Mit Nordwestgriechen wird jene Gruppe der frühen Einwohner Griechenlands bezeichnet, die erst später und weniger weit südlich vordrangen und teilweise noch in der Urgesellschaft verharrten, als die Südgriechen bereits erste Stadtstaaten, Reiche und Kolonien bildeten.
Sonderfall Makedonen
Die für die Argumentation griechischer Nationalisten notwendige Vereinnahmung der Makedonen als Griechen weist Schwächen, Lücken und Widersprüche auf. Die nahezu einhellige Lehrmeinung sowohl der Balkanistik und Gräzistik ordnet die antiken Makedonen zwar regional den „Nordwestgriechen“ zu, rechnet sie aber – im Gegensatz zu Epiroten etwa – meist nicht zur eigentlichen Gruppe dieser griechischen Einwanderer. Eine im 2. Jahrtausend v.u.Z. in der Region nachgewiesene „Mazedonische Bronzekultur“ wird von frühgriechischen Äioliern, Ioniern und eben Doriern usw. unterschieden. Es waren der Historiker Thukydides (selbst halbthrakisch) und der Athener Demosthenes selbst, die die Makedonen wiederholt als „Barbaren“ von den als Nordwestgriechen anerkannten Epiroten usw. ausgrenzten.
Hellenisierte Barbaren?
Auch das Argument, Makedonen hätten nachgewiesenermaßen – wie alle anderen Griechen – stets an den (zunächst nur Griechen offenstehenden) Olympischen Spielen teilgenommen, bedarf der Korrektur. Makedonen finden sich erst seit dem 5. Jahrhundert unter der Liste der Olympioniken – also erst nach den Perserkriegen, in denen die Makedonen als Untertanen der Perser noch gegen die Griechen gekämpft hatten. Zumindest aber in den ersten drei Jahrhunderten der Olympiade waren sie nicht zugelassen – trotz sehr ähnlicher (nach heutiger griechischer Lesart: gleicher) religiöser und kultureller Traditionen. Der erste makedonische Olympia-Teilnehmer, König Alexander I. (498-452) war von den (übrigen) Griechen seiner Zeit noch als „Philhellene“ geehrt, nicht als „Hellene“ bezeichnet worden. Sehr wohl trugen Gelehrte und Sprachkundige der makedonischen Hauptstädte zur griechischen Literatur bei, doch selbst noch gegen Ende des 4. Jahrhunderts v.u.Z. sprach Alexander der Große zu seinen makedonischen Soldaten in allen anderen Griechen unverständlichen Worten. Dabei hatte es sich offenbar eben doch nicht bloß um einen den meisten Südgriechen schwer verständlichen Dialekt gehandelt, sondern um eine andere, wenn auch verwandte Sprache der Hirten aus den Bergdörfern des Nordens. Vielmehr besteht ein wörtlicher Zusammenhang zur griechischen Definition (z.B. Demosthenes´) für „Barbaren“ als „fremde Stotterer“ bzw. „unverständlich Krächzende“, so immerhin die Übersetzung.
Ebenso kann eine Betitelung Alexanders III. und seines Vaters Philipp II. als „König(e) aller Griechen“ übergangen werden. Erstens stammen viele Schriftstücke, Münzinschriften, architektonische Zeugnisse etc. dieser Art aus späteren Zeiten und Epochen – zweitens sind eher abgrenzende Bezeichnungen wie „König der Griechen UND Makedonen“ fast ebenso oft überliefert. Andererseits bedeutete selbst „König aller Griechen“ eher einen politischen Anspruch als eine ethnische oder kulturelle Identität – Sparta z.B. unterwarf sich nie, Athen und Theben rebellierten ständig.
Griechische und jugoslawische Propaganda
Zwar versuchen die Nationalisten, die jugoslawische These zu widerlegen, die Makedonen wären ein nichtgriechisches Volk gewesen, das zwar zunächst hellenisiert wurde, sich dann aber mit den Slawen vermischt habe. Wichtiger für sie aber ist zu beschwören, daß heutige Mazedonier lediglich nicht die Nachkommen antiker Makedonen sind – egal, ob diese nun Griechen oder hellenisierte Barbaren gewesen waren – sondern allein jene slawischen Einwanderer der Nachvölkerwanderungszeit sein müssen. Das allerdings kommt den von den meisten internationalen Wissenschaftlern (außer den meisten konservativen Griechen natürlich) anerkannten historischen und ethnischen „Tatsachen“ weit näher.
Gegensätzliche Minderheitenpolitik
In jedem Falle aber ist in Nordgriechenland statt der Existenz einer nordwestgriechischen Minderheit die Existenz einer slawischen neben der türkischen Minderheit ebenso Realität wie die einer (vermeintlich) griechischen Minderheit in Süd-Mazedonien.
Diese beiden Minderheiten werden von Griechenland als ein und dieselbe Minderheit bzw. als eingewanderte Serben und Bulgaren oder eben slawische Mazedonier betrachtet. Die meisten Angehörigen dieser slawischen Minderheit wurden nach dem Ende des griechischen Bürgerkrieges 1949 als kommunistische Agenten nach Jugoslawien ausgewiesen bzw. vertrieben.
In Jugoslawien bzw. noch heute in Mazedonien gelten die Nachkommen dieser Griechenland-Flüchtlinge aber als „griechischstämmige“ Minderheit. Sie leben im Süden vor allen in und um Prilep, Bitola, Gevgelija und Strumica.