Joghurt

Milcherzeugnis
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Joghurt beziehungsweise Jogurt (vom Thrakischen über Türkisch Yoğurt) ist durch eine bestimmte Art von Milchsäurebakterien, beispielsweise Lactobacillus bulgaricus, verdickte und auf diese Weise länger haltbar gemachte Milch. Joghurt schmeckt säuerlich. Er wird sowohl ohne Zusätze (Naturjoghurt) als auch in verschiedenen Geschmacksrichtungen (u. a. als Fruchtjoghurt) vermarktet. In Deutschland heißt es meist der Joghurt, in Österreich und der Schweiz das Joghurt. Auch die Schreibung die Joghurt ist zulässig, sie wird aber so gut wie nie verwendet.

Türkischer Joghurt

Geschichte des Joghurts

Das Wort Joghurt stammt vom türkischen „yoğurt“, welches seinerseits von „yoğurtmak“ abgeleitet ist, das „dicker machen“ bedeutet und auf die Art der Herstellung verweist.

Vermutlich stammt die Kunst der Joghurtherstellung von den Thrakern, der Urbevölkerung der Balkanhalbinsel. Die Schafzucht war bei den Thrakern sehr verbreitet. In der Sprache der Thraker bedeutete das Wort jog „schnittfest, dick“, und das Wort urt „Milch“. Daher entstand das Wort Joghurt. Nachweislich trugen die Thraker (6. bis 4. Jhd v.Chr.) um den Gürtel einen länglichen Sack aus Lammfell - gefüllt mit Milch. Durch die Körpertemperatur und die Mikroflora im Lammsack kam es zur Milchsäuregärung. Solche Lammsäcke mit Milch banden sie auch um den Körper der Pferde.

Um die Verbreitung des Joghurts ranken sich zahlreiche Legenden. Sie heben meist eine Diffusion des Milchproduktes in Westeuropa seit dem 16. Jhd. hervor. So liest man etwa, dass ein türkischer Arzt die quälenden Magenprobleme des französischen Königs Franz I. mit Hilfe des mitgebrachten bulgarischen Joghurts heilen konnte. Abseits solcher Anekdoten ist festzuhalten, dass die Verbreitung des Joghurts sich klar mit dem Jahr 1906 verbinden lässt. Der Pariser Bakteriologie Elie Metchnikoff verband damls ein epidemiologisches Wissen um die hohe Lebenserwartung bulgarischer Bauern mit deren Alltagskost. In diesem Joghurt isolierte er den "Bacillus bulgaricus" und verband dessen Konsum mit der Wahrscheinlichkeit langen Lebens. Öffentlichkeit und Wissenschaft nahmen dieses Versprechen enthusiastisch auf. Joghurt wurde im Deutschen Reich seit 1907 einerseits als Joghurt in städtischen Molkereien produziert, wurde zum anderen in Form von Trockenfermenten über spezielle Versandgeschäfte und Reformhäuser verkauft. Die begrenzten Kühlmöglichkeiten in den Läden und Haushalten begrenzten den Absatz jedoch, zumal US-amerikanische Forscher 1918 nachweisen konnten, dass der Bacillus bulgaricus die Darmflora nicht verbessert, da er zuvor von der Magensäure zerstört wurde. In den 1920er Jahren wurde jedoch die Acidophilus-Milch neu entwickelt, deren Bakterienkultur die Darmflora positiv beeinflussen kann. Der Joghurtkonsum stieg in Deutschland insbesondere in den 1930er und den Kriegsjahren stark an. Sein Image als Diätspeise durchbrach er jedoch erst seit den späten 1960er Jahren, als der uns heute allgemein geläufige Fruchtjoghurt üblich wurde. Seither ist er ein gängiges, von Frauen überdurchschnittlich verzehrtes Alltagsprodukt (Konsum 2004 ca. 13 kg/Kopf].

In Asien war der Kumis, hergestellt aus Stutenmilch, ein hoch geschätztes Nahrungsmittel. Dschingis Khan versorgte vor jeder Schlacht seine Armee damit.

Für die kommerzielle Herstellung von Sauermilcharten wurden verschiedene Milchsäurebakterien selektiert. Interessant ist, dass Produkte, die aus südlichen Gegenden stammen, mithilfe von thermophilen (wärmeliebenden) Milchsäurebakterien hergestellt wurden, während man für die aus dem Norden stammenden Sauermilcharten mesophile (mittlere Temperaturen liebende) Milchsäurebakterien eingesetzt hat. Beim heutigen Stand der Technik spielen diese klimatischen Bedingungen bei der Herstellung von Sauermilcharten allerdings keine Rolle mehr.

Natur- und Industrieprodukt

Joghurts auf dem südlichen Balkan bestehen nur aus Milch und Lactobacillus bulgaricus, ohne weitere Zusätze. Naturjoghurt dieser Art wird dort auch im offenen Verkauf vertrieben. Eine Portion - in der Regel 500 Gramm - hält allerdings nur einige Stunden frisch, im Kühlschrank etwa einen Tag.

Die Ingredienzen eines fertig gesüßten mitteleuropäischen Joghurts im Jahre 2003 sind dagegen: Milch, Magermilchpulver, Emulgator E 322, modifizierte Maisstärke, Farbstoffe, Aromen und Süßstoff. In Industrienationen wird praktisch kein Joghurt mehr nach alter Art hergestellt. Eine Portion - meist ein Plastikbecher mit 180 ml Inhalt - ist etwas mehr als drei Wochen haltbar. Ist Joghurt allerdings im „außerplanmäßigen“ Sonderangebot, dann ist damit zu rechnen, dass die Kühlkette für diesen Joghurt unterbrochen war, sodass auf das Haltbarkeitsdatum wegen Schimmelpilz-Wachstums kein Verlass mehr ist.

Entsprechend den Wünschen vieler Verbraucher wurde durch Verwendung einer weniger stark säuernden Milchbakterienart der Joghurt mild entwickelt. Dieser Joghurt findet mittlerweile die häufigste Verbreitung in unseren Supermärkten.

Herstellung

Ursprünglich entstand Joghurt als Zufallsprodukt, als die Milch spontan sauer geworden war, später aber wurde der Prozess durch Anreicherung und Züchtung geeigneter Milchsäurebakterien und durch die Einhaltung optimaler Wachstumsbedingungen für die eingesetzten Mikroorganismen (insbesondere der Temperaturkontrolle) unter Kontrolle gebracht. Bei geeigneten Temperaturen (etwa 40 °C) kann mit Joghurtkulturen geimpfte Milch auch zu Hause in Joghurt umgewandelt werden. Insbesondere in den Industrienationen sind entsprechende Joghurt-Zubereitungsmaschinen in diversen Ausführungen auf dem Markt.

Fermentation

Die von Joghurt durch Milchsäurebakterien wird als Fermentation bezeichnet. Milchsäurebakterien erzeugen durch die teilweise Umwandlung des Milchzuckers (Laktose) in Milchsäure und durch die Bildung von produktspezifischen Aromastoffen den charakteristischen Geschmack und Geruch eines Joghurtprodukts.

Die Milchsäure führt zu einer Zerstörung der äußeren Schutzhülle der Eiweißmoleküle, welche dadurch aneinander kleben beziehungsweise dicklegen können (Eiweißgerinnung/Denaturierung). In den Zwischenräumen wird das in der Milch enthaltene Wasser (Molke) eingeschlossen

Bakterienkulturen

Zu den wichtigsten Milchsäurebakterien in traditionellen Sauermilcharten wie Joghurt, Sauermilch, Buttermilch usw. gehören Streptokokken und Laktobazillen. Die bei der traditionellen Herstellung eingesetzten Arten und Stämme sind nicht säure- und gallensalzresistent und überleben deshalb kaum die Magen-Darm-Passage. Anders verhält es sich bei den so genannten probiotischen Bakterien, die angeblich eine gesundheitsfördernde Wirkung haben sollen. Diese wurden - als Darmbakterien - ursprünglich aus menschlichen Fäkalien gewonnen. Probiotische Mikroben werden nach besonderen Kriterien ausgewählt, um sicherzustellen, dass sie in lebensfähiger Form den Darmtrakt erreichen und ihre Stoffwechselaktivität dort entfalten können. Grundvoraussetzung dafür ist aber, dass diese Mikroorganismen gesundheitlich unbedenklich sind, das heißt weder pathogen noch toxigen sein dürfen.

Die Hersteller unterscheiden bei ihren probiotischen Produkten:

  • Probiotika: Zubereitungen mit lebenden, speziell selektierten Darmbakterien (vor allem Laktobazillen), die nach dem Verzehr den menschlichen Organismus durch bestimmte physiologische Effekte günstig beeinflussen sollen.
  • Prebiotika: Spezifische, unverdaubare Stoffe, die Nahrungsmitteln zugesetzt werden, um die Stoffwechseltätigkeit bestimmter Mikroorganismen des Darmtraktes zu aktivieren.
  • Symbiotika: den Nahrungsmitteln zugesetzte Mischung von Probiotika und Prebiotika - mit dem Ziel, einerseits dem menschlichen Darm angeblich gesundheitsfördernde Mikroorganismen zuzuführen und andererseits diese sowie die körpereigenen Bakterien zu aktivieren.

Da der klassische Naturjoghurt dem heutigen Verbraucher zu sauer ist, werden fast ausschließlich so genannte „milde“ Kulturen eingesetzt. Diese bilden überwiegend rechtsdrehende L(+)-Milchsäure, welche ernährungsphysiologisch vorteilhafter ist, da sie durch ein spezifisches Enzym, die L(+)-Laktat-Dehydrogenase, schneller abgebaut wird als linksdrehende Milchsäure. Auch verleihen diese Kulturen dem Joghurt ein milderes Aroma.

Joghurtmischerzeugnisse

Naturjoghurt

Naturjoghurt wird nur aus Milch oder Sahne und Milchsäurebakterien hergestellt. Unterschieden wird je nach Fettgehalt:

  • Joghurt aus entrahmter Milch (auch Magermilchjoghurt): maximal 0,5% Fett
  • Fettarmer Joghurt: 1,5 - 1,8% Fett
  • Joghurt: mindestens 3,5% Fett
  • Sahnejoghurt (Rahmjoghurt): mindestens 10% Fett

Fruchtjoghurt

Fruchtjoghurt gehört zu den Milchmischerzeugnissen und enthält zusätzlich Früchte oder Fruchtzubereitungen. Unterschieden wird je nach Fruchtanteil:

  • Fruchtjoghurt oder Joghurt mit Früchten: mindestens 6% Frischfrucht
  • Joghurt mit Fruchtzubereitung: mindestens 3,5% Frischfrucht
  • Joghurt mit Fruchtgeschmack: weniger als 3,5% Frischfrucht

Die Zusammensetzung der Fruchtzubereitung muss nicht angegeben werden, wenn ihr Anteil unter 2 Prozent am Gesamtprodukt liegt (siehe auch Mogelkennzeichnung). Häufig besteht eine Fruchtzubereitung aus gepressten Fruchtrückständen, Zucker, Zitronensäure, Verdickungsmitteln, Aromen und Konservierungsstoffen. Ökotest hat herausgefunden, dass der Fruchtanteil teilweise unter einem Prozent liegt, was bei Erdbeerjoghurt etwa eine Erdbeere pro Becher entspricht, ferner wird kritisiert, dass diese Joghurts oft als fettarm angepriesen, hohe Zuckergehalte aufweisen bzw durch hohe Süßstoffbeigaben eine Gewöhnung an zuckerhaltige Speisen erfolge.

Der Fruchtjoghurt hat einen Marktanteil von 80% am Joghurtumsatz.

Trinkjoghurt

In den Theken der Kühlregale finden sich mittlerweile auch viele Trinkjoghurts ein, die in ähnlichen Geschmacksrichtungen wie die Früchtejoghurts angeboten werden. Diese werden hergestellt durch Wasserzusatz zu einem normalen Joghurt und /oder einen tieferen pH-Wert. Es wird auch auf Verdickungsmittel verzichtet.

Eine ältere Form der Joghurtgetränke kommt aus dem Orient (Türkei: Ayran, Indien: Lassi). Als Basis für seine Herstellung dient Joghurt mit stark säuernden Kulturen (Streptococcus thermophilus und Lactobacillus bulgaricus), der mit Wasser und Salz oder mit Fruchtsäften vermischt wird und als traditionelles Erfrischungsgetränk gut gekühlt zu servieren ist.

Andere Geschmacksrichtungen

Neben dem Fruchtjoghurt gibt es weitere Mischerzeugnisse mit verschiedenen Aromen wie zum Beispiel Vanille, Nougat, Stracciatella, Schokolade oder Kaffee.

Einige Erkenntnisse ernährungswissenschaftlicher Studien

Bereits bei den traditionellen Joghurtprodukten ermöglichen die Verminderung des Laktosegehaltes und die Enzyme der in den Produkten anwesenden Milchsäurebakterien, dass auch Konsumenten mit Laktose-Unverträglichkeit Joghurt in begrenzten Mengen ohne Beschwerden genießen können.

Insgesamt bietet die Säuerung der Milch, das heißt die Milchsäuregärung, folgende Vorteile:

  • die begrenzte Konservierung der leichtverderblichen Milch,
  • einen erhöhten Genusswert durch Bildung von Milchsäure und spezifischen Aromastoffen,
  • eine verbesserte Verdaulichkeit infolge der Veränderung mancher Milchinhaltsstoffe während der Milchsäuregärung.
  • Weil die längere Einnahme von Antibiotika teilweise die Darmflora zerstört, wird der Verzehr von probiotischem Joghurt empfohlen, denn die Joghurtbazillen wirken wohltuend auf die Verdauung; jedoch schwächt der Verzehr von Joghurt die Wirksamkeit des Antibiotikums ab, wenn sie zeitgleich dem Stoffwechsel zugeführt werden. Das Calcium im Joghurt wirkt pufferähnlich auf Antibiotika-Wirkstoffe, daher sollten Milchprodukte erst einige Stunden nach der Einnahme verzehrt werden.

Verwandte Produkte

So genannte Dickmilch wurde, bevor die Pasteurisierung von Milch mit dem Milchgesetz 1930 gesetzlich vorgeschrieben wurde, oft zu Hause hergestellt. Sie bildet eine Variante von Joghurt, entsteht jedoch auf Basis von in der Milch üblicherweise enthaltenen Bakterien. Raumtemperatur reicht aus, um die Milch innerhalb von ein bis zwei Tagen umzusetzen. Die Bakterien sind anaerobe Milchsäurebakterien; sie stammen teils von der Kuh, und gelangten teils beim Melken aus der Luft in die Milch. Daher kann pasteurisierte Milch nicht benutzt werden, um Dickmilch (ohne Bakterienzusatz) herzustellen. Eine in jüngerer Zeit entstandene Alternative zu Joghurt aus Kuhmilch ist Sojajoghurt.

Ähnliche Milchprodukte

Kefir, Ymer

Literatur

  • Jean Pütz, Ellen Norten: Hobbythek - Joghurt, Quark & Käse. ISBN 3-80256-213-5
  • Lotte Hanreich, Ingeborg Hanreich: Joghurt, Käse, Rahm & Co. ISBN 3-70200-878-0
  • Uwe Spiekermann: Functional Food : Zur Vorgeschichte einer „modernen“ Produktgruppe, Ernährungs-Umschau 49, 2002, S. 182-188 (zur Geschichte des Joghurts)