zum Vorsitzenden der von ihm gegründeten Anavatan Partisi (Mutterlandspartei, ANAP) gewählt und nach den Wahlen vom 6. November 1983 mit der Bildung der Regierung beauftragt, die er bis 1989 als Ministerpräsident führte.

Knapp ein Viertel Jahrhundert nach dem Anwerbeabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Türkei[1] war die Türkei 1985 Partnerland der Hannover Messe; bei diesem Anlass verewigte sich Turgut Özal als türkischer Ministerpräsident am 14. Juli des Jahres im Goldenen Buch der Stadt Hannover.[2]

Am 18. Juni 1988 misslang ein Attentat auf Özal bei einem Kongress der Regierungspartei. Die Große Nationalversammlung wählte Özal am 31. Oktober 1989 zum Staatspräsidenten.

Als Angehöriger des Sufi-Ordens der Naqschbandi betrieb Özal sowohl die wirtschaftliche Öffnung der Türkei als auch deren Re-Islamisierung. Nach dem zweiten Golfkrieg 1991 und der Flucht von Hunderttausenden Kurden an die türkische Grenze setzte sich Özal für die Schaffung einer internationalen Zone im Irak ein, um die Flüchtlinge humanitär zu versorgen. Er eröffnete auch den Dialog zwischen Ankara und den Kurdenführern Masud Barzani und Dschalal Talabani. Um auch in seinem eigenen Land die Kurdenproblematik zu entschärfen, verhandelte er mit der PKK über eine Waffenruhe. Zu der Zeit betonte er dann sogar, dass seine Großmutter Kurdin gewesen sei.

Während seiner Amtszeit begnadigte er 21 Gefangene.[3]

Für die Türkei war der aus dem ostanatolischen Malatya stammende Özal, Vorsitzender der „Mutterlandspartei“, zunächst als Ministerpräsident und danach als Staatsoberhaupt die dominierende politische Figur der achtziger und der frühen neunziger Jahre. Mehrfach provozierte er in seiner Amtszeit die türkische Armee, die damals noch unangefochten die Richtlinien der Politik bestimmte. Als entschiedener Reformer liberalisierte er vor allem die Wirtschaft des Landes. Mit seiner Politik machte sich Özal damit jedoch auch viele Feinde, die seinen Tod desalb geplant haben könnten.

Tod

Turgut Özal starb am 17. April 1993. Als Todesursache Özals war 1993 offiziell Herzversagen angegeben worden. Doch hält sich seit Jahren der auch von Özals Witwe und seinem Sohn Ahmet unterstützte Verdacht, er könnte vergiftet worden sein. Bis heute wird über die Todesursache diskutiert, da nun auch in anderen Kreisen von einer Vergiftung die Rede ist. Bereits lange Zeit litt er an einem Herzleiden und stand ständig unter ärztlicher Beobachtung. Sein Tod löste in der Türkei große Trauer und Bestürzung aus.

In einem im Juni 2012 veröffentlichten Bericht bezeichneten Sonderermittler des Präsidialamtes seinen Tod als „verdächtig“. An Turgut Özals Todestag kam es zu einer auffälligen Häufung von seltsamen Umständen; z.B. war der Leibarzt an diesem Tag nicht im Präsidentenpalast, wo es zudem an Ausrüstung zur ersten Hilfe mangelte. Außerdem soll der Notarztwagen aufgrund von „mechanischen Schwierigkeiten“ nicht sofort einsatzbereit gewesen sein. Nach seinem Tod wurde seinerzeit keine Autopsie angeordnet, was absolut nicht üblich ist. Özals Arzt behauptete damals, die Familie des Verstorbenen habe keine Autopsie verlangt. Die Angehörigen bestreiten diese Darstellung bis heute.

Nach Veröffentlichung dieses Berichts über die zweifelhaften und ungeklärten Todesumstände Özals hatte die Staatsanwaltschaft Mitte September eine Obduktion angeordnet. Am 18. September 2012 gab die Staatsanwaltschaft in Ankara bekannt, dass sie den Leichnam Özals zu exhumieren plane, um Hinweisen auf einen Giftmord nachzugehen.[4] Mit der Exhumierung wurde am 2. Oktober begonnen.[5] Am 2. November 2012 berichtete die Zeitung Bugün, dass bei der Autopsie der sterblichen Überreste Özals „Spuren von Strychnin“ gefunden worden seien, unter anderem im Knochenmark der Leiche. Das Blatt berief sich dabei auf amtliche Quellen.[6] Das mit der Untersuchung und Obduktion der Leiche beauftragte forensische Institut gab bekannt, dass die Untersuchungen noch nicht beendet seien, sie aber so bald wie möglich zum Abschluss gebracht und das Ergebnis dann der Staatsanwaltschaft übergeben werde.

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Einzelnachweise

  1. Peter Schulze: Muslime, in: Stadtlexikon Hannover, S. 457
  2. Waldemar R. Röhrbein: 1985, in Hannover Chronik, S. 293–296, hier: S. 293
  3. List of Sezer amnesty recipients terror-based, Today´s Zaman Online (Abgerufen am 4. April 2007)
  4. Leiche des türkischen Ex-Präsidenten Özal wird exhumiert
  5. Türkische Justiz exhumiert Leiche von Ex-Präsident Özal
  6. Spekulationen über Vergiftung Özals www.faz.net, 2. November 2012